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HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 894

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel

Zitiervorschlag: BGH, 4 StR 78/14, Urteil v. 17.07.2014, HRRS 2014 Nr. 894


BGH 4 StR 78/14 - Urteil vom 17. Juli 2014 (LG Magdeburg)

Verfahrensrüge (Anforderungen an die Revisionsbegründung: Darlegung von Negativtatsachen, Inbezugnahme von Aktenbestandteilen).

§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verlangt eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen, dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1952 - 2 StR 306/52,vgl. BGHSt 3, 213, 214). Wird beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung, dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch - verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001 f.) - die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei (vgl. BGH NJW 2001, 2558 f.).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen - verfassungsrechtlich unbedenklich - die im Beweisantrag in Bezug genommenen Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (vgl. BGH StV 2004, 305, 306).

Entscheidungstenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 26. November 2013 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten des "Bestimmens einer Person unter 18 Jahren, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren, der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in 14 Fällen, des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer verbotenen Waffe und des vorsätzlichen Besitzes von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport" schuldig gesprochen und ihn hierwegen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Ferner hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 15.770 € angeordnet. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.

Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte Ende August 2011 den, wie er wusste, 16-jährigen P., 20 Gramm Haschisch, 20 Gramm Marihuana, 20 Gramm Amphetamingemisch und 20 Ecstasy-Tabletten zu von ihm vorab festgelegten Verkaufspreisen gewinnbringend zu veräußern. Nachdem P. dies gelungen war und er die ebenfalls vom Angeklagten festgelegten Einkaufspreise an diesen erstattet hatte, verkaufte P. anschließend bis Ende Februar 2012 (UA 8) in 14 weiteren Fällen sich sukzessive erhöhende Rauschgiftmengen gewinnbringend für den Angeklagten. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 7. Februar 2013 wurde der Angeklagte im Besitz eines silberfarbenen Schlagrings und 196 Tabletten, die insgesamt 691,88 mg des verschreibungspflichtigen anabolen Steroids Metandienon enthielten, angetroffen.

II.

Keine der Verfahrensrügen greift durch.

1. Vergeblich rügt der Beschwerdeführer, das Gericht habe seine Überzeugung entgegen § 261 StPO nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpft.

a) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung die Verstöße gegen das Waffen- und das Arzneimittelgesetz eingeräumt, die ihm vorgeworfenen 15 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz indes pauschal bestritten. Der Zeuge P. hat in der Hauptverhandlung "auf konkreten - wortwörtlichen - Vorhalt" (UA 9) seiner Beschuldigtenvernehmungen vom 14. Mai und 25. Juni 2012 bestätigt, die Angaben gegenüber der Vernehmungsbeamtin jeweils so wie protokolliert gemacht zu haben. Im angefochtenen Urteil hat das Landgericht die polizeilichen Angaben, die in den Niederschriften insgesamt knapp 13 Seiten einnehmen, von den jeweiligen Belehrungen abgesehen, in wörtlicher Rede wiedergegeben. Diese Darstellung nimmt im Urteil - mit textlichen Überleitungen - annähernd neun Seiten ein. Der Beschwerdeführer trägt vor, die polizeilichen Niederschriften seien in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden; durch Vorhalt an den Zeugen P. hätten sie schon wegen ihres Umfangs nicht eingeführt werden können.

b) Die Rüge ist unzulässig, weil sie nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form begründet worden ist. Diese Vorschrift verlangt eine so genaue Angabe der die Rüge begründenden Tatsachen, dass das Revisionsgericht auf ihrer Grundlage prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (BGH, Urteil vom 14. Oktober 1952 - 2 StR 306/52, BGHSt 3, 213, 214; Beschluss vom 8. November 2000 - 3 StR 282/00 mwN; KK-StPO/ Gericke, 7. Aufl., § 344 Rn. 38 f.). Wird beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung, dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, NJW 2005, 1999, 2001 f.) - die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei (BGH, Urteil vom 11. April 2001 - 3 StR 503/00, NJW 2001, 2558 f.; OLG Düsseldorf, StV 1995, 120; Gericke, aaO, § 344 Rn. 58; Sander in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 185).

