HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 849
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 47/20, Urteil v. 28.04.2021, HRRS 2021 Nr. 849
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden - Jugendschutzkammer - vom 25. September 2019 im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte
a) in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe jeweils des Besitzverschaffens von jugendpornographischen Schriften und
b) in Fall 3 der Urteilsgründe des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in kinderpornographischer Absicht in Tateinheit mit Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch, mit Besitzverschaffen und mit Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Besitzverschaffens von jugendpornographischen Schriften, jeweils in Tateinheit mit Sichverschaffen von jugendpornographischen Schriften und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen (Fälle 1 und 2 der Urteilgründe), wegen Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht in Tateinheit mit Besitzverschaffung und Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen (Fall 3 der Urteilsgründe) sowie wegen Besitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften in 31 Fällen (Fälle 4 bis 34 der Urteilsgründe) und wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften (Fall 35 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und ausgesprochen, dass zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung sechs Monate als vollstreckt gelten.
Mit seiner Revision, die der Angeklagte nach Teilrücknahme in der Hauptverhandlung auf seine Verurteilung in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe beschränkt hat, rügt er die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung. Im Übrigen ist es unbegründet.
Das Landgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
1. Zwischen September und dem 11. Oktober 2011 (Fall 1) und sodann am 18./19. Oktober 2011 (Fall 2) trat der Angeklagte gemäß einem mit dem gesondert Verurteilten Mü. gefassten Tatentschluss zunächst mit dem damals 13-jährigen Geschädigten R. per Video-Chat in Kontakt, wobei der Angeklagte nicht wusste, dass es sich um ein Kind unter 14 Jahren handelte. Er veranlasste den Geschädigten jeweils, sich vor dessen Webcam zu entkleiden und zu masturbieren. Hiervon fertigte der Angeklagte ohne Wissen des Geschädigten jeweils eine Videodatei, die er tatplangemäß an Mü. übermittelte, der diese speicherte.
Wegen dieser Sachverhalte hat das Landgericht den Angeklagten wegen zweier Fälle des Besitzverschaffens von jugendpornographischen Schriften gemäß § 184c Abs. 2 StGB (in der Fassung vom 31. Oktober 2008), jeweils in Tateinheit mit Sichverschaffen von jugendpornographischen Schriften gemäß § 184c Abs. 4 Satz 1 StGB (in der Fassung vom 31. Oktober 2008) und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen gemäß § 201a Abs. 1 und 2 StGB (in der Fassung vom 30. Juli 2004), schuldig gesprochen.
2. Am 19. November 2011 fertigte der Angeklagte einem gemeinsamen Tatplan mit dem anderweitig Verfolgten Mü. entsprechend eine Videodatei von dessen sexuellen Handlungen mit dem damals 12-jährigen Geschädigten D. Hierzu schaltete Mü. in seiner Wohnung die Webcam seines PCs ein und veranlasste den Geschädigten, der von der in Betrieb befindlichen Kamera keine Kenntnis hatte, zur Durchführung des gegenseitigen Oralverkehrs; Mü. führte zudem einen Finger in den After des Geschädigten ein. Das knapp eineinhalb Stunden dauernde Geschehen wurde absprachegemäß per Skype an den ortsabwesenden Angeklagten übertragen, der hiervon eine Aufzeichnung fertigte, die Videodatei auf seinem PC speicherte und wenig später entsprechend der zuvor getroffenen Absprache an Mü. übersandte, der sie abspeicherte (Fall 3).
Dieses Verhalten des Angeklagten hat das Landgericht als Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in kinderpornographischer Absicht gemäß „§§ 176 Abs. 1 StGB a.F. ([…] in der Fassung vom 31.10.2008 […]), 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB a.F., § 176a Abs. 3 StGB a.F. ([…] in der Fassung vom 27.12.2003 […]), § 27 StGB“ in Tateinheit mit Besitzverschaffen von kinderpornographischen Schriften gemäß § 184c Abs. 2 StGB (in der Fassung vom 31. Oktober 2008), mit Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften gemäß § 184b Abs. 4 Satz 1 StGB (in der Fassung vom 31. Oktober 2008) und mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen gemäß § 201a Abs. 1 und 2 StGB (in der Fassung vom 30. Juli 2004) gewertet. Der Angeklagte habe den Tatbestand des § 176a Abs. 3 aF StGB erfüllt, welcher den sexuellen Missbrauch nach § 176 Abs. 1 StGB auch für einen Teilnehmer qualifiziere, der in kinderpornographischer Absicht handele. Insoweit genüge eine Absicht zur Besitzverschaffung der kinderpornographischen Schrift gemäß § 184b Abs. 2 aF StGB, die auch deren Weitergabe an eine einzelne Person umfasse. § 176a Abs. 3 aF StGB greife auch, wenn ein Beteiligter der Vortat dem Täter dieser Vortat den (erstmaligen) Besitz an einer kinderpornographischen Schrift zu verschaffen beabsichtige, die in der Aufzeichnung des (schweren) sexuellen Missbrauchs des Vortäters liege.
