Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2022
23. Jahrgang
PDF-Download
Die zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung ist kein bestimmender Strafzumessungsumstand. (BGHR)
1. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen nach § 73a Abs. 1 StGB ist dann und insoweit statthaft, wenn und als der potenzielle Einziehungsgegenstand (hier: Geld) aus anderen rechtswidrigen Taten resultiert. Gleiches gilt, wenn zwar feststeht, dass Bargeld als Erlös aus rechtswidrigen Taten erlangt wurde, jedoch nicht geklärt werden kann, ob es sich um Einnahmen aus einer verfahrensgegenständlichen Tat oder aus anderen, nicht konkret feststellbaren Taten handelt.
2. Eine auf § 74b Abs. 1 Nr. 2 StGB gestützte Sicherungseinziehung setzt voraus, dass der betreffende Gegenstand bei einer der abgeurteilten Taten als Tatmittel (§ 74 Abs. 1 StGB) Verwendung fand oder Tatobjekt einer solchen (§ 74 Abs. 2 StGB) war. Gefährliche Gegenstände (Dritter), die im Zuge der Ermittlungen entdeckt werden, aber keinen Bezug zur Anlasstat haben, unterliegen dagegen nicht der Sicherungseinziehung nach § 74b StGB.
Verhält sich das Urteil nicht zur Sicherungsverwahrung, kann dies – ungeachtet einer verfahrensrechtlichen Erörterungspflicht (§ 267 Abs. 6 Satz 1 StPO) – einen sachlich-rechtlichen Mangel darstellen, wenn das Tatgericht die Sicherungsverwahrung nicht prüft, obwohl die formellen Voraussetzungen gegeben sind und die Feststellungen die Annahme nahelegen, dass der Täter infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Das gilt auch für die Ablehnung des Vorbehalts der Sicherungsverwahrung nach § 66a Abs. 2 StGB. Bei der Ermessensentscheidung müssen die Urteilsgründe zudem in einer für das Revisionsgericht nachvollziehbaren Weise erkennen lassen, dass und aus welchen Gründen das Tatgericht von seiner Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Weise Gebrauch gemacht hat.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Indizwirkung des Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet werden, die für sich allein oder in ihrer Gesamtheit so schwer wiegen, dass die Anwendung des Strafrahmens für besonders schwere Fälle unangemessen erscheint. Hierzu besteht insbesondere Anlass, wenn die vom Täter erstrebte Bereicherung und der Schaden in einer Reihe von Fällen unter 100 Euro liegen und weitere erhebliche Strafmilderungsgründe hinzukommen.
2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind standesrechtliche Konsequenzen, die den Verlust der beruflichen und wirtschaftlichen Basis nach sich ziehen, strafmildernd zu berücksichtigen. Gleiches gilt für den Ausschluss nach § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG für die Bestellung zum Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, denn auch eine solche Maßnahme kann für die Dauer von fünf Jahren als faktisches Berufsverbot wirken und damit standesrechtlichen Konsequenzen gleichstehen.
1. Eine Gesamtfreiheitsstrafe genügt als Vorverurteilung den Anforderungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB, wenn sie
wenigstens drei Jahre beträgt und ihr ausschließlich Einzelfreiheitsstrafen zugrunde liegen, die auf Katalogtaten beruhen; einer Einzelfreiheitsstrafe in der von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB vorausgesetzten Höhe bedarf es dann nicht. Demgegenüber ist eine Gesamtfreiheitsstrafe keine hinreichende Vorverurteilung, wenn sie neben Einzelfreiheitsstrafen wegen Nichtkatalogtaten nur eine drei Jahre unterschreitende Einzelfreiheitsstrafe wegen einer Katalogtat enthält. Eine Tat ist auch dann eine Katalogtat im Sinne der Vorschrift, wenn tateinheitlich mit einer von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB erfassten Straftat ein dort nicht genanntes Delikt verübt wurde.
2. Liegen einer die Schwelle von drei Jahren erreichenden Gesamtfreiheitsstrafe einer Vorverurteilung neben mehreren Katalogtaten mit Einzelfreiheitsstrafen von jeweils unter drei Jahren auch Nichtkatalogtaten zugrunde, scheidet eine Berücksichtigung des Urteils als hinreichende Vorverurteilung im Sinne des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB nicht zwingend aus. Vielmehr ist im Sinne einer fiktiven Gesamtstrafenbildung zu prüfen, ob das damalige Tatgericht auch dann eine Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verhängt hätte, wenn es eine solche ausschließlich aus den der Gesamtstrafe zugrundeliegenden Einzelstrafen wegen Katalogtaten hätte bilden müssen. Kann – was eine vom Revisionsgericht eigenständig zu beurteilende Rechtsfrage ist – sicher ausgeschlossen werden, dass das frühere Tatgericht bei einer Gesamtstrafenbildung allein aus den Einzelstrafen wegen Katalogtaten eine unterhalb der Schwelle von drei Jahren liegende Gesamtfreiheitsstrafe gebildet hätte, ist eine den Anforderungen des § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genügende Vorverurteilung gegeben.
Sofern die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Strafe zur Bildung mehrerer Gesamtstrafen führt, muss das Gericht grundsätzlich einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen.
Nach § 74 Abs. 1 StGB können Gegenstände, die zur Begehung oder Vorbereitung einer vorsätzlichen Tat gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, als Tatmittel eingezogen werden. Die Anordnung einer solchen Einziehung steht im Ermessen des Tatgerichts. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf die Einziehung nicht angeordnet werden, wenn sie zur begangenen Tat und zum Vorwurf, der den von der Einziehung Betroffenen trifft, außer Verhältnis stünde (§ 74f Abs. 1 Satz 1 StGB). Den Urteilsgründen muss grundsätzlich zu entnehmen sein, dass sich das Tatgericht bewusst war, eine Ermessensentscheidung zu treffen, und welche Gründe für die Ausübung des Ermessens gegeben waren.
Das Scheitern des Angeklagten in vormaligen Unterbringungen in Entziehungsanstalten vermag für sich betrachtet die Erfolgsaussicht eines neuerlichen Anlaufs nicht auszuschließen.