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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2025
26. Jahrgang
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1. Maßgebend für die Prüfung des § 32 Abs. 2 StGB ist die objektive Sachlage. Allein sie bestimmt auch das Maß der erforderlichen und gebotenen Abwehrhandlung. Hat der Angreifer bereits eine Verletzungshandlung begangen, dauert der Angriff so lange an, wie eine Wiederholung und damit ein erneuter Umschlag in eine Verletzung unmittelbar zu befürchten ist.
2. Für die Fälle der Notwehrprovokation ist zu unterscheiden: Eine Absichtsprovokation begeht, wer zielstrebig einen Angriff herausfordert, um den Gegner unter dem Deckmantel einer äußerlich gegebenen Notwehrlage an seinen Rechtsgütern zu verletzen. In einem solchen Fall ist dem Täter Notwehr – jedenfalls grundsätzlich – versagt, weil er rechtsmissbräuchlich handelt, indem er einen Verteidigungswillen vortäuscht, in Wirklichkeit aber angreifen will. Erfolgt die Provokation (nur) vorsätzlich, wird dem Täter das Notwehrrecht nicht vollständig und nicht zeitlich unbegrenzt genommen; es werden an ihn jedoch umso höhere Anforderungen im Hinblick auf die Vermeidung gefährlicher Konstellationen gestellt, je schwerer die rechtswidrige und vorwerfbare Provokation der Notwehrlage wiegt. Wer unter erschwerenden Umständen die Notwehrlage provoziert hat, muss unter Umständen auf eine sichere erfolgversprechende Verteidigung verzichten und das Risiko hinnehmen, dass ein minder gefährliches Abwehrmittel keine gleichwertigen Erfolgschancen hat. Auch wenn der Täter den Angriff auf sich lediglich leichtfertig provoziert hat, darf er von seinem grundsätzlich gegebenen Notwehrrecht nicht bedenkenlos Gebrauch machen und sofort ein lebensgefährliches Mittel einsetzen. Er muss vielmehr dem Angriff nach Möglichkeit ausweichen und darf zur Trutzwehr mit einer lebensgefährlichen Waffe erst Zuflucht nehmen, nachdem er alle Möglichkeiten der Schutzwehr ausgenutzt hat; nur wenn sich ihm diese Möglichkeit nicht bietet, ist er zu der erforderlichen Verteidigung befugt. Ein rechtlich gebotenes oder erlaubtes Tun führt hingegen nicht ohne weiteres zu Einschränkungen des Notwehrrechts, auch wenn der Täter wusste oder wissen musste, dass andere durch dieses Verhalten zu einem rechtswidrigen Angriff veranlasst werden könnten. Eine Notwehreinschränkung setzt voraus, dass die tatsächlich bestehende Notwehrlage durch ein rechtswidriges, jedenfalls aber sozialethisch zu missbilligendes Vorverhalten des Angegriffenen verursacht worden ist und zwischen diesem Vorverhalten und dem rechtswidrigen Angriff ein enger zeitlicher und räumlicher Zusammenhang besteht.
3. Der Schuldausschließungsgrund des § 33 StGB kann grundsätzlich auch dann eingreifen, wenn der Täter die Notwehrsituation schuldhaft provoziert haben sollte und deshalb nur über ein eingeschränktes Notwehrrecht verfügte. Allerdings wird in diesem Fall mit Blick auf ein möglicherweise festgestelltes aggressives oder furchtloses Vor- und Nachtatverhalten genau zu prüfen sein, ob der Angeklagte tatsächlich aus einem der in § 33 StGB genannten Affekte gehandelt hat. Im Fall einer Absichtsprovokation stünde dem Angeklagten kein Notwehrrecht zu, sodass § 33 StGB schon deshalb nicht in Betracht kommt. Gleiches gilt, wenn der Angeklagte aus anderen Gründen (etwa aus Rache) ohne Verteidigungswillen gehandelt hat.