Daran fehlt es hier: Der Beschwerdeführer hat versäumt, das Urteil des Amtsgerichts Wittlich vom 6. November 2012 vorzutragen, mit dem der Zeuge P. wegen der nämlichen Betäubungsmitteldelikte verurteilt worden ist. Dieses Urteil wurde nicht nur dem Angeklagten vorgehalten (Teilprotokoll vom 21. November 2013, S. 5), sondern auch urkundenbeweislich verlesen (Teilprotokoll vom 26. November 2013, S. 2). Ohne Vorlage dieses Urteils kann der Senat nicht prüfen, ob die Angaben des Zeugen P. in den beiden polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen durch Verlesung im Strengbeweis eingeführt worden sind. Denn P. hat in der tatrichterlichen Hauptverhandlung bekundet, er habe vor dem Amtsgericht Wittlich den Sachverhalt dem Gericht gegenüber "sinngemäß" so geschildert wie in den Vernehmungen vor der Polizei (UA 18). Der möglicherweise gesondert zu beurteilende Fall, dass das Tatgericht den Wortlaut der Urkunden verwertet hat, liegt hier ersichtlich nicht vor; das Landgericht hat lediglich den Inhalt der polizeilichen Vernehmungen P. s bei seiner Beweisführung herangezogen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. August 1987 - 5 StR 162/87, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 5, und vom 5. April 2000 - 5 StR 226/99, BGHR StPO § 249 Abs. 1 Verlesung, unterbliebene 1 sowie zur Abgrenzung, wenn - anders als hier - eine bestätigende Erklärung der Auskunftsperson fehlt, BGH, Beschluss vom 13. April 1999 - 1 StR 107/99, StV 1999, 359 f.; Urteile vom 30. August 2000 - 2 StR 85/00, NStZ 2001, 161, und vom 6. September 2000 - 2 StR 190/00, NStZ-RR 2001, 18).

Die Revision unterlässt es außerdem, zum Ablauf der Einvernahme der Kriminalkommissarin F., die P. vernommen hatte, näher vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1995 - 3 StR 99/95, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Verwertungsverbot 4; Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 1 StR 377/12). Denn es liegt nahe anzunehmen, dass Polizeibeamte, die sich erfahrungsgemäß im Wege der vorherigen Durchsicht ihrer Ermittlungsunterlagen auf ihre Vernehmung intensiv vorbereiten, sich an Einzelheiten erinnern können und ihnen die entscheidenden Passagen wörtlich präsent sind (BGH, Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 111/01, BGHR StPO § 261 Inbegriff der Verhandlung 39).

Da die Rüge bereits unzulässig ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Inhalt einer Vernehmungsniederschrift durch abschnittsweisen Vorhalt und die jeweilige Bestätigung des Zeugen ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt werden kann (vgl. auch zur Beruhensfrage BGH, Urteil vom 6. Juni 1957 - 4 StR 165/57; Beschluss vom 22. September 2006 - 1 StR 298/06, NStZ 2007, 235; OLG Düsseldorf StV 1995, 120, 121 mwN; Diemer in KK, 7. Aufl., § 249 Rn. 52).

2. Unzulässig ist ferner die Rüge, das Landgericht habe den Antrag, "Frau R. B., W. und Herrn J. R., Se., Adressen zu erfragen über das AG Wittlich, ..." zu vernehmen, zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Beweisantrag ist der Zeuge als Beweismittel grundsätzlich mit vollständigem Namen und genauer Anschrift zu benennen; nur wenn der Antragsteller dazu nicht in der Lage ist, genügt es, im Einzelnen den Weg zu beschreiben, auf dem dies zuverlässig ermittelt werden kann (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1993 - 3 StR 446/93, BGHSt 40, 3, 7; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 105). Der Beschwerdeführer hat nicht vorgetragen, was ihn gehindert haben könnte, die vollständige Adresse der von ihm benannten Zeugen anzugeben (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2013 - 5 StR 313/13).

