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HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 747

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 294/20, Urteil v. 17.02.2021, HRRS 2021 Nr. 747


BGH 2 StR 294/20 - Urteil vom 17. Februar 2021 (LG Darmstadt)

Urteilsgründe (Darstellung der Strafzumessungserwägungen: Beschränkung auf bestimmende Zumessungsgründe); Grundsätze der Strafzumessung (Begriff der bestimmenden Zumessungsgründe; Differenzierung zwischen gewichtigen und minder gewichtigen Folgen; Gewichtung eines drohenden Widerrufs der Strafaussetzung).

§ 46 Abs. 1 Satz 2 StGB; § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO

Leitsätze des Bearbeiters

1. Bei der Darstellung seiner Strafzumessungserwägungen im Urteil ist das Tatgericht nur gehalten, die bestimmenden Zumessungsgründe mitzuteilen. Eine erschöpfende Aufzählung aller für die Strafzumessungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte ist dagegen weder gesetzlich vorgeschrieben noch in der Praxis möglich. Auswahl und Gewichtung der Strafzumessungsgesichtspunkte obliegt grundsätzlich dem Tatgericht. Es hat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden, welchen Umstand es als bestimmenden Strafzumessungsgrund ansieht. Hat das Tatgericht bei seiner Zumessungsentscheidung einen Gesichtspunkt, der nach den Gegebenheiten des Einzelfalls als bestimmender Strafzumessungsgrund in Betracht kommt, nicht erkennbar erwogen, ist die Strafzumessung in sachlich-rechtlicher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

2. Bestimmende Umstände in diesem Sinne sind wesentliche Tatsachen und Erwägungen, die für die Strafartwahl oder die Strafhöhenbestimmung von einigem Gewicht sein können und deren Erörterung sich nach den Umständen des einzelnen Falls aufdrängt. Inhaltlich werden sie durch das materielle Strafrecht, insbesondere den Katalog der Strafzumessungsgründe (§§ 46 ff. StGB) vorgegeben. Die aus § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB folgende Pflicht des Tatrichters, bei der Strafzumessung die Wirkungen in den Blick zu nehmen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, erstreckt sich danach grundsätzlich auch auf rechtliche Folgen, die außerhalb der strafgerichtlichen Verurteilung als solcher liegen, also an diese anknüpfen. Wann derartige rechtliche Folgen das Gewicht eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO erlangen können und der Tatrichter demzufolge im Urteil erkennen lassen muss, dass er diese bedacht hat, lässt sich mit Blick auf das unterschiedliche Gewicht der in Betracht kommenden Umstände nicht einheitlich beantworten.

3. In ständiger Rechtsprechung differenziert der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang regelmäßig zwischen - eher gewichtigen - Folgen, die sich rechtlich zwingend aus der strafgerichtlichen Verurteilung ergeben, etwa dem bei Rechtskraft des Strafurteils kraft Gesetzes eintretenden Verlust der Beamtenstellung und solchen eher minderen Gewichts, die nur als (abstrakt) mögliche Konsequenz aus dem Strafurteil drohen, vor allem dann, wenn ihr Eintreten von einer weiteren, nicht in die Kompetenz des Tatrichters fallenden gerichtlichen (Ermessens-)Entscheidung abhängt. So hat er hinsichtlich der Berücksichtigung ausländerrechtlicher Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung angenommen, dass diese als bestimmender Strafzumessungsgrund regelmäßig dann in Betracht kommen, wenn eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zwingend zu erfolgen hat und besondere Umstände hinzukommen, die für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten.

4. Treten Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung nicht zwingend ein, sind aber zumindest (abstrakt) möglich, so kann der Tatrichter im Einzelfall gehalten sein, diese möglichen Nebenfolgen mit dem ihnen jeweils zukommendem Gewicht als bestimmenden Strafzumessungsgrund in den Blick zu nehmen. Dabei hat der Tatrichter jedoch auch zu bedenken, dass nachteilige Folgen für den Täter nicht schlechthin strafmildernd sind. Wer bei einer Tat bestimmte Nachteile für sich selbst (zwar nicht gewollt, aber) bewusst auf sich genommen hat, verdient in der Regel keine - schon gar nicht mit besonderem Gewicht eingestellte - strafmildernde Berücksichtigung solcher Folgen.

