HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2018
19. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Reichweite von Art. 103 Abs. 2 GG bei normbezogenen Tatbeständen

Zugleich Besprechung zu BGH HRRS 2017 Nr. 749 und BGH HRRS 2017 Nr. 968

Von Dr. Christoph Henckel, LL.B. (Bucerius Law School), Hamburg [*]

I. Einleitung

"Nulla poena sine lege" ist der zentrale Grundsatz des deutschen Strafrechts. Gleichzeitig ist seine Bedeutung in zahlreichen Fragen umstritten. Eine davon ist die Frage nach der Reichweite des Art. 103 Abs. 2 GG bei normbezogenen Tatbeständen. Darunter sollen im Folgenden Straftatbestände zu verstehen sein, die sich zur Umschreibung des strafbaren Unrechts weiterer Rechtsnormen bedienen; Rechtsnormen die nicht in erster Linie dem Strafrecht zugeordnet sind. Solche Normen werden im Folgenden als Bezugsnormen bezeichnet.

Welche Vorgaben ergeben sich aus Art. 103 Abs. 2 GG für die Inbezugnahme solcher Normen? Gelten die strengen Gesetzlichkeits- und Bestimmtheitsmaßstäbe des Strafrechts auch für sie? Zwei Urteile des BGH aus letzter Zeit geben hier den Anlass zu einer erneuten Betrachtung.

Im Folgenden sollen zunächst diese Urteile und ihr Bezug zu Art. 103 Abs. 2 GG dargestellt werden (I.). Danach wird herausgearbeitet, ob Art. 103 Abs. 2 GG auf Bezugsnormen Anwendung finden kann und dargestellt, inwiefern seine Vorgaben nicht zumindest bei der Auslegung des normbezogenen Tatbestandes besondere Beachtung finden müssen (II.). Zuletzt gilt es, die Ausführungen des BGH an diesen Vorgaben zu messen (III.).

II. Die Entscheidungen des BGH

Das erste Urteil betrifft den sogenannten Göttinger Organvergabeskandal.[1] Ein Arzt hatte das Vergabeverfahren für Spenderlebern manipuliert, um seinen Patienten schneller ein Organ verschaffen zu können. Unter anderem hat er gegenüber der Vergabestelle wahrheitswidrig angegeben, dass Patienten mit einer alkoholbedingten Leberzirrhose seit über 6 Monaten alkoholabstinent waren. Die einschlägige Richtlinie der Bundesärztekammer sah aber vor, dass Patienten erst nach einer solchen sechsmonatigen Karenzzeit am Vergabeverfahren teilnehmen dürfen.[2] Die BÄK-Richtlinie konkretisierte dabei die Vorgabe des Transplantationsgesetzes, dass Organe nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vergeben werden sollen (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 TPG).

Das LG Göttingen hat den Arzt vom Vorwurf des Totschlags freigesprochen;[3] der 5. Strafsenat des BGH hat diesen Freispruch bestätigt. Er hat dabei unter anderem darauf abgestellt, dass eine Verurteilung wegen des Verstoßes gegen die Alkoholkarenzklausel der BÄK-Richtlinie gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen würde.[4] Bei den Richtlinien der Bundesärztekammer handele es sich um exekutive Rechtsnormen, während den parlamentsgesetzlichen Vorgaben des Transplantationsgesetzes die Vorgabe einer Karenzklausel nicht hinreichend bestimmt zu entnehmen sei. Ein Blankettstraftatbestand, der auf die Regelung der BÄK-Richtlinie Bezug nähme, wäre deshalb mit dem Gesetzlichkeitsprinzip nicht zu vereinbaren.

Der Alkoholkarenzklausel liege kein medizinisch-naturwissenschaftlicher Erfahrungssatz zugrunde, wonach eine Lebertransplantation vor Ablauf einer sechsmonatigen Alkoholabstinenz nicht sinnvoll sei. Eine Strafbarkeit wegen Totschlags ließe sich deshalb nur mit einer formalen Verletzung der Richtlinie begründen. Wolle man bei der Auslegung des § 212 StGB alleine auf diesen Formalverstoß abstellen, gestalte man die Norm gleichsam als Blankett aus. Wie ein solcher Blanketttatbestand sei eine derartige Auslegung dann aber nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar.

Beim Totschlag handelt es sich aber gerade nicht um einen Blanketttatbestand. Soweit außerstrafrechtliche Normen bei geschlossenen Tatbeständen zur Auslegung eines Tatbestandsmerkmals herangezogen werden, ist Art. 103 Abs. 2 GG nach ständiger Rechtsprechung von BGH[5] und Bundesverfassungsgericht[6] auf diese Bezugsnormen nicht anwendbar. Es befremdet deshalb, dass der BGH in der Organvergabe-Entscheidung auf den ersten Blick genau das getan hat, ohne es zumindest genauer zu begründen.

Diese Argumentation mit dem Gesetzlichkeitsprinzip ist kein Einzelfall. Im zweiten Urteil hat der 1. Strafsenat bereits wenige Wochen zuvor eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unterlassen mit einer grundsätzlich ähnlichen Begründung abgelehnt.[7] Einem Bauunternehmer war vorgeworfen worden, über bei ihm scheinselbstständig Beschäftigte Meldungen bei der Zusatzversorgungskasse für das Baugewerbe unterlassen zu haben. Dazu wäre er nach einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag grundsätzlich verpflichtet gewesen. Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung war jedoch nach der Verurteilung in erster Instanz durch das Bundesarbeitsgericht für unwirksam erklärt worden,[8] woraufhin der Gesetzgeber den Tarifvertrag rückwirkend durch Gesetz für allgemeinverbindlich erklärt hat.[9]

Auf diese rückwirkende Wiederherstellung der Meldungspflichten könne eine Garantenstellung des Bauunternehmers und damit eine Strafbarkeit wegen Unterlassens laut BGH nicht gestützt werden. Als "strafrechtlich bedeutsame" Pflichten könnten sie nicht rückwirkend begründet werden. Die Garantenpflicht müsse vielmehr zum Zeitpunkt der geforderten Handlung rechtlich wirksam bestanden haben.

Auch bei der Erfolgsabwendungspflicht in § 13 StGB handelt es sich jedenfalls nach herrschender Meinung um ein normatives Tatbestandsmerkmal.[10] Art. 103 Abs. 2 GG wäre deshalb eigentlich auf die Normen, die eine Garantenpflicht begründen, nicht anwendbar. Der Widerspruch wird hier besonders deutlich, weil eine Garantenpflicht regelmäßig mit faktischen, privatrechtlichen oder gewohnheitsrechtlichen Pflichten wie der Ingerenz begründet wird.[11] Weite Teile der herrschenden Dogmatik zur Garantenstellung ließen sich nicht mehr mit der Verfassung vereinbaren. Dass auch der BGH das so nicht sieht, wird deutlich, wenn er in der gleichen Entscheidung eine Garantenpflicht aus einem Tarifvertrag für möglich hält.

III. Reichweite und Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG

1. Anwendungsbereich des Gesetz­lichkeits­prinzips bei norm­bezogenen Tatbestands­merkmalen

Herrschend wird zur Reichweite des Gesetzlichkeitsprinzips auf den Unterschied zwischen Blanketttatbeständen und normativen Tatbestandsmerkmalen abgestellt. Bei Ersteren seien die Bezugsnormen Teil des gesetzlichen Tatbestands und auch die Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG seien auf sie zu erstrecken. Bei Letzteren hingegen übernehme das Strafgesetz nur Wertungen aus den in Bezug genommenen Normen, ohne sie in den Tatbestand zu inkorporieren. Deshalb fände auf sie das Gesetzlichkeitsprinzip keine Anwendung.

Für die dafür nötige Differenzierung sind in der Literatur verschiedene Lösungsansätze entwickelt worden, die in unterschiedlichen Ausformungen darauf abstellen, ob die verweisende Norm den strafbaren Tatbestand vollständig beschreibt.[12] Diesen Ansätzen gelingt es jedoch nicht in jedem Fall, für die Unterscheidung zwischen Blankett und normativen Tatbestandsmerkmal eine belastbare Grundlage zu schaffen.[13] Unter anderem deshalb wird die Abgrenzung von Blankett und normativem Tatbestandsmerkmal im Kontext des Art. 103 Abs. 2 GG immer wieder gänzlich verworfen: Jedenfalls bei komplexen Bezugsmaterien sei der Übergang vom Blankett zum normativen Tatbestandsmerkmal fließend, eine Unterscheidung willkürlich. Der Anwendungsbereich des Art. 103 Abs. 2 GG könne nicht von Zufälligkeiten abhängig sein. Er müsse deshalb in jedem Fall auch auf die Bezugsnormen anwendbar sein, unabhängig davon, ob es sich um ein Blankett oder ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt.[14]

Die Differenzierung von Blankett und normativem Tatbestandsmerkmal und damit eine Begrenzung des Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht aufzugeben. Eine pauschale Anwendung auf sämtliche Bezugsnormen würde das Problem nur verlagern, da diese regelmäßig selbst unbestimmte Rechtsbegriffe und normative Tatbestandsmerkmale enthalten. Wollte man das Problem vermeintlich mangelnder Vorhersehbarkeit konsequent angehen, müsste man im Endeffekt das ganze Recht unter den strengen Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG stellen.[15] Die vermeintliche Lösung einer gespaltenen Auslegung hingegen würde die Vorhersehbarkeit von Strafe nicht erhöhen, sondern eher zu Verwirrung führen. Dass bereits im rechtlichen Sprachgebrauch zwei unterschiedliche Bedeutungen eines Begriffs existieren, macht dessen Auslegung für den Laien nur unvorhersehbarer.

Entscheidend ist aber, dass die Antwort auf die verfassungsrechtliche Frage nach der Reichweite des Gesetzlichkeitsprinzips auch verfassungsrechtlich anhand der Vorgaben des Art. 103 Abs. 2 GG beantwortet werden muss. Auch danach ergibt sich, dass Art. 103 Abs. 2 GG nicht umfänglich auf alle Bezugsnormen anzuwenden ist: Art. 103 Abs. 2 GG gilt nur für das Strafgesetz.[16] Ob Bezugsnormen Teil des Strafgesetzes sein müssen, ist danach zu bestimmen, welche Anforderungen der Gesetzgeber erfüllen muss, um nach Art. 103 Abs. 2 GG verfassungskonformes Strafrecht zu schaffen.

Grundsätzlich soll der Normadressat bereits anhand des Wortlauts der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist oder nicht.[17] Der Gesetzgeber muss die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich die Strafbarkeit im Einzelfall durch Auslegung ermitteln lässt.[18]

Die Komplexität und Vielzahl der strafrechtlich geregelten Lebenssachverhalte bedingen aber eine notwendige Abstraktion der Strafnormen. Das gilt gerade für Normen im Allgemeinen Teil des StGB, die bereits wegen ihrer Funktion zwingend abstrakt bleiben müssen.[19] Eine unmittelbare Entscheidung für den Einzelfall durch das Gesetz kann und muss der Gesetzgeber nicht treffen. Vorgabe ist die Entwicklung eines Normprogramms, mit dem die Entscheidung des Einzelfalls vorhersehbar gesteuert wird.[20] Nur insoweit ist vom Gesetzgeber bei der Formulierung von Strafgesetzen eine "bestmögliche Präzision"[21] zu verlangen.

Ob der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nachgekommen ist, kann nur für jede Norm gesondert, mit Blick auf Rechtsgut, Adressat und Umstände der gesetzlichen Regelung bestimmt werden.[22] Zur Maßstabsbildung lassen sich hier die Literaturansätze zur Abgrenzung von Blankett und normativem Tatbestandsmerkmal heranziehen.

Diese Anforderungen an den Gesetzgeber schließen unbestimmte und ausfüllungsbedürftige Tatbestandsmerkmale nicht grundsätzlich aus. Eine Konkretisierungsbedürftigkeit im Einzelfall hindert die Vollständigkeit des Normprogramms nicht. Da nahezu alle Lebenssachverhalte in der ein oder anderen Weise durch Recht geprägt sind, muss es dem Gesetzgeber insbesondere möglich sein, Tatbestandsmerkmale für die Auslegung mithilfe ebendieses Rechts zu öffnen.[23] Solche Normen dienen dann dazu, eine Wertung des hinreichend bestimmten Normprogramms für den Einzelfall zu operationalisieren. Sie sind aber selbst kein Bestandteil des Normprogramms. Als ein wohl unumstrittenes Beispiel[24] sei hier der Diebstahl genannt: Mit dem Tatbestandsmerkmal "fremd" hat der Gesetzgeber das geschützte Rechtsgut des § 242 StGB hinreichend konkret bezeichnet. Für die Bestimmung, ob eine Sache fremd ist, kann deshalb im Einzelfall unproblematisch auch auf zivilrechtliche Analogien zurückgegriffen werden.

