HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 380
Bearbeiter: Christoph Henckel
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 218/23, Urteil v. 24.01.2024, HRRS 2024 Nr. 380
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 2022 aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen aufrechterhalten.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es das Verfahren hinsichtlich der ersten vier Tatvorwürfe (vier Feststellungserklärungen betreffend den Veranlagungszeitraum 2010) wegen Verjährung eingestellt. Von der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2013 ersparten Einkommensteuer hat das Landgericht abgesehen. Die - mangels wirksamer Beschränkung umfassende - Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet, hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte als Arzt auf dem Gebiet der Kiefer- und Gesichtschirurgie, kosmetischen Chirurgie und Implantologie tätig; er war Mitgesellschafter der S. & S. GbR und der S. & K. GbR sowie Kommanditist der E. GmbH & Co. KG, der E. G. GmbH & Co. KG und der E. C. GmbH & Co. KG. Komplementärin der drei Kommanditgesellschaften war die E. B. GmbH, als deren Geschäftsführer der Vater des Angeklagten im Handelsregister eingetragen war. Tatsächlich führte der Angeklagte die Geschäfte der GmbH und der Kommanditgesellschaften und bestimmte den Inhalt der Steuererklärungen.
Um seine Einkommensteuer zu verringern, ließ der Angeklagte u.a. in den Jahren 2010 bis 2013 bei den fünf vorgenannten Gesellschaften fingierte Betriebsausgaben oder privaten Aufwand gewinnmindernd verbuchen. Insbesondere täuschte er den Erwerb von vier hochwertigen medizinischen Geräten vor, um die Gewinne unberechtigt um Investitionsabzüge (§ 7g Abs. 2 EStG aF), Sonderabschreibungen (§ 7g Abs. 5, 6 EStG aF) und planmäßige Abschreibungen (§ 7 Abs. 1 EStG) zu vermindern; daneben ließ er nicht entstandene Fortbildungs- und Taxikosten sowie die Miete für zwei Privatwohnungen ergebniswirksam erfassen.
Die jährlich für die fünf Gesellschaften im Zeitraum vom 8. März 2012 bis zum 30. April 2015 abgegebenen Feststellungserklärungen betreffend die Veranlagungszeiträume 2011 bis 2013, für die S. & S. GbR zudem betreffend das Jahr 2010, waren daher unrichtig, sodass auf dieser Ebene zu wenig an Gewinn bzw. gar ein Verlust festgestellt wurde. Der Angeklagte erlangte nach den Berechnungen des Landgerichts durch die zwischen dem 19. Juni 2012 und dem 26. Mai 2015 erlassenen 16 Feststellungsbescheide nicht gerechtfertigte Steuervorteile zwischen rund 1.800 € (Fall 15; E. G. GmbH & Co. KG 2012) und fast 265.000 € (Fall 8; E. GmbH & Co. KG 2011), insgesamt in Höhe von rund 1,35 Millionen €. Die zu niedrig festgestellten Gewinne bzw. zu Unrecht festgestellten Verluste flossen in die Veranlagung der Einkommensteuer für die Jahre 2010 bis 2013 ein, sodass der Angeklagte jeweils Einkommensteuer verkürzte.
2. Allerdings hat das Landgericht weder den Inhalt der Einkommensteuererklärungen und -bescheide noch den jeweiligen Verkürzungsumfang einschließlich aller weiteren Parameter, die für die zutreffende Festsetzung der Einkommensteuer relevant sind, festgestellt. Zudem hat es die vom Angeklagten erzielten Ersparnisse im Wege der Einziehung des Wertes von Taterträgen nicht abgeschöpft, weil nach seiner Auffassung die Verkürzung von Einkommensteuer nicht angeklagt sei (UA S. 44).
