HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2022
23. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Die nicht so notwendige Verteidigung i.S.d. § 141 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO

Zugleich Anmerkung zu BGH HRRS 2022 Nr. 641

Von Dr. Pepe Schladitz, Osnabrück[*]

I. Einleitung

Das Recht der notwendigen Verteidigung ist jüngst tiefgreifend reformiert worden (hierzu auch der zu besprechende Beschluss in Rn. 8).[1] Mit dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2128, 2129) verfolgt der Gesetzgeber vor allem das Ziel, die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (ABl. EU 2016 Nr. L 197 S. 1; sog. PKH-Richtlinie) umzusetzen.[2] Der zu besprechende Entschluss enthält bemerkenswerte höchstrichterliche Klarstellungen zum reformierten Recht der notwendigen Verteidigung, deren Tragweite eine nähere Analyse erfordern.

II. Grundlegung

Die wesentlichen Vorschriften des Rechts der notwendigen Verteidigung befinden sich in den §§ 140, 141 StPO. Mit dem neuen Katalog der Fälle notwendiger Verteidigung in § 140 Abs. 1 StPO wollte der Gesetzgeber einen Perspektivenwechsel "weg von der Hauptverhandlung hin zum Ermittlungsverfahren" kodifizieren, der die wachsende Bedeutung des Ermittlungsverfahrens im Recht der notwendigen Verteidigung adäquat berücksichtigt.[3]

Nach Auffassung von Kraft/Girkens lässt sich der Regelungsgehalt dieser Normen dergestalt zusammenfassen, dass § 140 StPO Gründe für die Bestellung eines notwendigen Verteidigers benennt, während § 141 StPO den Zeitpunkt der Bestellung regelt, was auch durch die amtliche Überschrift des § 141 StPO nahegelegt wird.[4] Dieser Grobvermessung werden die möglichen Auswirkungen

der Neuregelung jedoch nicht gerecht, wie die zu besprechende Entscheidung des BGH belegt.

§ 141 Abs. 1 StPO regelt nach der internen Regelungssystematik der Norm den Grundfall, wonach dem Beschuldigten auf seinen Antrag hin "unverzüglich" ein Pflichtverteidiger bestellt wird, wenn er noch keinen Verteidiger hat. Diese Vorschrift erhebt also die (autonome?) Entscheidung des jeweiligen Beschuldigten zum wesentlichen Anwendungskriterium und überantwortet ihm somit die Entscheidung über die Beiziehung eines Verteidigers . Auch der Gesetzgeber habe – worauf der Senat explizit hinweist (Rn. 9) – das Ziel verfolgt, die Bestellung eines Pflichtverteidigers grundsätzlich von einem ausdrücklichen Antrag des Beschuldigten abhängig zu machen.[5] Im Ermittlungsverfahren[6] hat dies zur Konsequenz, dass ein Fall notwendiger Verteidigung nicht zwangsläufig dazu führt, dass dem Beschuldigten auch tatsächlich ein Verteidiger zur Seite steht.[7]

Damit wird das Notwendige im Institut der notwendigen Verteidigung bei Lichte betrachtet nicht unwesentlich desavouiert,[8] denn es kommt zu einer Trennung der Notwendigkeit der Verteidigung und der tatsächlichen Bestellung eines Pflichtverteidigers.[9] Die notwendige Verteidigung folgt hiernach im Ausgangspunkt nicht einem Automatismus, der im Sinne des Prinzips der Waffengleichheit dafür sorgt, dass dem Beschuldigten ein "juristisch geschulter Berater" zur Seite steht,[10] sondern dem (rational abwägendem?) Willen des Beschuldigten, welcher nach diesem Regelungsgefüge auf eine Verteidigung (zunächst) verzichten kann (auch aus irrationalen Gründen wie Angst oder Scham). Das kann man gut oder schlecht finden, nur sollte einem die Tragweite dieses Regelungsgefüges bewusst sein: Indem auf diesem Weg für die effektive Wahrnehmung seiner Rechte der Beschuldigte essentiell auf seine Fähigkeiten zur Kommunikation und das Verständnis sprachlicher Zeichen angewiesen ist (s. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO: "… nach Belehrung ausdrücklich beantragt"), macht sich das Gesetz in nicht geringem Umfang frei von der Verantwortung für eine effektive Verteidigung des Beschuldigten vor allem in denjenigen Konstellationen, in denen es – aus welchen Gründen auch immer – zu Verständigungsproblemen kommt. Der Senat treibt diesen Geist des Gesetzes weiter, wenn er in der Besprechungsentscheidung ausführt, dass der Beschuldigte nicht allein wegen mangelnder Sprachkenntnisse individuell schutzbedürftig sei, da er ja schließlich einen Dolmetscher oder Übersetzer unentgeltlich hinzuziehen könne (Rn. 18).