5. Im Fall des drohenden Widerrufs der Strafaussetzung in anderer Sache gilt dieser Maßstab ebenso. Ein (möglicher) Bewährungswiderruf als Folge eines bewussten Bewährungsbruchs durch den Täter ist regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen strafmildernd zu berücksichtigen. Im Fall des drohenden Widerrufs kommt zudem hinzu, dass der Widerruf keine zwingende gesetzliche Folge darstellt. Die abschließende Entscheidung darüber ist dem Tatrichter entzogen. Schon deswegen ist er nicht verpflichtet, die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Widerrufs im Rahmen der Strafzumessung näher zu prognostizieren. Daraus folgt, dass der Umstand eines bloß möglichen Bewährungswiderrufs - anders als zwingend an eine strafgerichtliche Verurteilung knüpfende Folgen - von vornherein nur ein geringeres Gewicht hat.

6. Im Hinblick auf § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB und den Strafzweck der Resozialisierung wird indes der Umstand drohenden Bewährungswiderrufs regelmäßig dann an Gewicht gewinnen und zu erörtern sein, wenn auf Grund eines möglichen Widerrufs die gesamte Länge der zu verbüßenden Haft diejenige der neu verhängten Strafe beträchtlich übersteigt; die Dauer der zu erwartenden Gesamtvollstreckung wäre dann im Rahmen der Strafzumessung in den Blick zu nehmen. Eine Erörterung oder gar strafmildernde Bewertung eines möglicherweise drohenden Bewährungswiderrufs im Einzelfall kann freilich dann unterbleiben, wenn ein übermäßiges Gesamtvollstreckungsübel namentlich aus spezialpräventiven Gründen nicht naheliegt, etwa bei Intensiv- oder Serientätern, bei hoher Rückfallgeschwindigkeit oder bei einer Tat kurz nach der Haftentlassung, nachdem die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Entscheidungstenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 17. April 2020

a) im Schuldspruch dahin klargestellt, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in Tateinheit mit Körperverletzung schuldig ist und

b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „sexuellen Übergriffs mit Gewalt in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung“ zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.

Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.

I.

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:

Der einschlägig vorbestrafte und alkoholisierte Angeklagte gesellte sich im Laufe der Nacht vom 13. auf den 14. August 2019 zu drei ihm bis dahin unbekannten Personen, die in der Nähe einer Tankstelle Alkohol tranken und dabei Musik hörten. Zu der Gruppe gehörte u. a. die später geschädigte 53-jährige P. M. .

Gegen 5.30 Uhr endete der gemeinsame Konsum und P. M. entschloss sich, nach Hause zu gehen. Ungebeten begleitete sie der Angeklagte, der auf sexuelle Handlungen mit ihr hoffte. Etwa 500 Meter vor ihrer Wohnanschrift bat sie den Angeklagten, er möge sie den Rest der Wegstrecke allein gehen lassen und nicht mehr weiter mitlaufen. Der Angeklagte reagierte darauf nicht und ging weiter neben ihr her. „Spätestens zu diesem Zeitpunkt plante [er] den Sexualverkehr mit der Zeugin M. unter Einsatz von körperlicher Gewalt durchzuführen“.

P. M. bog in einem zu ihrer Wohnung gehörenden Hinterhof ein, um zur Hauseingangstür zu gelangen. Der Angeklagte lief nicht - wie von ihr erhofft - auf dem Gehsteig weiter, sondern schlich ihr „leise nach, packte sie unvermittelt […] und warf sie auf eine Kellertreppe.“ Auf ihr liegend fixierte er sie und hielt ihr mit einer Hand Mund und Nase zu, wodurch sie erhebliche Atemnot erlitt. Gleichwohl gelang es ihr, „Hilfe“ bzw. mehrfach „Feuer“ zu rufen, sich aus dem Griff des Angeklagten zu befreien und schließlich in Richtung des Hauseingangs ihrer Wohnung zu flüchten.