Die durch die Abgabe der Feststellungserklärungen für die S. & K. GbR und für die drei Kommanditgesellschaften betreffend das Jahr 2010 begangenen Steuerhinterziehungen seien (absolut) verjährt. Anders als bei der S. & S. GbR überschritten diese vier ungerechtfertigten Steuervorteile nicht die vom Landgericht in dieser Konstellation mit 100.000 € angesetzte Schwelle für eine Hinterziehung „in großem Ausmaß“ (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alternative 2 AO), sodass die Regelverjährung des § 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB mit einer Frist von fünf Jahren und nicht die besondere Verjährungsvorschrift des § 376 Abs. 1 AO mit einer Frist von zehn bzw. 15 Jahren gelte. Zwischen dem Zugang des am 10. April 2012 erlassenen Einkommensteuerbescheids 2010 und der Eröffnung des Hauptverfahrens erst am 12. Juli 2022 seien mehr als zehn Jahre verstrichen (§ 78c Abs. 3 Satz 2 StGB; § 78b Abs. 4 StGB: Ruhenswirkung erst „ab Eröffnung des Hauptverfahrens“).
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist im Wesentlichen begründet. Das Landgericht hat gegen seine Kognitionspflicht verstoßen, indem es den Umfang der jeweiligen Einkommensteuerverkürzung betreffend die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2013 nicht aufgeklärt und nicht festgestellt hat.
1. Die Beschränkung in der Revisionsbegründung auf den Rechtsfolgenausspruch und auf die Teileinstellung ist unwirksam. Im Einzelnen:
a) Schuld und Strafe lassen sich angesichts des Angriffsziels der Revision nicht getrennt voneinander beurteilen. Die Feststellungen zu den Einkommensteuerverkürzungen sind derart rudimentär, dass sich die Strafzumessung nicht sinnvoll prüfen lässt.
aa) Zwar kann und darf das Revisionsgericht grundsätzlich diejenigen Entscheidungsteile nicht überprüfen, deren revisionsgerichtliche Kontrolle von keiner Seite begehrt wird (§ 344 Abs. 1 StPO). Nicht jeder Rechtsfehler beim Schuldspruch führt zur Unwirksamkeit der Revisionsbeschränkung. Dies gilt u.a. aber dann nicht, wenn die dem Schuldspruch im angefochtenen Urteil zugrundeliegenden („doppelrelevanten“) Feststellungen tatsächlicher und rechtlicher Art so unzulänglich sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 2017 - 4 StR 547/16, BGHSt 62, 155 Rn. 20 und vom 26. September 2019 - 5 StR 206/19, BGHSt 64, 209 Rn. 18; Urteile vom 15. Juli 2020 - 2 StR 288/19 Rn. 7-10 und vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12 Rn. 27; jeweils mwN).
bb) Das Ausmaß der erlangten nicht gerechtfertigten Steuervorteile, das nach Auffassung der Staatsanwaltschaft durch Anwendung des Grenzsteuersatzes auf den festgestellten Nominalbetrag des jeweiligen Gesellschaftsgewinns bestimmt werden soll, lässt sich nicht ohne Auswirkung auf den Schuldspruch, also nicht „losgelöst“ hiervon, beurteilen. Denn die (pauschale) Anwendung eines Grenzsteuersatzes greift bei der gebotenen umfassenden Sachaufklärung zu kurz (§ 244 Abs. 2 StPO): Die tatsächlich geschuldete Einkommensteuer ist konkret zu berechnen. Die Einkommensteuererklärung ihrerseits und die vorangehenden Feststellungserklärungen sind indes jeweils eine einzige materiellrechtliche Tat (zuletzt BGH, Beschluss vom 13. Juni 2023 - 1 StR 53/23 Rn. 11 mwN). Als materiellrechtliche Tat sind die Erklärungen auch prozessual eine Tat (§ 264 Abs. 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2023 - 6 StR 545/22 Rn. 5 mwN).