Nach dem Gesagten sind Bezugsnormen Teil des Strafgesetzes, wenn der Gesetzgeber erst durch die Bezugsnorm das Normprogramm der Strafbarkeit schafft, das die Verfassung von ihm verlangt; die geforderte Grundentscheidung über die Strafbarkeit sich also nur aus dem Zusammenwirken von verweisender Norm und Bezugsnorm ergibt. Dann ist auch Art. 103 Abs. 2 GG auf Bezugsnormen anwendbar. Als Teil des Tatbestandes müssen sie dessen Anforderungen hinsichtlich demokratischer Legitimation und Vorhersehbarkeit erfüllen.[25] Für die Bezugsnormen gelten dann etwa das Analogieverbot oder das Rückwirkungsverbot.

Hat der Gesetzgeber hingegen seinen Programmauftrag mit der verweisenden Norm bereits erfüllt, sind weitere in Bezug genommenen Normen nicht Teil des Strafgesetzes. Wenn die Bezugsnormen nur dazu beitragen, einen aus gesetzgeberischer Sicht hinreichend bestimmten Begriff weiter zu konkretisieren, ist Art. 103 Abs. 2 GG auf sie nicht anwendbar.[26] Insbesondere ist dann auch ein Rückgriff auf untergesetzliche Normen, Gewohnheitsrecht oder Analogieschlüsse möglich.

2. Vorgaben für die Auslegung normbezogener Tatbestandsmerkmale

Soweit das Gesetzlichkeitsprinzip damit nicht unmittelbar auf Bezugsnormen Anwendung findet, stellt sich aber die Frage, ob sich aus ihm nicht zumindest besondere Anforderungen für die Auslegung normbezogener Tatbestandsmerkmale und Tatbestände ergeben. Mit dieser

Auslegung wird darüber entschieden, inwieweit die Bezugsnormen auf die Strafbarkeitsentscheidung im Einzelfall durchschlagen. Insofern stellen sich Vorhersehbarkeitsprobleme, die einem Blanketttatbestand nicht unähnlich sind. Die Bezugnahme auf komplexe Rechtsmaterien kann sich erheblich nachteilig für die Vorhersehbarkeit von Strafe auswirken. Gleichzeitig besteht besonders die Gefahr, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Strafbarkeitsgrenzen überschritten werden, wenn das Gericht auf ein flexibles und unbegrenztes Bezugsrecht zugreift.

Vorgaben für eine vorhersehbarkeitsorientierte Auslegung des Strafrechts lassen sich dem Untreue-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts entnehmen. Danach ergeben sich gerade bei normativen Tatbestandsmerkmalen besondere Auslegungsschranken, die über eine Begrenzung durch den möglichen Wortsinn der Strafnorm hinausgehen. Bei weit gefassten Tatbeständen dürfen die Gerichte nicht durch eine fernliegende Interpretation oder ein Normverständnis, das keine klaren Konturen mehr erkennen lässt, dazu beitragen, bestehende Unsicherheiten über den Anwendungsbereich einer Norm zu erhöhen. Einzelne Tatbestandsmerkmale dürfen auch innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass die vom Gesetzgeber bezweckte Eingrenzung verloren geht.[27] Nach dem sogenannten Präzisierungsgebot hat die Rechtsprechung verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Konkretisierung und Präzisierung im Wege der Auslegung möglichst auszuräumen. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Gesetzgeber Tatbestände im Rahmen des Zulässigen weit und unscharf gefasst hat.[28]

Den Begrenzungsschwierigkeiten, die sich bei normbezogenen Tatbeständen ergeben, müssen die Gerichte nach diesen Vorgaben begegnen.[29] Eine Eingrenzung und Präzisierung muss deutlich machen, welche Regelungseffekte der Bezugsnormen in das Strafrecht übernommen werden und damit strafbarkeitsbegründend wirken. Das Bundesverfassungsgericht hat als geeignete Mechanismen etwa eine Obersatzbildung in Form von Fallgruppen sowie die Orientierung an Schutzzweck- und Evidenzkriterien genannt.[30] Eine solche scharfe Konturierung der Strafbarkeitsvoraussetzungen führt dazu, dass der Bezug auf die zunächst unüberschaubare Menge außerstrafrechtlicher Rechtsnormen für den Bürger voraussehbar wird. Gleichzeitig können so die Ziele besser herausgearbeitet werden, die der Gesetzgeber mit der Inbezugnahme verfolgt hat.

Das Gebot einer vorhersehbarkeitsorientierten Auslegung, welche die gesetzgeberische Entscheidung respektiert, ist dabei nicht nur Ausdruck des vom Bundesverfassungsgericht in erster Linie in Bezug genommene Bestimmtheitsgebots. Vielmehr sind auch alle anderen Ausprägungen des Gesetzlichkeitsprinzips zu berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb zu Recht im Untreue-Beschluss erneut ein weites Verständnis des Analogieverbots betont, dass jede Rechtsanwendung ausschließt, die über den möglichen Wortlaut einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht.[31] Eine vorhersehbarkeitsorientierte Auslegung muss auch den Aspekt des Rückwirkungsverbots berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht hat dies für Rechtsprechungsänderungen bereits angedeutet.[32] Aber auch generell muss eine Auslegung vermieden werden, die einer Rückwirkung der Strafvorschrift gleichkäme.

IV. Anwendung auf die Urteile des BGH

Was bedeutet dies nun für die beiden BGH-Urteile? In einem ersten Schritt ist jeweils zu untersuchen, ob Art. 103 Abs. 2 GG auf die Bezugsnormen unmittelbar anzuwenden ist. In einem zweiten Schritt wird dann zu überprüfen sein, ob sich die Ergebnisse des Gerichtshofs nicht jedenfalls mit der gebotenen restriktiven Auslegung der verweisenden Norm begründen lassen können.

