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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2022
23. Jahrgang
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1. § 331 StGB kann die Annahme von Vorteilen für die künftige Dienstausübung auch dann erfassen, wenn dem Amtsträger zum Zeitpunkt der Tathandlung bei demselben Dienstherrn noch ein anderer Aufgabenkreis als bei der künftigen Dienstausübung übertragen ist.
2. Das Tatgericht darf sich bei der Frage nach dem Unrechtsbewusstsein des Angeklagten im Zuge der Prüfung eines Verbotsirrtums (§ 17 StGB) nicht auf die isolierte Erörterung und Bewertung der einzelnen Beweisanzeichen beschränken. Es hat vielmehr eine Gesamtwürdigung aller für und gegen den Täter sprechenden Umstände vorzunehmen, weil Indizien, auch wenn sie für sich allein rechtlich tragfähig nicht zum Nachweis einer Tatsache ausreichen, dem Gericht doch in ihrer Gesamtheit die entsprechende Überzeugung vermitteln können.
3. Die Vorschrift des § 60 StGB hat Ausnahmecharakter. Sie kommt nur zur Anwendung, wenn die Verhängung einer Strafe unter jedem denkbaren Strafzweck verfehlt wäre; das Verfehltsein von Strafe muss dabei so ins Auge springen, dass dieses Ergebnis der Abwägung ernsthaftem Zweifel entrückt ist.
4. Dienstrechtliche Konsequenzen, die ein nur durch Amtsträger begehbares Sonderdelikt nach sich zieht, stellen typische Tatfolgen dar, die in der Regel keine strafmildernde Berücksichtigung verdienen. Entsprechendes gilt für die mediale Aufmerksamkeit, die einem Verfahren gegen einen hochrangigen politischen Amtsträger zuteilwerden kann.
5. Die Annahme eines Verfahrenshindernisses aufgrund von Verfahrensverstößen kommt nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht. Denn sie berührt das Rechtsstaatsprinzip, das nicht nur Belange des Beschuldigten schützt, sondern auch das Interesse der Allgemeinheit an einer der materiellen Gerechtigkeit dienenden Strafverfolgung.
6. Der Senat vermag nicht der Rechtsansicht zu folgen, die Publikationsgrenze des § 25 Abs. 3 ParteienG zugleich die Grenze darstelle, unterhalb derer es den Anschein der Käuflichkeit nicht gebe. Die Veröffentlichungsgrenze zielt auf die Nachprüfbarkeit der Parteienfinanzierung ab, sagt aber nichts über die Käuflichkeit eines Amtsträgers oder deren Anschein.
7. Die Vollendung des § 31d ParteienG ist vom Inhalt der Rechenschaftsberichte abhängig. Es muss zu einem in der Außenwelt zu Tage tretenden Handlungserfolg in Form der unrichtigen Wiedergabe kommen.
8. Die für § 31d Abs. 1 Nr. 1 ParteienG maßgebliche Ausführungshandlung ist nicht (teil-)identisch mit derjenigen der Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit. Denn die Annahme des Vorteils, als späteste denkbare Ausführungshandlung der Korruptionsdelikte, ist nicht tatbestandserheblich für das Bewirken unrichtiger Angaben im eingereichten Rechenschaftsbericht.
1. Kann das Gericht bei einer Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt die Identität und die Anwesenheitszeiten der betreffenden Arbeiter
verlässlich feststellen, können diese Informationen prinzipiell als Basis für eine personenbezogene Berechnung der gezahlten Schwarzlöhne und der dadurch hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge dienen. In diesem Fall ist es jedoch grundsätzlich erforderlich, im Urteil die ermittelten Arbeitsstunden wiederzugeben, die das Gericht seiner Lohnberechnung zugrunde legt. Diese ausdrückliche Angabe von Beschäftigungszeiten kann allenfalls entbehrlich sein, wenn sich die Arbeitsstunden anhand der errechneten Entgelte und des zugrunde gelegten Stundenlohns ohne Weiteres im Wege der Rückrechnung ermitteln lassen.
2. Ist eine personenbezogene Schadensberechnung nicht möglich, ist das Tatgericht gehalten, eine Schätzungsmethode zu wählen, die dem Ziel, der Wirklichkeit durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen möglichst nahe zu kommen, am besten gerecht wird. Bei der Auswahl kommt ihm ein Beurteilungsspielraum zu. Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob das Tatgericht nachvollziehbar dargelegt hat, warum es sich der gewählten Schätzungsmethode bedient hat und weshalb diese dafür geeignet ist. Um diese Prüfung zu ermöglichen, müssen die Grundlagen der Schätzung in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar mitgeteilt werden.
Bei der Hinterziehung von Veranlagungsteuern durch Unterlassen tritt – sofern nicht vorher ein Schätzungsbescheid ergangen ist – der Taterfolg der Steuerverkürzung zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Veranlagung stattgefunden hätte, wenn die Steuererklärung pflichtgemäß eingereicht worden wäre; dies ist spätestens dann der Fall, wenn das zuständige Finanzamt die Veranlagungsarbeiten für die betreffende Steuerart und den betreffenden Zeitraum im Wesentlichen abgeschlossen hat (st. Rspr.). Erlangt der Täter vor diesem Zeitpunkt Kenntnis von einem gegen ihn eingeleiteten Steuerstrafverfahren, wird wegen des Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung („nemo tenetur“) seine steuerrechtliche Erklärungspflicht suspendiert. Er ist dann nur noch wegen versuchter Steuerhinterziehung zu bestrafen.
