Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2022
23. Jahrgang
PDF-Download
1. Bei der Berechnung abgeführter Sozialversicherungsbeiträge bestimmt sich der Schuldumfang grundsätzlich nach dem sozialversicherungsrechtlichen Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 SGB IV; vgl. BGHSt 47, 318, 319). Vorenthalten im Sinne von § 266a StGB sind die nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften tatsächlich geschuldeten Beiträge (vgl. BGHSt 53, 71 Rn. 14). Ob und in welcher Höhe ein Arbeitsentgelt an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird, ist unerheblich.
2. Der Rückgriff auf einschlägige oder für allgemeinverbindlich erklärte tarifvertragliche Regelungen zur Schätzung der geschuldeten Beiträge ist nicht nur rechtsfehlerfrei, sondern kann aus Rechtsgründen sogar geboten sein, sofern der nach dem Tarifvertrag zu zahlende Bruttostundenlohn den fiktiven Bruttostundenlohn übersteigt, der sich nach Hochrechnung des vom Tatgericht ermittelten, an die illegal beschäftigten Arbeitnehmer gezahlten Schwarzlohns auf eine Bruttolohnsumme nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ergibt. In diesen Fällen bildet der tarifvertragliche (Brutto-)Stundenlohn den vom Tatrichter zu beachtenden Maßstab, was insbesondere im Bereich des Lohndumpings Relevanz erlangt.
3. Gleiches gilt im Übrigen für den nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) zu zahlenden Mindestlohn. Auch dieser bildet eine Untergrenze, die der Tatrichter bei der Bemessung der im Sinne von § 266a StGB vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge in den Blick zu nehmen hat.
4. Für die Berechnung der Lohnsteuer aus den Schwarzlohnzahlungen müssen Tarif- und Mindestlohn außer Betracht bleiben. Wegen des im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzips (vgl. BGHSt 53, 71 Rn. 16) ist die hinterzogene Lohnsteuer auf der Grundlage der – tatsächlich gezahlten – Nettolöhne zu ermitteln.
1. Mit dem Merkmal der „geschäftlichen Verhältnisse“ in § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB sind über die Vermögensverhältnisse im engeren Sinn hinaus diejenigen Umstände angesprochen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind. Da der Tatbestand mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen ist, geht es bei der Tathandlung des Verschleierns zwar in erster Linie um die unrichtige Darstellung der Vermögensverhältnisse. Zu den geschäftlichen Verhältnissen zählt aber auch die (geplante) zukünftige Entwicklung des Unternehmens. Maßnahmen im Rahmen sog. „Firmenbestattungen“ (insbesondere Wechsel von Gesellschaftern und Geschäftsführung, Sitzverlegung) unterfallen daher regelmäßig dem Verschleierungstatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 Alt. 2 StGB, wenn das Unternehmen tatsächlich nicht fortgeführt werden soll.
2. Der Senat kann offenlassen, ob die Tätigkeit eines gewerblichen sog. „Firmenbestatters“ in den Anwendungsbereich der Beihilfe durch neutrale Handlungen fällt. Dagegen kann sprechen, wenn im Rahmen der konkreten
Beratung Wege aufgezeigt werden, wie der Bestellung anderer Insolvenzverwalter vorgebeugt werden konnte, damit der „Firmenbestatter“ selbst als solcher bestellt wird, da das Insolvenzgericht bei Kenntnis dieser Umstände Zweifel an der notwendigen Unabhängigkeit im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO hätte hegen müssen.
Die Bekämpfung von Rauschgiftdelikten ist – im Interesse des über die deutschen Staatsgrenzen hinausreichenden Schutzes vor Gesundheitsbeeinträchtigungen – ein weltweites Anliegen (vgl. § 6 Nr. 5 StGB). Deshalb stellt der Umstand, dass eingeführtes Rauschgift nicht für den deutschen Markt bestimmt ist, sondern zur Veräußerung im Ausland weitertransportiert wird, keinen Strafmilderungsgrund dar. Dem steht nicht entgegen, dass das Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtMG) für die unerlaubte Durchfuhr von Betäubungsmitteln (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 BtMG) eine niedrigere Strafdrohung vorsieht als für die unerlaubte Einfuhr von und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.
Eine engmaschige und lückenlose polizeiliche Überwachung eines Betäubungsmittelgeschäfts kann ein bestimmender Strafzumessungsgrund zugunsten des Angeklagten bei der Verurteilung wegen eines Betäubungsmitteldelikts sein, dem neben einer Sicherstellung der Drogen eigenes Gewicht zukommt, wenn durch die Überwachungsmaßnahmen eine tatsächliche Gefährdung durch das Rauschgift ausgeschlossen war. Das gilt aber nicht, wenn die Betäubungsmittel in den Verkehr gelangen, da sich in diesem Fall die Gefahr für das durch die Straftatbestände des BtMG geschützte Rechtsgut realisiert. Ein Anspruch des Straftäters darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, besteht nicht.
1. Für die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme gelten auch im Betäubungsmittelrecht die Grundsätze des allgemeinen Strafrechts. Beschränkt sich die Beteiligung des Täters am Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auf einen Teilakt des Umsatzgeschäfts, so kommt es nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich dieses Teilakts innehat. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt. Maßgeblich sind insoweit insbesondere der Grad des eigenen Interesses am Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass Durchführung und Ausgang der Haupttat maßgeblich auch vom Willen des Täters abhängt.
2. Nach diesen Maßstäben genügt es für ein (mit-)täterschaftliches Handeltreiben in der Regel nicht, dass ein an der Errichtung einer Cannabisplantage Beteiligter im weiteren Verlauf lediglich Aufgaben beim Düngen und Bewässern der Cannabispflanzen wahrnimmt, bei denen er den Instruktionen eines anderen Tatbeteiligten folgt, der über Fachkenntnisse und Erfahrungen beim Cannabisanbau verfügte. Ein täterschaftliches Handeltreiben setzt vielmehr eine Beteiligung am Umsatzgeschäft voraus, etwa die Einbindung in den beabsichtigten Verkauf oder eine anteilige Partizipation am Erlös.
Das Tatgericht ist nicht nur verfahrensrechtlich (§ 267 Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO), sondern auch materiellrechtlich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen. Bei einer Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Dopingmitteln sind demzufolge die der Entscheidung zugrunde gelegten Wirkstoffmengen der Substanzen in den Urteilsgründen zu nennen, da diesen sowohl bei der Bestimmung des Strafrahmens als auch bei der konkreten Strafzumessung Bedeutung zukommt.
Die Erfüllung des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit (§ 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) kann im Rahmen der Strafzumessung innerhalb des Qualifikationstatbestandes des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafschärfend verwertet werden. Zwingend ist dies aber nicht. Vielmehr gilt inso-
fern (allgemeinen Grundsätzen entsprechend, vgl. zuletzt BGH HRRS 2022 Nr. 646): Das Tatgericht ist lediglich verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, entscheidet das Tatgericht unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls.
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit. Eigennützig ist eine Tätigkeit, wenn das Tun vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder der Täter sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil davon verspricht, durch den er materiell oder – objektiv messbar – immateriell bessergestellt wird. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn ein Täter nur den Eigennutz eines anderen mit seinem Tatbeitrag unterstützen will.