1. BGH HRRS 2017 Nr. 74 – Mitteilungspflicht gegenüber der Zusatzversorgungskasse

Die Erfolgsabwendungspflicht des § 13 StGB stellt nach herrschender Meinung kein Blankett dar. Als normatives Tatbestandsmerkmal wird ihr jedoch von Stimmen in der Literatur die erforderliche Bestimmtheit abgesprochen, insbesondere wegen des Bezugs auf ungeschriebene Rechtsgrundlagen.[33] Die komplexe Frage, wann jemand zur Erfolgsabwendung verpflichtet ist, lässt sich jedoch wohl kaum präziser beantworten, ohne die notwendige Abstraktion von Strafnormen, gerade des Allgemeinen Teils, aufzugeben.[34] Zudem wird der Gegenstand der Erfolgsabwendungspflicht durch die Verbindung mit dem Straftatbestand des Besonderen Teils weiter konkretisiert. Insgesamt hat der Gesetzgeber seinen Programmauftrag damit ausreichend erfüllt.[35]

Auf die rückwirkend aufgestellte Meldepflicht sind Art. 103 Abs. 2 GG und das Rückwirkungsverbot deshalb nicht unmittelbar anwendbar. Bei einem derart unbestimmten Tatbestand wie § 13 StGB müssen die genann-

ten Begrenzungs- und Präzisierungspflichten aber im besonderen Maße gelten. Bereits das Bundesverfassungsgericht hat dessen Verfassungsmäßigkeit nur damit gerechtfertigt, dass der Begriff der Erfolgsabwendungspflicht durch eine langjährige Rechtsprechung weiter konkretisiert worden war und damit frühzeitig den Gedanken einer Präzisierung durch die Gerichte aufgegriffen.[36]

Im vorliegenden Fall liegt hinsichtlich der Bezugsnorm, der nachträglich durch Gesetz für allgemeinverbindlich erklärten Meldepflicht, eine echte, nachteilige Rückwirkung vor. Diese ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig.[37] Vorliegend wird sie aber ausnahmsweise für zulässig gehalten. Das Verbot der echten Rückwirkung fände seine Grenze im Vertrauensschutz. Ein schutzwürdiges Vertrauen in die Nichtigkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung habe aber zu keinem Zeitpunkt bestanden.[38]

Es fragt sich, ob diese Bewertung auch bei der Auslegung des strafrechtlichen Begriffs der Erfolgsabwendungspflicht übernommen werden kann. Eine strafbegründende Handlungspflicht, deren Voraussetzungen erst nach der Tat geschaffen werden, ist für den Normadressaten eben nicht vorhersehbar. Hintergrund des Rückwirkungsverbots ist zudem, dass das nachträgliche Aufstellen eines Verhaltensgebots nicht mit dem Schuldprinzip vereinbar ist, da sich der Normadressat in seinem Handeln nicht an dem Gebot orientieren kann.[39] Für das nachträgliche Aufstellen normativer Tatumstände kann nichts anderes gelten. Es können deshalb nur solche Normen zur Begründung einer Erfolgsabwendungspflicht nach § 13 StGB herangezogen werden, die im Zeitpunkt der Tat auch tatsächlich bestanden.

Anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Angeklagte zum Tatzeitpunkt selbst davon ausging, einer Meldepflicht zu unterliegen und damit die Voraussetzungen einer Strafbarkeit annahm. Für die Begründung von Strafe kann das Argument nicht genügen, der Täter habe nicht schutzwürdig in die tatsächliche Rechtslage und damit seine Straflosigkeit vertraut. Die irrige Annahme, ein Sachverhalt unterfalle einer Strafnorm, macht die Strafbarkeit noch nicht vorhersehbar.[40]

Im Ergebnis ist dem BGH deshalb zuzustimmen, wenn er eine Strafbarkeit aufgrund der rückwirkenden Allgemeinverbindlichkeitserklärung mit dem Verweis auf Art. 103 Abs. 2 GG verwirft.

2. BGH HRRS 2017 Nr. 968 – Göttinger Organverteilungsskandal

Hinsichtlich einer Strafbarkeit wegen Totschlags stellt sich zunächst die Frage, ob dieser Tatbestand überhaupt einen Normbezug aufweist. Auf den ersten Blick enthält der Totschlag allein deskriptive Tatbestandsmerkmale. Wiederholt ist zurecht darauf hingewiesen worden, dass § 212 StGB keine bestimmte Begehungsform kennt.[41] Eine Strafbarkeit ist nicht von einer Zuwiderhandlung gegen weitere, in Bezug genommene Handlungsgebote abhängig, sie setzt lediglich die zurechenbare Verursachung des Todes eines anderen Menschen voraus.[42] Ein Totschlag wäre danach zu bejahen, ohne dass die Vorschriften des TPG oder die BÄK-Richtlinie überhaupt eine Rolle spielen würden.

Nicht jede Handlung, die für den Tod eines leberkranken Patienten kausal im Sinne der Äquivalenztheorie ist, kann aber einen Totschlag darstellen.[43] Anderenfalls müsste jede Vergabe eines Spenderorgans als Totschlag strafbar sein. Jeweils bestünde ein hypothetischer rettender Kausalverlauf, nach dem ein anderer Patient das Organ erhält und nach Abbruch dieses alternativen Kausalverlaufs nun verstirbt.

