Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2025
26. Jahrgang
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1. Zur Strafbarkeit wegen Beteiligung am Völkermord durch Versklavung. (BGHSt)
2. § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB dient der Umsetzung von Art. 6 Buchst. c IStGH-Statut. Die Vorschrift sollte Situationen erfassen, in denen es über einen längeren Zeitraum hinweg zu wiederholten schweren Verletzungen von Menschenrechten kommt, die nicht unmittelbar, aber nach einer gewissen Dauer und in ihrem Zusammenwirken schließlich zum Tod der betroffenen Personen führen. Die Lebensbedingungen der Gruppe müssen dabei nach der deutschen Sprachfassung objektiv zerstörungsgeeignet sein. (Bearbeiter)
3. Lebensbedingungen sind nur dann zur teilweisen oder vollständigen körperlichen Zerstörung einer Gruppe geeignet, wenn sie den Tod von Gruppenmitgliedern herbeiführen können. (BGHSt)
4. Versklavungen, Vergewaltigungen und Vertreibungen erfüllen die objektiven Voraussetzungen der Norm nicht ohne Weiteres. Denn sie haben nicht zwangsläufig die körperliche Zerstörung der Gruppenmitglieder zur Folge. (Bearbeiter)
5. Bezugspunkt für die Beihilfe ist die Haupttat nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB. Dieser unterfallen nur solche Handlungen, die ihrerseits – im Rahmen der Gesamttat des § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB – die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen. Hierunter zählen allein solche Handlungen, durch die die Gruppe unter Lebensbedingungen gestellt wird, die zu ihrer körperlichen Zerstörung, mithin zur Herbeiführung des Todes jedenfalls eines Teils der Gruppenmitglieder, geeignet sind. (Bearbeiter)
6. Eine Abkoppelung des Begriffs der Haupttat von den einzelnen objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des Völkermordes nach § 6 VStGB hin zu einer Erfassung des Gesamtgeschehens eines Vorgehens ist mit den allgemeinen Grundsätzen von Täterschaft und Teilnahme, die gemäß § 2 VStGB Anwendung finden, nicht vereinbar. Sie würde zu einer Konturlosigkeit des Anwendungsbereichs der Teilnahme führen, die der deutschen Strafrechtsdogmatik und dem hierin verankerten Prinzip der limitierten Akzessorietät der Teilnahme widerspräche. (Bearbeiter)
7. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats verbindet der Tatbestand der mitgliedschaftlichen Beteiligung gemäß § 129a Abs. 1 Alternative 2 StGB (oder § 129 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB) alle Betätigungen des Mitglieds für die terroristische (oder kriminelle) Vereinigung grundsätzlich zu einer einzigen Tat im sachlichrechtlichen Sinne. Diese tatbestandliche Handlungseinheit umfasst nicht nur Beteiligungsakte, sondern auch solche, die noch ein weiteres Strafgesetz verletzen. Die anderen Delikte
werden durch die mitgliedschaftliche Beteiligung zu Tateinheit verklammert. Nur wenn mindestens zwei weitere, durch verschiedene Einzelakte begangene Gesetzesverstöße ein – mehr als unwesentlich – höheres Gewicht als das Vereinigungsdelikt haben, stehen sie, obwohl sie mit diesem jeweils tateinheitlich zusammenfallen, in Tatmehrheit zueinander. (Bearbeiter)
1. In der Geltendmachung einer Forderung kann eine konkludente Täuschung über Tatsachen liegen, wenn mit dem Einfordern der Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet wird. Im Zusammenhang mit der Geltendmachung einer Forderung erwartet der Rechtsverkehr in erster Linie eine wahrheitsgemäße Darstellung, soweit die Tatsache wesentlich für die Beurteilung des Anspruchs ist und der Adressat sie aus seiner Situation nicht ohne Weiteres überprüfen kann.
2. Für den Vermögensschaden (§ 263 Abs. 1 StGB) ist im Bereich des Sozialversicherungsrechts die dort geltende streng formale Betrachtungsweise maßgeblich, nach der eine Leistung insgesamt nicht erstattungsfähig ist, wenn sie in Teilbereichen nicht den gesetzlichen oder vereinbarten Anforderungen genügt.
3. Der Vergütungsanspruch entfällt, wenn Pflegeleistungen nach dem SGB XI und V geltend gemacht werden, die entgegen §§ 71, 72 SGB XI (Pflegekassen) und § 132a SGB V (Krankenkassen) in Verbindung mit den jeweiligen Rahmenverträgen und den in Bezug genommenen Richtlinien sowie den getroffenen vertraglichen Vereinbarungen ohne eine verantwortliche Pflegefachkraft erbracht wurden.
1. Auch durch berufstypische Handlungen wie Beratungsleistungen können Rechtsanwälte und Steuerberater eine strafbare Beihilfe begehen. Weder Alltagshandlungen noch berufstypische Handlungen sind in jedem Fall neutral; denn nahezu jede Handlung kann in einen strafbaren Kontext gestellt werden. Nicht jede Handlung, die sich im Ergebnis tatfördernd auswirkt, kann jedoch als strafbare Beihilfe gewertet werden. Vielmehr bedarf es in Fällen sogenannter berufsneutraler Handlungen einer wertenden Betrachtung im Einzelfall.
2. Zwar sind das Bewusstsein und der Wille eines Rechtsanwalts bei Erteilung eines Rechtsrats in der Regel darauf gerichtet, pflichtgemäß Rat zu erteilen, und nicht darauf, eine Straftat zu fördern). Eine Beihilfe kann aber auch durch unrichtige (Gefälligkeits-)Gutachten von Anwälten und Steuerberatern geleistet werden. Hierbei begründet aber nicht schon jede Erstellung eines Rechtsgutachtens durch Rechtsanwälte oder Steuerberater, das den Haupttäter in der Begehung der Haupttat bestärkt, tatbestandlich eine strafbare Beihilfe. Rechtsanwälte und Steuerberater sind gemäß § 3 Abs. 1 BRAO, § 3 Satz 1 Nr. 1 StBerG die kraft Gesetzes berufenen unabhängigen Berater und Vertreter in Rechtsund Steuerangelegenheiten und haben dafür Sorge zu tragen, dass dem Bürger als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips die zur Durchsetzung seiner Rechte notwendige Kenntnis des Rechts verschafft wird.
3. Die in Rechtsgutachten geäußerten Rechtsauffassungen können wegen ihres normativen Charakters grundsätzlich nicht ohne Weiteres nach den Kategorien „richtig“ oder „falsch“ bewertet werden. Vielmehr steht es einem beratenden Rechtsanwalt frei, in einer streitigen Rechtsfrage zu einer von der überwiegenden oder sogar herrschenden Meinung abweichenden Rechtsauffassung zu gelangen, soweit diese rechtlich vertretbar ist. Rechtsauskünfte lege artis bewegen sich daher innerhalb des erlaubten Risikos.
4. Hiervon sind unrichtige deskriptive Aussagen über das Recht zu unterscheiden. Verschweigt ein Rechtsanwalt in seinem Rechtsgutachten etwa bewusst, dass es zu der von ihm begutachteten Rechtsfrage eine (beachtliche) Gegenauffassung oder gute Gegenargumente gibt, so kann er eine „falsche“ Rechtsauskunft geben.
5. Daneben kann eine Rechtsauskunft auch dann unrichtig sein, wenn der Begutachtung bewusst ein falscher oder unvollständiger Sachverhalt zugrunde gelegt wird, um zu dem gewünschten rechtlichen Ergebnis zu gelangen.
6. Im Zusammenhang mit Rechtsgutachten zur steuerrechtlichen Unbedenklichkeit von Cum/Ex-Gestaltungen kann dies etwa der Fall sein, wenn die Begutachtung wichtige Sachverhaltselemente wie bestehende Absprachen zwischen Leerverkäufer und Leerkäufer ausblendet oder die Funktionsweise der Wertpapiergeschäfte irreführend darstellt.
1. Der Bankrott in der Tatvariante des Nichtführens der gesetzlich vorgeschriebenen Handelsbücher (§ 283 Abs. 1 Nr. 5 Var. 1 StGB, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) setzt voraus, dass der GmbH-Geschäftsführer die ihm obliegende Buchführung ganz unterlässt, also überhaupt keine Handelsbücher im Sinne von § 238 Abs. 1 HGB führt.
2. An einer erschwerten Übersicht im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 5 Var. 2 StGB kann es fehlen, falls der Kaufmann bzw. Geschäftsführer zwar nichts oder nicht vollständig gebucht, wohl aber sämtliche Belege geordnet aufbewahrt hat, da die fehlenden Bücher auf der Basis einer solchen Belegsammlung zumeist ohne größere Schwierigkeiten rekonstruierbar sind.
3. Nach § 283 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b StGB ist die verspätete oder überhaupt unterlassene Bilanzierung nur dann strafbar, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die Bilanz spätestens zu erstellen war, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit oder zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit vorlag.
4. Zahlungsunfähigkeit ist das nach außen in Erscheinung tretende, auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende, voraussichtlich dauernde Unvermögen des Unternehmens, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu befriedigen. Der Annahme, dass eine Gesellschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr über hinreichende Finanzmittel zur Tilgung ihrer Verbindlichkeiten verfügt hat, kann entgegenstehen, dass ihr von Gläubigern Zahlungsfristen eingeräumt und Ratenzahlungen bewilligt wurden. Dass auch diese „häufig“ nicht eingehalten und „höhere Schulden“ aufgehäuft wurden, vermag – in Abgrenzung zu einer bloßen Zahlungsstockung – eine Zahlungsunfähigkeit im vorgenannten Sinn noch nicht zu belegen.
5. § 283 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 StGB sanktioniert nur Verhaltensweisen des Schuldners oder Geschäftsführers, die den Passivenbestand zum Schein erhöhen. Die bloße Behauptung, vermeintliche Forderungen erfüllt zu haben, genügt hingegen nicht.
1. Die Verabreichung eines bewusstseinstrübenden Mittels erfüllt den Tatbestand der Körperverletzung, wenn dieses den Betroffenen in einen Zustand versetzt, bei dem das Bewusstsein verloren geht. Wie bei jedem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit gilt das auch dann, wenn dieser im Rahmen einer ärztlichen Behandlung vorgenommen wird, unabhängig davon, ob diese lege artis durchgeführt wird und erfolgreich ist.
2. Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt die Aufklärung über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen voraus, um das aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleitete Selbstbestimmungsrecht des Patienten sowie sein Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zu wahren. Inhaltlich ist der Patient daher über die Chancen und Risiken der Behandlung im „Großen und Ganzen“ aufzuklären, ihm muss ein zutreffender Eindruck von der Schwere des Eingriffs und von der Art der Belastungen vermittelt werden, die für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung auf ihn zukommen können
3. Weiß der Einwilligende um die allgemeinen Risiken der geplanten Behandlung (hier: einer Narkose), so erstreckt sich die Einwilligung ohne eine weitergehende Aufklärung zunächst regelmäßig nur auf eine lege artis, das heißt nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft durchgeführte Heilbehandlung. Gibt es demgegenüber gesteigerte Risiken, die sich aus einer dem behandelnden Arzt bewussten Unterschreitung medizinischer Standards ergeben, ist es für eine wirksame Ausübung des Selbstbestimmungsrechts erforderlich, dass der Patient hierüber informiert wird.
4. Nach dem so genannten Vertrauensgrundsatz darf ein Arzt in der Regel auf die korrekte Vorarbeit eines Kollegen oder – bei arbeitsteiliger Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachrichtungen – auf die Sorgfalt des fachfremden Kollegen vertrauen, ohne die ärztliche Leistung seiner Kollegen jeweils selbst überprüfen zu müssen. Dieser Grundsatz gilt, solange keine Anhaltspunkte für ernste Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Arbeit des Kollegen erkennbar sind. Solche Anhaltspunkte können gegeben sein, wenn ein Narkosearzt bei einer mehrstündigen, unter Vollnarkose durchgeführten zahnärztlichen Behandlung auf den Einsatz eines EKG-Geräts, eines Kapnometers, eines Beatmungsgeräts sowie auf personelle Assistenz verzichtet.
1. Eine ruhende Approbation führt nicht dazu, dass der Angeklagte nicht mehr von dem von § 278 StGB vorausgesetzten Täterkreis erfasst wird. Die Ruhensanordnung lässt im Gegensatz zu Rücknahme oder Widerruf der Approbation den ärztlichen Status unberührt.
2. Die Herausgabe an eine andere Person ist zur Vollendung der Tathandlung des Herstellens gemäß § 278 Abs. 1 StGB nicht erforderlich, wenn personalisierte Gesundheitszeugnisse erstellt worden sind.
Auch wenn eine Jugendstrafe ausschließlich wegen der Schwere der Schuld verhängt wird, ist bei der Bemessung der Strafhöhe vorrangig der das Jugendstrafrecht beherrschende Erziehungsgedanke (§ 18 Abs. 2 JGG) zu berücksichtigen.
Nach § 95 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 AMG macht sich strafbar, wer entgegen § 43 Abs. 1 Satz 2 AMG außerhalb von Apotheken mit Arzneimitteln, die nur auf Verschreibung an Verbraucher abgegeben werden dürfen, Handel treibt. Dabei ist das Tatbestandsmerkmal des Handeltreibens ebenso zu verstehen wie im Betäubungsmittelrecht. Das in § 95 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 AMG normierte Handelsverbot mit Arzneimitteln außerhalb von Apotheken richtet sich gegen jedermann, also auch gegen Unbefugte.
Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten im Betäubungsmittelstrafrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Dabei kann eine Beteiligung am Transport als mittäterschaftliches Handeltreiben einzuordnen sein, wenn der Beteiligte über diesen hinaus erhebliche Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf der Betäubungsmittel unmittelbar beteiligt ist, selbständig den Umfang des Geschäfts bestimmt oder sonst ein eigenes Interesse am Gesamtgeschäft hat, weil er einen Anteil am Umsatz oder zu erzielenden Gewinn erhalten soll.
1. Wird ein Betäubungsmittel zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben, ist die Tatbestandsvariante des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch erfüllt. Das gilt auch dann, wenn der Täter einem anderen ein Lebensmittel zum sofortigen Verzehr übergibt, dabei verschweigt, dass dieses Betäubungsmittel enthält, und der Empfänger das Rauschgift daher unwissentlich konsumiert.
2. Die Abgrenzung des Tatbestands des Verabreichens von demjenigen der Verbrauchsüberlassung bestimmt sich allein nach dem äußeren Geschehensablauf. Ein Verabreichen ist gegeben, wenn der Täter dem Empfänger das Betäubungsmittel ohne dessen aktive Mitwirkung zuführt, etwa durch Injizieren, Einreiben oder Einflößen. Übergibt der Täter dagegen einer anderen Person Betäubungsmittel und führt diese sie sich eigenständig zu (Eigenapplikation), ist der Tatbestand der Verbrauchsüberlassung verwirklicht.
1. Die Bezahlung einer zuvor „auf Kommission“ erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Menge im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit. Da der Gesetzgeber die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt hat, gilt für die konkurrenzrechtliche Bewertung des Handeltreibens mit Cannabis nach neuem Recht nichts Anderes.
2. Eine Zusammenrechnung der Wirkstoffmenge eines Betäubungsmittels mit der von Cannabis zur Bestimmung der nicht geringen Menge findet unter dem Regelungsregime des Konsumcannabisgesetzes nicht statt.
3. Im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB milder ist das Gesetz, das anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt. Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist.
4. Besteht kein Unterschied im Mildegrad, bleibt es bei der Anwendung des Tatzeitrechts.
1. Zwar reicht es für die Tathandlung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus, wenn der Täter eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit entfaltet. Auch die Vermittlung eines Absatzgeschäftes kann die tatbestandlichen Vorrausetzungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllen. Allerdings muss das fremde Geschäft – jedenfalls auch – zu eigennützigen Zwecken gefördert werden. Eigennützigkeit bedeutet, dass der Täter von einem Streben nach Gewinn geleitet wird oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil von seiner Tätigkeit verspricht, durch den er materiell oder – objektiv messbar – immateriell bessergestellt wird. Kein Vorteil mit objektiv messbarem Inhalt ist die Hoffnung auf ideelle Anerkennung bei anderen. Es ist auch nicht ausreichend, wenn jemand nur den Eigennutz eines anderen mit seinem Tatbeitrag unterstützen will. In den Fällen fehlenden Eigennutzes kommt indes eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Betracht.
2. Eine (täterschaftliche) Abgabe von Betäubungsmitteln liegt vor, wenn der Täter als Besitzer der Drogen die tatsächliche Verfügungsgewalt an diesen auf einen Abnehmer überträgt.
3. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Die bloße Feststellung eines mittäterschaftlichen Zusammenwirkens belegt nicht, dass der jeweilige Mittäter Mitverfügungsmacht erlangt hat; eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB kommt nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über den Taterlös zukommen sollte, und er diese auch tatsächlich hatte. Soll der Erlös aus Drogengeschäften abgeschöpft werden, sind daher regelmäßig Feststellungen zur Entgegennahme der Verkaufserlöse oder Provisionen und deren Verbleib erforderlich. Insbesondere in Fällen, in denen ein Angeklagter gemeinsam mit einem Mitangeklagten größere Drogenmengen bestellt, die aber ‒ wie von vornherein abgesprochen ‒ an jeweils eigene Abnehmer verkauft werden sollen, versteht sich eine Mitverfügungsmacht des einen an den vom anderen erlangten Erlösen nicht von selbst und muss daher festgestellt und im Einzelnen belegt werden.
