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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2024
25. Jahrgang
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1. Wegen jeder rechtlich selbständigen Anknüpfungstat ist eine gesonderte Geldbuße nach § 30 Abs. 1 OWiG zu verhängen. (BGH)
2. Aus dem Wortlaut des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO („unter“) folgt, dass die Belege bei der verfahrensgegenständlichen Steuererklärung verwendet, mithin den Finanzbehörden zur Kenntnis gebracht werden müssen. Nicht ausreichend ist es deshalb, wenn die Belege im Rahmen einer nach Abschluss des Besteuerungsverfahrens durchgeführten Betriebsprüfung den Finanzbehörden zur Kenntnis gebracht werden. Zwar können unrichtige Erklärungen im Rahmen einer Betriebsprüfung zur Verhinderung der Neufestsetzung der Steuer eine erneute Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO darstellen; jedoch handelte es sich dabei um eine andere, ggf. nicht verfahrensgegenständliche Tat. (Bearbeiter)
3. Das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 AO ist nur dann erfüllt, wenn der Täter fortgesetzt handelt, mithin vor der gegenständlichen Tat mindestens zwei Steuerhinterziehungen nach § 370 AO unter Vorlage nachgemachter oder verfälschter Belege begangen hat. Dabei reicht es nicht aus, dass die Belege zur Verkürzung von Abgaben vorgelegt wurden, die – wie hier etwa von Vergnügungssteuern – nicht nach § 370 AO strafbar sind, sondern Straftatbeständen aus anderen Gesetzen wie zum Beispiel den kommunalen Abgabengesetzen der Länder unterfallen. (Bearbeiter)
4. Eine unechte technische Aufzeichnung stellt her, wer eine Aufzeichnung anfertigt, die ihre Herkunft aus dem ordnungsgemäßen Arbeitsgang eines für solche Aufzeichnungen bestimmten Gerätes vortäuscht, sei es, indem der Täter eine Aufzeichnung manuell nachmacht, sei es, dass er das technische Gerät selbst missbräuchlich einsetzt. (Bearbeiter)
1. Soweit eine Sicherstellung von Bargeld als Tatbeute durch Ermittlungsbehörden erfolgte, sind für eine sachgemäße Anwendung der Einziehungsvorschriften in §§ 73 ff. StGB grundsätzlich auch Feststellungen zum Verbleib der Tatbeute erforderlich.
2. Ist das sichergestellte Bargeld weiterhin gegenständlich und gesondert – etwa als Asservat der Justiz – vorhanden, unterliegt es als solches der vorrangigen gegenständlichen Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB und nicht der Einziehung des Wertes von Taterträgen. Ist das Bargeld zwischenzeitlich an einen Geschädigten zurückgegeben, scheidet eine Einziehungsanordnung wegen dieser Tatbeute gemäß § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB aus.
3. Für eine Einziehung des Wertes von Taterträgen i.S. des § 73c StGB ist nach einer Sicherstellung nur Raum, sofern das Geld nach seiner Sicherstellung auf ein Konto der Justizkasse eingezahlt wurde.
1. Der Wortlaut des § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB setzt für ein Erlangen „durch“ die Tat Kausalität voraus: Der abzuschöpfende Vermögensvorteil, regelmäßig die Kehrseite des Taterfolgs, muss der Tathandlung – in zeitlicher Hinsicht – nachfolgen. „Aus der Verwirklichung des Tatbestands“ meint die Tatbegehung, nicht aber das Vorbereitungsstadium; jedenfalls das Versuchsstadium muss erreicht sein.
2. „Für die Tat“ sind Vorteile erlangt, die einem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden, jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung beruhen (st. Rspr.). Diese Einziehungsalternative ist für sich genommen unverändert aus dem Verfallsrecht übernommen worden. Die in § 73 Abs. 1 StGB enthaltenen Alternativen „durch“ und „für“ schließen sich nach ständiger Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs gegenseitig aus. Allein bei der Tatalternative des § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB unterliegen auch im Vorfeld
der Tatbegehung erlangte Vermögensvorteile (Vorauszahlungen) der Abschöpfung.
3. „Für die Tat“ erlangt der Täter etwas nur, wenn es ihm auch verbleiben soll. Die faktische, über einen bloß transitorischen Besitz hinausgehende Verfügungsmacht reicht damit für die Abschöpfung innerhalb der Tatbestandsvariante des § 73 Abs. 1 Alternative 2 StGB nicht aus.
4. Eine Gesamtschuld besteht nur zwischen den Tatbeteiligten, gegebenenfalls einschließlich etwaiger Drittbeteiligter, die den weitergereichten Vermögensvorteil „durch die Tat“ erlangt haben. Der Anspruch des Staates auf Abschöpfung des Tatlohns bleibt mithin von einer etwaigen erfolgreichen Inanspruchnahme eines anderen (vermögenden) Einziehungsbeteiligten (§ 73e Abs. 1 Satz 1 StGB; §§ 421 ff., 422 Abs. 1 Satz 1 BGB), unberührt.
1. Gemäß § 66a Abs. 3 Satz 2 StGB ist die Sicherungsverwahrung im Nachverfahren anzuordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm erhebliche Straftaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Eine Hangfeststellung ist im Nachverfahren nicht vorausgesetzt (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2021 – 4 StR 448/20). Die Gefährlichkeitsprognose ist auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller prognostisch relevanten Umstände zu entwickeln. Sie erfordert eine umfassende Analyse der Täterpersönlichkeit und seiner bisherigen Legalbiographie.
2. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Gefährlichkeitsprognose unter Einbeziehung neu hinzutretender prognoserelevanter Umstände seit Anordnung des Vorbehalts der Maßregel nunmehr eindeutig positiv begründet werden kann. In die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind dabei insbesondere die mit Fortschreiten des Lebensalters eintretende Haltungsänderung, die Wirkung des langjährigen Strafvollzugs sowie die Frage, ob und inwieweit der Verurteilte von den besonderen Behandlungsangeboten zu profitieren vermochte. Daneben ist auch die konkrete Entlassungssituation des Verurteilten in den Blick zu nehmen und zu prüfen, ob eine bestehende Gefährlichkeit durch flankierende Maßnahmen wie Auflagen und Weisungen, Therapiemaßnahmen oder durch die Unterbringung in einer betreuten Wohneinrichtung auf ein vertretbares Maß reduziert werden kann. Zu dieser umfassenden Würdigung ist allein das Tatgericht berufen, dem dabei ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist.
Der Zeitraum, über den sich seriell begangene Taten verteilen, kann grundsätzlich nicht bei jeder Einzeltat als strafschärfender Gesichtspunkt gewertet werden. Anderes gilt aber, wenn von vornherein eine Mehrzahl von Taten geplant ist und darin die nach § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigungsfähige „rechtsfeindliche Gesinnung“ des Täters zum Ausdruck kommt.
1. Eine Tat ist erheblich im Sinne des § 63 Satz 1 StGB, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, können dem Bereich der mittleren Kriminalität zugerechnet werden; insbesondere Gewalt- und Aggressionsdelikte zählen, soweit es sich nicht um bloße Bagatellen handelt, regelmäßig zu den erheblichen Straftaten im Sinne des § 63 Satz 1 StGB. Erheblich können insbesondere Taten sein, die Zufallsopfer im öffentlichen Raum treffen und zu erheblichen Einschränkungen in der Lebensführung des Opfers oder sonst schwerwiegenden Folgen führen; denn derartige Taten sind in hohem Maße geeignet, den Rechtsfrieden empfindlich zu stören und das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen.
2. Anders kann es bei einfachen Körperverletzungen im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB liegen, die mit geringer Gewaltanwendung verbunden sind und die Erheblichkeitsschwelle der tatbestandlich vorausgesetzten Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit nur unwesentlich überschreiten. Faustschläge ins Gesicht sind aber in der Regel bereits der mittleren Kriminalität zuzurechnen, insbesondere dann, wenn sie Verletzungen zur Folge haben, die ärztlich versorgt werden müssen. Bei der Prüfung der Erheblichkeit ist auch zu bedenken, dass ein Beschuldigter, der in wahnhafter Verkennung der Realität oder krankheitsbedingter Einschränkung oder Aufhebung der Steuerungsfähigkeit handelt, es insbesondere bei Schlägen gegen bzw. in Richtung des Kopfes häufig nicht in der Hand hat, die Folgen seines aggressiven Vorgehens zu steuern, und der Umfang der Verletzungen deshalb häufig vom Zufall abhängt.
Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen gleicher Art sind bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 StGB grundsätzlich durch das spätere Erkenntnis einheitlich anzuordnen, sodass über sie durch das Gericht zu entscheiden ist, das auch über die nachträgliche Gesamtstrafe befindet. Eine frühere Einziehungsentscheidung ist im neuen Urteil aufrechtzuerhalten, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die (weitere) Vollstreckung vorliegen. Wird die Einziehungsanordnung in der früheren rechtskräftigen Entscheidung hingegen gegenstandlos im Sinne des § 55 Abs. 2 StGB, hat sie zu entfallen. Der zuletzt genannte Fall ist regelmäßig einschlägig im Falle einer rechtskräftigen Einziehungsanordnung nach § 73 Abs. 1 StGB.
Dem Angeklagten darf die Tatintensität nur dann ohne Abstriche angelastet werden, wenn sie ihm im vollen Umfang vorwerfbar ist, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenen geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt.
Das Tatgericht ist nicht nur verfahrensrechtlich (§ 267 Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO), sondern auch materiellrechtlich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen. Auswahl und Gewichtung der Strafzumessungsgesichtspunkte obliegen grundsätzlich dem Tatgericht. Es hat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls zu entscheiden, welchen Umstand es als bestimmenden Strafzumessungsgrund ansieht. Eine erschöpfende Aufzählung aller für die Strafzumessungsentscheidung relevanten Gesichtspunkte ist dagegen weder gesetzlich vorgeschrieben noch in der Praxis möglich. Hat das Tatgericht bei seiner Zumessungsentscheidung einen Gesichtspunkt, der nach den Gegebenheiten des Einzelfalls als bestimmender Strafzumessungsgrund in Betracht kommt, allerdings nicht erkennbar erwogen, ist die Strafzumessung in sachlich-rechtlicher Hinsicht rechtsfehlerhaft.
Das Berufsverbot ist ein schwerwiegender Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis, vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll. Es darf nur dann verhängt werden, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird. Voraussetzung hierfür ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat(en) das Tatgericht zu der Überzeugung führt, dass die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass an die Annahme einer weiteren Gefährlichkeit im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen sind, wenn der Täter erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig wird; insbesondere ist zu prüfen, ob bereits die Verurteilung zur Strafe den Täter von weiteren Taten abhalten wird.