Ferner zielt der Antrag darauf, der Zeuge P. habe in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich "lediglich die Taten der Anklageschrift (eingeräumt)", ohne dass nachgefragt worden sei und ohne dass (er) dazu ausführlich Stellung genommen habe. Die Revision sieht hierin einen Widerspruch zu der Annahme des Landgerichts, der Zeuge habe in der gegen ihn gerichteten Gerichtsverhandlung den Sachverhalt sinngemäß so geschildert wie in seinen polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen. Um dies nachvollziehen zu können, hätte es der Vorlage der in dem Verfahren gegen den Zeugen erhobenen Anklage bedurft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen nämlich - verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Beschluss vom 10. März 2009 - 2 BvR 49/09) - die im Beweisantrag in Bezug genommenen Aktenbestandteile mit der Begründungsschrift vorgelegt oder jedenfalls inhaltlich vorgetragen werden (vgl. BGH, Urteile vom 25. November 2003 - 1 StR 182/03, StV 2004, 305, 306, und vom 25. November 2004 - 5 StR 401/04, NStZ-RR 2006, 33, 34 bei Sander; Beschlüsse vom 7. Januar 2008 - 5 StR 390/07, vom 25. Mai 2011 - 4 StR 87/11, und vom 12. März 2013 - 2 StR 34/13, NStZ-RR 2013, 222 [Ls.]; Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372; vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2323).

3. Als unzulässig erweist sich auch die Rüge, das Landgericht habe den Antrag, "StA S., StA Magdeburg, zu hören zu der Behauptung, dass er die Aussage des Zeugen P. für so unglaubwürdig hielt, dass er keinerlei Anfangsverdacht in diesen Angaben sah, um ein Ermittlungsverfahren gegen Herrn A. einzuleiten (...)", zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Bei diesem Zitat handelt es sich um einen kurzen Auszug aus dem zwei Seiten umfassenden Beweisantrag; insbesondere lässt der Revisionsführer die von ihm im Beweisantrag bezeichnete Aussage P. s weg. Er trägt auch seine im Beweisantrag aufgestellte Schlussfolgerung nicht vor, als glaubhaft eingeschätzte Angaben P. s hätten Maßnahmen nach "§§ 100 ff. StPO" gegen A. nach sich ziehen müssen, "um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, Strafvereitelung im Amt zu begehen". Diese Auslassungen führen zur Unzulässigkeit der Rüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. BGH, Urteile vom 11. Juni 1986 - 3 StR 10/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO 1, vom 14. April 1999 - 3 StR 22/99, NJW 1999, 2683, 2684, und vom 30. April 1999 - 3 StR 215/98, NStZ 1999, 396, 399; Beschlüsse vom 9. Mai 2000 - 4 StR 115/00, NStZ-RR 2001, 6, 7 bei Miebach/Sander, vom 12. März 2013 - 2 StR 34/13, aaO, und vom 23. Oktober 2013 - 5 StR 313/13; Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372).

Der Unzulässigkeit dieser von Rechtsanwalt Bo. erhobenen Verfahrensrüge steht nicht entgegen, dass Rechtsanwalt Fu., der diese Rüge nicht erhoben hat, im Rahmen einer anderen Verfahrensrüge das gesamte Hauptverhandlungsprotokoll nebst Anlagen vorgelegt hat und sich in diesem Konvolut auch eine Ablichtung des Staatsanwalt S. betreffenden Beweisantrags findet (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 1986 - 4 StR 370/86, NStZ 1987, 221 bei Pfeiffer/Miebach; Beschlüsse vom 25. September 1986 - 4 StR 496/86, NStZ 1987, 36, und vom 14. April 2010 - 2 StR 42/10).

