Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2023
24. Jahrgang
PDF-Download
1. Beeinträchtigungen des Angeklagten aufgrund einer öffentlichen Berichterstattung – selbst wenn diese „aggressiven und vorverurteilenden“ Charakter hat – wirken im Rahmen der Strafzumessung nur dann mildernd, wenn der Druck erheblich über das hinausgeht, was jeder Straftäter
über sich ergehen lassen muss (st. Rspr.). Die strafmildernde Berücksichtigung der öffentlichen Berichterstattung scheidet zudem regelmäßig aus, wenn eine Person des öffentlichen Lebens in Ausübung ihres Amtes Straftaten begeht; denn diese muss im Falle eines Strafverfahrens mit einem besonderen öffentlichen Interesse an ihrer Person und an ihrer Amtsführung rechnen.
2. Zwar sind nicht unerhebliche beamtenrechtliche Folgen regelmäßig strafmildernd zu berücksichtigen (st. Rspr.). Hierzu muss das Tatgericht jedoch Feststellungen zu konkret drohenden erheblichen dienstrechtlichen Konsequenzen für den Angeklagten treffen.
1. Der Täter darf durch Vermögensabschöpfung und Besteuerung zwar nicht doppelt belastet werden (vgl. BVerfGE 81, 228, 239 f.). Dem ist bei Bestimmung des Einziehungsumfangs jedoch nur dann Rechnung zu tragen, wenn die Tatbeute als „Substrat“ und zugleich die vom Täter durch nachfolgende Steuerverkürzungen erzielte Ersparnis in Höhe der auf das Erlangte anfallenden Umsatz- und Ertragsteuern im Wege der Titulierung des staatlichen Zahlungsanspruchs abgeschöpft werden sollen, nicht aber, wenn der Täter Steuern nach § 14c Abs. 2 UStG auf Scheinrechnungen abführt.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die isolierte Anfechtung der Einziehungsanordnung möglich, ohne dass dies den Strafausspruch berührt. Denn die Nebenfolge der Einziehung ist weder eine Strafe noch eine strafähnliche Maßnahme.
1. Eine Strafmilderung nach § 46b StGB setzt voraus, dass zwischen der vorgeworfenen und der aufgedeckten Tat ein Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn ein innerer verbindender oder inhaltlicher Bezug zwischen vorgeworfener und offenbarter Tat besteht. Das kann schon dann anzunehmen sein, wenn die Taten unter Beteiligung derselben Täter und in enger zeitlicher Abfolge begangen werden.
2. Wenn der Offenbarende im Rahmen der Aufklärungshilfe Teile einer oder die gesamte Tatserie eines Mittäters aufdeckt, an der er selbst jedenfalls in Abschnitten beteiligt war, kann dies für die Annahme des vertypten Milderungsgrundes nach § 46b StGB genügen. Hat der Angeklagte mehrere Taten begangen, muss das Gericht die Angemessenheit und Gebotenheit der Strafmilderung für jede ihm zur Last liegende Tat prüfen.
1. Hat ein Angeklagter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich zur Aufdeckung einer Tat nach den §§ 29 bis 30a BtMG beigetragen, so liegen die Voraussetzungen für eine Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG für alle Taten des Angeklagten vor, die mit der aufgedeckten Tat im Zusammenhang stehen, ohne dass es darauf ankommt, ob auch bezüglich dieser Taten ein wesentlicher Aufklärungserfolg bewirkt worden ist. Einem Aufklärungserfolg im Sinne dieser Vorschrift kann auch dann wesentliches Gewicht für die Aufklärung von Taten anderer Beteiligter zukommen, wenn hierdurch wichtige Tatsachen kundgetan werden oder den bereits vorhandenen Erkenntnissen eine sicherere Grundlage verschafft wird.
2. Für einen Aufklärungserfolg, der die behördlichen Ermittlungen ermöglicht oder erleichtert, kommt es auf die Angaben an, die der Angeklagte bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses macht; ein Bestreiten oder eine Relativierung erst in der Hauptverhandlung ist dann aber unerheblich.
Gemäß § 2 Abs. 6 StGB und mangels eingreifender besonderer Übergangsregelung gilt für noch nicht rechtskräftige Entscheidungen für die Berechnung des Vorwegvollzugs die Vollstreckungsvorschrift des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB in der Fassung vom 1. Oktober 2023.