Trotz der inhaltlichen Anforderungen an die Tathandlung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist fahrlässiges Handeltreiben phänomenologisch möglich und tatbestandlich von § 29 Abs. 4 iVm Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfasst. Dabei ist aber zu beachten, dass es sich um ein verhaltensgebundenes Delikt handelt, dessen Tathandlung – eine auf Umsatzförderung gerichtete Tätigkeit, die einen Stoff oder eine Zubereitung im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes betrifft – durch den Täter selbst verwirklicht werden muss. Eine strafbare fahrlässige Beihilfe zum Handeltreiben gibt es nicht.
1. Im Betäubungsmittelstrafrecht wie auch im Cannabisstrafrecht verwirklicht der gleichzeitige Besitz verschiedenartiger Rauschmittel den Tatbestand des Besitzes von Betäubungsmitteln bzw. des verbotenen Besitzes von Cannabis – auch bei getrennt gehaltenen Mengen – nur einmal. Es liegt materiellrechtlich keine gleichartige Tateinheit, sondern eine einzige Besitzstraftat vor.
2. Gegenüber dem täterschaftlich begangenen Handeltreiben in nicht geringer Menge tritt der Besitz in nicht geringer Menge zwar trotz identischen Strafrahmens zurück (gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 und 4 BtMG jeweils Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr, gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG i.V.m. § 34 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KCanG jeweils Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren), da das täterschaftliche Handeltreiben einen höheren Unrechtsgehalt aufweist als der täterschaftliche Besitz. Leistet der Täter jedoch zugleich Beihilfe zum Handeltreiben in nicht geringer Menge, behält der Besitz in nicht geringer Menge seinen Unrechtsgehalt und verklammert die an sich selbständige Beihilfetat mit einer weiteren Tat des täterschaftlichen Handeltreibens in nicht geringer Menge zur Tateinheit; insoweit bleibt die Klammerwirkung einer Dauerstraftat bestehen, wenn nur eines der betroffenen anderen Delikte schwerer als dasjenige ist, das die Verbindung begründet. Erst recht verklammert der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die übrigen Delikte, wenn er – wie hier, mit einer Strafandrohung von Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 4 BtMG) – die schwerste Tat darstellt.
1. Ein Schuldspruch nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG setzt voraus, dass das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei deren tatbestandliche Voraussetzungen eigenständig feststellt; an die Entscheidung des Familiengerichts ist es insoweit nicht gebunden.
2. Wie vieler Wiederholungen es für ein Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „wiederholt“ in § 238 Abs. 1 StGB bedarf, ist vom Einzelfall abhängig. Eine geringe einstellige Anzahl von Wiederholungen wird insoweit regelmäßig nur bei schwerer wiegenden Einzelhandlungen in Betracht kommen.
1. Gemäß § 106 Abs. 1 JGG kann das Gericht an Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn Jahren erkennen, wenn wegen der Straftat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden ist. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist, Heranwachsenden, auch wenn sie schwerste Verbrechen begangen haben, gleichwohl die (Wieder-)Eingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Dem liegt der Gedanke zu Grunde, dass bei altersgemäß entwickelten Heranwachsenden die Reifeentwicklung noch nicht so hoffnungslos abgeschlossen sein muss, dass bei entsprechenden erzieherischen Bemühungen eine spätere Wiedereingliederung nicht mehr möglich wäre.
2. Über die Anwendung von § 106 Abs. 1 JGG ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ermessensentscheidung, die sich auf eine tragfähige Tatsachengrundlage stützen muss, ist nach dem Zweck des § 106 Abs. 1 JGG primär daran auszurichten, ob erwartet werden kann, dass der Heranwachsende nach vollständiger oder teilweiser Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe erfolgreich in die Gesellschaft eingegliedert werden kann. Die (günstige) Prognose hinsichtlich einer späteren Wiedereingliederung des Angeklagten darf nicht allein auf Vermutungen beruhen, sondern muss sich auf eine Tatsachengrundlage stützen, aus der sich die begründete Erwartung einer Wiedereingliederungsfähigkeit des Angeklagten ergibt. Bei dieser Prognose muss – neben dem Vorleben des Heranwachsenden, seiner Tat und seinem Verhalten nach der Tat – vor allem auch die zukünftige Entwicklung des Heranwachsenden aufgrund der Einwirkung der Strafvollstreckung einbezogen werden. Im Falle einer weitgehend gefestigten dissozialen Persönlichkeitsstruktur bedarf es gewichtiger Argumente, wenn die Ausnahmevorschrift des § 106 Abs. 1 JGG zur Anwendung kommen soll.
3. Stuft das Gericht einen Angeklagten als Hangtäter gemäß § 106 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 JGG ein und behält deswegen es die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vor, unterliegt es bei seiner Entscheidung zur Anwendung des § 106 Abs. 1 JGG erhöhten Begründungsanforderungen.