Der Angeklagte folgte ihr jedoch sofort nach, brachte sie erneut zu Boden und hielt sie wieder unter Einsatz seines Körpergewichts fest. Während er sich auf sie legte und ihr mit einer Hand erneut Nase und Mund zuhielt, schob er seine andere Hand unter ihr T-Shirt und fasste „mehrfach und eingehend“ an ihre Brüste oberhalb des BHs. Danach berührte er ihre bekleidete Scheide und rieb daran „nachdrücklich“, um sich sexuell zu befriedigen. Die Geschädigte schrie erneut „Hilfe“ und „Feuer“ und wehrte sich derart, dass der Angeklagte schließlich von ihr abließ. Die Polizei - von Nachbarn zwischenzeitlich alarmiert - nahm den Angeklagten am Tatort fest.

Die Geschädigte erlitt durch die Tat u. a. schmerzhafte Prellungen am Rücken; der alkoholabhängige Angeklagte wies zur Tatzeit eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 1,51‰ und maximal 1,99‰ auf.

2. Die sachverständig beratene Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte die als sexuellen Übergriff mit Gewalt (§ 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 Abs.1 StGB) gewertete Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) begangen habe. Der Angeklagte sei zur Tatzeit mittelgradig berauscht gewesen und leide an einer „toxisch ausgelöste[n] organische[n] Persönlichkeitsstörung“. Anhaltspunkte für eine Aufhebung der Steuerungsfähigkeit bestünden angesichts dessen, dass der Angeklagte von der Geschädigten abgelassen und letztlich situationsgerecht reagiert habe, nicht. Das Strafmaß hat sie dem nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB entnommen und zugleich die Voraussetzungen des § 63 StGB bejaht.

II.

Soweit sich die Revision gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet, ist lediglich der Schuldspruch klarzustellen. Das Rechtsmittel führt jedoch zur Aufhebung des Maßregelausspruchs, weil die Voraussetzungen des § 63 StGB für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht ausreichend dargetan sind.

1. Die Feststellungen beruhen im Ergebnis auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung; der Schuldspruch bedarf hingegen einer klarstellenden Korrektur.

a) Die Beweiswürdigung ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei.

Allerdings genügt die Darstellung des Gutachtenergebnisses der molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung an der Kleidung und der Haut der Geschädigten nicht den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 27. Juni 2017 - 2 StR 572/16, StV 2020, 452 f.). Bei - wie hier - Mischspuren ist in den Urteilsgründen zumindest mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und wieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2019 - 5 StR 419/19, juris Rn. 2; Urteil vom 6. Februar 2019 - 1 StR 499/18, BGHR StPO § 261 Sachverständiger 15, jew. mwN). Da in den Urteilsgründen schon nicht die Anzahl der untersuchten Systeme mitgeteilt wird, sind die insoweit angestellten Beweiserwägungen lückenhaft.

Der Senat kann gleichwohl ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn das Landgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargetan, dass es seine Feststellungen zum Tatgeschehen auf die glaubhafte Aussage der - überdies aussagepsychologisch begutachteten - Geschädigten gestützt und deren Angaben anhand weiterer Umstände und Beweismittel überprüft und bestätigt gefunden hat.

b) Der Schuldspruch bedarf der Klarstellung.

Zutreffend hat das Landgericht seiner rechtlichen Würdigung den Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB zugrunde gelegt. Der Schuldspruch hat jedoch insoweit auf sexuelle Nötigung zu lauten (vgl. BGH, Beschluss vom 14. November 2018 - 3 StR 464/18, juris Rn. 3), was der Senat entsprechend klarstellt. Der Senat hat zudem im Hinblick auf § 223 Abs. 1 StGB den Zusatz vorsätzlicher Tatbegehung entfallen lassen. Da nach § 15 StGB nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, fahrlässiges hingegen lediglich dann, wenn es ausdrücklich mit Strafe bedroht ist, bedarf der Zusatz vorsätzlicher Begehung keiner Aufnahme in die Urteilsformel (vgl. Senat, Beschluss vom 3. Mai 2002 - 2 StR 133/02; BGH, Beschluss vom 29. Juli 1992 - 3 StR 61/92, BGHR StPO § 260 Abs. 4 Satz 1 Tatbezeichnung 7).