Das „große Ausmaß“ (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) bestimmt sich damit jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zugleich der Kommanditist der Personengesellschaft (wie im Sachverhalt, der dem Senatsbeschluss vom 13. Juni 2023 - 1 StR 53/23 Rn. 2 zugrunde lag) oder der Kommanditist - wie hier - zumindest faktisch für die Feststellungserklärungen der Personengesellschaft verantwortlich und damit allein der durch den Kommanditisten bewirkte Umfang seiner Einkommensteuerverkürzungen aufzuklären ist, nach der Höhe des Einkommensteuerverkürzungsbetrags (offengelassen auf Revisionen der Angeklagten in BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, BGHSt 58, 50 Rn. 22). Aus diesem Grund kommt es hier nicht darauf an, ob in jedem Fall ein den Schuldspruch tragender Hinterziehungsumfang verbleiben würde (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 - 1 StR 103/12 Rn. 28; Beschluss vom 24. Mai 2007 - 5 StR 58/07, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 17 Rn. 3).
cc) Anders verhält es sich, wenn wie etwa bei Publikumskommanditgesellschaften die Vertreter der Komplementär-GmbH, die die Feststellungserklärungen abgeben, und die Kommanditisten, die ihre Einkommensteuererklärungen abgeben, nicht personenidentisch sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 Rn. 21-23). In solchen Fällen gebieten weder das Verfassungsgebot schuldangemessenen Strafens noch Art. 103 Abs. 2 GG die exakte Bezifferung der sich aus Steuervorteilen in unrichtigen Feststellungsbescheiden ergebenden Auswirkungen auf die Besteuerung der begünstigten Steuerpflichtigen als Grundlage der Strafzumessung (BGH, Beschluss vom 22. November 2012 - 1 StR 537/12, BGHSt 58, 50 Rn. 19-21).
dd) Die Einkommensteuerverkürzungen betreffend die Jahre 2010 bis 2013 sind verfahrensgegenständlich. Insbesondere ist nicht der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft vom 21. Dezember 2021 (Band III Blatt 1000-1002 der Hauptakten) eine Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO auf das Bewirken der unrichtigen Feststellungsbescheide zu entnehmen. Soweit (versteckt) im Fließtext des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen der Anklageschrift (Seiten 53 f., Band III Blatt 997 f. der Hauptakten) die „Besteuerungssachverhalte aus Vereinfachungs- und Übersichtlichkeitsgründen gem. § 154a StPO auf die angeklagten Sachverhalte beschränkt“ sein sollen, ist dem nicht zu entnehmen, dass die Einkommensteuerverkürzungen von der Strafverfolgung ausgenommen sein sollen. Im Gegenteil werden mit der Anklage dem Angeklagten 16 „anteilig“ verkürzte Einkommensteuerbeträge zur Last gelegt. Zudem wären derart unpräzise Erwägungen, mit denen offensichtlich die Aufklärung der Berechtigung weiterer Betriebsausgaben ausgeklammert werden sollten, nicht geeignet, den Verfahrensstoff wirksam einzugrenzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2023 - 4 StR 481/22 Rn. 34; Beschlüsse vom 25. Oktober 2016 - 1 StR 120/15 Rn. 8 und vom 7. Oktober 2011 - 1 StR 321/11 Rn. 11; jeweils mwN). Eine Beschränkung nach § 154a StPO würde letztlich ohnehin nichts an der Beurteilung der Konkurrenzen ändern (vgl. zur fortwirkenden Klammerwirkung trotz Ausscheidens des „stärkeren“ Delikts BGH, Beschluss vom 18. Juli 2023 - 4 StR 42/23 Rn. 5 mwN).