Das Rechtsmittel des Angeklagten führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs betreffend die Fälle 1 bis 3 der Urteilsgründe. Die auch nach Teilrücknahme weitergehende Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Die Verurteilung wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches gemäß § 201a Abs. 1 und 2 aF StGB in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe und die Verurteilung wegen Sichverschaffens von jugendpornographischen Schriften gemäß § 184c Abs. 4 Satz 1 aF StGB in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben. Sie hat zu entfallen. Hinsichtlich dieser jeweils tateinheitlich verwirklichten Straftatbestände ist - wie die Revision geltend macht und der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend dargelegt hat - ausgehend von den Strafrahmen in den gemäß § 2 Abs. 3 StGB maßgeblichen Tatzeitfassungen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 248/07, Rn. 8) Verfolgungsverjährung eingetreten.
2. Darüber hinaus stellt der Senat den Schuldspruch zu Fall 3 der Urteilsgründe dahingehend klar, dass sich der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in kinderpornographischer Absicht in Tateinheit mit Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch, mit Besitzverschaffen und mit Sichverschaffen von kinderpornographischen Schriften strafbar gemacht hat. Insoweit wird der Schuldspruch entgegen der Auffassung der Revision von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen.
a) Die Urteilsgründe belegen, dass sich der Angeklagte der Beihilfe zu dem von dem anderweitig Verfolgten Mü. an dem Geschädigten D. begangenen schweren sexuellen Missbrauch gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 aF StGB - durch den mit einem Eindringen verbundenen Oralverkehr und das Einführen des Fingers in den After - strafbar gemacht hat.
Zwar kann als Täter nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 aF StGB nur bestraft werden, wer entweder selbst („eigenhändig“) im Sinne von § 176 Abs. 1 StGB Körperkontakt zu dem Kind aufnimmt oder wer gemäß § 176 Abs. 2 StGB das Kind dazu bestimmt, eine der genannten Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von diesem an sich vornehmen zu lassen. Dies schließt indes nicht aus, dass sich eine Person ohne Körperkontakt zum Tatopfer einer Anstiftung oder einer Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 aF, §§ 26, 27 StGB schuldig macht (vgl. BGH, Beschluss vom 12. März 2014 - 4 StR 562/13, Rn. 7 f.). So verhält es sich hier. Der geständige Angeklagte, dessen sexuelles Interesse dem anderweitig Verfolgten Mü. galt, wusste und wollte, dass er diesen und dessen sexuelle Handlungen an und mit dem „Jungen aus der Nachbarschaft“ dadurch „unterstützte und bestärkte“, dass er zusagte, per Internet-Chat zuzusehen und das in Szene gesetzte, sodann knapp eineinhalb Stunden dauernde Geschehen aufzuzeichnen.
b) Die getroffenen Feststellungen belegen überdies, dass der Angeklagte den Tatbestand des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in kinderpornographischer Absicht verwirklicht hat, indem er sich an dem schweren sexuellen Missbrauch des Geschädigten D. in der Absicht beteiligte, die Tat zum Gegenstand einer kinderpornographischen Schrift zu machen, die nach § 184b Abs. 2 aF StGB verbreitet werden sollte.
aa) Wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in kinderpornographischer Absicht gemäß § 176a Abs. 3 StGB in der nach § 2 Abs. 1 StGB hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007; im Folgenden: aF) macht sich strafbar, wer in den Fällen des § 176 Abs. 1 bis 3, 4 Nr. 1 oder Nr. 2 oder des § 176 Abs. 6 aF StGB als Täter oder anderer Beteiligter in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand einer pornographischen Schrift zu machen, die nach § 184b Abs. 1 bis 3 aF StGB verbreitet werden soll. § 184b Abs. 2 aF StGB in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) stellt das Unternehmen, einem anderen den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, unter Strafe.