Gemäß der der seit 1. Oktober 2023 geltenden und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle maßgeblichen Neufassung des § 64 StGB ist erforderlich, dass die Anlasstat(en) „überwiegend“ auf den Hang zum übermäßigen Konsum berauschender Mittel zurückgehen. Das ist der Fall, wenn der Hang mehr als andere Umstände für die Begehung der Tat ausschlaggebend war., die Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat also andere Ursachen quantitativ überwiegt. Eine Mitursächlichkeit des Hangs für die Anlasstat
unterhalb dieser Schwelle reicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht mehr aus.
1. Die Aussetzung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zur Bewährung ist nach § 56 Abs. 3 StGB ausgeschlossen, wenn sie für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts erschüttert und die Aussetzung von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden könnte. Ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung gebietet, ist deshalb unter allseitiger Würdigung von Tat und Täter zu entscheiden, wobei generalpräventiven Erwägungen Bedeutung zukommt.
2. Die demonstrative Begehung einer Straftat um ihrer allgemeinen Wahrnehmung willen beinhaltet einen direkten Angriff auf den öffentlichen Frieden und stellt die Geltung der Rechtsordnung gezielt infrage. Will das Tatgericht in solchen Fällen eine verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen, ist im Rahmen der Prüfung von § 56 Abs. 3 StGB zu erörtern, wie dem somit gesteigerten Bedürfnis einer Verteidigung der Rechtsordnung bei einer Strafaussetzung gerecht zu werden ist.
3. Zu den durch § 56 Abs. 3 StGB abgesicherten Aufgaben der Strafe gehört es auch, künftigen ähnlichen Rechtsverletzungen potentieller Täter vorzubeugen (sog. „spezielle Generalprävention“). Der „Nachahmungseffekt“ für potentielle Täter darf bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände deshalb nicht außer Betracht bleiben.
1. Maßgebend für die Bestimmung des der Einziehung unterliegenden Geldbetrages ist der gewöhnliche Verkaufspreis für Waren gleicher Art und Güte, dessen Höhe sich nach dem Verkehrswert der Sache bestimmt.
2. Sind die Einziehungsvoraussetzungen des § 74 Abs. 1 StGB gegeben, falls der Täter Eigentümer des Gegenstandes zur Zeit der Entscheidung ist, die des § 74a StGB aber, falls er zu diesem Zeitpunkt einem Dritten gehört oder zusteht, und lässt sich nicht eindeutig feststellen, wem von den in Betracht kommenden Personen der tatverstrickte Gegenstand zur Zeit der Entscheidung gehört oder zusteht, so ist eine der Wahlfeststellung entsprechende wahlweise Begründung der Einziehung mit § 74 Abs. 1 StGB und § 74a StGB möglich. Es müssen dann aber der Tatbeteiligte wie der Dritte so behandelt werden, als wäre jeder von ihnen von der Einziehung betroffen; es muss also bei beiden auch gleichmäßig die Vorschrift des § 74f StGB beachtet werden.
Bei der Prüfung, ob eine Gesamtstrafenlage im Sinne des § 55 StGB vorliegt, ist bei nicht exakt feststehender Tatzeit im Zweifel zugunsten des Angeklagten von einer Tatbegehung vor der früheren Verurteilung auszugehen, wenn sich die auf diese Weise ermöglichte Bildung einer Gesamtstrafe im konkreten Fall tatsächlich für den Angeklagten günstiger auswirkt. Ist die Vollstreckung der in die nachträgliche Gesamtstrafe einzubeziehenden Strafe zur Bewährung ausgesetzt, führt die Bildung einer nicht mehr bewährungsfähigen Gesamtfreiheitsstrafe zum Wegfall der Vergünstigung der Bewährung. Ein künftiger Widerruf der im einbezogenen Urteil gewährten Bewährung wegen der neuerlichen Verurteilung im hier gegenständlichen Verfahren (§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB) darf nicht unterstellt werden. Denn für die Entscheidung hierüber ist das Landgericht selbst nicht zuständig; dem für die Entscheidung über den Widerruf zuständigen Gericht darf es nicht vorgreifen.