b) Aus dem gleichen Grund lässt sich das Absehen von einer Einziehung (§§ 73 ff. StGB) nicht gesondert beurteilen. Die Einkommensteuerverkürzung bestimmt die Einziehung. Der in einem unrichtigen Feststellungsbescheid enthaltene nicht gerechtfertigte Steuervorteil ist kein tauglicher Einziehungsgegenstand im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Die bloße Feststellung eines zu niedrigen Gewinns oder gar eines unberechtigten Verlusts als solche schlägt sich noch nicht im Vermögen des Kommanditisten messbar nieder; dieser kann jenen als solchen nicht tatsächlich realisieren (vgl. zu den Einziehungsvoraussetzungen etwa BGH, Urteil vom 8. März 2022 - 1 StR 360/21 Rn. 23 mwN). Denn die Einkünfte aus den Gesellschaften sind nur eine von mehreren Positionen in der Einkommensteuerveranlagung. Den Vermögensvorteil realisiert der Kommanditist erst mit der Ersparnis durch die zu niedrige Festsetzung seiner Einkommensteuer (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO); in diesem Sinne ist die Feststellung trotz Tatvollendung nur Vorbereitung zum Erlangen des abschöpfbaren Vermögensvorteils.
c) Letztendlich lässt sich auch die Teileinstellung (§ 260 Abs. 3 StPO) nicht losgelöst vom Schuldspruch prüfen. Die in Rede stehenden vier Feststellungserklärungen aus dem Veranlagungszeitraum 2010 sind keine selbständigen materiellen Taten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. August 2023 - 5 StR 434/22 Rn. 18 mwN), sondern Teile einer einzigen materiellen Tat und damit einer gesonderten Einstellung nicht zugänglich. Zudem lassen sich die Verjährungsvorschriften der §§ 78 ff. StGB und des § 376 AO über das Regelbeispiel des großen Ausmaßes nur mit Aufklärung des Verkürzungsumfangs anwenden.
2. Das Urteil hält der demnach gebotenen umfassenden Überprüfung auf die Sachrüge weitgehend nicht stand.
a) Das Urteil birgt den bereits aufgezeigten Rechtsfehler, der sich gleichermaßen auf den Schuld- und nachfolgend Strafausspruch, die Nichtanordnung der Einziehung sowie die Einstellung auswirkt.
aa) Die konkurrenzrechtliche Bewertung, die einzelnen Feststellungserklärungen betreffend einen Veranlagungszeitraum stünden zueinander in Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB), ist rechtsfehlerhaft. Die Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie die nachfolgende Einkommensteuererklärung sind eine einzige materiellrechtliche Tat, und zwar im Wege einer Bewertungseinheit. Dies folgt aus der Bindungswirkung des vom zuständigen Finanzamt erlassenen Feststellungsbescheids für das Wohnsitzfinanzamt bei der Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich der Einkünfte aus den Gesellschaften (§ 171 Abs. 10, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO). In diesem Sinne ist mit Erlass des Feststellungsbescheids als einem nicht gerechtfertigten Steuervorteil für den Kommanditisten der Kommanditgesellschaft bzw. Mitgesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Steuerstraftat vollendet; die nachfolgende Einkommensteuererklärung und der unrichtige Einkommensteuerbescheid führen mit der Steuerverkürzung zur Tatbeendigung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2023 - 1 StR 53/23 Rn. 11; vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 Rn. 21-23 und vom 11. Juli 2019 - 1 StR 154/19 Rn. 2 f.; zudem bereits BGH, Beschluss vom 21. September 1994 - 5 StR 114/94 Rn. 3, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 11 sowie Beschluss vom 7. Februar 1984 - 3 StR 413/83 zur Beendigung der Steuerstraftat erst mit Bekanntgabe des letzten Einkommensteuerbescheids).