4. Jedenfalls unbegründet ist die Rüge, das Landgericht habe den Antrag auf Verlesung der die Observation des Angeklagten betreffenden Urkunden zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit - ersichtlich: aus tatsächlichen Gründen - abgelehnt. Denn die Strafkammer hat im Urteil (UA 25) die unter Beweis gestellte Tatsache, "dass die Observationsmaßnahmen gem. obigem Beschluss ohne Erfolg waren", als - durch die Vernehmung des Observationsbeamten - erwiesen behandelt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1991 - 3 StR 115/91, NStZ 1991, 547, 548; Beschlüsse vom 7. Februar 2002 - 1 StR 222/01, NStZ 2003, 417 bei Becker, und vom 5. Dezember 2012 - 1 StR 531/12; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 86; KK-Krehl, StPO, 7. Aufl., § 244 Rn. 234; Güntge in Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 1676 f.). Von weiteren Bedenken gegen die Zulässigkeit und Begründetheit der Rüge abgesehen bedarf es daher auch keiner Entscheidung, ob das Landgericht durch die Vernehmung des Observationsbeamten, zu der die Revision nichts vorträgt, die angebotenen Beweismittel (Urkunden) wirksam ausgetauscht hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 47).

5. Schon unzulässig ist die Rüge, das Landgericht habe den Beweisantrag auf Vernehmung des Vorsitzenden des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Wittlich zu Unrecht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Unter Beweis gestellt war, dass P. in der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung "die ihm gem. Anklageschrift zur Last gelegten Taten zwar einräumte, ohne jedoch nähere Angaben, insbesondere Details zu dem Lieferanten seiner BtM zu machen", ferner, dass der Verhandlung ein informelles Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten vorausgegangen sei. Diesen Antrag hat das Landgericht wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt und zur Begründung u.a. ausgeführt: "Selbst wenn der damalige Angeklagte P. in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Wittlich am 06.11.2012 den ihn betreffenden Anklagevorwurf pauschal bestätigt hätte, ohne ausführlich zu seinem Lieferanten Stellung zu nehmen, ist hieraus nicht notwendig der Schluss zu ziehen, dass die ausführlichen und detaillierten Angaben des damaligen Beschuldigten P. in Bezug auf den Angeklagten We. in seinen Beschuldigtenvernehmungen vom 14.05.2012 und 25.06.2012 nicht der Wahrheit entsprechen." Der Rügevortrag genügt nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Der Beschwerdeführer hat im Beweisantrag ausdrücklich auf die im damaligen Verfahren gegen P. erhobene Anklageschrift Bezug genommen. Wie unter Ziffer II.2 ausgeführt, ist die Vorlage der Anklageschrift hier schon wegen der - nach dem Inhalt der Beweisbehauptung - vorgenommenen Inbezugnahme der Aussage P. s auf die Anklageschrift unverzichtbar.

Es trifft auch nicht zu, dass die Strafkammer in ihrem Ablehnungsbeschluss die Beweiswürdigung in unzulässiger Weise vorweggenommen hätte (Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Bo. S. 24). Der Tatrichter hat nach den - in der Revision nur auf Rechtsfehler nachprüfbaren - Grundsätzen der freien Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO zu beurteilen, ob der vom Antragsteller intendierte Schluss gerechtfertigt wäre. Hierzu hat er die unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache so, als sei sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis einzustellen und prognostisch zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung vom Beweiswert des anderen Beweismittels - evtl. in Anwendung des Zweifelssatzes - in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. Becker in LR-StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 220 mwN). So ist die Strafkammer hier mit noch ausreichender Begründung rechtsfehlerfrei verfahren.