Zur Anwendbarkeit des Qualifikationstatbestandes des § 176a Abs. 3 aF StGB führen nicht nur die dort ausdrücklich genannten Fälle des § 176 aF StGB, sondern - a fortiori - auch die des schweren sexuellen Missbrauchs nach § 176a Abs. 2 aF StGB (vgl. schon Senat, Beschluss vom 16. Dezember 2015 - 2 StR 191/15; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 176a Rn. 66 mwN; aA Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl., § 176a Rn. 3). Täter des § 176a Abs. 3 aF StGB sind auch die an einem (schweren) sexuellen Kindesmissbrauch beteiligten Anstifter und Gehilfen, sofern sie in der Absicht handeln, das Geschehen zum Gegenstand einer kinderpornographischen Schrift zu machen, die verbreitet werden soll; die Vorschrift qualifiziert den sexuellen Missbrauch auch für einen Teilnehmer, der mit entsprechender Absicht handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2019 - 4 StR 237/19; LK/Hörnle, aaO, § 176a Rn. 69 und 74; Matt/ Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 176a Rn. 26; MüKo-StGB/ Renzikowski, 3. Aufl., § 176a Rn. 30; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 176a Rn. 12c; SSW-StGB/Wolters, 5. Aufl., § 176a Rn. 19). Dies ist hier der Fall.
bb) Die von dem Angeklagten an den anderweitig Verfolgten Mü. übersandte Videodatei ist eine kinderpornographische Schrift; hierunter fallen gemäß § 11 Abs. 3 StGB in der hier maßgeblichen, seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung auch Ton- und Bildträger sowie Datenspeicher. Die Videodatei gab ein reales Geschehen wieder, nämlich den (nach § 176a Abs. 2 Nr. 1 aF StGB qualifizierten) sexuellen Missbrauch des 12-jährigen Geschädigten.
cc) Der Angeklagte unternahm es (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 6 aF StGB), dem anderweitig Verfolgten Mü. den Besitz an dieser kinderpornographischen Schrift zu verschaffen. Vollendetes Besitzverschaffen im Sinne des § 184b Abs. 2 StGB ist - auch in dessen vor der Änderung durch das 49. Strafrechtsänderungsgesetz vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) geltenden Fassung - nicht nur die tatsächliche Übergabe des körperlichen Gegenstands einer kinderpornographischen Schrift oder eines ihr gleichgestellten Datenträgers. Tatbestandsmäßig ist auch die Übermittlung von Daten, jedenfalls dann, wenn sie - wie hier - zu einer zumindest vorübergehenden Abspeicherung auf einem Datenträger des Empfängers führt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - 1 StR 8/13, BGHSt 58, 197, 199 f.; BeckOK-StGB/Ziegler, 49. Ed., § 184b Rn. 13; Matt/Renzikowski/ Eschelbach, aaO, § 184b Rn. 32; MüKo-StGB/Hörnle, aaO, § 184b Rn. 28). Erst durch die Übermittlung der Videodatei erlangte Mü. Besitz an der erstellten kinderpornographischen Schrift.
dd) Ausreichend zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 184b Abs. 2 aF StGB ist ferner, dass die Videodatei nur an einen einzelnen Empfänger übersandt wird (BGH, Beschluss vom 19. März 2013 - 1 StR 8/13, BGHSt 58, 197, 200). Mit der Neufassung des § 184b Abs. 2 StGB durch das SexdelÄndG vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) sollte gerade auch die Weitergabe kinderpornographischer Schriften in geschlossenen Benutzergruppen und in Zweipersonenverhältnissen unter erhöhte Strafe gestellt werden (BT-Drucks. 15/350, S. 20).
ee) Die Qualifikation des § 176 Abs. 3 aF StGB entfällt - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht deswegen, weil der anderweitig Verfolgte Mü. Täter des sexuellen Missbrauchs des Geschädigten D. war und tatplangemäß nur er die erstellte Videodatei erhalten sollte. „Anderer“ im Sinne des § 184b Abs. 2 aF StGB kann auch ein Beteiligter am sexuellen Missbrauch sein, der den Gegenstand der kinderpornographischen Schrift bildet; einer Strafbarkeit wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176a Abs. 3 aF StGB steht daher nicht entgegen, dass der Täter in der Absicht handelte, die von dem sexuellen Missbrauch gefertigte Aufzeichnung nur einer weiteren am Missbrauch beteiligten Person zur Speicherung zu übermitteln. Dies ergibt sich aus dem vom Gesetzgeber intendierten Schutzzweck der Normen. Eine Auslegung nach deren Wortlaut und Systematik führt zu keinem anderen Ergebnis.
