HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 551
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 1 StR 75/18, Beschluss v. 07.03.2018, HRRS 2018 Nr. 551
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 12. Oktober 2017 in den Strafaussprüchen zu den Taten 15 bis 23 sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes in 23 Fällen, wegen des sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes sowie wegen zwei weiterer Fälle des sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und mit Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. Februar 2018 unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht hat u.a. folgende Feststellungen getroffen:
Die Geschädigte ist die im Juli 1997 geborene Tochter des Angeklagten, welche nach der Trennung und Scheidung der Eheleute im Jahr 2002 bei ihrer Mutter und deren neuem Lebensgefährten lebte. Da dieser aber schon sehr bald gewalttätig gegenüber der Geschädigten wurde, ohne dass die Mutter einschritt, hielt sich die Geschädigte jedes zweite Wochenende beim Angeklagten und dessen neuer Lebensgefährtin auf. Erstmals im Frühjahr 2002, regelmäßig ab Januar 2003 bis März 2009 kam es zu zahlreichen sexuellen Übergriffen des Angeklagten, welche anfangs vor allem mit seiner Neigung verbunden waren, sich durch Riechen, Knabbern und Lecken an den Füßen seiner Tochter sexuell zu erregen und sich in der Folge jeweils selbst zu befriedigen.
Von Mitte 2009 bis Ende März 2011 kam es zu den neun (im Strafausspruch aufgehobenen) Taten, bei denen der Angeklagte die Geschädigte veranlasste, sich im Schlafzimmer in seiner Wohnung nackt auszuziehen, worauf er sie dann im Genitalbereich leckte und teilweise seinen erigierten Penis zwischen ihre Oberschenkel schob, teilweise sie veranlasste, ihn mit der Hand manuell zu befriedigen sowie in mindestens einem Fall außerdem versuchte, den ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr durchzuführen, was die Geschädigte jedoch verhinderte. Mindestens in einem weiteren dieser Fälle manipulierte er zudem an den Brustwarzen seiner Tochter.
In der Folge kam es noch zu weiteren Taten, bei denen der Angeklagte auch den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten durchführte, wobei er ihr in einem Fall gegen ihren Willen seinen erigierten Penis in den Mund schob.
1. Die Strafaussprüche der Taten 15 bis 23 erweisen sich als rechtsfehlerhaft. Im Rahmen der Strafzumessung im Einzelnen für diese Taten hat der Tatrichter pauschal berücksichtigt, dass der Angeklagte zusätzlich verschiedene Varianten sexueller Handlungen vornahm, nämlich mindestens zweimal den Penis zwischen die Schenkel der Geschädigten schob und beischlafähnliche Bewegungen durchführte, dass er einmal zum vaginalen Geschlechtsverkehr ansetzte, die Geschädigte zweimal den Angeklagten mit der Hand befriedigen musste und er mindestens einmal die Geschädigte mit Massageöl am Körper einölte und ihre Brustwarzen stimulierte. Für diese Taten hat das Landgericht jeweils Einzelstrafen in Höhe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Zu welchen Zeitpunkten es im Zeitraum Mitte 2009 bis Ende März 2011 zu diesen Vorfällen kam und bei welchen der neun Taten welche zusätzlichen sexuellen Handlungen ausgeführt wurden, hat das Landgericht nicht festgestellt. Dies begegnet schon deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafkammer hinsichtlich jeder Tat bei der Strafzumessung sämtliche Strafschärfungsgesichtspunkte eingestellt hat. Vielmehr ist das Tatgericht nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, der konkreten Strafzumessung in erster Linie die Schwere der konkreten Tat und den Grad der persönlichen Schuld des Täters zu Grunde zu legen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 4. August 1965 - 2 StR 282/65, BGHSt 20, 264, 266; Beschluss vom 29. April 1987 - 2 StR 500/86, NStZ 1987, 405). Selbst wenn es der Strafkammer nicht möglich gewesen sein sollte, die erschwerend berücksichtigten zusätzlichen sexuellen Handlungen konkreten Taten zuzuordnen, widerspricht es den vorgenannten Grundsätzen der Strafzumessung, diese zusätzlichen Handlungen bei der Strafzumessung pauschal für sämtliche neun Taten zu berücksichtigen; insoweit bedarf es keiner zusätzlichen Erwähnung, dass beispielsweise die Einzelstrafe für die Tat mit dem Ansetzen zum vaginalen Geschlechtsverkehr anders zu bemessen ist als bei Taten ohne diesen erschwerenden Umstand.
Der neue Tatrichter wird daher ergänzende Feststellungen zu den Zeitpunkten der einzelnen Taten zu treffen haben, ebenso bedarf es ergänzender Feststellungen, was der Inhalt der jeweiligen Tat war.
2. Infolge der Aufhebung der Einzelstrafen in den vorgenannten Fällen war auch der Gesamtstrafenausspruch aufzuheben.
HRRS-Nummer: HRRS 2018 Nr. 551
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede