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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Aug./Sept. 2018
19. Jahrgang
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1. Ein Absehen von der Anordnung der Vermögensabschöpfung im Erkenntnisverfahren kann weder auf eine unmittelbare noch eine entsprechende Anwendung von § 459g Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 StPO gestützt werden.
2. Verfassungsrechtlich ist eine Berücksichtigung des Wegfalls der Bereicherung oder einer sonstigen Unverhältnismäßigkeit der Einziehung des Wertes von Taterträgen bereits im Erkenntnisverfahren weder geboten
noch in methodisch zulässiger Weise begründbar. Die Berücksichtigung erst im Vollstreckungsverfahren ist insbesondere verhältnismäßig. Es kann dabei dahinstehen, ob sich die Einziehung als Eingriff an den Gewährleistungen des Art. 14 GG darstellt oder lediglich an denen der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist.
3. Die Anwendung des seit 1. Juli 2017 geltenden Rechts der Vermögensabschöpfung auf Sachverhalte, bei denen die die Einziehung auslösende Straftat bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung begangen worden ist (Art. 316h Satz 1 EGStGB), verstößt weder gegen Art. 103 Abs. 2 GG noch gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot oder das Schuldprinzip.
4. Auch nach neuem Recht besteht weder zwischen den Schuldsprüchen und der Vermögensabschöpfung noch zwischen dieser und den Strafaussprüchen ein untrennbarer Zusammenhang, der einer Beschränkung der Revision auf die Vermögensabschöpfung entgegenstünde.
5. Die Ausführungen über die strafmildernde Wirkung von „zielführenden Angaben“ des jetzigen Angeklagten geben sowohl im Hinblick auf die allgemein strafmildernde Wirkung eines Geständnisses als auch das mögliche Eingreifen des vertypten Strafmilderungsgrundes gemäß § 46b StGB lediglich die Rechtslage wieder. Es handelt sich daher nicht um Versprechen i.S.v. § 136a Abs. 1 Satz 3 StPO.
6. Die Pflicht des Vorsitzenden nach § 257 StPO zur Befragung des Angeklagten darüber, ob er sich zu der vorangegangenen Beweiserhebung erklären möchte, ist Ausfluss des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör sowie der gerichtlichen Fürsorgepflicht. Vor dem Hintergrund dieses Normzwecks bedarf es, um § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zu genügen, nicht nur tatsächlichen Vortrags zu dem Unterbleiben der Befragung durch den Vorsitzenden, sondern auch dazu, welche Äußerungsmöglichkeiten mit welchen Inhalten dem Angeklagten verloren gegangen sind und aus welchen Gründen er durch den Verstoß gegen § 257 Abs. 1 StPO in seinen Verteidigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichenden rechtlichen Gehörs unzulässig beschränkt worden ist.
7. Ein Urteil beruht jedenfalls dann nicht auf der fehlenden Begründung des anordnenden Beschlusses nach § 251 Abs. 4 StPO, wenn der Grund für die Verlesung ohnehin allen Verfahrensbeteiligten bekannt ist (vgl. BGH NStZ 1986, 325).
1. Grundsätzlich ist eine Beschränkung der Revision auf das Unterlassen einer Maßregelanordnung möglich; dies gilt auch für die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung.
2. Zwischen Strafe und Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung besteht aufgrund der Zweispurigkeit des Sanktionensystems grundsätzlich keine Wechselwirkung. Etwas anderes gilt dann, wenn das Tatgericht die Höhe der Strafe von der Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung abhängig gemacht und damit Strafe und Maßregel in einen inneren, eine getrennte Prüfung beider Rechtsfolgen ausschließenden Zusammenhang gesetzt hat.
3. Erhebliche Straftaten im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB sind nach ständiger Rechtsprechung solche, die den Rechtsfrieden empfindlich stören. Kriterien hierfür ergeben sich zunächst aus den gesetzgeberischen Wertungen, die maßgeblich für die Normierung der formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung geworden sind. Als erhebliche Straftaten kommen danach vornehmlich solche in Betracht, die in den Deliktskatalog von § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) bis c) StGB fallen und die im konkreten Fall mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe zu ahnden wären, wobei dieser Gesichtspunkt allein zur Annahme der Erheblichkeit allerdings nicht ausreicht.
4. Ein weiteres gewichtiges Kriterium zur Bestimmung der Erheblichkeit ergibt sich aus der Hervorhebung der schweren seelischen oder körperlichen Schädigung der Opfer in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB („namentlich“), wobei aber auch damit keine abschließende Festlegung verbunden ist.
5. Zur Beurteilung, ob die von einem Angeklagten hangbedingt zu erwartenden Taten in diesem Sinne „erheblich“ sind, kann daher kein genereller Maßstab angelegt werden; erforderlich ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, bei der neben der Schwere der zu erwartenden Taten und den – auch nur potentiell bzw. typischerweise eintretenden – Folgen für die Opfer auch die Tathäufigkeit oder die Rückfallgeschwindigkeit ins Gewicht fallen können. Zudem ist im Bereich der mittleren Kriminalität dem Tatrichter, der allein in der Lage ist, eine umfassende Würdigung aller Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Täters vorzunehmen, bei der Entscheidung der Frage, ob er einen Hang zu erheblichen Taten bejahen kann, ein Beurteilungsspielraum eingeräumt; seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur dann beanstandet werden, wenn der Tatrichter nicht alle für die Gesamtwürdigung bedeutsamen Umstände gewürdigt hat oder das Ergebnis seiner Würdigung den Rahmen des noch Vertretbaren sprengt.
Soweit der Senat in früheren Entscheidungen bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung das sogenannte Vollstreckungsmodell für die Vornahme eines Härteaus-
gleichs angewendet hat (vgl. BGH HRRS 2010 Nr. 212), hält er daran nicht fest.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen einem Angeklagten Anlass und Modalitäten der Tat nur dann ohne Abstriche strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie in vollem Umfang vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht oder nur eingeschränkt zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung zu finden ist.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Umstand, der sowohl strafmildernde als auch strafschärfende Aspekte aufweist, mit beiden Bewertungsrichtungen in die Strafzumessung eingestellt werden kann.
1. Gegen Mittäter in einem Urteil verhängte Strafen sollen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen.
2. Eine Verfallsanordnung nach § 33 BtMG a.F. i.V.m. § 73d StGB a.F. setzt voraus, dass sich der Tatrichter nach Ausschöpfung aller ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel von der deliktischen Herkunft des Gegenstands überzeugt.
Als Tatmittel können nicht lediglich solche Gegenstände eingezogen werden, die zur eigentlichen Begehung der Tat Verwendung finden bzw. nach der Vorstellung des Täters hierzu bestimmt sind, sondern alles, was die Tat überhaupt ermöglicht und zu ihrer Durchführung dient oder hierzu erforderlich ist. Jedoch reicht die nur gelegentliche Benutzung eines Gegenstandes im Zusammenhang mit der Tat nicht aus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass sein Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens fördert bzw. nach der Planung des Täters fördern soll.
1. Die Festsetzung der Tagessatzhöhe, die neben der Bemessung der Tagessatzzahl einen selbständigen Strafzumessungsvorgang darstellt, ist auch dann erforderlich, wenn die Einzelgeldstrafe gemäß in eine Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wird.
2. Die Anordnung einer Maßregel der Besserung und Sicherung ist im Urteil zu begründen. Soll gegen den Angeklagten wegen einer nicht im Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthaltenen Straftat eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet werden, so ist die Vornahme einer Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit durch den Tatrichter zum Beleg der fehlenden Eignung des Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen erforderlich. Der erforderliche Umfang der Darlegung ist hierbei einzelfallabhängig.
3. Zwar liegt es bei typischen Verkehrsdelikten, zu denen Fahren ohne Fahrerlaubnis zählt, nicht fern, dass der Täter zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet und daher eine isolierte Sperrfrist anzuordnen ist. Eine auf den Einzelfall bezogene Begründung macht dies indes nicht entbehrlich. Zudem bedarf es bei der Bemessung der Sperrfrist der Darlegung der Prognoseentscheidung zur Dauer der voraussichtlichen Ungeeignetheit des Täters.
1. Ein Vermögenswert ist erlangt i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann. Bei mehreren Beteiligten ist das grundsätzlich der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen können. Unerheblich ist dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse bei Beuteteilung gemindert wurde.
2. Bei einer von zwei vor Ort anwesenden Mittätern begangenen Raubtat erlangen regelmäßig beide die entsprechende Verfügungsgewalt über die gesamte Tatbeute, selbst wenn diese nur von einem Beteiligten in einem Rucksack transportiert wird.
1. Das Verbot der reformatio in peius gilt auch dann, wenn das Landgericht die Sache gemäß § 328 Abs. 2 StPO an eine große Strafkammer verwiesen oder in entsprechender Anwendung des § 225a StPO vorgelegt hat, die sodann als erstinstanzliches Gericht entscheidet. Der Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen.
2. Ist die Strafe durch die Anrechnung bereits vollständig erledigt, scheidet eine Strafaussetzung zur Bewährung schon begrifflich aus.
3. Da die Regelung des § 67b Abs. 1 Satz 2 StGB an die noch bevorstehende Verbüßung einer Freiheitsstrafe anknüpft, wird die bewährungsweise Aussetzung der Maßregelvollstreckung durch den Wegfall der Strafaussetzung zur Bewährung infolge vollständiger Erledigung der Gesamtfreiheitsstrafe durch Anrechnung erlittenen Freiheitsentzugs nicht berührt.