(1) Nach der gesetzgeberischen Intention soll mit möglichst umfassenden Verbreitungs- sowie Besitzverschaffungs- und Besitzverboten jedweder „Markt“ für kinderpornographische Produkte ausgetrocknet werden (Matt/Renzikowski/ Eschelbach, aaO, § 184b Rn. 2 mwN), jedenfalls aber das „Wechselspiel von Angebot und Nachfrage, das die Prozesse der Herstellung, Verbreitung und Verschaffung in Gang hält“ (MüKo-StGB/Hörnle, aaO, § 184b Rn. 1) unterbunden werden.
(a) Erstmals hatte der Gesetzgeber durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164, 704) einen Qualifikationstatbestand geschaffen (damals als § 176a Abs. 2 StGB), der das Handeln des Täters oder Teilnehmers eines sexuellen Missbrauchs in kinderpornographischer Absicht zum schweren sexuellen Missbrauch mit entsprechender Strafandrohung erhebt. Durch die „tatbestandliche Verknüpfung“ des Missbrauchsmit dem Verbreitungstatbestand (damals § 184 Abs. 3 und 4 StGB) sollte „das gesteigerte Unrecht einer solchen auf Vermarktung abzielenden Kinderschändung“ zum Ausdruck gebracht werden (BT-Drucks. 13/8587, S. 32). Das Drittbesitzverschaffen war seinerzeit noch zusammen mit dem Sichverschaffen in § 184 Abs. 5 StGB geregelt, auf den § 176a Abs. 2 StGB in seiner ursprünglichen Fassung nicht Bezug nahm.
Mit der durch das SexdelÄndG vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) vorgenommenen Neuordnung der § 184 und §§ 184a bis 184c StGB wurde das Unternehmen der Besitzverschaffung kinderpornographischen Materials an „einen anderen“ - unter Aufgabe des Begriffs „einem Dritten“ - in § 184b Abs. 2 StGB eingestellt und mit gleicher Strafandrohung belegt, wie das sodann in § 184b Abs. 1 StGB normierte Verbreiten. Hierdurch sollte klargestellt werden, dass „die Weitergabe kinderpornographischer Schriften an geschlossene Benutzergruppen in Computernetzen, vor allem im Internet, und innerhalb solcher Gruppen“ einem Verbreiten an eine unbestimmte Personenanzahl gleichstehe und entsprechend angemessen zu ahnden sei; dies gelte ausdrücklich auch „für den Fall, dass wenige, auch nur zwei Personen, die keine geschlossene Benutzergruppe bilden, kinderpornographische Daten“ austauschen (BT-Drucks. 15/350, S. 20 ff.).
(b) Das von § 176a Abs. 3 aF StGB in Bezug genommene „Verbreiten“ umfasst sämtliche Tatmodalitäten des § 184b Abs. 1 und 2 aF StGB (vgl. Lackner/Kühl/Heger, aaO, § 176a Rn. 3; LK/Hörnle, aaO, § 176a Rn. 70 f.; MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, § 176a Rn. 32; s. auch BGH, Urteil vom 27. Juni 2001 - 1 StR 66/01, BGHSt 47, 55, 61 [zu § 176a Abs. 2]). Es handelt sich dabei nicht um eine „ungewollte Gesetzgebung“ (LK/Hörnle, aaO, § 176a Rn. 71), bei der „die Verweisung auf § 184b Abs. 1 und Abs. 3“ gemeint gewesen sein sollte (so SSW-StGB/Wolters, aaO, § 176a Rn. 18). Hiergegen spricht nicht nur die ausdrückliche Befassung der Gesetzesbegründung mit der „Verweisung auf den neuen § 184b Abs. 1 bis 3 statt auf den bisherigen § 184 Abs. 3 oder 4“ (BT-Drucks. 15/350, S. 18), sondern auch, dass an der Verweisung im Rahmen des 49. Gesetzes zur Änderung des StGB vom 21. Januar 2015 (BGBl. I S. 10) festgehalten wurde: § 184b Abs. 2 aF StGB gilt als § 184b Abs. 1 Nr. 2 StGB mit einer lediglich redaktionellen Änderung („einer anderen Person“ statt „einem anderen“) fort, was ausweislich der Gesetzesmaterialien als „Folgeänderung zur Neufassung von § 184b StGB“ die Verweisung des § 176a Abs. 3 StGB statt auf § 184b Abs. 1 bis 3 nunmehr auf § 184b Abs. 1 oder 2 nach sich gezogen habe (BT-Drucks. 18/2601, S. 29).
(c) § 184b Abs. 2 aF StGB dient - neben dem Kinder- und Jugendschutz im Allgemeinen - vor allem dem Schutz von Kindern davor, nicht zum Objekt pornographischer Darstellungen gemacht zu werden (Matt/Renzikowski/Eschelbach, aaO, § 184b Rn. 1; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 184b Rn. 2). Mit Blick auf kinderpornographische Schriften, die ein tatsächliches Geschehen wiedergeben, geht es insoweit auch um den Schutz der Menschenwürde und der Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Kinder (vgl. BT-Drucks. 12/3001, S. 4 und BT-Drucks. 12/4883, S. 8; MüKo-StGB/Hörnle, aaO, § 184b Rn. 4; Schönke/Schröder/Eisele, aaO, § 184b Rn. 2 und 37), insbesondere das Recht am eigenen Bild in Bezug auf die Darstellung bei sexuellen Handlungen, das bei Zirkulation einer kinderpornographischen Schrift weiter verletzt wird. Zudem gefährdet ein Markt für Kinderpornographie weitere, in ihrer Identität noch unbestimmte Kinder (LK/Hörnle, aaO, § 176a Rn. 61 und 67).
(d) Mit Blick vor allem auf diese Schutzziele erschließt sich, dass auch eine Beteiligung am (schweren) sexuellen Missbrauch in der Absicht der Weitergabe einer das Tatgeschehen wiedergebenden Schrift - hier durch Übermittlung einer Videodatei - an einen weiteren Tatbeteiligten, der an dieser bislang keinen Besitz hatte, als schwerer sexueller Missbrauch im Sinne des § 176a Abs. 3 i.V.m. § 184b Abs. 2 aF StGB zu qualifizieren ist.
Auch mit einer nur einmaligen Weitergabe des Materials innerhalb des Kreises der am sexuellen Missbrauch Beteiligten wird die Gefahr erneuter Weitergabe eröffnet und werden die Persönlichkeitsrechte der abgebildeten Kinder über den sexuellen Missbrauch hinaus verletzt. Der besondere, in der Verknüpfung von Missbrauch und Weitergabe des in einer Schrift oder auf einem Datenträger perpetuierten Geschehens liegende Unrechtsgehalt realisiert sich auch in diesen Fällen. Selbst wenn es im Verhältnis zwischen Täter und anderem Beteiligten (noch) nicht um eine „auf Vermarktung abzielende Kinderschändung“ geht, wie sie dem Gesetzgeber der Vorgängervorschrift vor Augen stand (vgl. BT-Drucks. 13/8587, S. 32), greifen die Gesichtspunkte einer weiteren Verletzung des Persönlichkeitsrechts und einer Speisung des Marktes für Kinderpornographie - freilich unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des § 176a Abs. 3 StGB als Delikt mit mehrfach überschießender Innentendenz (MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, § 176a Rn. 25; Schönke/Schröder/Eisele, aaO, § 176a Rn. 12) - auch dann, wenn der „Gehilfe“ des sexuellen Missbrauchs in der Absicht handelt, dem Täter erstmaligen Besitz an der Aufzeichnung desselben zu verschaffen.
(2) Der Wortlaut der § 176a Abs. 3 aF, § 184b Abs. 2 aF StGB gebietet es nicht, von deren Anwendungsbereich die (beabsichtigte) Weitergabe einer kinderpornographischen Schrift an einen oder mehrere Beteiligte des darin aufgezeichneten sexuellen Missbrauchs auszunehmen. Diese Personen sind - entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes „anderer“ - nicht identisch mit demjenigen, der die Besitzverschaffung unternimmt. Zudem bedarf es jeweils eines gegenüber dem (schweren) sexuellen Missbrauch gesonderten Aktes der Übergabe oder Übermittlung, um dem oder den weiteren Tatbeteiligten den Besitz an der kinderpornographischen Schrift zu verschaffen.
Auch in anderen Strafvorschriften, die wie § 184b StGB eine Besitzverschiebung zum Gegenstand haben, werden Beteiligte eines Vorgeschehens als „andere“ (§ 259 StGB) oder „Dritte“ (§§ 242, 246, 249 StGB) angesehen. Zwar scheidet der Täter einer Vortat als Hehler einer durch einen „anderen“ erlangten Sache aus. Dies ist darin begründet, dass - anders als in den Fällen des § 184b Abs. 2 aF StGB - die durch den Täter bewirkte Rechtsgutsverletzung bereits zu einem Abschluss gekommen ist; Anstifter und Gehilfen der Vortat können sich indes als Hehler der erlangten Sache betätigen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 10. Oktober 1984 - 2 StR 470/84, NJW 1985, 502; MüKo-StGB/Maier, aaO, § 259 Rn. 57 ff. je mwN).
Soweit aus dem Schutzbereich des § 315c StGB, der die Gefährdung eines „anderen Menschen“ verlangt, solche Verhaltensweisen ausgeschieden werden, die lediglich Gefahren für Tatbeteiligte begründen, ist hierfür maßgeblich, dass in diesen Fällen das geschützte Rechtsgut - die Sicherheit des Straßenverkehrs - nicht verletzt ist und regelmäßig die Beteiligten mit ihrer Gefährdung einverstanden sind (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 1976 - 4 StR 465/76, BGHSt 27, 40, 43; Beschlüsse vom 12. Dezember 1990 - 4 StR 531/90, NJW 1991, 1120; vom 4. Dezember 2012 - 4 StR 435/12, NStZ 2013, 167; Lackner/ Kühl/Heger, aaO, § 315c Rn. 25; SSW-StGB/Ernemann, aaO, § 315c Rn. 24 je mwN). In den Fällen des § 176a Abs. 3 i.V.m. § 184b Abs. 2 aF StGB geht es indes um den Schutz des nicht „tatbeteiligten“ Kindes, das rechtswirksam weder sein Einverständnis zu dem an ihm begangenen sexuellen Missbrauch erklären noch ohne Weiteres in die Weitergabe hiervon hergestellten Materials einwilligen kann.
(3) Anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzessystematik, insbesondere etwa aus dem Verhältnis der Normen über die Fremdbesitzverschaffung und den Eigenbesitz an kinderpornographischem Material.
Aus dem Umstand, dass § 184b aF StGB zwischen dem Sichverschaffen und Besitzen einer kinderpornographischen Schrift (Absatz 4) einerseits und dem - gleichsam mit erhöhter Strafe bedrohten - Verbreiten (Absatz 1) und dem Unternehmen der Besitzverschaffung für einen anderen (Absatz 2) andererseits unterscheidet sowie § 176a Abs. 3 aF nicht auf § 184b Abs. 4 aF StGB verweist, folgt zwar, dass sich ein Täter des sexuellen Missbrauchs, der in der Absicht der Erlangung von Eigenbesitz an der betreffenden kinderpornographischen Schrift handelt, nicht nach dieser Qualifikation strafbar macht. Bei einer - wie hier - von vornherein getroffenen Übermittlungsabrede geht es aber gerade nicht allein um ein Sichverschaffen, sondern um das (beabsichtigte) Aus-der-Hand-Geben kinderpornographischen Materials, das vom Gesetzgeber - auch in Zwei-Personen-Konstellationen - als gesteigertes Unrecht gewertet wird (vgl. nochmals BT-Drucks. 13/8587, S. 32 und BT-Drucks. 15/350, S. 20 f.; s. auch Eckstein, ZStW 117 (2005), 107, 139 f.; Hütig, CR 1999, 714, 716). Dieses Unrecht ist auch für den „Gehilfen“ eines sexuellen Missbrauchs, dessen fördernder Tatbeitrag sich in der zugesagten Aufzeichnung des Geschehens und Übermittlung an den Täter erschöpft, nicht schlichtweg durch seine Strafbarkeit wegen Teilnahme an der Missbrauchstat abgegolten.
c) Der danach von dem Angeklagten verwirklichte schwere sexuelle Missbrauch in kinderpornographischer Absicht gemäß § 176a Abs. 3 aF StGB steht zur Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch gemäß § 176a Abs. 2 Nr. 1 aF StGB in Idealkonkurrenz (vgl. BGH, Beschlüsse vom 18. Mai 2010 - 4 StR 139/10, NStZ-RR 2010, 278 mwN; vom 14. Oktober 2020 - 1 StR 234/20; LK/Hörnle, aaO, § 176a Rn. 66; Schönke/Schröder/Eisele, aaO, § 176a Rn. 16 mwN; aA MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, § 176a Rn. 44; s. auch Matt/Renzikowski/Eschelbach, aaO, § 176a Rn. 33). Dass sowohl die Qualifikation des § 176a Abs. 2 Nr. 1 aF StGB, zu der der Angeklagte im Sinne von § 27 Abs. 1 StGB Hilfe geleistet hat, als auch die des § 176a Abs. 3 aF StGB, einem zur Täterschaft erhobenen Fall der Teilnahme (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2019 - 4 StR 237/19; LK/Hörnle, aaO, § 176a Rn. 69 und 74; Matt/Renzikowski/ Eschelbach, aaO, § 176a Rn. 26; MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, § 176a Rn. 30; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, aaO, § 176a Rn. 12c; SSW-StGB/Wolters, aaO, § 176a Rn. 19) verwirklicht wurde, ist im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen (vgl. Senat, Beschlüsse vom 16. Dezember 2015 - 2 StR 191/15; vom 15. Januar 2020 - 2 StR 321/19 Rn. 33; BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2020 - 1 StR 234/20).
Zwischen den Qualifikationen des § 176a aF StGB und den Verschaffungsdelikten nach § 184b Abs. 2 und 4 aF StGB besteht ebenfalls Tateinheit (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 15. Januar 2020 - 2 StR 321/19 Rn. 31; Schönke/Schröder/Eisele, aaO, § 176a Rn. 16; MüKo-StGB/Renzikowski, aaO, § 176a Rn. 45; LK/Hörnle, aaO, § 176a Rn. 96).
d) Der Senat ändert entsprechend § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Auch das Verbot der Schlechterstellung steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Januar 1955 - 5 StR 638/54, BGHSt 7, 86, 87; Senat, Urteil vom 7. Mai 1980 - 2 StR 10/80, BGHSt 29, 269, 270; BGH, Urteil vom 10. November 1999 - 3 StR 361/99, BGHSt 45, 308, 310; KK-StPO/Paul, 8. Aufl., § 331 Rn. 2; Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 331 Rn. 8).
3. Die Änderung des Schuldspruchs hat - auch soweit er eingeschränkt wurde - keinen Einfluss auf den Strafausspruch; dieser hat Bestand.
Zwar hat das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung des Sichverschaffens von jugendpornographischen Schriften in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe und der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Bildaufnahmen in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe jeweils strafschärfend berücksichtigt. Der Senat kann jedoch ausschließen, dass bei Beachtung der Verjährung dieser ansonsten rechtsfehlerfrei festgestellten Delikte noch niedrigere Einzelstrafen oder eine niedrigere Gesamtstrafe festgesetzt worden wären, zumal verjährte Taten - wenn auch mit geringerem Gewicht - straferschwerend berücksichtigt werden können (vgl. Senat, Beschluss vom 6. April 2001 - 2 StR 75/01, Rn. 4; s. auch BGH, Beschluss vom 4. Mai 1993 - 5 StR 206/93, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 20 je mwN) und das Landgericht ausdrücklich „den langen Zeitablauf“ seit den betreffenden Taten strafmildernd in Rechnung gestellt hat.
4. Die Kompensationsentscheidung lässt Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ebenfalls nicht erkennen.
Die Entscheidung, dem Angeklagten die Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen, beruht - auch soweit die zunächst unbeschränkt eingelegte Revision teilweise zurückgenommen wurde - auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO; der lediglich geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels lässt es nicht im Sinne von § 473 Abs. 4 StPO unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten zu belasten.
HRRS-Nummer: HRRS 2021 Nr. 849
Externe Fundstellen: BGHSt 66, 105; NJW 2021, 3476; NStZ 2022, 363
Bearbeiter: Karsten Gaede/Julia Heß