2. Der Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Es ist aus Rechtsgründen insbesondere nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung den infolge der erneuten Verurteilung drohenden Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung - Verurteilung durch das Amtsgericht Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2016 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten - nicht erörtert hat.

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. In die Strafzumessungsentscheidung des Tatrichters kann das Revisionsgericht nur eingreifen, wenn diese Rechtsfehler aufweist, weil die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen hat oder sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).

Bei der Darstellung seiner Strafzumessungserwägungen im Urteil ist das Tatgericht nur gehalten, die bestimmenden Zumessungsgründe mitzuteilen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Aufzählung aller für die Strafzumessungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte ist dagegen weder gesetzlich vorgeschrieben noch in der Praxis möglich (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 9. September 2020 - 2 StR 281/20, juris Rn. 5; Urteil vom 14. März 2018 - 2 StR 416/18, NStZ 2019, 138, 139; BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337). Auswahl und Gewichtung der Strafzumessungsgesichtspunkte obliegt grundsätzlich dem Tatgericht. Es hat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden, welchen Umstand es als bestimmenden Strafzumessungsgrund ansieht (BGH, Urteile vom 16. April 2015 - 3 StR 638/14, NStZ-RR 2015, 240, und vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336, 337; vgl. auch Senat, Urteil vom 21. November 2018 - 2 StR 335/18, NStZ 2020, 45, 46; KK-StPO/Kuckein/Bartel, 8. Aufl., § 267 Rn. 24). Hat das Tatgericht bei seiner Zumessungsentscheidung einen Gesichtspunkt, der nach den Gegebenheiten des Einzelfalls als bestimmender Strafzumessungsgrund in Betracht kommt, nicht erkennbar erwogen, ist die Strafzumessung in sachlich-rechtlicher Hinsicht rechtsfehlerhaft (vgl. Senat, Urteil vom 14. März 2018 - 2 StR 416/18, aaO; BGH, Urteile vom 27. Februar 2020 - 4 StR 552/19, juris Rn. 10, und vom 4. April 2019 - 3 StR 31/19, juris Rn. 15).

aa) Bestimmende Umstände in diesem Sinne sind wesentliche Tatsachen und Erwägungen (vgl. Bruns/Güntge, Das Recht der Strafzumessung, 3. Aufl., Kap. 19 Rn. 14: „hauptsächlich maßgebliche“ Gründe; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1360: „nahe liegende Erwägungen“), die für die Strafartwahl oder die Strafhöhenbestimmung von einigem Gewicht sein können und deren Erörterung sich nach den Umständen des einzelnen Falls aufdrängt. Inhaltlich werden sie durch das materielle Strafrecht, insbesondere den Katalog der Strafzumessungsgründe (§§ 46 ff. StGB) vorgegeben (Löwe/Rosenberg/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 267 Rn. 88 mwN). Die aus § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB folgende Pflicht des Tatrichters, bei der Strafzumessung die Wirkungen in den Blick zu nehmen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, erstreckt sich danach grundsätzlich auch auf rechtliche Folgen, die außerhalb der strafgerichtlichen Verurteilung als solcher liegen, also an diese anknüpfen. Wann derartige rechtliche Folgen das Gewicht eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO erlangen können und der Tatrichter demzufolge im Urteil erkennen lassen muss, dass er diese bedacht hat, lässt sich mit Blick auf das unterschiedliche Gewicht der in Betracht kommenden Umstände nicht einheitlich beantworten.

(1) In ständiger Rechtsprechung differenziert der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang regelmäßig zwischen - eher gewichtigen - Folgen, die sich rechtlich zwingend aus der strafgerichtlichen Verurteilung ergeben, etwa dem bei Rechtskraft des Strafurteils kraft Gesetzes eintretenden Verlust der Beamtenstellung (vgl. Senat, Urteil vom 16. Dezember 1987 - 2 StR 527/87, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 10; BGH, Beschluss vom 18. Juni 2020 - 4 StR 663/19, juris Rn. 4) und solchen eher minderen Gewichts, die nur als (abstrakt) mögliche Konsequenz aus dem Strafurteil drohen, vor allem dann, wenn ihr Eintreten von einer weiteren, nicht in die Kompetenz des Tatrichters fallenden gerichtlichen (Ermessens-)Entscheidung abhängt. So hat er hinsichtlich der Berücksichtigung ausländerrechtlicher Folgen einer strafgerichtlichen Verurteilung angenommen, dass diese als bestimmender Strafzumessungsgrund regelmäßig dann in Betracht kommen, wenn eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zwingend zu erfolgen hat und besondere Umstände hinzukommen, die für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten (Senat, Urteil vom 5. Dezember 2001 - 2 StR 273/01, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 6 zu §§ 47, 48 AuslG aF; zur neuen Rechtslage BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 - 4 StR 259/17, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 8; zur nur drohenden Ausweisung BGH, Beschluss vom 11. September 1996 - 3 StR 351/96, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 17).