Das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldungen und Umsatzsteuerjahreserklärung ist regelmäßig eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortaten. Das gilt jedoch nicht, wenn es in Folge der Voranmeldungen bereits zur Auszahlung nicht bestehender Erstattungsbeträge gekommen ist, während es hinsichtlich der Jahreserklärung bei einer versuchten Steuerhinterziehung geblieben ist.
Die für die Strafzumessung relevante Schädigung des Umsatzsteueraufkommens ist nicht etwa deshalb doppelt so hoch, weil sich die – bezogen auf einen steuerpflichtigen Eingangsumsatz – herbeigeführte Steuerverkürzung durch eine ungerechtfertigten Vorsteuerabzug in einer den Ausgangsumsatz für dieselben Waren betreffende Steuerverkürzung durch Nicht-Anmeldung von Umsatzsteuer fortsetzt.
Das in § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV verwendete Tatbestandsmerkmals der „illegalen Beschäftigungsverhältnisse“ hat der Gesetzgeber als Sammelbegriff für eine Vielzahl von verschiedenen Ordnungswidrigkeitstatbeständen oder Straftaten, von Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsrecht bis hin zu Verstößen gegen das Steuerrecht oder zum Leistungsmissbrauch bestimmt. Die in § 1 Abs. 2, Abs. 3 SchwarzArbG verwendeten Definitionen der „Schwarzarbeit“ und der „illegalen Beschäftigung“ dienen allein der Umschreibung des Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs der Finanzkontrolle Schwarzarbeit und sind für die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV nicht maßgeblich.
1. Im Zusammenhang mit dem Begriff der „Einreise“ gem. § 13 AufenthG ist zwischen dem Grenzübertritt an einer zugelassenen Grenzübergangsstelle und demjenigen außerhalb einer solchen zu unterscheiden. An einer zugelassenen Grenzübergangsstelle ist ein Ausländer nach § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erst eingereist, wenn er die Grenze überschritten und jene passiert hat.
2. Für die Einreise auf dem Luftweg ist zu differenzieren zwischen Flügen, die von einem Schengenstaat kommen,
und Flügen, die von einem Drittstaat kommen. Da im Fall eines Binnenflugs der Flughafen nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. b SGK als Binnengrenze gilt, findet bei einer derartigen Einreise aus einem Schengenstaat eine Grenzkontrolle nicht statt. Der Ausländer ist in diesem Fall nach § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG mit Betreten des Bundesgebiets am Flughafen eingereist. Bei einem aus einem Drittstaat kommenden Flug gilt demgegenüber der jeweilige Flughafen gemäß Art. 2 Nr. 2 SGK als Außengrenze. Das hat zur Folge, dass sich am Flughafen die Grenzübergangsstelle im Sinne von Art. 2 Nr. 8 SGK befindet und es für die Einreise bei der Regelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 AufenthG verbleibt.
1. Eine zeitgleiche Aufbewahrung von Waffen und Betäubungsmitteln kann die Annahme einer Handlungseinheit regelmäßig nur dann rechtfertigen, wenn darüber hinaus ein funktionaler Zusammenhang zwischen beiden Besitzlagen besteht.
2. Der Ausspruch über die Anordnung einer Einziehung hat die einzuziehenden Gegenstände so genau zu kennzeichnen, dass bei allen Beteiligten und der Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht. Im Falle der Einziehung von Betäubungsmitteln muss sich daher Art und Menge des einzuziehenden Rauschgifts aus dem Urteilstenor ergeben.
1. Bei einer Bewertungseinheit werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden. Dabei ist entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen. Eine Bewertungseinheit kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Betäubungsmittel aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen, aber auch dann, wenn Drogen aus verschiedenen Erwerbsvorgängen zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint werden.
2. Für Serientaten ist anerkannt, dass es – soweit sich der genaue Zeitpunkt der jeweiligen Taten nicht ermitteln lässt – ausreichend ist, wenn sie etwa durch die Kennzeichnung der Art und Weise der Tatbegehung, der Beute oder durch die Benennung des Geschädigten individualisiert werden können. Soweit sich die Häufigkeit von Tatbestandsverwirklichungen nicht sicher ermitteln lässt, ist unter Anwendung des Zweifelssatzes eine individualisierbare Mindestzahl festzustellen und gegebenenfalls der Schuldumfang zu schätzen. Nur, wenn sich auch bei sorgfältiger Beweiserhebung keine Anhaltspunkte für die Aufteilung des Mindestschuldumfangs auf bestimmbare Einzeltaten ergeben, kann im Extremfall der Zweifelssatz die Annahme nur einer Tat gebieten (vgl. BGHSt 40, 374, 376 f.).