Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Dezember 2018
19. Jahrgang
PDF-Download
1. Bei der Ermessensentscheidung nach § 31 Satz 1 BtMG sind gemäß § 31 Satz 3 BtMG in Verbindung mit § 46b Abs. 2 StGB alle strafzumessungsrelevanten Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. (BGHSt)
2. Die Gründe für ein Versäumen des Präklusionszeitpunktes (§ 46b Abs. 3 StGB) sind ohne Bedeutung. (BGHSt)
3. Eine nicht fristgerechte Aufklärungshilfe kann nur bei der allgemeinen Strafzumessung berücksichtigt werden. In diesem Rahmen kann es gewichtet werden, wenn die Verspätung auf Umständen beruht, die nicht in die Verantwortungssphäre des Angeklagten fallen. (Bearbeiter)
4. Der nach § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG erforderliche Zusammenhang zwischen der aufgedeckten und der dem Täter zur Last liegenden Tat setzt einen inneren und verbindenden Bezug zwischen der eigenen und der offenbarten Tat voraus. Für eine derartige Konnexität genügt weder
ein bloß örtliches und zeitliches Zusammentreffen offenbarter und eigener Straftaten noch eine langjährige persönliche Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem Täter der offenbarten Straftat. (Bearbeiter)
5. Bei der Ermessensentscheidung nach § 31 Satz 1 BtMG können auch eine verspätete Aufklärungshilfe oder nicht unter § 31 Satz 1 BtMG fallende Aufklärungsbemühungen des Täters berücksichtigt werden. Sie sind aber regelmäßig mit niedrigerem Gewicht einzustellen als Aufklärungsbeiträge im Sinne des § 31 Satz 1 BtMG, auf die gemäß § 31 Satz 3 BtMG in Verbindung mit § 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB besonderes Augenmerk („insbesondere“) zu legen ist. (Bearbeiter)
1. Eine Maßnahme nach § 74 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StGB hat – ebenso wie nach alter Rechtslage – den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar. Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, so ist dies deshalb ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen.
2. Beschränkt sich der Tatrichter darauf, sich ohne eigene Erwägungen einem Sachverständigengutachten anzuschließen, ist er aber aus Gründen sachlichen Rechts regelmäßig gehalten, die für die Schlussfolgerungen des Sachverständigen maßgeblichen Anknüpfungs- und Befundtatsachen insoweit in den Urteilsgründen mitzuteilen, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit im Revisionsrechtszug erforderlich ist.
Dass sich der Angeklagte über die Interessen des missbrauchten Kindes hinwegsetzt, gehört zum Regeltatbild der Tatbestände der §§ 176 und 176a StGB und kann deshalb nicht als den Unrechtsgehalt der Taten erhöhender Umstand angesehen werden.
1. Die in § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB als materielle Anordnungsvoraussetzung genannte Gefährlichkeit eines Angeklagten für die Allgemeinheit liegt vor, wenn infolge eines bei ihm bestehenden Hanges ernsthaft zu besorgen ist, dass er auch in Zukunft Straftaten begehen wird, die eine erhebliche Störung des Rechtsfriedens darstellen. Als wesentlichen Anhaltspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zu erwartender Straftaten nennt das Gesetz eine schwere seelische oder körperliche Schädigung der Opfer. Bezugspunkt sind demnach die wahrscheinlichen Folgen der zu erwartenden Straftaten.
2. Mit Taten des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ist im Hinblick auf die für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen unabhängig von körperlicher Gewaltanwendung typischerweise die Gefahr schwerwiegender psychischer Schäden verbunden. Dabei existiert kein gesicherter Erfahrungssatz des Inhalts, dass solche Schäden bei älteren Kindern unwahrscheinlicher sind als bei jüngeren.
1. Als Hang im Sinne des § 66 StGB ist ein eingeschliffener innerer Zustand des Täters anzusehen, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Er kann sowohl bei einem Täter vorliegen, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist, wie bei einem Täter, der aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet (st. Rspr.). Der Hang muss sich auf erhebliche rechtswidrige Taten richten und zur Zeit des tatgerichtlichen Urteils gegeben sein (vgl. BGHSt 50, 188, 193 mwN). Die Beurteilung des Vorliegens eines Hangs ist anhand einer Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Angeklagten, der Symptom- und Anlasstaten unter Einbeziehung aller objektiven und subjektiven Umstände vorzunehmen.
2. In formeller Hinsicht setzt § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB voraus, dass der Täter zwei rechtlich selbständige Katalogtaten im Sinne von § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB begangen hat. In dem Fall, dass die beiden Katalogtaten in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang, begangen wurden, bedarf die Hangprüfung allerdings einer besonders eingehenden, kritischen Würdigung. Denn es erscheint nur in Ausnahmefällen denkbar, auf der Basis von nur einer Verurteilung wegen zweier, im unmittelbaren Zusammenhang tatmehrheitlich begangener Taten, einen Hang – gerichtet auf die Begehung erheblicher rechtswidriger Taten – mit hinreichender Sicherheit feststellen zu kön-
nen, da die Prognosebasis in einem solchen Fall noch wesentlich schmaler ist als in den Fällen des engen zeitlichen Zusammenhangs bei den drei Taten des § 66 Abs. 2 StGB oder den übrigen von § 66 Abs. 3 Satz 1 oder 2 StGB erfassten Fällen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Bildung der Gesamtstrafe ein eigenständiger und zu begründender Strafzumessungsakt, der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 StGB durch die Erhöhung der höchsten Einzelstrafe (sog. Einsatzstrafe) erfolgt und sich nicht an der Summe der Einzelstrafen oder an rechnerischen Grundsätzen zu orientieren hat, sondern an gesamtstrafenspezifischen Kriterien (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 40 f.). Dabei sind bei der erforderlichen Gesamtschau der Taten namentlich das Verhältnis der einzelnen Straftaten zueinander, insbesondere ihr Zusammenhang, ihre größere oder geringere Selbständigkeit, ferner die Häufigkeit der Begehung, die Gleichheit oder Verschiedenheit der verletzten Rechtsgüter und der Begehungsweise sowie das Gesamtgewicht des abzuurteilenden Sachverhalts zu berücksichtigen. Ferner ist in einer Würdigung der Person des Täters seine Strafempfindlichkeit, seine größere oder geringere Schuld im Hinblick auf das Gesamtgeschehen und seine innere Einstellung zu den Taten zu erörtern.
1. Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt nur dann in Betracht, wenn eine Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustands erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Dabei muss es sich um Taten handeln, die zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind. Zudem ist eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades erforderlich. Die zu stellende Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat zu entwickeln. Dabei sind neben der konkreten Krankheits- und Kriminalitätsentwicklung auch die auf die Person des Täters und seine konkrete Lebenssituation bezogenen Risikofaktoren, die eine individuelle krankheitsbedingte Disposition zur Begehung von Straftaten jenseits der Anlasstaten belegen können, einzustellen.
2. Bei der auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu stellenden Gefährlichkeitsprognose sind auch abzusehende zukünftige Entwicklungen in den Blick zu nehmen und in die Erwägungen einzustellen. Zwischenzeitlich erzielte Behandlungserfolge und eingetretene Stabilisierungen können daher die Annahme einer die Unterbringung rechtfertigenden Gefährlichkeitsprognose nicht hindern, wenn mit einer Verschlechterung der Verhältnisse und in der Folge mit erneuten rechtswidrigen Taten zu rechnen ist.
3. Für die Entscheidung, ob eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen ist, kommt es nicht darauf an, ob die von dem Täter (aktuell noch) ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit durch eine konsequente medizinische Behandlung oder andere Maßnahmen außerhalb des Maßregelvollzugs abgewendet werden kann. Ein derartiges täterschonendes Mittel würde erst bei der Frage der Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel zur Bewährung Bedeutung erlangen können.
1. Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt daher voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Hierzu ist in Fällen der Beteiligung mehrerer an einer Tat erforderlich, dass die mehreren Tatbeteiligten faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über die Beute erlangt haben. Dabei kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über die Beute zukommen sollte und er diese auch tatsächlich hatte.
2. Die Annahme eines bedingten Körperverletzungsvorsatzes kann sich – letztlich nicht anders als im Fall des bedingten Tötungsvorsatzes – auch daraus ergeben, dass der Täter (oder ein Mittäter) eine Handlung vornimmt, die eine so hohe Gefahr für die körperliche Integrität des Opfers beinhaltet, dass im Einzelfall ohne weiter gehende Begründung aus der Kenntnis der Tatumstände auf das Wissens- und der gleichwohl erfolgten Tatausführung auf das Wollenselement des bedingten Vorsatzes geschlossen werden kann.
1. Die Feststellung einer erheblichen verminderten Einsichtsfähigkeit erfüllt für sich nicht die Voraussetzungen
des § 21 StGB und ist damit auch keine ausreichende Grundlage für die Anordnung der Unterbringung nach § 63 StGB. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Unrechtseinsicht zur Folge hat. Ein Täter, der trotz erheblich verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist – sofern nicht seine Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war – voll schuldfähig, womit auch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht in Betracht kommt.
2. Wird die Anwendung des § 20 StGB zugleich auf beide Alternativen fehlender oder erheblich eingeschränkter Einsichts- und Steuerungsfähigkeit gestützt, ist zu bedenken, dass die Frage der Steuerungsfähigkeit grundsätzlich erst dann zu prüfen ist, wenn der Täter in der konkreten Tatsituation einsichtsfähig war. Bleibt nach den Urteilsgründen zweifelhaft, welche Alternative das Tatgericht annehmen wollte, so ist dem Revisionsgericht eine rechtliche Überprüfung, ob die Voraussetzungen der Vorschrift zu Recht bejaht worden sind, nicht möglich. Eine etwaig darauf gestützte Anordnung nach § 63 StGB kann dann mangels eindeutiger Feststellung ihrer Voraussetzungen keinen Bestand haben.
1. § 66 Abs. 3 S. 2 StGB räumt dem Tatgericht die Möglichkeit ein, sich trotz der festgestellten hangbedingten Gefährlichkeit eines Angeklagten im Rahmen einer revisionsgerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensentscheidung auf das Festsetzen einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass der Täter sich schon dies hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass sie eine frühere Strafverbüßung oder auch nur Verurteilung des Täters nicht voraussetzt.
2. Sieht das Tatgericht im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens von der Anordnung der Sicherungsverwahrung ab, kann es diese Entscheidung u.a. darauf stützen, dass der Angeklagte bei den Taten noch relativ jung war (hier: Tatbegehungen im Alter von 21-26 Jahren) und dass seine Persönlichkeitsentwicklung insofern noch nicht abgeschlossen ist. Ferner können eine grundsätzliche Therapiebereitschaft sowie das Bemühen um einen Täter-Opfer-Ausgleich berücksichtigt werden.
Erlittene Untersuchungshaft ist regelmäßig für die Strafzumessung ohne Bedeutung, weil sie grundsätzlich auf die zu vollstreckende Strafe angerechnet wird. Auch beim erstmaligen Vollzug der Untersuchungshaft kommt eine mildernde Berücksichtigung nur in Betracht, sofern im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten.