HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 78
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 120/15, Beschluss v. 25.10.2016, HRRS 2017 Nr. 78
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juli 2014 aufgehoben
a) im Strafausspruch im Fall II. 4 der Urteilsgründe (Anklagevorwurf Ziff. 117) einschließlich der zugehörigen Feststellungen zur Höhe des Untreueschadens und
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Bestechung in Tateinheit mit Beihilfe zur Untreue sowie wegen Beihilfe zum Betrug und Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und bestimmt, dass hiervon vier Monate als vollstreckt gelten. Der Senat hat die mit Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge gegen dieses Urteil geführte Revision des Angeklagten durch Beschluss vom 25. Juni 2015 nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Auf die Verfassungsbeschwerde des Angeklagten hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 21. April 2016 (2 BvR 1422/15) den Beschluss des Senats aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen, damit erneut über die Revision des Angeklagten entschieden wird. Die Revision erzielt mit einer Verfahrensrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschriften des Generalbundesanwalts im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung von § 257c StPO greift im genannten Umfang durch.
a) Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 21. April 2016 im Einzelnen ausgeführt hat, ist in dem von der Revision geschilderten Prozessgeschehen (Beschränkung der Höhe des Untreueschadens im Fall II. 4 auf höchstens 800.000 Euro in unzutreffender Anwendung von § 154a Abs. 2 StPO gegen Rücknahme auch darauf abzielender Beweisanträge) eine Verständigung im Sinne von § 257c StPO zu sehen. Da der Angeklagte weder nach § 257c Abs. 4, 5 StPO belehrt wurde noch dieser Verständigung zugestimmt hat, liegen Rechtsfehler vor.
b) Diese Rechtsfehler haben sich - worauf bereits die Revision hinweist (Revisionsbegründungsschrift S. 58) - lediglich auf die Bestimmung der Höhe des Untreueschadens ausgewirkt; nur insoweit beruht das Urteil auf dem Verfahrensverstoß. Eine Überhöhung von Rechnungen zur Finanzierung von Schmiergeldern hat der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen in einem Umfang von 350.000 Euro in der Hauptverhandlung bereits vor dem gerügten Verfahrensgeschehen glaubhaft eingeräumt. Erst nach der Verfahrensbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO aufgrund der fehlerbehafteten Verständigung hat der Angeklagte angegeben, es könne sich auch um einen Betrag zwischen 350.000 und 800.000 Euro handeln (UA S. 52). Dies hat die Strafkammer bei der Beweiswürdigung, in der sie auf einen Untreueschaden in Höhe von 800.000 Euro schließt, jedenfalls mitberücksichtigt (UA S. 136). Die aufgrund der Verständigung zurückgenommenen Beweisanträge betrafen überwiegend ebenfalls diese Differenz. Da sich das auf den genannten Punkt beschränkte Verständigungsgeschehen nicht in weiterem Umfang ausgewirkt hat, mithin rechtsfehlerfrei festgestellt ein Untreueschaden vorliegt, hat der (tateinheitliche) Schuldspruch der Beihilfe zur Untreue Bestand.
c) Von dem genannten Rechtsfehler sind die Feststellungen zur Höhe des im Fall II. 4 der Urteilsgründe angenommenen Untreueschadens betroffen, die insgesamt aufgehoben werden, um dem neuen Tatrichter auf umfassend neuer Grundlage eine widerspruchsfreie Entscheidung zu ermöglichen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Die übrigen, von dem Rechtsfehler nicht betroffenen Feststellungen können bestehen bleiben und um solche ergänzt werden, die ihnen nicht widersprechen.
d) Dies führt im Fall II. 4 der Urteilsgründe (Anklagevorwurf Ziff. 117) zur Aufhebung der in diesem Fall verhängten Einzelstrafe von drei Jahren und neun Monaten, bei deren Bemessung die Strafkammer ausdrücklich auch auf die Höhe des Untreueschadens abgestellt hat (UA S. 189), sowie zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Ein weitergehender Rechtsfehler liegt nicht vor. Jenseits des geschilderten, in öffentlicher Hauptverhandlung völlig transparent vollzogenen Geschehens gab es - wie die dienstliche Erklärung des Vorsitzenden und der Vortrag der Revision belegen - keine „informellen Absprachen“.
3. Die vorgenommene Verfahrensbeschränkung nach § 154a Abs. 2 StPO (Beschränkung der Höhe des Vermögensnachteils auf 800.000 Euro mit der Maßgabe, dass dieser „zumindest zum großen Teil“ auf der Überhöhung von vier Rechnungen beruhe, wobei sämtliche Rechnungen Verfahrensgegenstand bleiben sollten) entsprach - wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung im Einzelnen ausgeführt hat - nicht dem Gesetz. Die Beschränkung ist insgesamt unwirksam, weil die ausgeschiedenen Tatteile nicht hinreichend konkret bezeichnet worden sind (vgl. hierzu näher Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2011 - 1 StR 321/11, NStZ-RR 2012, 50). Über die Höhe des Untreueschadens ist demnach in den Grenzen des § 358 StPO umfassend neu zu verhandeln und zu entscheiden.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 78
Externe Fundstellen: StV 2018, 9
Bearbeiter: Karsten Gaede/Marc-Philipp Bittner