6. Auch die Rüge, das Landgericht habe die als wahr unterstellten Äußerungen P. s in einer früheren Beschuldigtenvernehmung vom 12. April 2012 zu Lasten des Angeklagten verwertet, greift nicht durch. Das Landgericht hat sich auf UA 21 mit den Darstellungen P. s zu seinen verschiedenen Schwarzfahrten auseinandergesetzt. Es hat aus der als wahr unterstellten Tatsache, P. habe eingeräumt, öfter bzw. "fast jedes Mal" beim Schwarzfahren auf der Strecke von C. nach T. "erwischt" worden zu sein, allerdings nicht den vom Angeklagten gewünschten Schluss auf fehlende Konstanz zur Angabe weiterer Schwarzfahrten in der späteren polizeilichen Vernehmung gezogen. Hierzu war es nicht gehalten. Das Gericht braucht aus einer als wahr unterstellten Indiztatsache nicht die Schlussfolgerungen zu ziehen, die der Antragsteller gezogen wissen will (BGH, Urteile vom 6. August 1986 - 3 StR 234/86, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 1, und vom 7. Februar 2008 - 4 StR 502/07, Tz. 27, insoweit in NJW 2008, 1093 nicht abgedruckt).

7. Die beiden mit der Revision vorgetragenen Aufklärungsrügen (§ 244 Abs. 2 StPO) sind ebenfalls unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

a) Soweit die Revision die unterbliebene Vernehmung des Staatsanwalts S. als Zeugen beanstandet, unterlässt sie es, eine bestimmte Beweistatsache zu bezeichnen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 244 Rn. 81 mwN). Eine solche ergibt sich auch nicht aus ihrem Vorbringen, die Strafkammer habe den "Beweis des Gegenteils, mithin der Tatsache, dass der Zeuge P. gerade keine glaubhaften Angaben machte, ... nicht zugelassen".

b) Nicht anders liegt es, soweit die Revision beanstandet, das Landgericht hätte die Mitglieder des Jugendschöffengerichts bei dem Amtsgericht Wittlich vernehmen müssen. Der Beschwerdeführer hätte sich insoweit nicht mit einer pauschalen negativen Bewertung des Aussageverhaltens P. s begnügen dürfen ("keine Tatsachen für einen Tathergang").

III.

Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrüge hat keinen materiellen-rechtlichen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit die Revision sich - mit zum Teil urteilsfremdem Vorbringen - gegen die Beweiswürdigung wendet, vermag sie keinen Rechtsfehler aufzuzeigen; die Beweiswürdigung ist insbesondere nicht widersprüchlich oder lückenhaft. Im Übrigen bedarf nur Folgendes der Erörterung:

Die Feststellungen tragen die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe P. im Fall II.2 der Urteilsgründe zu dessen Handeltreiben bestimmt. Der Umstand, dass P. die Möglichkeit, für den Angeklagten Drogen zu verkaufen, bereitwillig ergriff, steht dem nicht entgegen. Jedenfalls hatte sich die Tatbereitschaft P. s noch nicht auf ein bestimmtes Geschäft konkretisiert (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 - 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 ff.; Beschlüsse vom 30. Januar 2001 - 4 StR 557/00, StV 2001, 406, und vom 23. Mai 2007 - 2 StR 569/06, NStZ 2008, 42 mwN).

Die Feststellungen zur Häufigkeit der weiteren Betäubungsmittelstraftaten tragen den Schluss der Strafkammer auf 14 Fälle des Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Deren konkurrenzrechtliche Bewertung durch die Strafkammer ist rechtsfehlerfrei.

Es beschwert den Angeklagten nicht, dass das Landgericht ihn in den Fällen II.2 bis 5 (Taten 1 bis 15) nicht auch wegen (gewerbsmäßigen) Handeltreibens verurteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1997 - 4 StR 222/97, StV 1997, 636, 637; Beschluss vom 23. Mai 2007, aaO, S. 42 f.).

Die Anordnung des Wertersatzverfalls weist ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

HRRS-Nummer: HRRS 2014 Nr. 894

Externe Fundstellen: NStZ 2014, 604; StV 2015, 92

Bearbeiter: Karsten Gaede und Christoph Henckel