(2) Treten Nebenfolgen einer strafrechtlichen Verurteilung nicht zwingend ein, sind aber zumindest (abstrakt) möglich, so kann der Tatrichter im Einzelfall gehalten sein, diese möglichen Nebenfolgen mit dem ihnen jeweils zukommendem Gewicht als bestimmenden Strafzumessungsgrund in den Blick zu nehmen (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 11. April 2013 - 2 StR 506/12, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 44: Drohende anwaltsgerichtliche Sanktionen). Dabei hat der Tatrichter jedoch auch zu bedenken, dass nachteilige Folgen für den Täter nicht schlechthin strafmildernd sind. Wer bei einer Tat bestimmte Nachteile für sich selbst (zwar nicht gewollt, aber) bewusst auf sich genommen hat, verdient in der Regel keine - schon gar nicht mit besonderem Gewicht eingestellte - strafmildernde Berücksichtigung solcher Folgen (vgl. auch Senat, Urteile vom 15. Juli 2020 - 2 StR 288/19, juris Rn. 21, und vom 20. Juli 2005 - 2 StR 168/05, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 40, jew. mwN).

(3) Im Fall des drohenden Widerrufs der Strafaussetzung in anderer Sache gilt dieser Maßstab ebenso.

(a) Ein (möglicher) Bewährungswiderruf als Folge eines bewussten Bewährungsbruchs durch den Täter ist regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen strafmildernd zu berücksichtigen (vgl. dazu SSW-StGB/Eschelbach, 5. Aufl., § 46 Rn. 161). Auf der Hand liegt dieser etwa bei einem unter Bewährung stehenden Täter, der die Ausführung der neuen Tat bereits länger geplant hatte; von bewusster Inkaufnahme solcher Nachteile ist regelmäßig auch bei Intensiv- und Serientätern auszugehen. Einem bewussten Bewährungsbruch könnte hingegen entgegenstehen, wenn sich der unter Bewährung stehende Täter alkoholbedingt oder aufgrund unmittelbar vorangegangener Provokation spontan zur Tat entschlossen hatte und somit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er sich der über die Bestrafung hinausgehenden weiteren Nachteile zum Tatzeitpunkt nicht bewusst gewesen ist.

(b) Im Fall des drohenden Widerrufs kommt zudem hinzu, dass der Widerruf gemäß § 56f Abs. 2 StGB keine zwingende gesetzliche Folge darstellt. Die abschließende Entscheidung darüber ist dem Tatrichter entzogen (§ 462a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 453 Abs. 1 Satz 1 StPO). Schon deswegen ist er nicht verpflichtet, die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Widerrufs im Rahmen der Strafzumessung näher zu prognostizieren. Daraus folgt, dass der Umstand eines bloß möglichen Bewährungswiderrufs - anders als zwingend an eine strafgerichtliche Verurteilung knüpfende Folgen - von vornherein nur ein geringeres Gewicht hat (vgl. zur ebenfalls nur drohenden Ausweisung: BGH, Beschluss vom 11. September 1996 - 3 StR 351/96, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Lebensumstände 17).