Wenn jedes Handeln oder Unterlassen zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung führen würde, kann die Beeinträchtigung des Rechtsguts nicht ausreichen, um den Tatbestand eines Erfolgsdelikts zu erfüllen. Vielmehr bedarf es einer normativen Entscheidung, die diesen Konflikt auflöst und zulässiges von unzulässigem Handeln scheidet. Erst wegen der Verteilungsregeln des TPG und der BÄK-Richtlinie lässt sich der Tod eines Patienten der Manipulationshandlung des Arztes zuordnen und kann deshalb von einer Verursachung des Todes durch diese Handlung gesprochen werden.[44] Zugegebenermaßen muss dabei im Folgenden vorausgesetzt werden, dass TPG und BÄK-Richtlinie einen solchen Bezug zum Tod eines individuellen Patienten tatsächlich herstellen können. Teile der Literatur und das Landgericht Göttingen verneinen einen solchen Zusammenhang, da es sich bei dem Recht des Einzelnen auf die Versorgung mit einer gesunden Leber nur um ein derivatives Teilhaberecht handele und kein

individueller Anspruch auf ein Organ bestehe.[45] Der BGH hat diese Frage offen gelassen.[46]

Der Ort, eine solche Normativierung der Erfolgszurechnung im Tatbestand des Totschlags zu berücksichtigen, ist die objektive Zurechnung, genauer gesagt die Frage nach der Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr.[47] Erst die Ausgestaltung des Organverteilungsverfahrens durch TPG und BÄK-Richtlinie entscheidet darüber, welche Handlungen der beteiligten Ärzte als relevante, da rechtlich missbilligte Risikosetzung zu bewerten sind.

Macht diese Öffnung des Zurechnungsbegriffs für normative Wertungen den Totschlag zum Blankett? Dass dem Gesetzgeber gerade im Allgemeinen Teil des Strafrechts besonders abstrakte Formulierungen erlaubt sind, ist bereits dargestellt worden. Der entscheidende Unrechtsvorwurf, das Verursachen des Todes eines Menschen, ergibt sich zudem klar aus der Norm. In der überwiegenden Zahl der Fälle ist der Begriff der Verursachung dabei unmittelbar und ohne dass es einer weiteren Konkretisierung bedürfte einleuchtend.

Gleichzeitig zeigt die seit Inkrafttreten des StGB anhaltende Diskussion um den richtigen Verursachungsbegriff,[48] die auch nicht auf das Strafrecht beschränkt ist,[49] dass ein verfestigtes Verständnis von Verursachung nicht existiert. Der Gesetzgeber könnte sich gar nicht auf eine genauere Beschreibung des für das Strafrecht grundlegenden Konzepts Verursachung festlegen, solange er dieses zukunftsfest gestalten will. Auf eine genauere Definition des Verursachungsbegriffs durfte er deshalb auch verzichten, um dessen Weiterentwicklung anhand naturwissenschaftlicher und philosophischer Neuerungen zu ermöglichen.

Die gebotene Offenheit des gesetzlichen Verursachungsbegriffs verlangt nach dem zuvor Ausgeführten nach einer umso stärkeren Präzisierung durch die Gerichte. Die Rechtsprechung, die bis jetzt offen gelassen hat, ob es bei Vorsatzdelikten über die Kausalität hinaus weiterer Zurechnungskriterien bedarf,[50] wäre deshalb gut damit beraten, Kriterien und Fallgruppen der in der Lehre erheblich ausdifferenzierten Figur der objektiven Zurechnung[51] zu übernehmen, um den unbestimmten Rechtsbegriff der Erfolgszurechnung zu begrenzen und vorhersehbar zu machen.

Die untergesetzlichen Normen der BÄK-Richtlinie können damit grundsätzlich unproblematisch zur Auslegung des § 212 StGB herangezogen werden. Es stellt sich damit allein die Frage, ob der BGH die Auslegungsvorgaben des Bundesverfassungsgerichts und damit Art. 103 Abs. 2 GG verletzt hätte, wenn er eine Zurechnung und damit eine Strafbarkeit angenommen hätte.

In Hinblick auf eine ansonsten fehlende Vorhersehbarkeit der Strafe ist das zu verneinen. Dass die Vergabe von knappen Ressourcen wie Spenderorganen notwendigerweise nach rechtlichen Regeln erfolgen muss und deshalb auch eine Strafbarkeit in diesem Kontext von der Einhaltung der Regeln abhängt, ist nicht nur dann ersichtlich, wenn man wie ein Arzt über ein berufsbedingtes Expertenwissen verfügt.[52] Zwar wäre es denkbar, die rechtliche Missbilligung eines Verhaltens davon abhängig zu machen, dass sie sich für jeden erkennbar aus geschriebenen Normen ergibt. Unabhängig davon, dass dies etwa gewohnheitsrechtliche Risikoverbote verhindern würde, wären die normativen Grundlagen des Organvergabeverfahrens aber jedenfalls hinreichend verschriftlicht.

Der BGH stützt sich darauf, dass es für die Alkoholkarenzklausel keine medizinische Rechtfertigung gäbe, eine Strafbarkeit aber nicht auf einen reinen "Formalverstoß" ohne Rechtsgutsbezug gestützt werden könne.[53] Nun genügt für den Totschlag die zurechenbare Verursachung des Todes. Das ist der Vorwurf an den Arzt, nicht der Verstoß gegen die BÄK-Richtlinie. Die Strafbarkeit wird nicht von einem Rechtsgutsbezug befreit, nur weil die Richtlinie herangezogen wird, um die Verursachung zu begründen. Es ließe sich jedoch überlegen, ob es eine unzulässige Entgrenzung des Tatbestandes entgegen dem gesetzgeberischen Willen darstellt, wenn zur Auslegung des Verursachungsbegriffs die BÄK-Richtlinie herangezogen wird. Zwar ist es nicht erforderlich, dass eine Festlegung des rechtlich missbilligten Risikos abschließend durch den Gesetzgeber erfolgt. Man könnte den BGH aber derart verstehen, dass der Zurechnungszusammenhang zwischen Manipulationshandlung und Patiententod nicht mit dem Verstoß gegen Vorschriften begründet werden könne, die in keinem Zusammenhang mit dem vom Gesetzgeber bezweckten Rechtsgüterschutz stehen. Ganz in diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht angeregt, die Inbezugnahme von Normen anhand des Schutzzwecks des Strafgesetzes zu begrenzen,[54] wie es etwa bei der Untreue zur Vermögensbetreuungspflicht diskutiert wird.[55]

Im vorliegenden Fall ist aber Folgendes zu beachten: Zwar mag es keine wissenschaftlichen Anhaltspunkte dafür geben, dass die Alkoholkarenzklausel medizinisch sinnvoll ist.[56] Gleichzeitig soll sie aber nach der Vorstellung des Richtliniengebers eine verfassungskonforme Organverteilung sicherstellen und damit dem Lebensschutz dienen.[57] Dass sie dazu nicht geeignet ist, kann zwar zu ihrer Verfassungswidrigkeit führen, lässt ihre Schutzrichtung aber unbeschadet. Bei der normativen Entscheidung über den Verursachungszusammenhang spielt die Frage der faktischen Wirksamkeit der Norm keine Rolle. Es kommt nicht darauf an, was die Norm tatsächlich leistet, sondern was sie leisten soll.