bb) Die danach gebotene Schuldspruchänderung auf vier Fälle der Steuerhinterziehung (für jedes Jahr eine Tat) ist dem Senat verwehrt. Denn die bisherigen Feststellungen und der insoweit von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmende Akteninhalt lassen eine Beurteilung der Verjährung hinsichtlich der Jahre 2010 und 2011 nicht zu. Da mit Ausnahme der Gewinne aus den fünf Gesellschaften jegliche Parameter zur Berechnung der Einkommensteuer fehlen, kann der Senat nicht sicher annehmen, dass der Angeklagte für diese beiden Veranlagungszeiträume jeweils mehr als 50.000 € an Einkommensteuer verkürzte; diese Betragsgrenze ist über das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (dazu BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - 1 StR 373/15, BGHSt 61, 28 Rn. 32 ff.; Beschluss vom 14. Mai 2020 - 1 StR 6/20 Rn. 30; st. Rspr.) für die besondere Verjährungsvorschrift des § 376 Abs. 1 AO maßgeblich. Läge der Verkürzungsumfang jeweils unterhalb dieser Schwelle, verbliebe es bei der Verjährungsfrist von fünf Jahren.
Zwar hat der Durchsuchungsbeschluss vom 29. Juli 2016 (Band I, Blatt 140 der Hauptakten) den Ablauf der Verjährung der für die Jahre 2010 und 2011 begangenen Steuerstraftaten unterbrochen (§ 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB; bezüglich der Jahre 2012 und 2013 vgl. den Durchsuchungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19. März 2018, Band II, Blatt 535 ff. der Hauptakten). Dies würde aber bei Anwenden einer fünfjährigen Frist nichts daran ändern, dass jedenfalls die Einkommensteuerverkürzung 2010 bereits vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses absolut verjährt war, wenn der Verkürzungsbetrag unter 50.000 € läge. Die doppelrelevanten Tatsachen, wann die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2013 mit welchem Inhalt ergingen und in welchem Ausmaß der Angeklagte Einkommensteuer verkürzte, bedürfen demnach der Aufklärung in einem erneuten tatgerichtlichen Strengbeweisverfahren.
cc) Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht den Einzelstrafen die Grundlage.
dd) Da die Einkommensteuerverkürzung der Kognitionspflicht des Tatgerichts unterfiel, begegnet auch die Nichtanordnung der Einziehung durchgreifenden Bedenken. Eine solche Ersparnis unterliegt der Vermögensabschöpfung (§ 73 Abs. 1 Alternative 1, § 73c Satz 1 StGB; st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschluss vom 13. Juni 2023 - 1 StR 53/23 Rn. 10 f. mwN).
ee) Aus dem Konkurrenzfehler ergibt sich zugleich, dass die Verjährungsteileinstellung aufzuheben ist. Die einzelnen Feststellungserklärungen sind als Teile einer Tat anders als selbständige Taten (§ 53 StGB) einer gesonderten Einstellung nicht zugänglich. Anders als bei unterschiedlichen Straftatbeständen (dazu etwa BGH, Urteile vom 28. April 2021 - 2 StR 47/20 Rn. 9 und vom 29. Juli 2021 - 1 StR 29/21 Rn. 13 mwN; Beschlüsse vom 19. September 2023 - 3 StR 268/23 Rn. 4 und vom 12. Februar 2020 - 1 StR 481/19 Rn. 9 f.) kann der Senat nicht einzelne Teile der Tat entfallen lassen. Im Gegenteil beginnt, wie ausgeführt, die Verjährung erst mit Bekanntgabe des unrichtigen Einkommensteuerbescheids (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2008 - 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 Rn. 23 und vom 7. Februar 1984 - 3 StR 413/83).
b) Allein die Feststellungen sind vom Konkurrenzfehler nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Die weiteren Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen die Strafzumessung gehen aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts fehl. Die bisherigen Feststellungen sind nach alledem um solche zu den Einkommensteuererklärungen und -bescheiden sowie zu den vollständigen Besteuerungsgrundlagen zu ergänzen, damit das Revisionsgericht die Bestimmung des Verkürzungs- und Einziehungsumfangs nachprüfen kann (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 13. Juni 2023 - 1 StR 53/23 Rn. 9 mwN).
HRRS-Nummer: HRRS 2024 Nr. 380
Bearbeiter: Christoph Henckel