4. Befindet sich der Täter tatsächlich in einer Notwehrlage, geht er aber irrig davon aus, der Angriff werde in Kürze durch das Hinzutreten weiterer Angreifer verstärkt werden, so beurteilt sich sein Handeln nach den Grundsätzen des Erlaubnistatbestandsirrtums, wenn das gewählte Verteidigungsmittel in der von dem Täter angenommenen Situation zur endgültigen Abwehr des Angriffs erforderlich gewesen wäre. Eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Tatbegehung ist dann nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen. Bei Vermeidbarkeit des Irrtums
kommt gemäß § 16 Abs. 2 StGB nur die Bestrafung wegen einer Fahrlässigkeitstat in Betracht. Zu prüfen bleibt dann, ob der (vermeidbare) Irrtum auf einem der in § 33 StGB genannten asthenischen Affekte – Verwirrung, Furcht oder Schrecken – beruht, denn hierdurch entfiele schuldhaftes Handeln.
5. Spricht das Tatgericht den Angeklagten frei, weil es Zweifel an dessen Täterschaft oder Schuld nicht zu überwinden vermag, ist dies von dem Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtlich zu beanstanden sind die Beweiserwägungen weiterhin dann, wenn sie erkennen lassen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat. Es ist nicht geboten, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden.
6. Die Einlassung eines Angeklagten, für die es keine Beweise gibt, kann nicht ohne weiteres zur Grundlage von Feststellungen gemacht werden. An die Bewertung einer entlastenden Einlassung eines Angeklagten sind vielmehr grundsätzlich die gleichen Anforderungen zu stellen wie an die Beurteilung sonstiger Beweismittel. Der Tatrichter hat sich daher aufgrund der Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden.
7. Zwar muss die Begründung der Revision eines Nebenklägers erkennen lassen, dass er mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, also einen bisher unterbliebenen Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen einer Straftat, welche die Berechtigung zum Anschluss an das Verfahren als Nebenkläger begründet. Danach erweist sich die nicht näher ausgeführte Sachrüge regelmäßig als unzureichend, weil ein entsprechendes Anfechtungsziel nicht benannt wird. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der allein von dem Vorwurf eines nebenklagefähigen Delikts freigesprochen worden ist. Denn in solchen Fällen ergibt sich auch ohne nähere Ausführung in der Revisionsbegründung, dass das Rechtsmittel auf das zulässige Ziel der Verurteilung wegen eines zur Nebenklage berechtigenden Delikts gerichtet ist.
1. Erliegt ein Täter bei der Bestimmung des angegriffenen Tatobjekts einem Identitätsirrtum, ist dies für ihn unbeachtlich, wenn die Tatobjekte gleichwertig sind. Denn zum gesetzlichen Tatbestand gehören nur die tatbestandlichen Voraussetzungen und gerade nicht die Identität des Handlungsobjekts. Diese Grundsätze gelten auch bei sog. Distanzdelikten, in denen der Täter es nicht in der Hand behält, welche konkrete Person getroffen werden wird.
2. Die Strafrechtsordnung, die für jede Verurteilung den vollen Beweis der Tat fordert und Zweifel daran stets zugunsten des Angeklagten ausschlagen lässt, kann es nicht hinnehmen, wenn schon das bloße Fehlen entlastender Umstände wie geschehen als Belastungsindiz gewertet wird. Der Angeklagte darf nicht nur schweigen, sondern ebenso auf den Antritt eines Entlastungsbeweises verzichten, ohne deshalb in Kauf nehmen zu müssen, dass dieses Verhalten als belastender Umstand bewertet wird und ihm damit zum Nachteil gereicht.
