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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2022
23. Jahrgang
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1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden, dass die Einziehung des durch eine verjährte Straftat erlangten Wertes des Tatertrags nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB auch im subjektiven Verfahren angeordnet werden kann,
wenn die Staatsanwaltschaft wegen der Erwerbstat Anklage erhoben, das Gericht das Hauptverfahren insoweit eröffnet und die Einstellung des Verfahrens erst im Urteil ausgesprochen hat (§ 260 Abs. 3 StPO); eines Übergangs in das objektive Verfahren sowie eines Antrags der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO und einer staatsanwaltschaftlichen Ermessensausübung im Sinne des § 435 Abs. 1 Satz 2 StPO bedarf es in einem solchen Fall nicht.
2. Zwar sind § 76a StGB und § 435 StPO in ihren amtlichen Überschriften als „selbständige Einziehung“ bzw. „selbständiges Einziehungsverfahren“ überschrieben. Auch sprechen beide Normen von der „selbständigen Einziehung“. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die „selbständige Einziehung“ nur im „selbständigen Einziehungsverfahren“ angeordnet werden kann. „Selbständig“ im Sinne der materiellrechtlichen Norm des § 76a StGB bedeutet nach dem Gesetzeszusammenhang „von der Verurteilung einer Person unabhängig“.
3. Die Einziehung kann - ohne eine Verurteilung des Angeklagten - auch im subjektiven Verfahren angeordnet werden, sofern dieses bis zur verfahrensabschließenden Entscheidung bei Gericht anhängig ist, etwa weil die Strafverfolgungsbehörde und das Gericht zunächst davon ausgegangen sind, die zugrundeliegende Tat sei nicht verjährt. Die dem Verfahrensrecht angehörende Bestimmung des § 435 Abs. 1 Satz 1 StPO („können“) eröffnet demgegenüber der Staatsanwaltschaft (und dem Privatkläger) lediglich die Möglichkeit, die „selbständige Einziehung“ im Sinne des § 76a StGB auch dann zu betreiben, wenn bereits die Strafverfolgungsbehörde davon ausgeht, die Verfolgung einer Person und damit eine Anklageerhebung im subjektiven Verfahren sei nicht möglich.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei Begehung der Anlasstat aufgrund eines psychischen Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung auf diesem Zustand beruht. Der Defektzustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein. Der Tatrichter hat die der Unterbringungsanordnung zugrunde liegenden Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
2. Bei bipolaren Störungen besteht eine große Bandbreite von Ausprägungen und Schweregraden, weshalb die Diagnose der Erkrankung allein für die Frage der Schuldfähigkeit nicht ausreichend aussagekräftig ist. In manischen Phasen kann es, je nach Ausprägung und Schwere, zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit, aber auch der Einsichtsfähigkeit kommen. Der Tatrichter muss sich deshalb – in Kenntnis, dass sowohl Einsichts- wie auch Steuerungsfähigkeit betroffen sein kann – mit der Frage auseinandersetzen, in welcher Weise sich die Erkrankung im konkreten Tatzeitpunkt auf die Einsichts- oder auf die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat.
1. § 73a Abs. 1 StGB bestimmt zwar, dass der der erweiterten Einziehung unterliegende Gegenstand durch oder für - nicht konkretisierbare - andere rechtswidrige Taten erlangt worden sein muss als derjenigen, welche die Maßnahme eröffnet (Anknüpfungstat). Eine Anordnung gemäß § 73a Abs. 1 StGB ist jedoch auch zulässig, wenn nicht aufklärbar ist, ob der Gegenstand aus der Anknüpfungstat oder anderen Taten stammt.
2. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen nach § 73a Abs. 1 StGB ist gegenüber der Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB subsidiär. Eine auf § 73a Abs. 1 StGB gestützte Anordnung setzt mithin voraus, dass das Tatgericht nach Ausschöpfung aller Beweismittel zwar die Überzeugung von der deliktischen Herkunft des erlangten Gegenstands gewonnen hat, aber sich außerstande sieht, ihn eindeutig der abgeurteilten oder einer anderen konkret nachweisbaren Tat zuzuordnen.
3. Die erweiterte Wertersatzeinziehung gem. § 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB kann - anders als der erweiterte Wertersatzverfall nach altem Recht - auch dann angeordnet werden, wenn zum Zeitpunkt der Begehung der Anknüpfungstat beim von der Maßnahme betroffenen Beteiligten (lediglich) ein Surrogat des erlangten Gegenstandes, jedoch nicht dieser selbst vorhanden war. Die Vorschrift des § 73a StGB sieht zwar die erweiterte Einziehung des Surrogats (§ 73 Abs. 3 StGB) nicht vor; jedoch kommt in solchen Fällen weiterhin eine erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen in Betracht (Abgrenzung gegenüber BGH HRRS 2021 Nr. 323 und BGH HRRS 2021 Nr. 955).
Der Begriff des „etwas“ i.S.d § 73 StGB umfasst die Gesamtheit der materiellen Vermögenszuflüsse (sog. 'Bruttoprinzip'), die der Tatbeteiligte unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes erzielt. Werden dem Angeklagten „Schulden“ aus einem gem. § 134 BGB nichtigen Drogengeschäft „erlassen“, scheidet eine Einziehung eines entsprechenden Geldbetrages aus, da aus verbotenen Betäubungsmittelgeschäften weder ein Kaufpreisanspruch noch andere zivilrechtliche Ansprüche erwachsen, von denen der Täter durch den „Erlass“ hätte frei werden können.