Für die hier allein gestellte Frage nach einer mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbaren Entgrenzung des Tatbestandes kommt es hingegen nicht darauf an, ob der Lebensschutz durch TPG und BÄK-Richtlinie abstrakt oder individuell ausgestaltet ist. Vorhersehbarkeit und das Wahren des gesetzgeberischen Willens gebieten eine solch feine Differenzierung nicht.[58] Ohne eine individualschützende Wirkung der Normen könnte es zwar an einem hinreichenden Schutzzweckzusammenhang fehlen. Das ist aber zunächst eine Auslegungsfrage des einfachen Rechts. Auch wenn die Auslegung von Strafgesetzen im Rahmen des Entgrenzungsverbots einer intensiveren verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliegt,[59] ergibt sich aus Art. 103 Abs. 2 GG keine vollständige verfassungsrechtliche Determination eines einfachrechtlichen Zurechnungskriteriums.

Im Ergebnis kann dem BGH damit nicht darin gefolgt werden, dass eine strafrechtliche Bezugnahme auf TPG und die BÄK-Richtlinie nicht mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar wäre. Es erscheint jedoch naheliegend, dass diese Regelungen nicht strafbarkeitsbegründend wirken können, weil sie aus anderen Gründen verfassungswidrig sein dürften.[60] Verfassungsrechtliche Grenzen ergeben sich für normbezogene Tatbestände und ihre Bezugsnormen wie bei allen Strafnormen eben nicht nur aus Art. 103 Abs. 2 GG.[61]

IV. Fazit

Art. 103 Abs. 2 GG ist nicht auf Bezugsnormen anwendbar, wenn diese nicht Teil des strafgesetzlichen Tatbestandes sind. Das bestimmt sich wiederum danach, ob die Strafnorm auch ohne Bezugsnorm die Gesetzlichkeitsanforderungen an den Gesetzgeber zur Schaffung eines "Normprogramms" erfüllt. Darüber hinausgehende Vorhersehbarkeitsprobleme muss die Rechtsprechung lösen, und zwar durch präzisierende Auslegung. Diese muss klarstellen, welche außerstrafrechtlichen Rechtsentscheidungen in strafrechtliche Begriffe übernommen werden können. Dies gilt auch im Allgemeinen Teil des StGB und dort insbesondere, weil die Anforderungen an die gesetzgeberische Regelungstiefe hier besonders niedrig sind.

Die den besprochenen Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte dürften zunächst wohl jeweils einzigartig bleiben. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob der BGH die Entscheidungen zum Anlass nimmt, bei normbezogenen Tatbeständen Art. 103 Abs. 2 GG generell verstärkt heranzuziehen.[62] Der Ansatz, auch bei der Auslegung normativer Tatbestandsmerkmale den Vorgaben des Gesetzlichkeitsprinzips ein höheres Gewicht zuzumessen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Inhaltlich kann er aber nur hinsichtlich des Urteils zur Meldepflicht überzeugen. Vor dem Hintergrund des Rückwirkungsverbots ist dem BGH darin beizupflichten, dass rückwirkend angeordnete Handlungspflichten nicht Grundlage einer Garantenpflicht sein können. Nicht überzeugen kann allerdings die Begründung des BGH im Organspende-Fall. Weder aus Vorhersehbarkeitsgesichtspunkten noch zur Wahrung eines gesetzgeberischen Willens ist es erforderlich, bei der objektiven Zurechnung des Todeserfolgs zur Manipulationshandlung des Arztes die BÄK-Richtlinie nicht heranzuziehen.


[*] Der Beitrag basiert auf einem Vortrag im Rahmen der mündlichen Promotionsprüfung des Autors vom 19. Januar 2018 an der Bucerius Law School. Der Autor dankt Herrn Matthias Münder, LL.B. für Rat zu den arbeitsrechtlichen Grundlagen.

[1] Zum Sachverhalt siehe im Folgenden LG Göttingen, Urt. v. 06.05.2015 – 6 Ks 4/13.

[2] Ziffer III 2.1 Satz 1 der BÄK-Richtlinie 2009.

[3] LG Göttingen, Urt. v. 06.05.2015 – 6 Ks 4/13.

[4] BGH, Urt. v. 28.06.2017 – 5 StR 20/16, Rn. 33 ff., BGHSt 62, 223 = HRRS 2017 Nr. 968.

[5] Vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2010 – 5 StR 428/09, Rn. 20 ff. = HRRS 2010 Nr. 493.

[6] BVerfG, Beschl. v. 18.05.1988 – 2 BvR 579/84, Rn. 28, BVerfGE 78, 205; Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 73, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656.

[7] BGH, Urt. v. 08.06.2017 – 1 StR 614/16, Rn. 6 ff. = HRRS 2017 Nr. 749.

[8] BAG, Beschl. v. 21.09.2016 – 10 ABR 33/15, BAGE 156, 213 und Beschl. v. 25.01.2017 – 10 ABR 34/15.

[9] Gesetz zur Sicherung der Sozialkassen im Baugewerbe vom 16.05.2017 (BGBl. I S. 1210).

[10] NK-StGB/Gaede, § 13 Rn. 20; S/S/W/Kudlich, § 13 Rn. 40; Jakobs, Strafrecht AT (1991), § 29 Rn. 90.

[11] Vgl. nur den Überblick bei Fischer, StGB, 65. Aufl. (2018), § 13 Rn. 36 ff. mwN. zur Rechtsprechung.

[12] Vgl. Überblick bei Enderle, Blankettstrafgesetze (2000), S. 90 ff.

[13] Vgl. Enderle, Blankettstrafgesetze (2000), S. 110 f.

[14] So etwa Lüderssen, FS Schroeder (2006), S. 569, 576; Rönnau ZStW 119 (2007), 887, 905; Rönnau NStZ 2011, 558, 558; Bülte BB 2010, 1759, 1766.

[15] Dagegen zu Recht Tiedemann, FS Schaffstein (1975), S. 195, 197 f.