Das Gesetz überantwortet zusammengefasst in weitreichendem Umfang – nämlich dann, wenn keine Konstellation des § 141 Abs. 2 S. 1 StPO einschlägig ist – dem Einzelnen die Folgenabwägung der Entscheidung für oder gegen den Antrag auf Bestellung eines Pflichtverteidigers: "Die psychische Ausnahmesituation der Vernehmungssituation, der uU eine Festnahme voran ging, wird vom Gesetzgeber ausgeblendet".[11] Die notwendige Verteidigung wird in der Lesart des § 141 Abs. 1 StPO zu einer Frage der individuell-autonomen Entscheidung des Beschuldigten. Das Institut des Verteidigers besitzt innerhalb des Strafverfahrensrechts jedoch nach h.A. nicht nur eine individualschützende Komponente, sondern ist ein "rechtsstaatlicher Garant der Unschuldsvermutung für den Beschuldigten" und dient somit auch öffentlichen Interessen.[12] Deswegen kann dem Beschuldigten auch gegen seinen Willen ein Pflichtverteidiger bestellt werden (was auch im neuen Recht nach § 141 Abs. 2 S. 1 StPO möglich ist).[13] Wie sich diese Dimension der notwendigen Verteidigung mit dem Primat einer privatautonomen Entscheidung i.S.d. § 141 Abs. 1 StPO auf einen axiologischen Nenner bringen lässt, kann hier nur im zweifelnden Duktus als Frage formuliert, nicht aber beantwortet werden.[14]

Abschließend sei daran erinnert, wie belastend und aufreibend ein Ermittlungsverfahren auf den juristisch nicht vorgebildeten Bürger wirken kann.[15] Die Vorschrift des § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO ist hierfür nur ein untauglicher Ausgleich. Diese These wird von dem zu besprechenden Beschluss belegt.

III. Wesentlicher Inhalt der Entscheidung

Der Angeklagte, ein syrischer Staatsangehöriger, der seit 2014 in Deutschland lebt, wurde vom OLG Düsseldorf "wegen Beihilfe zum Kriegsverbrechen gegen eine Person durch Tötung in Tateinheit mit Beihilfe zum Mord und mit Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt" (Rn. 1). Mit seiner Revision hat der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt, wobei sich die folgenden Gedanken auf die Verfahrensrüge beschränken, die der Angeklagte auf eine Verletzung des "§ 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO wegen unterbliebener Bestellung eines Pflichtverteidigers vor polizeilichen

Beschuldigtenvernehmungen" stützt (Rn. 3). Nach den erstinstanzlichen Feststellungen ist der Angeklagte im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmungen belehrt worden, "dass er im Fall der notwendigen Verteidigung die Bestellung eines Pflichtverteidigers » beanspruchen « könne" (Rn. 5). Unter Einbeziehung eines Dolmetschers äußerte er sich im Rahmen der Vernehmung – ohne Beiordnung und Anwesenheit eines Verteidigers. Eine hierbei präsente (polizeiliche) Vernehmungsperson wurde in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört. Der Verwertung der Aussagen der Vernehmungsperson über den Inhalt der Vernehmungen des Angeklagten wurde durch den Verteidiger des Angeklagten widersprochen. Das OLG verwertete die Bekundungen des Zeugen gleichwohl (Rn. 5).

Der Senat erblickt keinen Rechtsfehler in dem Umstand, dass dem Angeklagten im Zusammenhang mit seiner Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren kein Pflichtverteidiger bestellt wurde. Der BGH weist ergänzend darauf hin, dass selbst wenn die Bestellung eines Pflichtverteidigers zu Unrecht unterbleibt, dieser Verfahrensverstoß nicht zwingend ein Verbot der Verwertung der Vernehmung zur Folge habe (Rn. 7, 20 ff.). Auch im konkreten Einzelfall begründe eine "Zusammenschau der Umstände" (Rn. 24) die Verwertbarkeit der Aussage des Zeugen.

Auch ein (hier einschlägiger) Fall der notwendigen Verteidigung i.S.d. § 140 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StPO begründe für sich allein noch nicht das Gebot des § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO zur Bestellung eines notwendigen Verteidigers unabhängig von einem Antrag des Beschuldigten.

Von diesem Mechanismus abzuweichen, sei weder durch "systematische noch richtlinien- bezogene oder verfassungsrechtliche Erwägungen" geboten (Rn. 8).

Aus der PKH-Richtlinie ergebe sich nicht, dass die Bestellung eines notwendigen Verteidigers auch ohne Antrag zu erfolgen habe (Rn. 10 ff.).[16] Auch das Gebot einer fairen Verfahrensgestaltung stehe der geltenden Gesetzesfassung nicht entgegen (Rn. 14). Die Begründung macht sich der Senat dabei sehr einfach: Die Möglichkeit, die Bestellung eines Verteidigers zu beantragen, gebe dem Beschuldigten die Möglichkeit, "auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu nehmen", weswegen er nicht nur Objekt des Verfahrens sei (Rn. 14).

Der Senat stellt im zu besprechenden Beschluss klar, dass zur Beantwortung der i.S.d. § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO maßgeblichen Frage, ob der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann, dessen individuelle Schutzbedürftigkeit maßgeblich ist (Rn. 7, 15 ff.).[17] Der Senat ist der Auffassung, dass dem Gesetzgeber eine inhaltsgleiche Auslegung des Kriteriums der Unfähigkeit zur eigenen Verteidigung i.S.d § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO und des § 140 Abs. 2 StPO vorgeschwebt habe (Rn. 16).[18] Das führt allerdings zu der Konsequenz, dass in den Konstellationen der letzten Variante des § 140 Abs. 2 StPO, in denen also "ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann", nachgerade zwangsläufig auch § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO greift. Insofern ist es allerdings bemerkenswert, dass diese Gleichstellung bzgl. der übrigen Konstellationen in § 140 Abs. 2 StPO nicht in § 141 Abs. 2 StPO aufgegriffen wird, dass also die Schwere der Tat, die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage nicht mit der Notwendigkeit einer Verteidigung unabhängig von einem Antrag des Beschuldigten korrespondiert.[19] Der Senat beruft sich in dem Beschluss gerade darauf, dass nur der individuelle Aspekt der Unfähigkeit zur Verteidigung für § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO genügt, nicht aber die sachlichen Gründe i.S.d. § 140 Abs. 2 Var. 1, 2 und 3 StPO (Rn. 16 f.).

Ob ein Beschuldigter individuell schutzbedürftig ist, sei anhand einer "Gesamtwürdigung" zu prüfen (Rn. 18). Eine solche Gesamtwürdigung stellt der Senat freilich nicht an, vielmehr verweist er ausschließlich auf zwei Indizien, die sich gegen die individuelle Schutzbedürftigkeit in Stellung bringen ließen (Rn. 18): So begründeten fehlende Sprachkenntnisse allein keine Schutzbedürftigkeit, da der Beschuldigte sich gem. § 187 Abs. 1 GVG der Dienste eines Übersetzers bzw. Dolmetschers bedienen kann (Rn. 18). Auch die Bedeutung der Vernehmung für das weitere Verfahren als solche begründe noch nicht die Schutzbedürftigkeit des Angeklagten (Rn. 18 f.).

I.Ü. aber widmet sich der Senat vor allem der Darlegung, dass ein Beweisverwertungsverbot nicht die zwingende Folge eines Verstoßes gegen § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO ist, auch wenn "die Bestellung eines Pflichtverteidigers vor einer Beschuldigtenvernehmung zu Unrecht unterblieben ist" (Rn. 20).

Für die Prüfung verweist der Senat entsprechend der üblichen Rspr. zu Beweisverwertungsverboten, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, auf die "Abwägung der widerstreitenden Interessen" (Rn. 21, sog. Abwägungslehre[20]). Die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes wird – ebenfalls im Einklang mit den üblichen Grundsätzen – als Ausnahme qualifiziert,[21] da "das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat" (Rn. 21).

Innerhalb des eigentlichen Abwägungsvorgangs stützt der BGH sich insbesondere darauf, dass ein gesetzliches Beweisverwertungsverbot nicht kodifiziert ist und auch nicht in der PKH-Richtlinie vorgesehen sei. I.Ü. seien "kognitive oder sonstige Einschränkungen des erwachsenen Angeklagten" nicht ersichtlich, sodass er nicht außerstande gewesen sei, sich bei seiner Beschuldigtenvernehmung selbst zu verteidigen (Rn. 25).

IV. Zur Auslegung des § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO und seiner Anwendung in der Besprechungsentscheidung

Das Postulat, ein Fall der notwendigen Verteidigung begründe für sich genommen noch keine Pflicht zur Bestellung eines notwendigen Verteidigers, mag auf den ersten Blick verwirren, ist rechtsmethodisch allerdings korrekt. Auch der BGH bezieht sich – insofern mit Recht – auf die Regelungsstruktur der Norm sowie den Willen des Gesetzgebers (s. Rn. 9), wonach die Bestellung des Pflichtverteidigers im Grundsatz (welcher im Gesetz durch § 141 Abs. 1 StPO repräsentiert wird) nur dann zu erfolgen hat, wenn der Beschuldigte dies ausdrücklich beantragt.[22]

In Ergänzung zu diesem normativen Grundfall wird nach § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO dem Beschuldigten – unabhängig von einem Antrag[23] – ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn "im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann". Rechtstheoretisch betrachtet regelt die Vorschrift auf Rechtsfolgenebene folglich eine gebundene Entscheidung. Diese Rechtsfolge ist jedoch konditional an die Situation geknüpft, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Dieser Tatbestand im rechtstheoretischen Sinn beinhaltet also eine Voraussetzung, die einen Wertungs- bzw. Beurteilungsspielraum eröffnet,[24] wobei "erhebliche Zweifel an der Verteidigungsfähigkeit"[25] bzw. Anhaltspunkte[26] für die Unfähigkeit zur eigenen Verteidigung genügen.

Gerade an diesem Punkt entzündet sich die Kritik an dem Beschluss des 3. Strafsenats.

Bemerkenswert ist zunächst, mit welcher argumentativen Leichtigkeit der Senat darlegt, dass der Beschuldigte sich selbst verteidigen konnte bzw. nicht schutzbedürftig war: Einschränkungen seien nicht ersichtlich, deswegen sei der Angeklagte in der Lage gewesen sich selbst zu verteidigen (Rn. 24). Diese schmale "Erörterung" wird den in der Gesetzesbegründung dargelegten Maßstäben nicht gerecht. Der Gesetzgeber äußerte sich nämlich dahingehend, dass der Beschuldigte individuell schutzbedürftig ist, "wenn er etwa auf Grund mangelnder Übersicht die Tragweite der Nichtausübung seines Antragsrechts nicht zu erkennen vermag".[27] Die pauschale Behauptung, der Angeklagte konnte sich selbst verteidigen, belegen nur unzureichend, dass die vom Gesetzgeber angesprochene Übersicht über die Tragweite seiner Entscheidung tatsächlich bestand.

Der Standpunkt des Senats, dass der Beschuldigte sich gem. § 187 Abs. 1 GVG der Dienste eines Übersetzers bzw. Dolmetschers bedienen konnte und deswegen nicht individuell schutzbedürftig gewesen sei, ist zudem ausgesprochen pauschal und berücksichtigt insbesondere nicht, dass in der Praxis die Qualität der Leistungen von Dolmetschern und Übersetzern nicht durchgängig sichergestellt ist.[28] Trotz der Möglichkeit des § 187 Abs. 1 GVG entspricht es daher der üblichen Ansicht, dass "bei Verständnisschwierigkeiten[,]zum Beispiel bei Beschuldigten, die der Gerichtssprache nicht mächtig sind,[…]in der Regel ein Verteidiger beizuordnen" ist.[29] Dass der Senat hiergegen zu Bedenken gibt, dass der Angeklagte seit 2014 die deutsche Sprache erlernt (Rn. 25), ist angesichts der Tatsache, dass an der polizeilichen Vernehmung ein Dolmetscher beteiligt war (Rn. 5), nur ein schwacher Trost.

Es muss daher konstatiert werden, dass der Senat in der Entscheidung die Tore für eine äußerst restriktive Handhabe[30] der individuellen Schutzbedürftigkeit i.S.d. § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO weit aufgerissen hat. Angesichts der schmalen Begründungslast, die sich der Senat selbst aufgebürdet hat, könnten die Tatgerichte geneigt sein, die Fähigkeit des Beschuldigten zur eigenen Verteidigung ohne nähere Prüfung zu bejahen (bspw. weil sich keine Defizite aufdrängen).

Umso bemerkenswerter ist daher der Standpunkt des Senats, es sei weder unter europarechtlichen noch unter verfassungsrechtlich Vorzeichen problematisch, dass nach dem geltenden Recht die Bestellung eines Pflichtverteidigers grundsätzlich von einem entsprechenden Antrag des Beschuldigten abhängt,[31] weil "der deutsche Gesetzgeber den Bedürfnissen schutzbedürftiger Personen insofern Rechnung getragen[hat], als in den Fällen des § 141 Abs. 2 Satz 1 StPO ein Pflichtverteidiger grundsätzlich unabhängig von einem Antrag bestellt wird" (Rn. 12). Diese These als zutreffend unterstellt[32] fragt sich gleichwohl, ob der Senat den "Bedürfnissen schutzbedürftiger Personen" hinreichend Rechnung getragen hat. Oder anders gewendet: Unter welchen Umständen liegt denn die Unfähigkeit zur Verteidigung vor, wenn schon nicht in der hier einschlägigen Konstellation?[33] Die Grenze erst ab dem Bereich des § 20 StGB zu ziehen, kann sicherlich keine Lösung sein.[34]

V. Analyse der Ausführungen des Senats zu einem möglichen Beweisverwertungsverbot bei einem Verstoß gegen § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO

Wie bereits angedeutet, hat der Senat sich in der Entscheidung nicht festlegen wollen, ob tatsächlich ein Verstoß gegen § 141 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StPO vorliegt, sondern dargelegt, dass (selbst wenn dem so sein sollte) sich hieraus nicht die Unverwertbarkeit der Beschuldigtenvernehmung ergibt (Rn. 20 ff.).

Lichtenthäler qualifiziert in einer Anmerkung die Ausführungen des BGH zu dem nicht einschlägigen Beweisverwertungsverbot als obiter dictum.[35] Das ist nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung insofern unbefriedigend, als auf die vom BGH genutzte Abwägung grundsätzlich nur bei sog. selbständigen Beweisverwertungsverboten zurückzugreifen sei,[36] wenn der Verwertung also keine Gesetzesverletzung vorausgegangen ist.[37] Bei unselbständigen Beweisverwertungsverboten soll nach dieser Ansicht hingegen die sog. Schutzzwecklehre[38] greifen, also der Schutzzweck der jeweils verletzten Norm entscheiden, nicht aber eine systemlose [39] Abwägung:[40] Denn erstens habe der Gesetzgeber bereits eine Abwägung getroffen, zweitens führt die Abwägung wegen der von der Rspr. betonten Schwere der Tat in praxi nur bei Vergehen oder Bagatellen zu einem Verwertungsverbot[41] und drittens ist schon dogmatisch nicht recht einleuchtend, warum die Schwere der Tat über die Verwertbarkeit von Beweisen ausschlaggebend sein soll (insbesondere wenn die jeweils übertretene Verfahrensvorschrift eine Differenzierung gerade nicht anstellt).[42]

Legt man diese Ansicht zugrunde, hätte also sehr wohl geprüft werden müssen, ob § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO verletzt wurde. In diesem Sinne plädiert bspw. Jahn ganz grundsätzlich für das Eingreifen von Beweisverwertungsverboten bei Verstößen gegen § 141 Abs. 1, 2 StPO.[43]

Indes lässt sich die referierte Ansicht, wonach in den Fällen unselbständiger Beweisverwertungsverbote nicht auf die Abwägungslehre zurückgegriffen werden kann, nicht ohne Probleme auf (den Verstoß gegen) § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO übertragen. Grund hierfür ist, dass der Gesetzgeber sich selbst auf den Standpunkt zurückgezogen hat, dass "ein Verstoß gegen die Vorschriften, wonach die Vernehmung in Fällen notwendiger Verteidigung nur in den eng begrenzten Ausnahmefällen des § 141a StPO-E vor der Bestellung eines Verteidigers durchgeführt werden darf,[…]nicht automatisch zu einem Verwertungsverbot führen[ soll ]. Vielmehr sollen – wie auch in sonstigen Fällen – die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung gelangen. Danach führen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs Rechtsverstöße bei der Beweiserhebung nicht in jedem Fall zur Unverwertbarkeit der dadurch erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und der widerstreitenden Interessen zu entscheiden (sog. Abwägungslehre)".[44]

Da bei Abwägungsentscheidungen rechtsmethodisch eine "relative Freiheit" besteht, ist die Kompetenz des Rechtsanwenders zu einer solchen Abwägung "ein Problem des Gesetzesbindungspostulats", denn den Gerichten wird unter normtheoretischen Gesichtspunkten überantwortet, in einer Konfliktsituation eine (fallgruppenorientierte) Vorrangregel zu bilden[45] und ein Werturteil zu treffen.[46] Entzieht sich der Gesetzgeber also im vorliegenden Regelungskomplex seiner Verantwortung, selbst den Konflikt zwischen den gegensätzlichen Interessen zu entscheiden?[47] Oder erteilt er der Rechtsprechung des BGH, die im Zweifel den Strafverfolgungsinteressen den Vorrang einräumt,[48] seinen Segen? Die Antwort kann im Rahmen dieser Anmerkung nicht gegeben werden. Es lässt sich jedoch vermuten, dass die pragmatische, die Strafverfolgungsinteressen betonende Lösung des Senats im Einklang mit dem Geist des Gesetzgebers der Reform der

notwendigen Verteidigung steht, welche sich durch eine gewisse Härte auszeichnet. Dem Gesetzgeber selbst schwebte nämlich vor, "dass Bedenken gegen die Verwertbarkeit einer Einlassung des unverteidigten Beschuldigten nicht erhoben werden können, auch wenn ein Fall notwendiger Verteidigung gemäß § 140 StPO-E vorliegt". Der Beschuldigte, der nach § 141 Abs. 1 StPO keinen Antrag auf Bestellung eines notwendiges Verteidigers stelle, verzichte auf Rechtsbeistand.[49] Auch wenn sich diese Formulierung so in den Gesetzgebungsmaterialien (naturgemäß) nicht findet, ist die hinter diesem Regelungssystem stehende Logik doch leicht erkennbar: Wer einen entsprechenden Antrag nicht stellt, "ist selbst schuld". Wenn auch der Senat betont, dass der Beschuldigte "in der Lage war, sich bei den Vernehmungen selbst zu verteidigen" (vgl. Rn. 24), dann ist damit doch auch angesprochen, dass der Beschuldigte einen Antrag i.S.d. § 141 Abs. 1 StPO hätte stellen können.

Bzgl. der konkreten Abwägung, die der BGH in dem Beschluss anstellt (Rn. 22 ff.), sei zuletzt noch auf ein stutzig machendes Detail hingewiesen: Die Abwägung als eine der juristischen Methoden ist ihrer Idee nach "operationalisierte Gerechtigkeit".[50] Die Konfliktlösung i.F. der Abwägung tritt dabei stets (ob bewusst oder unbewusst) mit dem Anspruch auf normative Richtigkeit auf.[51] Die Überzeugungskraft einer Abwägung und des gefundenen Ergebnisses leben vordergründig davon, dass die für die Abwägung relevanten Umstände in hinreichendem Ausmaß zusammengetragen (und sodann gewichtet) wurden.[52] An dieser Stelle offenbart sich ein Mangel in der Erörterung des Senats, denn das Gebot eines fairen Strafverfahrens[53] tritt innerhalb des Beschlusses nur im Zusammenhang mit der Würdigung des Regelungsgefüges der §§ 140, 141 StPO und damit auf abstrakter Normebene auf, nicht aber innerhalb der konkreten Abwägung bzgl. der Frage nach einem Beweisverwertungsverbot. Das widerspricht der Rspr. des BVerfG, welches klargestellt hat, dass das Fairnessgebot vor allem in diesem Zusammenhang Auswirkungen zeitigt.[54] Auch hat das BVerfG betont, dass das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten gewährleistet, "prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen" zu können.[55] Folglich verlangt das BVerfG bzgl. des Recht auf ein faires Verfahren eine "Anwendung der Beweisverwertungsgrundsätze im konkreten [!]Fall".[56] Diese Anwendung ist wie ausgeführt in dem Beschluss des 3. Senats nicht ersichtlich.

VI. Abschließende Würdigung

Zum Abschluss sei noch klargestellt, dass ich diese Entscheidung nicht für eine bloße Ausnahmeerscheinung halte, die sich durch argumentative Nachlässigkeit erklären lässt, sondern für eine wohlüberlegte Grundsatzentscheidung des 3. Strafsenats. Der Grund für meine Annahme verbirgt sich insbesondere in Rn. 6 des Beschlusses. Dort führt der Senat aus, dass es "keiner vertieften Erörterung[bedarf], ob die Verfahrensbeanstandung den Anforderungen nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt". Dahingehend bestehen unter Berücksichtigung der durch die Rspr. aufgestellten hohen Hürden[57] tatsächlich Zweifel, was in dem Beschluss auch angedeutet wird (Rn. 6). Der Senat führt jedoch aus, dass "ungeachtet dessen[…]die Verwertung der durch einen Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführten Beschuldigtenvernehmung nicht zu beanstanden[ist]". Der Senat hat also nicht den weniger brisanten Ausweg der Unzulässigkeit der Verfahrensrüge gewählt, sondern die Möglichkeit inhaltlicher Klarstellungen zu § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StPO und einem etwaigen Beweisverwertungsverbot genutzt. Die Entscheidung halte ich aus den dargestellten rechtsdogmatischen Gründen für kritikwürdig. Sie bietet darüber hinaus wegen ihrer Implikationen zum Verhältnis von Strafverfolgungsinteressen und dem Schutz individueller Rechte auch Analysematerial für eine kritische Theorie der gegenwärtigen Lage des Rechtsstaats,[58] schließlich ist das Strafverfahrensrecht bekanntlich ein "Seismograph der Staatsverfassung".[59] Die der Abwägungslehre seit jeher inhärente Wertungsoffenheit (die zulasten der Rechtssicherheit geht)[60] ist vom Senat im hier gewürdigten Beschluss vor allem mit Strafverfolgungsinteressen ausgefüllt und für eine entsprechende Vorrangregel genutzt worden.


[*] Der Verfasser Dr. Pepe Schladitz ist als Akad. Rat a.Z. an der Universität Osnabrück tätig.

[1] S. ausf. Müller-Jacobsen NJW 2020, 575 ff.; Kraft/Girkens NStZ 2021, 454 ff.; KMR/Staudinger, 111. EL (Mai 2022), § 140 Rn. 1. Umfangreich zur Entstehungsgeschichte LR/Jahn, 27. Aufl. (2021), § 140 Vor Rn. 1. Zur alten Rechtslage s. Lehmann JuS 2004, 492.

[2] So explizit BT-Drucks. 19/13829, S. 1. Grundlegend hierzu Beukelmann NJW-Spezial 2018, 760. Ausf. Böß NStZ 2020, 185. Das der Gesetzgeber über sein Ziel hinausgeschossen ist, konstatiert ausf. Müller-Jacobsen NJW 2020, 575. Hingewiesen sei hier nur am Rande darauf, dass das deutsche Modell der notwendigen Verteidigung die Funktion der im Europarecht vorgesehenen Prozesskostenhilfe wahrnimmt und insofern als Äquivalent anzusehen ist, s. hierzu Jahn/Zink StraFo 2019, 318, 320.

[3] BT-Drucks. 19/13829, S. 31. S. hierzu BeckOKStPO/Krawczyk, 43. Ed. (April 2022), § 140 Rn. 1. Krit. hierzu Kraft/Girkens NStZ 2021, 454, 462.

[4] Kraft/Girkens NStZ 2021, 454, 456. So auch Müller-Jacobsen NJW 2020, 575.

[5] S.a. BT-Drucks. 19/15151, S. 6.

[6] Nach Anklageerhebung greift § 141 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 StPO, s. hierzu Böß NStZ 2020, 185, 191.

[7] Müller-Jacobsen NJW 2020, 575.

[8] Müller-Jacobsen NJW 2020, 575 f. spricht von einer "gewichtigen materiellen Änderung".

[9] S. Böß NStZ 2020, 185 f. (auch zu dem europarechtlichen Hintergrund dieser Systematik).

[10] S. zu diesem Gedanken Klaas JA 2020, 262, 263; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, 15. Aufl. (2020), Rn. 225; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. (2015), Rn. 174.

[11] BeckOKStPO/Krawczyk, 43. Ed. (April 2022), § 141 Rn. 9 – Hervorhebungen getilgt.

[12] Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl. (2017), § 19 Rn. 1. S.a. Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, 15. Aufl. (2020), Rn. 227; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. (2015), Rn. 178; BeckOKStPO/Krawczyk, 43. Ed. (April 2022), § 141 Rn. 1.

[13] BT-Drucks. 19/13829, S. 38; zum Ganzen auch Kraft/Girkens NStZ 2021, 454, 457. Zu dieser paternalistischen Dimension der notwendigen Verteidigung LR/Jahn, 27. Aufl. (2021), § 140 Rn. 2 ff.

[14] Zweifelnd auch Lichtenthäler FD-StrafR 2022, 449463. Ausf. zum "ambivalenten Gesamtkonzept" der §§ 140 f. LR/Jahn, 27. Aufl. (2021), § 140 Rn. 6.

[15] Klarstellend Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. (2015), Rn. 170. S. demgegenüber Kraft/Girkens NStZ 2021, 454, 462: "Die Neuregelung hat eine immense Stärkung der Beschuldigtenrechte – insbesondere in Verfahren der Schwerkriminalität – zur Folge, die den Ermittlungsbehörden und Gerichten die Wahrheitsfindung erschwert und die Belange von Kriminalitätsopfern erneut nicht ausreichend berücksichtigt".

[16] S.a. Lichtenthäler FD-StrafR 2022, 449463.

[17] S. hierzu bspw. KMR/Staudinger, 111. EL (Mai 2022), § 140 Rn. 34.

[18] S. hierzu BT-Drucks. 19/13829 S. 27.

[19] Zu den insofern bestehenden systematischen Brüchen LR/Jahn, 27. Aufl. (2021), § 141 Rn. 30 f.

[20] S. hierzu grundlegend Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. (2017), Rn. 367; Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. (2015), Rn. 908; Paul NStZ 2013, 489, 491 f.; ausf. Neuber NStZ 2019, 113 (jew. m.w.N.).

[21] So bekanntlich auch das BVerfG, s. bspw. HRRS 2012 Nr. 27, Rn. 115 m.w.N.

[22] So BT-Drucks. 19/15151 S. 6. Krit. hierzu LR/Jahn, 27. Aufl. (2021), § 141 Rn. 5.

[23] Zur insofern konstruktiv ermöglichten aufgezwungenen Verteidigung s. Klaas JA 2020, 262, 264.

[24] Hierzu LR/Jahn, 27. Aufl. (2021), § 140 Rn. 68.

[25] S. KMR/Staudinger, 111. EL (Mai 2022), § 140 Rn. 34.

[26] So BeckOKStPO/Krawczyk, 43. Ed. (April 2022), § 140 Rn. 39.

[27] BT-Drucks. 19/13829, S. 38.

[28] Ausf. Makepeace StV 2020, 570 ff.

[29] KMR/Staudinger, 111. EL (Mai 2022), § 140 Rn. 35. So auch LR/Jahn, 27. Aufl. (2021), § 140 Rn. 106 m.w.N.

[30] Zu dieser Einschätzung gelangt auch Lichtenthäler FD-StrafR 2022, 449463.

[31] Kritisch hierzu BeckOKStPO/Krawczyk, 43. Ed. (April 2022), § 141 Rn. 5 f.

[32] Hiergegen freilich mit Recht BeckOKStPO/Krawczyk, 43. Ed. (April 2022), § 141 Rn. 9.

[33] Eindringlich auch Lichtenthäler FD-StrafR 2022, 449463.

[34] Vgl. BeckOKStPO/Krawczyk, 43. Ed. (April 2022), § 140 Rn. 45.

[35] Lichtenthäler FD-StrafR 2022, 449463.

[36] S. Beulke ZStW 103 (1991), 657 ff.; Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, 15. Aufl. (2020), Rn. 705; Fahl NStZ 2021, 261, 263; Grünwald JZ 1966, 489, 492 ff.; grundlegend auch MüKoStPO/Kudlich, 1. Aufl. (2014), Einl. Rn. 461.

[37] Zu den Begriffen der (un-)selbständigen Beweisverwertungsverbote s. Schroth JuS 1998, 969; Volk/Engländer, Grundkurs StPO, 10. Aufl. (2021), § 28 Rn. 4 f. Grundlegend Rogall ZStW 91 (1979), 1, 3 f. Ausf. Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, 2003, S. 4 ff., 14 ff.

[38] Bekanntlich ist es bisher nicht gelungen, den Pluralismus möglicher Beweisverwertungsverbote anhand eines einheitlichen Prinzips zu systematisieren (s.a. Amelung, Prinzipien strafprozessualer Beweisverwertungsverbote, 2011, passim). Die Vielgestaltigkeit der realiter vorkommenden Beweisverwertungsverbote kennt keinen singulären gleichen Nenner, s. hierzu statt aller Volk/Engländer, Grundkurs StPO, 10. Aufl. (2021), § 28 Rn. 8; ausf. Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, 2003, S. 69 ff.

[39] Zum Vorwurf des systemlosen Abwägungsstrafprozessrechts ausf. Wolter, in: Festschrift für Roxin (2011), S. 1245 ff.

[40] So Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, 15. Aufl. (2020), Rn. 705 m.w.N.

[41] So nachvollziehbar Fahl NStZ 2021, 261, 263; s.a. Wolter, in: Festschrift für Roxin (2011), S. 1245, 1265.

[42] Vgl. Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl. (2017), § 24 Rn. 41.

[43] S. LR/Jahn, 27. Aufl. (2021), § 141 Rn. 41 f.

[44] S. BT-Drucks. 19/13829, S. 39 f.

[45] Grundlegend Koch, in: Erbguth (Hrsg.), Abwägung im Recht (1995), S. 9 ff. (Zitate auf S. 10). Zur normtheoretischen Konstruktion der Abwägung(-sentscheidung) s. Alexy, ARSP-Beiheft N.F. 14 (1980), 181, 196 f.

[46] Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. (2008), S. 654.

[47] Tatsächlich überlässt der Gesetzgeber häufig Wissenschaft und Praxis die Klärung der Verwertbarkeit und regelt selten explizit Verwertungsverbote, s. nur Cramer/Bürgle, Die strafprozessualen Beweisverwertungsverbote, 2. Aufl. (2004), S. 18.

[48] BeckOKStPO/Krawczyk, 43. Ed. (April 2022), § 141 Rn. 24. Allg. Beulke Jura 2008, 653, 655; Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl. (2017), § 24 Rn. 30.

[49] BT-Drucks. 19/15151, S. 6.

[50] So Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. (2020), Rn. 484.

[51] S. Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. (2008), S. 652.

[52] Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. (2020), Rn. 489. Speziell für die Abwägungslehre innerhalb der Theorie strafprozessualer Verwertungsverbote Paul NStZ 2013, 489, 491 f.

[53] Hierzu Volk/Engländer, Grundkurs StPO, 10. Aufl. (2021), § 18 Rn. 9; Jäger, Beweisverwertung und Beweisverwertungsverbote im Strafprozess, 2003, S. 207 ff.

[54] BVerfG HRRS 2012 Nr. 27, Rn. 110 ff. m.w.N..

[55] BVerfG HRRS 2009 Nr. 296, Rn. 70.

[56] BVerfG HRRS 2012 Nr. 27, Rn. 116, 119.

[57] MüKoStPO/Knauer/Kudlich, 1. Aufl. (2019), § 344 Rn. 91 ff. m.w.N.

[58] Grundlegend hierzu Söllner Leviathan 10 (1982), 97 ff.

[59] Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 29. Aufl. (2017), § 2 Rn. 1.

[60] S. nur Beulke Jura 2008, 653, 655.