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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juli 2018
19. Jahrgang
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1. Die Entscheidung, ob die Schuldfähigkeit eines nach § 63 StGB Unterzubringenden zur Tatzeit bzw. zu den Tatzeiten aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründe ausgeschlossen oder im Sinne von § 21 StGB erheblich vermindert war, erfordert grundsätzlich eine mehrstufige Prüfung (st. Rspr.). Nach der Feststellung, bei dem Täter liegt eine psychische Störung vor, die ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie unter eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB zu subsumieren ist, bedarf es näherer Feststellungen zum Ausprägungsgrad der Störung und deren Einfluss
auf die soziale Anpassungsfähigkeit des Täters. Aufgrund der festgestellten psychopathologischen Verhaltensmuster muss die psychische Funktionsfähigkeit des Täters bei Begehung der Anlasstaten in relevanter Weise beeinträchtigt gewesen sein.
2. Die Frage, ob bei Vorliegen eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB bei gesichertem Vorliegen eines psychiatrischen Befunds die Schuldfähigkeit des Täters aufgehoben oder im Sinne von § 21 StGB erheblich beeinträchtigt war, ist eine Rechtsfrage. Um sie beantworten zu können und zudem eine revisionsgerichtliche Kontrolle der tatgerichtlichen Entscheidung darüber zu ermöglichen, bedarf es im Urteil des Tatgerichts konkretisierender und widerspruchsfreier Darlegungen dazu, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Täters in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (st. Rspr.). Solche Darlegungen sind im Rahmen der Unterbringungsanordnung auch deshalb geboten, weil die im Rahmen des § 63 StGB zu erstellende Gefährlichkeitsprognose maßgeblich auch an den Zustand des Täters bei Begehung der Anlasstaten anknüpft (vgl. BGH NJW 2016, 341 f.).
3. Typischerweise wird eine schizophrene Psychose, die sich gegenüber einem ebenfalls vorhandenen schädlichen Gebrauch von Alkohol als führendes Störungsbild erweist, der für die Anordnung des § 64 StGB erforderlichen hinreichenden Aussicht auf einen Therapieerfolg entgegenstehen (vgl. BGH StV 2017, 592 f. mwN).
Durch die Neuregelungen in dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 ist die Rechtslage betreffend die Einziehung von Tatprodukten, Tatmitteln und Tatobjekten inhaltlich nicht geändert worden. Es gilt deshalb nicht die Übergangsregelung in § 316h EGStGB. Vielmehr finden ach § 2 Abs. 5 StGB die Regelungen des § 2 Abs. 1 bis 4 StGB und es ist im Grundsatz das mildere Recht anzuwenden.
553. BGH 1 StR 633/17 - Beschluss vom 16. Mai 2018 (LG Weiden i. d. Oberpfalz) Einziehung von Taterträgen (Anwendbarkeit neuen Rechts: Entscheidung über die Anordnung des Verfalls auch bei nicht begründetem Unterbleiben einer Anordnung). § 73 StGB; Art. 316h Satz 2 EGStGB
Eine „Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder Verfalls von Wertersatz“ im Sinne von Art. 316h Satz 2 EGStGB ist auch die Nichtanordnung einer dieser Maßnahmen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Tatgericht eine Verfallsanordnung ausdrücklich geprüft und in den Urteilsgründen dargelegt hat, welche der tatbestandlichen Voraussetzungen es für nicht gegeben hielt. Denn auch das nicht begründete Unterbleiben einer Verfallsanordnung oder einer Anordnung des Verfalls von Wertersatz ist eine hierzu ergangene „Entscheidung“ im Sinne der Übergangsvorschrift.
Bei der konkreten Strafzumessung ist in erster Linie die Schwere der konkreten Tat und den Grad der persönlichen Schuld des Täters zu Grunde zu legen (st. Rspr.). Selbst wenn es dem Tatgericht nicht möglich sein sollte, bei mehreren Taten erschwerend zu berücksichtigende Umstände konkreten Taten zuzuordnen, widerspricht es den Grundsätzen der Strafzumessung, diese zusätzlichen Umstände bei der Strafzumessung pauschal für sämtliche Taten zu berücksichtigen.
Dem Anstifter kommt wegen des Grundsatzes der Akzessorietät der Anstiftung auch bei der Strafzumessung die weniger schwerwiegende Tatbestandsverwirklichung des Täters zu Gute.
Die Gesamtstrafenbildung ist im Urteil gesondert zu begründen (vgl. BGHSt 24, 268, 271). Bei der Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil müssen dabei aber nicht notwendigerweise der Lebenssachverhalt, welche der damals abgeurteilten Tat zugrunde lag, und die Strafzumessungserwägungen des einbezogenen Urteils im neuen Urteil wiedergegeben werden. Erforderlich ist es jedoch, die in dem früheren Urteil abgeurteilte Tat und die verhängte Strafe konkret zu bezeichnen und sie mit den neuen Taten und den bei der Bildung der neuen Einzelstrafen erörterten Gesichtspunkten zusammen in einer kurzgefassten Darstellung abzuwägen. Auch insoweit bedarf es nur der Darlegung der bestimmenden Zumessungsgründe, wobei sich dies in einfach gelagerten Fällen auf wenige Hinweise beschränken kann (vgl. BGHSt 24, 268, 271).
1. Eine Persönlichkeitsstörung kann die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nur dann be-
gründen, wenn sie, wie das Landgericht nicht verkannt hat, Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben eines Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie eine krankhafte seelische Störung. Als Gründe für die Einstufung einer Persönlichkeitsstörung als „schwere andere seelische Abartigkeit“ kommen erhebliche Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit bzw. der Affektregulation, der Einengung der Lebensführung bzw. Stereotypisierung des Verhaltens, die durchgängige oder wiederholte Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung und der psychosozialen Leistungsfähigkeit durch affektive Auffälligkeiten, Verhaltensprobleme sowie unflexible, unangepasste Denkstile, die durchgehende Störung des Selbstwertgefühls oder die deutliche Schwäche von Abwehr- und Realitätsprüfungsmechanismen in Betracht. Handelt es sich um ein eher unspezifisches Störungsbild, wird der Grad einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ regelmäßig erst dann erreicht, wenn der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat.
2. Der Begriff der kombinierten Persönlichkeitsstörung aus dissozialer, narzisstischer Störung einerseits und emotional instabiler Persönlichkeit (Borderline) andererseits besagt für sich genommen wenig. Gerade bei Persönlichkeitsstörungen, die eine Vielzahl auch normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Verhaltens beschreiben und typisierend zusammenfassen, bedarf es einer näheren Beschreibung und Eingrenzung des psychischen Defekts.
1. Die Milderung des Strafrahmens gemäß § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist nur gerechtfertigt, wenn der Angeklagte mit seiner Einlassung nach der Festnahme wesentlich zur Aufklärung der Tat über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus beigeträgt. Bei der Wesentlichkeit der Aufklärungshilfe handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der revisionsgerichtlicher Nachprüfung unterliegt.
2. Wesentlichkeit ist zu bejahen, wenn die Tat ohne den Aufklärungsbeitrag nicht oder nicht im gegebenen Umfang aufgeklärt worden wäre, die Aussage des Täters jedenfalls aber eine sicherere Grundlage für die Aburteilung der Tatbeteiligten schafft, indem sie den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt, dass ihre bisherigen Erkenntnisse zutreffen.
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB erfordert auf der Ebene der Darlegungsanforderungen stets eine konkretisierende Darstellung, in welcher Weise sich die näher festgestellte psychische Störung bei Begehung der jeweiligen Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Das Tatgericht ist dabei verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen.
Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln (vgl. § 64 StGB) ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende aufgrund seiner Neigung sozial gefährdet oder gefährlich erscheint. Das Fehlen erheblicher Beeinträchtigungen der Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden schließt nicht notwendigerweise die Annahme eines Hangs aus. Ebenso wenig stehen das Fehlen ausgeprägter Entzugssyndrome oder Intervalle der Abstinenz der Annahme eines Hangs nicht entgegen. Er setzt schließlich nicht voraus, dass die Rauschmittelgewöhnung auf täglichen oder häufig wiederholten Genuss zurückgeht; vielmehr kann es genügen, wenn der Täter von Zeit zu Zeit oder bei passender Gelegenheit seiner Neigung zum Rauschmittelkonsum folgt.
Ob die Vollstreckung des Strafrests nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe zur Bewährung „hypothetisch“ ausgesetzt werden kann (§§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 51 Abs. 1 S. 1 StGB), ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Fortdauer von Untersuchungshaft zwar zu berücksichtigen. Indes handelt es sich dabei nicht um eine starre Grenze, bei deren Erreichen der weitere Vollzug der Untersuchungshaft stets unverhältnismäßig wäre. Die verhängte Strafe bleibt daneben vielmehr ein beachtliches Abwägungskriterium.