3. Grundsätzlich rechtsfehlerhaft ist es daher, die Tatsache, dass der Angeklagte kein Alibi hat, nicht etwa nur als das Fehlen eines Umstands zu bewerten, der der schon aus dem sonstigen Beweisergebnis gewonnenen Überzeugung des Tatgerichts von der Täterschaft des Angeklagten den Boden entziehen würde, sondern diesen Umstand als Belastungsindiz zur Bildung eben dieser Überzeugung zu verwenden. Anders liegt es, wenn sich die Urteilsgründe dahin verstehen lassen, dass das Tatgericht in einem nachweislich erlogenen Alibi aufgrund besonderer Umstände wie der hiermit verbundenen Offenbarung von Täterwissen ausnahmsweise einen belastenden Umstand gesehen hat und sehen durfte.
1. Einzelfall des Körperverletzungsvorsatzes einer Hebamme hinsichtlich des in der Geburt befindlichen Kindes.
2. Die Strafzumessungserwägung, es liege ein über mehrere Monate andauernder Tatzeitraum vor, kommt in Bezug auf das ungeborene Kind bereits deshalb nicht in Betracht, weil insoweit ein tatbestandsmäßiges Handeln – hier: einer Hebamme zum Zeitpunkt der Übernahme der Hausgeburt – schon aus Rechtsgründen ausscheidet.
1. Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben. Ein Ursachenzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat. Demgegenüber verliert eine Ursache im Rechtssinne ihre Bedeutung nicht, wenn außer ihr noch andere Ereignisse zur Herbeiführung des Erfolges beitragen. Ob die weitere Ursache durch das Opfer, einen Dritten oder den Täter selbst gesetzt wird, ist dabei ohne Bedeutung.
2. Eine Divergenz zwischen dem eingetretenen und dem vom Täter gedachten Geschehensablauf ist für die rechtliche Bewertung regelmäßig dann unbeachtlich, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt.
1. Der Tatbestand eines versuchten Delikts verlangt in subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) das Vorliegen einer vorsatzgleichen Vorstellung, die sich auf alle Umstände des äußeren Tatbestandes bezieht. Die Annahme eines versuchten Tötungsdelikts setzt daher insoweit voraus, dass der Täter zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat (bedingter Vorsatz), dass durch seine Tathandlung der Tod eines Menschen eintreten kann.
2. Von einer billigenden Inkaufnahme ist auszugehen, wenn der Täter sich um des erstrebten Ziels willen mit dem Eintritt des für möglich gehaltenen Todes abfindet, auch wenn ihm dies gleichgültig oder an sich unerwünscht ist. Die Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen. Dabei ist es vor allem bei der Würdigung des Willenselementes regelmäßig erforderlich, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht zieht.
3. In Fällen einer naheliegenden Gefährdung des Täters selbst oder für ihn elementarer Rechtsgüter ist dieser Umstand in die Beurteilung des Willenselementes einzustellen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass es keinen Rechtssatz gibt, wonach es einem Tötungsvorsatz entgegensteht, dass mit der Vornahme einer fremdgefährdenden Handlung auch eine Eigengefährdung einhergeht.
1. Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, das anhand des konkreten Falles nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt. Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist.
2. Die sukzessive Bezahlung zuvor „auf Kommission“ erhaltener Rauschgiftmengen nach Art einer laufenden Rechnung verbindet wegen der Überschneidung der tatbestandlichen Ausführungshandlungen die Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit; die Geschäfte bilden hingegen keine betäubungsmittelrechtliche Bewertungseinheit. Das bedeutet, dass in diesen Fällen die Tatbestände des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in der jeweiligen Anzahl der Einzelgeschäfte tateinheitlich verwirklicht sind. Eine Zusammenrechnung der jeweils erworbenen Einzelmengen zur Bestimmung der nicht geringen Menge findet in dieser Konstellation, anders als in Fällen der Bewertungseinheit, nicht statt.
3. Eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer ist ungeachtet eines geringeren Strafbedürfnisses auf Grund des zeitlichen Abstands zwischen Tatbegehung und Urteil (und unbeschadet eines etwa zu gewährenden Vollstreckungsabschlags) bei der Strafzumessung zu berücksichtigen und stellt regelmäßig einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO dar.
1. Von einer Verfolgung ausgenommen sind nach Art. 55 Abs. 1 Satz 1 ThürVerf Äußerungen von Abgeordneten, „die sie im Landtag, in einem seiner Ausschüsse oder sonst in Ausübung ihres Mandats getan haben“. Hiermit zielt die Regelung auf die Grundlagen der Parlamentsarbeit, für deren Funktionsbereich die freie Diskussion besonders geschützt werden soll. Dies setzt nach gefestigter Rechtsprechung einen inneren Bezug der Äußerung zur Arbeit im Parlament voraus. Hierzu genügt die Eigenschaft als Abgeordneter nicht. Vielmehr muss die Äußerung selbst der Parlamentsarbeit des Abgeordneten, nicht seiner Privatsphäre oder den Funktionen in seiner Partei zuzuordnen sein.
2. Bei der Parole „Alles für Deutschland“ kann es sich um ein Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1, § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB handeln. Ausschlaggebend dafür ist nicht der mit der Parole einhergehende Inhalt, der für sich genommen als unverfänglich angesehen werden kann. Entscheidend kann vielmehr sein, dass es sich bei der Wortkombination gerade um ein von einer nationalsozialistischen Organisation geprägtes Erkennungszeichen handelt und die öffentliche Nutzung solcher Symbole unterbunden werden soll, um der abstrakten Gefahr einer Wiederbelebung vorzubeugen.
3. Bei einem Kennzeichen im Sinne des § 86a Abs. 1 StGB ebenso wie des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG handelt es sich um optisch oder akustisch wahrnehmbare Symbole und Sinnesäußerungen, durch welche die Organisation auf sich und ihre Zwecke hinweist; intern sollen Kennzeichen den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder stärken. Von dem Kennzeichen muss keine Unterscheidungswirkung im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals ausgehen. Es reicht vielmehr aus, dass sich eine Organisation ein bestimmtes Symbol – etwa durch formale Widmung oder schlichte Übung – derart zu eigen gemacht hat, dass dieses zumindest auch als ihr Kennzeichen erscheint. Ob dieses auch von anderen, nicht verbotenen Organisationen oder in gänzlich anderem Kontext genutzt wird, ist für die Frage der Kennzeicheneigenschaft ohne Bedeutung.
4. Für die Kennzeicheneigenschaft kommt es nicht darauf an, ob ein Symbol einen gewissen Bekanntheitsgrad als Erkennungszeichen einer bestimmten Vereinigung oder Organisation besitzt. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden. Die öffentliche Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation begründet die Gefahr einer solchen Wiederbelebung, weil in ihr ein werbendes Bekenntnis zu der Organisation und deren verfassungsfeindlichen Zielen unabhängig davon liegt, ob es einen gewissen Bekanntheitsgrad als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation hat.
1. Eine schutzlose Lage im Sinne des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB liegt vor, wenn sich das Opfer dem überlegenen Täter allein gegenübersieht und auf fremde Hilfe nicht rechnen kann. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn nach zusammenfassender Bewertung die Möglichkeiten des Täters, mit Gewalt auf das Opfer einzuwirken, größer sind als die Möglichkeiten des Tatopfers, sich solchen Einwirkungen des Täters mit Erfolg zu entziehen, ihnen erfolgreich körperlichen Widerstand entgegenzusetzen oder die Hilfe Dritter zu erlangen. Eine gänzliche Beseitigung jeglicher Verteidigungsmöglichkeiten ist nicht vorausgesetzt.
2. Bei der Prüfung des Vorliegens einer schutzlosen Lage i.S.d. § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB kommt es – anders als nach § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF – nicht darauf an, dass das Tatopfer selbst die Schutzlosigkeit seiner Lage erkennt und unter dem Eindruck seines schutzlosen Ausgeliefertseins aus Furcht vor möglichen Einwirkungen des Täters auf einen ihm grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet. Vielmehr bedarf es dieser einschränkenden Auslegung nicht mehr, weil § 177 Abs. 5 StGB eine Nötigung des Tatopfers nicht mehr voraussetzt. Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 177 Abs. 5 Nr. 3 StGB ist deshalb unabhängig vom Vorstellungsbild des Tatopfers allein dessen objektive Schutzlosigkeit ausreichend.
1. Ein bedingter Gefährdungsvorsatz liegt vor, wenn der Täter über die allgemeine Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugrennens hinaus auch die Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt einer solchen Gefahrenlage zumindest abfindet. Wie konkret die Vorstellung des Täters sein muss und in welchem Umfang das Tatgericht dazu Feststellungen treffen muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
2. Die Vorstellung des Täters muss sich nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Regel aus, dass sich der Täter aufgrund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen (z.B. Nichteinhaltenkönnen der rechten Spur in anstehenden Kurven bei Gegenverkehr, Querverkehr an Kreuzungen, haltende Fahrzeug etc.) dem tatsächlich eingetretenen Beinaheunfall entspricht. Dabei können die Kenntnis des Täters von der Fahrtstrecke und den sich dabei ergebenden Gefahrenstellen, sein vorangegangenes Fahrverhalten, Erfahrungen des Täters aus dem bisherigen Fahrtverlauf, aber auch die Nähe des drohenden Unfalls Indizien für eine hinreichend konkrete Vorstellung des Täters von der drohenden Gefahr und deren Billigung sein.
3. Zwischen der Tathandlung des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB und der eingetretenen konkreten Gefahr im Sinne von § 315d Abs. 2 StGB („Beinaheunfall“) muss ein – vom Gefährdungsvorsatz umfasster – innerer Zusammenhang bestehen. Das Verbot des Alleinrennens soll die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch die Auswirkungen jenes Fahrverhaltens verhindern, das ein Kraftfahrer mit gesteigerter Risikobereitschaft und unter Missachtung der Fahr- und Verkehrssicherheit an den Tag legt, weil er „objektiv und subjektiv ein Kraftfahrzeugrennen nachstellt“. An einer solchen renntypischen Gefahr, die sich im Gefährdungserfolg verwirklicht hat, kann es fehlen, wenn es sich lediglich um eine Verletzung des Rechtsfahrgebots (§ 2 Abs. 2 StVO) auf schmaler unübersichtlicher Straße handelt und andere Verkehrsteilnehmer ein gleichgelagertes Fahrverhalten zeigen.
4. Eine tatbestandsspezifische Gefahr für die geschützten Rechtsgüter setzt allerdings nicht notwendig voraus, dass bei pflichtgemäßem Verhalten ein „Beinaheunfall“ ausgeblieben wäre, wenn dies auch in der Regel der Fall und nicht weiter erörterungsbedürftig sein wird. Eine derartige Gefahr kann vielmehr auch (schon) zu bejahen sein, wenn sie infolge des Alleinrennens ein gesteigertes Maß aufweist. Der Gefahrerfolg in seiner jeweiligen Gestalt muss durch die Tathandlung lediglich mitverursacht werden. Er kann daher auch in einem konkret drohenden (oder eingetretenen) höheren Schadensumfang liegen. Ein Mitverschulden anderer Verkehrsteilnehmer schließt dabei den inneren Zusammenhang nicht aus.
1. Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Rennen gegen sich selbst im Sinne des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB fährt, verwirklicht den Qualifikationstatbestand des § 315d Abs. 2 StGB in objektiver Hinsicht, wenn er durch sein Fahrverhalten während des Alleinrennens eine konkrete Gefahr für eines der genannten Individualrechtsgüter verursacht und zwischen seinem Verursachungsbeitrag und dem Gefährdungserfolg ein innerer Zusammenhang besteht. Dazu muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus in eine Verkehrssituation geführt haben, in der die Sicherheit eines der benannten Individualrechtsgüter so stark beeinträchtigt worden ist, dass der Eintritt einer Rechtsgutsverletzung nur noch vom Zufall abhing.
