HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Aug./Sept. 2018
19. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

748. BGH 4 StR 561/17 – Beschluss vom 20. Juni 2018 (LG Essen)

Untreue (Maßstab für die pflichtwidrige Verletzung des Sparsamkeitsgebotes; Pflichtverletzung durch Zahlung eines überhöhten Arbeitsentgeltes an einen Betriebsratsvorsitzenden).

§ 266 Abs. 1 StGB

1. Einen durch den Untreuetatbestand strafbewehrten Grundsatz, wonach Vergütungserhöhungen durch den Sparsamkeitsgrundsatz gehindert sind, wenn der Betreffende auch zu den ursprünglichen Bedingungen seine Leistungen zu erbringen hat, kennt das deutsche Recht nicht. Vielmehr bildet das Sparsamkeitsgebot lediglich den äußeren Begrenzungsrahmen des dem Unternehmer bei seinen Entscheidungen eingeräumten weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraums. Eine pflichtwidrige Verletzung des Sparsamkeitsgebots liegt regelmäßig erst vor, wenn eine sachlich nicht gerechtfertigte und damit unangemessene Gegenleistung gewährt wird. Innerhalb der danach bestimmten Grenzen hat sich die Entscheidung jedoch ausschließlich am Unternehmenswohl zu orientieren.

2. Zwar vermögen Verstöße gegen das Betriebsverfassungsgesetz für sich genommen keine Pflichtverletzung im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB zu begründen, weil dessen Vorschriften lediglich dem Schutz des Betriebsrats und damit der Beschäftigten dienen und keinen vermögensschützenden Charakter haben. Indes war es dem Angeklagten nach Ziffer 3.4.2 des „Public Corporate Governance Kodex“ untersagt, dem Betriebsratsvorsitzenden Zahlungen zu gewähren, die er nach den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes nicht beanspruchen konnte. Die Erwägung des Angeklagten, dem Betriebsratsvorsitzenden mit den Zahlungen einen Anreiz zu bieten, die übrigen Betriebsräte „unter der Decke“ zu halten, stellt keinen beachtlichen Belang des Unternehmenswohls dar.


Entscheidung

679. BGH GSSt 4/17 – Beschluss vom 10. Juli 2017 (LG Stade)

BGHSt; Tateinheit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (natürliche Handlungseinheit; dieselbe Handlung; Körperbewegung; notwendige Überlagerung der objektiven Ausführungshandlungen; teilidentische Ausführungshandlung bei Aufsuchen des Betäubungsmittellieferanten; keine einschränkende Auslegung; Begehung gelegentlich der anderen Tat; unterschiedliche Umsatzgeschäfte; Bewertungseinheit); Begriff des Handeltreibens (weite Auslegung; Erstreckung auf dem Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge).

§ 52 StGB; § 29 BtMG

1. Das sowohl dem Transport des Kaufgeldes für den Erwerb einer früheren als auch der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge dienende Aufsuchen des Lieferanten verbindet als natürliche Handlung die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im materiell-rechtlichen Sinne. (BGHSt)

2. Im Rahmen einer bestehenden Lieferbeziehung verbindet die Bezahlung einer zuvor „auf Kommission“ erhaltenen Betäubungsmittelmenge aus Anlass der Übernahme einer weiteren Betäubungsmittelmenge die beiden Umsatzgeschäfte zu einer einheitlichen Tat im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit. (BGHSt)

3. Die Voraussetzungen von Tateinheit im Sinne von § 52 Abs. 1 StGB sind unabhängig von den im jeweiligen Einzelfall verwirklichten Tatbeständen zu bestimmen. Grundsätzlich genügt insoweit die – von einer nur gelegentlich der anderen Tat erfolgenden Begehung abzu-

grenzende – notwendige Überlagerung der objektiven Ausführungshandlungen von zwei oder mehreren Straftatbeständen. Ein darüber hinausgehendes sachlich-rechtliches Kriterium für eine einschränkende Auslegung der Voraussetzungen von Tateinheit ist § 52 Abs. 1 StGB nicht zu entnehmen. (Bearbeiter)

4. Die Auffassung, wonach eine teilidentische Ausführungshandlung im Sinne von § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BtMG nur dann zu einer tateinheitlichen Verbindung zweier an sich unabhängiger, sich auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen beziehender Handelsgeschäfte führt, wenn sie für jedes dieser Geschäfte einen nicht unerheblichen eigenen Unrechts- und Schuldgehalt aufweist und dadurch deren Unwert und die jeweilige Schuld des Täters zumindest mitprägt, findet im Gesetz keine Stütze. Sie beruht vielmehr allein auf einer einschränkenden, auf die jeweilige konkrete Fallgestaltung bezogenen Auslegung des Begriffs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. (Bearbeiter)

5. Dem weit auszulegenden Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unterfallen nicht nur Handlungen, die unmittelbar der Beschaffung und der Weitergabe von Betäubungsmitteln an Abnehmer dienen. Tatbestandlich erfasst werden vielmehr auch dem eigentlichen Betäubungsmittelumsatz nachfolgende Zahlungsvorgänge. Darunter fällt auch die bloße Übermittlung des für eine Betäubungsmittellieferung zu entrichtenden Geldbetrages vom Abnehmer an den Lieferanten, die ebenfalls regelmäßig den Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllt. (Bearbeiter)


Entscheidung

641. BGH 5 StR 68/18 – Urteil vom 20. Juni 2018 (LG Bremen)

Beurteilung der nicht geringen Menge bei teilweise zum Weiterverkauf und teilweise zum Eigenkonsum bestimmten Betäubungsmitteln; Konkurrenzen zwischen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Handeltreiben (Auffangfunktion gegenüber anderen Verbrechen; keine Verdrängung durch ein Vergehen; keine Orientierung an den Wirkstoffgehalten der Teilmengen).

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; § 29a Abs. 1 BtMG; § 52 StGB

1. Besitzt ein Täter eine insgesamt nicht geringe Menge an Betäubungsmitteln, von denen ein Teil zum Verkauf, ein anderer Teil aber zum Eigenkonsum bestimmt ist, macht er sich auch dann wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar, wenn keine dieser Teilmengen für sich gesehen die Schwelle der nicht geringen Menge erreicht. Soweit die Senatsentscheidung BGH HRRS 2017 Nr. 1148 in anderem Sinne zu verstehen ist, wird hieran nicht festgehalten.

2. Die Strafbarkeit wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) entfällt nicht dadurch, dass der Besitzende eine Teilmenge der Betäubungsmittel über den bloßen Besitz hinaus zu Verkaufszwecken bestimmt. Weder der Wortlaut des § 29a Abs. 1 BtMG, die Systematik des Gesetzes, dessen Sinn und Zweck noch Konkurrenzerwägungen gebieten eine andere, lediglich an den Wirkstoffgehalten der Teilmengen orientierte Auslegung, die zur Folge hätte, dass der Täter statt wegen eines Verbrechens lediglich wegen zweier tateinheitlich zusammentreffender Vergehen nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 und 3 BtMG bestraft würde.

3. Der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tritt lediglich gegenüber sonstigen Begehungsweisen zurück, die zu Verbrechen erhoben wurden und in § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG aufgeführt sind, sowie gegenüber Straftaten, die seit jeher als Verbrechen eingestuft waren oder mit einer höheren Mindeststrafe bedroht sind. Das beruht auf der Erwägung, dass der Tatmodalität des Besitzes einer nicht geringen Menge gegenüber den genannten Delikten lediglich die Funktion eines Auffangtatbestandes zukommt. Dies gilt hingegen nicht für das Verhältnis des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, da ein Verbrechen durch ein Vergehen nicht verdrängt werden kann.


Entscheidung

686. BGH 1 StR 136/18 – Beschluss vom 25. April 2018 (LG Ansbach)

Unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Übertragung der tatsächlich Verfügungsmacht: mittelbarer Besitz); unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Eigennützigkeit: Erwartung eines mittelbaren Vorteils ausreichend); Beschränkung der Revision (Möglichkeit der rechtlichen und tatsächlichen selbstständigen Beurteilung des angefochtenen Teils).

§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 868 BGB; § 344 Abs. 1 StPO

1. Eine Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG liegt vor, wenn eine Übertragung der eigenen tatsächlichen Verfügungsmacht an einen Dritten mit der Wirkung erfolgt, dass dieser frei über die Betäubungsmittel verfügen kann (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 218). Die Vorschrift erfasst sowohl die uneigennützige Abgabe als auch das Veräußern.

2. Für eine Abgabe kann auch eine im Wege mittelbaren Besitzes vermittelte tatsächliche Verfügungsmacht ausreicht (vgl. BGH NJW 1978, 1696). Erforderlich ist jedoch die Feststellung eines Besitzmittlungsverhältnisses, durch das der unmittelbare Besitzer als Besitzmittler einer anderen Person in der Weise den Besitz vermittelt, dass diese ohne Schwierigkeiten über die Betäubungsmittel verfügen kann, wie dies etwa bei einer Verwahrung der Fall ist.


Entscheidung

726. BGH 2 StR 130/18 – Beschluss vom 8. Mai 2018 (LG Limburg)

Straftaten nach BtMG (Konkurrenzen).

§ 29 BtMG

Dient der Besitz an den Betäubungsmitteln der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das täterschaftlich begangene Handeltreiben zurück, während zwischen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Besitz Tateinheit besteht.