[16] BVerfG, Beschl. v. 18.05.1988 – 2 BvR 579/84, Rn. 28, BVerfGE 78, 205; Gaede, Der Steuerbetrug (2016), S. 482; Bülte JuS 2015, 769, 775.

[17] BVerfG, Urt. v. 11.11.1986 – 1 BvR 713/83, Rn. 63, BVerfGE 73, 206; Beschl. v. 06.05.1987 – 2 BvL 11/85, Rn. 35, BVerfGE 75, 329; Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 74, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656; Maunz/Dürig/Remmert, 81. EL (September 2017), Art. 103 Abs. 2 Rn. 92.

[18] BVerfG, Beschl. v. 26.02.1969 – 2 BvL 15/68, Rn. 75, BVerfGE 25, 269; Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 74, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656; LK-StGB/Dannecker, 12. Aufl. (2009), § 1 Rn. 179.

[19] Vgl. Roxin, Strafrecht AT I, 4. Aufl. (2006), § 5 Rn. 78.

[20] NK-StGB/Hassemer/Kargl, 5. Aufl. (2017), § 1 Rn. 20; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 17.01.1978 – 1 BvL 13/76, Rn. 38, BVerfGE 47, 109; Enderle, Blankettstrafgesetze (2000), S. 129 ff.

[21] MüKo-StGB/Schmitz, 3. Aufl. (2017), § 1 Rn. 45.

[22] BVerfG, Beschl. v. 15.04.1970 – 2 BvR 396/69, Rn. 27, BVerfGE 28, 175; Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 74, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656; Münch/Kunig/Kunig, 6. Aufl. (2012), Art. 103 Rn. 30; Mangoldt/Starck/Klein/Nolte, 6. Aufl. (2010), Art. 103 Abs. 2 Rn. 143.

[23] BVerfG, Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 73, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 15.03.1978 – 2 BvR 927/76, Rn. 31, BVerfGE 48, 48; NK-StGB/Hassemer/Kargl, 5. Aufl. (2017), § 1 Rn. 33.

[24] Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.05.1988 – 2 BvR 579/84, Rn. 28, BVerfGE 78, 205; MüKo-StGB/Schmitz, 3. Aufl. (2017), § 242 Rn. 33.

[25] Gaede , Der Steuerbetrug (2016), S. 462 f.; Bülte JuS 2015, 769, 775; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 15.05.1988 – 2 BvR 579/84, Rn. 28, BVerfGE 78, 205; Enderle, Blankettstrafgesetze (2000), S. 127.

[26] Vgl. Gaede, Der Steuerbetrug (2016), S. 462 f.

[27] Sog. Entgrenzungs- und Verschleifungsverbot; BVerfG, Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 78, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656; Beschl. v. 28.7.2015 – 2 BvR 2558/14, Rn. 62 = HRRS 2015 Nr. 828. Vgl. auch bereits BVerfG, Beschl. v. 20.10.1992 – 1 BvR 698/89, BVerfGE 87, 209.

[28] BVerfG, Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 80, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656; Beschl. v. 28.7.2015 – 2 BvR 2558/14, Rn. 64 = HRRS 2015 Nr. 828.

[29] AnwK-StGB/Gaede, 2. Aufl. (2015), § 1 Rn. 9.

[30] BVerfG, Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 108 f., 130, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656.

[31] BVerfG, Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 77, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656. So bereits BVerfG, Beschl. v. 23.10.1985 – 1 BvR 1053/82, Rn. 16, BVerfGE 71, 108 und Beschl. v. 10.01.1995 – 1 BvR 718/89, Rn. 46, BVerfGE 92, 1.

[32] BVerfG, Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 80, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2010 Nr. 656.

[33] Baumann/Weber/Mitsch/Eisele , Strafrecht AT, 12. Aufl. (2016), § 15 Rn. 40 f.; Köhler, Strafrecht AT (1997), 213 f.; Seebode, FS Spendel (1992), S. 317 ff.

[34] LK-StGB/Weigend, 12. Aufl. (2009), § 13 Rn. 18 f.; Jakobs, Strafrecht AT (1991), § 29 Rn. 5; Roxin, Strafrecht AT II (2003), § 31 Rn. 33.

[35] BVerfG, Urt. v. 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96, Rn. 85, BVerfGE 96, 68; Schönke/Schröder/Stree/Bosch, 29. Aufl. (2014), § 13 Rn. 5/6; Fischer, StGB, 65. Aufl. (2018), § 13 Rn. 2; Roxin, Strafrecht AT II (2003), § 31 Rn. 33.

[36] BVerfG, Urt. v. 10.06.1997 – 2 BvR 1516/96, Rn. 85, BVerfGE 96, 68. Eine Präzisierungspflicht der Gerichte betont zu Recht NK-StGB/Gaede, 5. Aufl. (2017), § 13 Rn. 3; vgl. auch LK-StGB/Weigend, 12. Aufl. (2009), § 13 Rn. 19. Eine Präzisierung der Erfolgsabwendungspflicht findet sich etwa anhand des Tatbestandsmerkmals "rechtlich" bei Seebode, FS Spendel (1992), S. 317, 340 ff.

[37] Maunz/Dürig/Grzeszick, 81. EL (September 2017), Art. 20 Rn. 80, 83 ff.; Stern, Staatsrecht Bd. I, 2. Aufl. (1984), S. 831 ff.

[38] LAG Hessen, Urt. v. 2.6.2017 – 10 Sa 907/16, NZA-RR 2017, 485; Engels NZA 2017, 680, 684 f.; Ulber NZA 2017, 1104, 1107; Berndt DStR 2017, 1166, 1169.

[39] NK-StGB/Hassemer/Kargl, 5. Aufl. (2017), § 1 Rn. 44; MüKo-StGB/Schmitz, 3. Aufl. (2017), § 1 Rn. 32; SK-StGB/Rudolphi/Jäger, 9. Aufl. (2017), § 1 Rn. 7.

[40] Eine Strafbarkeit (wegen Versuchs) kann sich aber wegen des Irrtums über die Wirksamkeit der ursprünglichen Allgemeinverbindlichkeitserklärung ergeben. Anders als vom BGH (Urt. v. 08.06.2017 – 1 StR 614/16, Rn. 12 = HRRS 2017 Nr. 749) angenommen, liegt insofern ein untauglicher Versuch und kein Wahndelikt vor. Der Angeklagte ging nicht nur fälschlicherweise davon aus, ein Strafgesetz zu verletzen; mit dem Irrtum über das Bestehen der Meldepflicht irrte er über die tatsächlichen Voraussetzungen seiner Strafbarkeit. Vgl. NK-StGB/Puppe, § 13 Rn. 148.

[41] Rissing-van Saan NStZ 2014, 233, 239; Bülte StV 2013, 749, 753; so auch BGH, Urt. v. 28.06.2017 – 5 StR 20/16, Rn. 35, BGHSt 62, 223 = HRRS 2017 Nr. 968.

[42] Vgl. Kudlich NJW 2017, 3256.

[43] Haas HRRS 2016, 384, 388 sowie allgemein NK-StGB/Puppe, 5. Aufl. (2017), vor §§ 13 ff. Rn. 153.

[44] Bülte StV 2013, 749, 754. Vgl. auch Streng-Baunemann, FS Streng (2017), S. 767, 776 f.; Schroth NStZ 2013, 437, 444.

[45] LG Göttingen, Urt. v. 06.05.2015 – 6 Ks 4/13, Rn. 44 f.; 2051 ff.; Bülte StV 2013, 753, 756; Schroth NStZ 2013, 437, 443. A.A. Rissing-van Saan/Verrel NStZ 2018, 57, 62 f. Einen Anspruch bejahend Rissing-van Saan NStZ 2014, 233; Haas, HRRS 2016, 384, 389.

[46] BGH, Urt. v. 28.06.2017 – 5 StR 20/16, Rn. 27 ff., BGHSt 62, 223 = HRRS 2017 Nr. 968 .

[47] So auch Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben JZ 2018, 32, 33.

[48] Siehe nur Zusammenfassung bei Roxin, Strafrecht AT I, 4. Aufl. (2006), § 11 Rn. 3 ff., 35 ff.

[49] Zum Zivilrecht siehe nur Staudinger/Schiemann (2005), § 249 Rn. 8 ff., zum Verwaltungsrecht vgl. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 9. Aufl. (2016), Rn. 241 ff.

[50] Vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. (2018), vor § 13 Rn. 31 mwN.

[51] Vgl. dazu nur die Darstellung bei Kühl, Strafrecht AT, 8. Aufl. (2017), § 4 Rn. 43 ff.

[52] Solches Expertenwissen soll nach dem BVerfG die Bestimmtheitsmaßstäbe sogar weiter reduzieren, vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.06.1969 – 2 BvR 518/66, Rn. 51, BVerfGE 26, 186; Beschl. v. 15.03.1978 – 2 BvR 927/76, Rn. 32, BVerfGE 48, 48, zuletzt offen gelassen von BVerfG, Beschl. v. 21.9.2016 – 2 BvL 1/15, Rn. 52, BVerfGE 143, 38 = HRRS 2016 Nr. 1112. Kritisch zu dieser Rechtsprechung Seebode JZ 2004, 305.

[53] BGH, Urt. v. 28.06.2017 – 5 StR 20/16, Rn. 35, BGHSt 62, 223 = HRRS 2017 Nr. 968.

[54] BVerfG, Beschl. v. 28.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 133, BVerfGE 126, 170 = HRRS 2016 Nr. 1112.

[55] Vgl. BGH, Beschl. v. 13.09.2010 – 1 StR 220/09, Rn. 36, BGHSt 55, 288 = HRRS 2010 Nr. 945; MüKo-StGB/Dierlamm, 2. Aufl. (2014), § 266 Rn. 47; Achenbach/Ransiek/Rönnau/Seier, 4. Aufl. (2015), Rn. 212 ff.; Rönnau StV 2011, 753, 754 f. Kritisch dazu unter Verweis auf den bereits zwingenden Fremdvermögensbezug der untreuerelevanten Pflichten S/S/W/Saliger, 3. Aufl. (2017), § 266 Rn. 103 sowie LK-StGB/Schünemann, 12. Aufl. (2012), § 266 Rn. 185.

[56] Kritisch zu dieser Aussage des BGH aber Rissing-van Saan/Verrel NStZ 2018, 57, 60.

[57] Vgl. LG Göttingen, Urt. v. 06.05.2015 – 6 Ks 4/13, Rn. 52 sowie Kudlich NJW 2017, 3256.

[58] Anders möglicherweise LG Göttingen, Urt. v. 06.05.2015 – 6 Ks 4/13, Rn. 2046.

[59] BVerfG, Beschluss vom 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08, Rn. 81 ff., BVerfGE 126, 170 = HRRS 2016 Nr. 1112.

[60] Diese Differenzierung der Gründe der Verfassungswidrigkeit betonen zu Recht auch Rissing-van Saan/Verrel NStZ 2018, 57, 59. Vgl. zu den unterschiedlichen Begründungen einer Verfassungswidrigkeit etwa LG Göttingen Urt. v. 06.05.2015 – 6 Ks 4/13, Rn. 57: Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz; Dannecker/Streng-Baunemann NStZ 2014, 673, 675 f.; Schroth/Hofmann medstra 2018, 3, 7 f.: Regelung durch Richtlinie unvereinbar mit Wesentlichkeitsgrundsatz; Schroth/Hofmann, Jahrbuch für Recht und Ethik 24 (2016), S. 309, 318: Richtlinie überschreite die gesetzliche Ermächtigung; Sternberg-Lieben/Sternberg-Lieben JZ 2018, 32: Verstoß gegen das Prinzip der Lebenswertindifferenz. Zu einer fehlenden strafbarkeitsbegründenden Wirkung der Richtlinie mangels Verbindlichkeit für den einzelnen Arzt vgl. Schroth/Hofmann, Jahrbuch für Recht und Ethik 24 (2016), S. 309, 318.

[61] Vgl. etwa Gaede, Der Steuerbetrug (2016), S. 475 ff. zu spezifisch steuerrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen im Rahmen von § 370 AO sowie grundsätzlich S. 326 ff., 338 ff.

[62] Vgl. Hoven NStZ 2017, 707, 708 dazu, ob die Ausführungen des 5. Senats zum Vorsatz eine dauerhafte Änderung der Rechtsprechung begründen.