2. Dass es sich bei der gefährdeten Person um einen Mitinsassen des Tatfahrzeugs handelt, steht der Anwendung des § 315d Abs. 2 (und Abs. 5) StGB nicht entgegen.
3. In subjektiver Hinsicht handelt der Täter nur dann mit dem für § 315d Abs. 2 (und Abs. 5) StGB erforderlichen, zumindest bedingten Gefährdungsvorsatz, wenn er über die allgemeine Gefährlichkeit des Alleinrennens hinaus auch die konkreten Umstände kennt, die den in Rede stehenden Gefahrerfolg im Sinne eines Beinaheunfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen, und er sich mit dem Eintritt dieser Gefahrenlage zumindest abfindet. Die Vorstellung des Täters muss sich nicht auf alle Einzelheiten des weiteren Ablaufs beziehen. Vielmehr reicht es in den Fällen des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB in der Regel aus, dass sich der Täter auf Grund seiner Fahrweise und der gegebenen Verhältnisse eine kritische Verkehrssituation vorstellt, die in ihren wesentlichen gefahrbegründenden Umständen dem tatsächlich eingetretenen Beinaheunfall entspricht.
Wer sein Opfer mit Nötigungsmitteln zu einer Geldzahlung bewegt, auf die zum Teil ein Anspruch besteht, begeht neben der Erpressung eine tateinheitliche Nötigung. (BGH LM)
Der Täter, der die Herausgabe eines Gegenstands als Pfand zur Sicherung einer tatsächlich nicht bestehenden Forderung mit Nötigungsmitteln erzwingt, verschafft sich dadurch unmittelbar einen dem Besitzentzug stoffgleichen vermögenswerten Vorteil. Da Nötigungsziel nach dem Gesetzeswortlaut des § 253 Abs. 1 StGB nicht nur ein Tun, sondern auch ein Dulden oder Unterlassen sein kann, muss Gleiches in einem Fall gelten, in dem ein Täter unter Anwendung von Gewalt die Rückgabe eines ihm „als Kompensation“ übergebenen und nach Ablehnung dieses Angebots zurückverlangten Gegenstandes verhindert, weil er ihn als Pfand für eine nicht bestehende Forderung behalten will.
Eine ungeladene Schusswaffe bzw. Gas- oder Schreckschusspistole, die vom Täter als Drohmittel zur Verhinderung oder Überwindung von Widerstand einer anderen Person eingesetzt wird, unterfällt nicht dem Tatbestand des besonders schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, sondern (lediglich) dem des schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB.
1. Der Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ in § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB und in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ist identisch auszulegen und knüpft an dieselben Voraussetzungen an.
2. Der Einsatz von Klebeband, um dem Geschädigten Mund, Augen und kurzzeitig auch die Nasenlöcher mit der Folge zeitweiliger Atemnot zu verkleben und dessen Verwendung zu schmerzhaften Hautabschürfungen im Gesicht führt, kann sowohl im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB als auch im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs darstellen.
Zwar tritt der Besitz von kinder- oder jugendpornographischen Inhalten als Auffangtatbestand regelmäßig hinter die Verschaffungsdelikte und damit auch hinter die Tatvariante des Herstellens kinderpornographischer Schriften zurück. Ist die Herstellungstat allerdings verjährt, so lebt der subsidiäre Besitztatbestand wieder auf. Dieser stellt mit einem Besitz an den weiteren, nicht selbst gefertigten kinder- sowie den jugendpornographischen Dateien, die bei dem Angeklagten gleichzeitig, wenn auch auf anderen Datenträgern, sichergestellt wurden, eine einheitliche Tat dar. Die Besitztatbestände haben allerdings nicht die Kraft, die Verschaffungsvorgänge zu einer Tat zu verklammern.