bb) Im Hinblick auf § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB und den Strafzweck der Resozialisierung wird indes der Umstand drohenden Bewährungswiderrufs regelmäßig dann an Gewicht gewinnen und zu erörtern sein, wenn auf Grund eines möglichen Widerrufs die gesamte Länge der zu verbüßenden Haft diejenige der neu verhängten Strafe beträchtlich übersteigt (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 22. Juli 2009 - 5 StR 243/09, NStZ-RR 2009, 367, und vom 13. September 2001 - 4 StR 322/01, juris Rn. 7; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2011, 105); die Dauer der zu erwartenden Gesamtvollstreckung wäre dann im Rahmen der Strafzumessung in den Blick zu nehmen. Eine Erörterung oder gar strafmildernde Bewertung eines möglicherweise drohenden Bewährungswiderrufs im Einzelfall kann freilich dann unterbleiben, wenn ein übermäßiges Gesamtvollstreckungsübel namentlich aus spezialpräventiven Gründen nicht naheliegt (vgl. auch OLG Hamburg, NStZ-RR 2017, 72, 74), etwa bei Intensiv- oder Serientätern, bei hoher Rückfallgeschwindigkeit oder bei einer Tat kurz nach der Haftentlassung, nachdem die Vollstreckung der Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

b) Den vorstehenden Anforderungen wird die Strafzumessungsentscheidung des angefochtenen Urteils gerecht.

aa) Die Strafkammer hat im Rahmen der Erörterung eines minder schweren Falls gemäß § 177 Abs. 9 StGB und bei der Strafzumessung im engeren Sinne zum Nachteil des Angeklagten unter anderem dessen einschlägig strafrechtliche Vorbelastungen berücksichtigt. Auch dass der Angeklagte die Tat während einer laufenden Bewährungszeit begangen hat, hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt. Zwar kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, wann das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2016, mit dem gegen den Angeklagten unter Einbeziehung von Strafen einer Vorverurteilung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten wegen Diebstahls verhängt wurde, rechtskräftig geworden ist (vgl. § 56a Abs. 2 Satz 1 StGB); dass die dreijährige Bewährungszeit im Tatzeitpunkt lief, steht aber außer Frage.

bb) Es erweist sich nicht als rechtsfehlerhaft, dass die Strafkammer weder bei der Strafrahmenwahl noch bei der Bemessung der Strafe ausdrücklich erörtert hat, dem Angeklagten könnte infolge der erneuten Verurteilung der Widerruf der Aussetzung der Strafvollstreckung hinsichtlich der durch das Amtsgericht Frankfurt am Main festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe drohen.

Nach den Feststellungen ist der Angeklagte seit 1993 - wegen auch einschlägiger Straftaten - siebenmal verurteilt worden, davon in fünf Fällen zu Freiheitsstrafen. Neben einer unbedingten Freiheitsstrafe ist in einem weiteren Fall die Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung widerrufen und die Strafe sodann vollstreckt worden. Bis zu seiner Festnahme in dieser Sache am 14. August 2019 wechselten sich bei dem alkoholkranken Angeklagten strafrechtliche Verfolgung, Strafvollstreckung und Maßregelvollzug mit Phasen beruflicher Tätigkeit als Leiharbeiter ab. Angesichts dieses ausführlich geschilderten Vorlebens des einschlägig vorbestraften Angeklagten ist es nicht rechtsfehlerhaft, einen möglicherweise drohenden Bewährungswiderruf nicht ausdrücklich zu erörtern bzw. nicht strafmildernd in die Gesamtbewertung einzustellen.

Das Landgericht hat zudem hier - unter Zugrundelegung des nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 5 StGB (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis elf Jahre und drei Monaten) - eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt, die sich trotz des geschilderten Vorlebens des Angeklagten und des Tatbilds deutlich im unteren Bereich des Strafrahmens bewegt. Dass die Freiheitsstrafe noch geringer ausgefallen wäre und zwar unbeschadet einer hier - den Angeklagten freilich nicht beschwerenden - möglicherweise rechtsfehlerhaften Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit, könnte der Senat überdies sicher ausschließen.

