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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2024
25. Jahrgang
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1. Von einer gemäß § 263 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßigen Täuschung bei der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen ist auszugehen, wenn der Arzt nach dem maßgeblichen Kassenarztrecht nicht berechtigt war, seine tatsächlich erbrachten und an sich abrechnungsfähigen Leistungen gegenüber der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung abzurechnen und in der Abgabe einer Sammelerklärung nach dem Empfängerhorizont die Erklärung liegt, die rechtlichen Abrechnungsvoraussetzungen lägen vor. Dazu gehört insbesondere die Zulassung als Vertragsarzt.
2. Die Prüfung, ob ein Angeklagter die abgerechneten ärztlichen Leistungen im Sinne von § 32 Abs. 1 Satz 1 ÄrzteZV „in freier Praxis“ erbracht hat, ist an den geltenden sozialrechtlichen Maßstäben auszurichten. Ob die Tätigkeit eines Arztes „in freier Praxis“ erfolgt, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts normativ in Abgrenzung zur ärztlichen Tätigkeit im Angestelltenverhältnis (§ 32b ÄrzteZV) zu bestimmen. Eine Tätigkeit in „freier Praxis“ setzt danach zum einen eine wirtschaftliche Komponente – die Tragung des wirtschaftlichen Risikos wie auch eine Beteiligung an den wirtschaftlichen Erfolgen der Praxis – und zum anderen eine ausreichende Handlungsfreiheit in beruflicher und persönlicher Hinsicht voraus. Das wirtschaftliche Risiko trägt der Arzt, wenn ihn Chancen und das Risiko des beruflichen Erfolges oder Misserfolges persönlich treffen. Kennzeichnend für berufliche und persönliche Handlungsfreiheit ist es, dass der Vertragsarzt sein Personal selbst auswählt, das Hilfspersonal seinem Direktionsrecht unterliegt und ihm die Praxis mit den dort vorhandenen medizinischen Geräten grundsätzlich jederzeit persönlich zur Verfügung steht. Hingegen sind die Eigentumsverhältnisse an den Praxisräumen und der Geräte- und Materialausstattung für die rechtliche Bewertung grundsätzlich unerheblich; wesentlich ist vielmehr, dass der Arzt in der Praxis seine ärztliche Berufstätigkeit in voller eigener Verantwortung ausführen kann. Für die Bewertung all dieser Umstände, insbesondere das Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, können zivilrechtliche Vereinbarungen, die der Arzt bezogen auf die Arztpraxis getroffen hat, Bedeutung haben. Zivilrechtliche Gestaltungen entfalten Rechtswirkung allerdings nur dann, wenn sie rechtswirksam begründet worden sind. Dies kann unter Umständen zu hinterfragen sein.
1. An verschiedenen Wohnsitzen und dem gewöhnlichen Aufenthalt gleichzeitig vorgehaltene Cannabismengen sind zur Bestimmung der strafrechtlich relevanten Freigrenze nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG zusammenzurechnen. (BGHSt)
2. Die Begriffsbestimmungen des Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des § 1 Nrn. 16 bzw. 17 KCanG lehnen sich an die der §§ 8, 9 AO und § 30 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB I an (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 93). Während eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann, ist (daneben) die Begründung von zwei oder mehr Wohnsitzen möglich. (Bearbeiter)
3. Eine schwere körperliche Misshandlung im Sinne des § 177 Abs. 8 Nr. 2 Buchst. a StGB setzt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu dieser Norm eine gravierende Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens voraus, bei der die körperliche Integrität des Opfers in einer Weise, die mit erheblichen Schmerzen verbunden ist, verletzt wird. Der Nachweis erheblicher Schmerzen setzt dabei nicht zwingend voraus, dass sich der Geschädigte hieran erinnern kann. (Bearbeiter)
1. Zwischen den Straftatbeständen des Konsumcannabisgesetzes und denen des Betäubungsmittelgesetzes besteht eine tatbestandliche Verwandtschaft dergestalt, dass eine Fehlvorstellung des Gehilfen über die Substanz, deren Umgangs wegen sich der Haupttäter strafbar macht, nicht zum Entfallen des Gehilfenvorsatzes führt. (BGH)
2. Stellt sich der Gehilfe irrig vor, der Haupttäter handle mit Cannabis anstelle von vom Betäubungsmittelgesetz erfassten Substanzen, kann er sich wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis strafbar machen. (BGH)
3. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (§ 27 StGB) setzt auf subjektiver Seite einen sogenannten „doppelten Gehilfenvorsatz“ voraus. Dieser muss die Unterstützungshandlung umfassen und sich auf die Vollendung einer vorsätzlich begangenen Haupttat richten, wobei es genügt, dass der Gehilfe die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere ihre Unrechtsund Angriffsrichtung, erkennt. Eine andere rechtliche Einordnung der Tat durch den Gehilfen lässt dessen Vorsatz unberührt, solange er sich nicht eine grundsätzlich andere Tat vorstellt. Zwischen vorgestellter und tatsächlich begangener Tat muss mithin eine tatbestandliche Verwandtschaft bestehen (st. Rspr.). (Bearbeiter)
Anders als im Anwendungsbereich des BtMG gehen im Anwendungsbereich des Konsumcannabisgesetzes der Erwerb, die Veräußerung oder die Einfuhr von Cannabis als rechtlich unselbständige Tatbestandsverwirklichungen im Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) auf.
1. Einziehungsgegenstände müssen in der Urteilsformel so genau bezeichnet werden, dass für alle Beteiligten und die Vollstreckungsorgane aus dem Tenor selbst zweifelsfrei erkennbar ist, welche Objekte der Einziehung unterworfen sind. Die Anordnung der Einziehung muss stets aus sich heraus und insbesondere ohne Heranziehung nicht zum Urteil gehörender Dokumente verständlich sein. Daher genügen auch (implizite) Bezugnahmen auf bei den Akten befindliche Asservatenverzeichnisse oder Sicherstellungsprotokolle den rechtlichen Anforderungen nicht.
2. Bei einer Vielzahl von Einziehungsgegenständen ist es zur Entlastung des Tenors statthaft und regelmäßig sachgerecht, diese in einer zum Bestandteil der Urteilsurkunde zu machenden Anlage zum Urteilstenor im Einzelnen aufzuführen und in der Urteilsformel auf diese Anlage dergestalt Bezug zu nehmen, dass die Einziehung der in der Anlage bezeichneten Gegenstände angeordnet wird.