3. Der Maßregelausspruch hält hingegen sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die grundsätzlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB ist eine außerordentlich belastende Maßnahme, die einen besonders gravierenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen darstellt. Sie darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht. Die Unterbringung erfordert darüber hinaus eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Unterzubringende infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden.

b) Erforderlich ist danach zunächst die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Zustands, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sicher begründet (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 13. Juni 2017 - 2 StR 24/17, BGHR StGB § 63 Zustand 46; BGH, Beschluss vom 6. Februar 1997 - 4 StR 672/96, BGHSt 42, 385 f.; Urteil vom 6. März 1986 - 4 StR 40/86, BGHSt 34, 22, 27). Diese Voraussetzung ist nicht hinreichend belegt.

aa) Das sachverständig beratene Landgericht hat angenommen, bei dem Angeklagten habe zur Tatzeit eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit - bei voller Einsichtsfähigkeit - aufgrund einer „toxisch ausgelöste[n] organische[n] Persönlichkeitsstörung“ in Verbindung mit der akuten Intoxikation im Sinne einer krankhaften seelischen Störung vorgelegen. Die als chronisch alkoholtoxische Vergiftung ausgeprägte hirnorganische Persönlichkeitsstörung des Angeklagten reiche für sich genommen nicht für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit aus. Die Verminderung der Schuldfähigkeit sei letztlich erst durch die aktuelle Alkoholintoxikation, eine nur vorübergehende Störung, herbeigeführt worden.

bb) Die Unterbringung nach § 63 StGB kann zwar auch in solchen Fällen ausnahmsweise dann in Betracht kommen, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse vom 9. Juni 2010 - 2 StR 201/10, juris Rn. 6, und vom 23. November 1999 - 2 StR 486/99, StV 2001, 677 f.; BGH, Urteil vom 26. März 1987 - 1 StR 72/87, BGHSt 34, 313, 314 f.) oder aufgrund eines psychischen Defekts alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20, 21 StGB gleichsteht (st. Rspr.; vgl. Senat, Urteil vom 8. Januar 1999 - 2 StR 430/98, BGHSt 44, 338, 339 mwN). Ein solcher Ausnahmefall liegt aber nach den Feststellungen nicht vor.

Denn die Alkoholabhängigkeit des Angeklagten beruht nicht auf einem von der Sucht selbst unterscheidbaren eigenständigen psychischen Defekt im Sinne der §§ 20, 21 StGB (vgl. dazu Senat, Urteil vom 8. Januar 1999 - 2 StR 430/98, BGHSt 44, 338, 340 f. mwN; Beschluss vom 23. November 1999 - 2 StR 486/99, StV 2001, 677 f.). Dass eine Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) nicht in Betracht kommt, weil keine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Erfolg der Entziehungskur besteht, vermag die Anwendung des § 63 StGB entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht schon deshalb zu begründen, weil mit der „einzige[n] Möglichkeit einer kontinuierlichen Behandlung der organischen Persönlichkeitsstörung […] es auch möglich sein [werde], dass der Angeklagte auf längere Sicht abstinent bleibe“. Zwar kann eine Alkoholsucht die Unterbringung des Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus dann rechtfertigen, wenn ihr Fortbestand auf einer Persönlichkeitsstörung beruht, die sich zwar als schwere andere seelische Abartigkeit darstellt, aber die Schuldfähigkeit des Täters bei der Tat weder ausgeschlossen noch erheblich vermindert hat (Senat, Urteil vom 8. Januar 1999 - 2 StR 430/98, BGHSt 44, 338, 341 ff.). Dass die organische Persönlichkeitsstörung des Angeklagten einen solchen Schweregrad erreicht, dass sie als andere schwere seelische Abartigkeit zu werten ist, hat das Landgericht aber gerade nicht dargelegt.

c) Von dem aufgezeigten Mangel wird der Schuld- und Strafausspruch nicht berührt. Eine Schuldunfähigkeit kann nach Sachlage sicher ausgeschlossen werden. Der Angeklagte ist durch die möglicherweise rechtsfehlerhafte Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit nicht beschwert.

4. Die Entscheidung über die Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hat wegen der rechtlichen Verbindung und Wechselwirkung (§ 72 StGB) der Maßregeln nach § 63 und § 64 StGB ebenfalls keinen Bestand (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. September 2020 - 1 StR 324/20, juris Rn. 11 [insoweit in NStZ-RR 2021, 9 f. nicht abgedruckt], und vom 8. Juli 2020 - 3 StR 154/20, juris Rn. 14 mwN).

HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 747

Externe Fundstellen: StV 2022, 296

Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner