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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2018
19. Jahrgang
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Von wiss. Mitarbeiter Dr. Markus Abraham, Hamburg
Das zu besprechende Urteil spielt im Betäubungsmittelrecht, gibt allerdings Anlass, sich generell mit der Interpretation des Bestimmens i.S.d. § 26 StGB zu befassen. Diese Frage ist dort besonders relevant, da die zentrale Norm des Urteils, § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, die Anstiftung zur Beihilfe an der eigenen Tat mit einem Mindestmaß von fünf (!) Jahren Freiheitsstrafe bedroht, während die Strafuntergrenze der zugehörigen Haupttat lediglich ein Jahr beträgt.
Die als unbegründet verworfene Revision richtete sich gegen das Urteil des Landgerichts Tübingen. Dieses hatte den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Tateinheit mit dem Bestimmen einer Person unter 18 Jahren durch eine Person über 21 Jahren zum Fördern des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Der Angeklagte hatte den ersten Tatvorwurf (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) eingeräumt. Bezüglich des zweiten Vorwurfs hatte die Jugendkammer zur Frage des Bestimmens festgestellt, dass die zum Tatzeitpunkt 17jährige Lebensgefährtin des Angeklagten ",einverständlich‘ die Aufgabe übernommen" hatte, drei Päckchen Marihuana in ihrer Handtasche zum prospektiven Übergabeort zu transportieren.[1] Der 1. Senat des BGH deduziert, die Einschätzung des Landgerichts bestätigend: "Das Herbeiführen eines Einverständnisses zwischen den Angeklagten über die Transportmodalitäten setzt eine auf dieses Ziel gerichtete Kommunikation zwischen ihnen voraus."[2] Das Tatbestandmerkmal des Bestimmens sei also verwirklicht. Insbesondere sei die Lebensgefährtin keine omnimodo factura gewesen. Es stehe der Annahme des Bestimmens nämlich nicht entgegen, dass "der Haupttäter[hier: die Gehilfin]bereits allgemein zu derartigen Taten bereit war (…)[3]; denn hier fehlt es noch an einer konkret-individualisierten Tat"[4], zu welcher der Tatentschluss der Gehilfin erst noch hervorgerufen werden müsse. Zwar habe sich die Lebensgefährtin immer wieder bereit gezeigt, das Handeltreiben des Angeklagten zu unterstützen – sie hatte Marihuana in ihrer Wohnung verwahrt, eine Portionierungswaage gebracht, mit Abnehmern telefoniert. Doch erst durch "das Ersuchen", das Rauschgift am Tattag zum prospektiven Verkaufsort zu transportieren, sei sie zur konkreten Förderungshandlung veranlasst worden.[5]
Der 1. Senat des BGH weist darauf hin, dass es sich häufig so verhalten werde, dass der Minderjährige bereits der Drogenszene angehörig und deshalb der "Gefahr einer Beeinflussung seines Willens[…]in besonders starkem Maße ausgesetzt" sei. Das vom Gesetzgeber mit § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG als "in besonderem Maße verabscheuungs- und strafwürdig"[6] bewertete Benutzen des Minderjährigen zum Betäubungsmittelverkehr liege auch in solchen Fällen vor, in denen der Minderjährige "hierzu[zum Fördern des Betäubungsmittelverkehrs]von vornherein (allgemein) bereit war und die Bereitschaft dem Täter gegenüber auch aufgezeigt hat"[7].
Zwei Dinge irritieren. Erstens ist da das verstörend hohe Mindeststrafmaß von fünf Jahren für die Anstiftung zur Beihilfe zu einer Tat, die selbst wiederum mit lediglich einem Jahr Mindeststrafe bedroht ist. Nach den Regeln der Kettenbeteiligung handelt es sich bei der Anstiftung
zur Beihilfe um eine Beihilfe zur Haupttat. Dass eine Handlung, die demzufolge obligatorischer Strafmilderung in Relation zum Strafmaß der Haupttat unterfällt (§ 27 Abs. 2 StGB), nun konträr dazu die fünffache Mindeststrafe vorsieht, ist frappant. Zweitens handelt es sich um die eigenwillige Konstellation, dass es sich hier um die Anstiftung zur Beihilfe an der eigenen Haupttat handelt, Anstiftender und Haupttäter also in einer Person zusammenfallen.
Beide Irritationen werden beruhigt, wenn man sich klar macht, dass hier – wohl die systematische Instrumentalisierung von Kindern als Drogenkuriere im Sinn[8] – ganz bewusst das Ausnutzen eines Minderjährigen zum eigenen Handeltreiben als eigenständiges (dem Strafmaß zufolge: totschlagähnliches!) Unrecht zu betrachten ist. Man mag die Strafdrohung überzogen, die Norm insgesamt als misslungen betrachten.[9] Die dahinter stehende Überlegung jedoch, dass das oppressive Hineinziehen eines strukturell Unterlegenen in die eigenen Drogengeschäfte in besonderem Maße sanktionsbedürftig ist, überzeugt als allgemeiner Gedanke.[10] Ob diese Intention, die auch der Senat bemüht, jedoch Fälle wie den vorliegenden erfassen soll, scheint eher fraglich zu sein. Eine teleologische Auslegung wäre als Notlösung zu prüfen. Zuvor ist jedoch zu klären, ob nicht bereits die Auslegung, und hier insbesondere die des Begriffes des Bestimmens, nicht ohnehin zu einem anderen Ergebnis führt.
Als Vorfrage ist zu überlegen, wie sich das Verhältnis zwischen Täter und Gehilfen regelmäßig darstellt. Zwar wird wohl in vielen Fällen der Gehilfe vom Täter (oder Dritten) zur Beihilfe angestiftet worden sein. Klassisch: Der Haupttäter verspricht für die Unterstützung einen untergeordneten Anteil der Beute. Ablehnen wird man hingegen eine Anstiftung zur Beihilfe durch den Täter, wenn der Gehilfe aus eigenem Antrieb, etwa aus Sympathie zur Person des Haupttäters oder aus "Selbstlosigkeit" handelt, ein haupttäterunabhängiges Eigeninteresse am Eintritt des Taterfolgs bzw. einem dafür notwendigen Zwischenziel (z.B. ein um den Tatplan wissender Waffenverkäufer) besitzt oder aber generelles Gefallen am Eintritt von Unrecht hat. Nicht immer verstrickt der Haupttäter somit den Gehilfen vorwerfbar in das Unrecht seiner Tat – manchmal zeigt sich der Gehilfe eigeninitiativ.
In Zweifel ziehen könnte man diese Unterscheidung nur, indem man annimmt, dass bereits jedes den Beihilfevorsatz kausierende Verhalten dem Begriff des Bestimmens zu subsumieren ist: auch der Gehilfe, der dem Haupttäter rein aus Sympathie behilflich ist, bildet den Hilfsvorsatz (in nahezu allen denkbaren Fällen) erst dann, sobald er von der Tat durch den Haupttäter erfährt. Dass dieses einfach-kausale Verständnis für ein Bestimmen jedoch zu wenig ist, dürfte – angesichts des Wortlautes und der tätergleichen[11] Bestrafung der Anstiftung – kaum bestritten werden.[12] Überzeugenderweise muss es somit Raum für eine "bloß angestoßene Beihilfe" geben.
Sehen wir nun näher auf die Anstiftung: Zum Verständnis des Bestimmens i.S.d. § 26 StGB werden, stark vergröbert[13], drei Vorschläge angeboten: verlangt wird, dass der Tatentschluss des Haupttäters vorwerfbar verursacht, durch einen gerichteten kommunikativen Akt hervorgerufen[14] oder aber durch einen gemeinsamen Unrechtspakt[15] bewirkt wurde. Die beiden ersten Interpretationen unterscheiden sich im Wesentlichen dadurch, dass die erstgenannte Version das non-verbale Erzeugen einer zur Tat reizenden Situation unter den Begriff des Bestimmens fassen kann,[16] während die zweite dies mangels direkten "geistigen Kontaktes" ablehnt.[17] Ganz abgesehen von der
bedenklichen Verwendung des mentalistischen Vokabulars einer "geistigen" Bearbeitung,[18] vermögen beide Versionen nicht, das oben beschriebene Phänomen der bloß angestoßenen Beihilfe vom Fall der Anstiftung zur Beihilfe zu scheiden. Wie verhält es sich etwa bei folgender Frage: "Könnten Sie mir bitte den Gefallen tun und mir bei der Räuberleiter behilflich sein. Ich würde gerne über die Mauer gelangen, um im Schwimmbad ein nächtliches Bad zu nehmen. Wollen Sie mir nun helfen oder nicht?" Handelt es sich hier um eine Anstiftung zur Beihilfe oder eine formal "sozialadäquate" Bitte, also eine Frage, die den prospektiven Gehilfen vor die – allein von ihm zu verantwortende – Wahl stellt, die Hilfe zu leisten oder zu verweigern?
Die Forderung nach einem Unrechtspakt scheint daher tendenziell zuzutreffen. Allein das kontraktualistische Element eines Paktes suggeriert eine Wechselseitigkeit, die weder der Wortlaut des "Bestimmens" nahelegt noch der (zu entwickelnde) Grundgedanke der Anstiftung erfordert.[19]
Zur Interpretation des Merkmals des Bestimmens möchte ich die – angeblich von Thukydides entwickelte – Unterscheidung zwischen Anlass und Grund einer Handlung fruchtbar machen.[20] Anstiftung und damit das Bestimmen zu einer Tat ist das manipulative und wirksame Erzeugen eines Handlungsgrundes[21] beim Täter. Durch das Element der Manipulation, das sogleich auszubuchstabieren ist, wird deutlich, dass das "neutrale", nicht-manipulative Erzeugen eines Tatentschlusses (Information, bloßer Rat) hingegen kein Bestimmen i.S.d § 26 StGB ist, vielmehr lediglich das Liefern eines bloßen Handlungsanlasses.[22]
Selbstverständlich darf die Manipulation nicht so weit gehen, dass das Herausbilden des Tatentschlusses ihretwegen dem Haupttäter nicht mehr vorgeworfen werden kann, weil sein Tatentschluss nicht mehr aus einer nicht auf groben Willensmängeln basierenden Willensbildung resultiert. Denn sonst läge beim Vordermann ein Defekt auf Vorsatzebene vor, statt Anstiftung handelte es sich um mittelbare Täterschaft. Das manipulative Erzeugen des Handlungsgrundes muss also unter dem Niveau der mittelbaren Täterschaft bleiben; der Haupttäter muss noch Herr seiner Entscheidungen sein bzw. für seine Handlungen "zuständig" sein.
Die manipulative Komponente[23] des vom Anstiftenden gelieferten Handlungsgrundes ist näher zu betrachten: Im Wesentlichen lassen sich hier drei Fälle unterscheiden, nämlich das Ausnutzen blinden Vertrauens (1), das Aufstellen eines Sanktionsmechanismus (2) und die für den Vorsatz noch unerhebliche Täuschung (3).
Im ersten Fall macht der Angestiftete die vom Hintermann angebotene Überlegung deswegen zum handlungsleitenden Grund, weil er qua Vorbildfunktion oder Abhängigkeit[24] in den Hintermann Vertrauen hat (1): "Dein Wille ist mein Wollen". Man denke etwa an die "geistige Anführerin" einer Bewegung: Deren Handlungsempfehlung wird deswegen befolgt, weil der Befolgende auf die (moralische) Richtigkeit der Handlung – selbst bei ihm ersichtlicher Illegalität – vertraut. Beispielhaft: "Ich empfehle euch, diese nötigende Handlung auszuführen, eine Körperverletzung begehen etc."
In der zweiten Konstellation schafft der Anstiftende einen Handlungsgrund für die Adressatin, indem er einen positiven oder negativen Sanktionsmechanismus aufstellt (2):[25] Er verspricht eine Belohnung für die Tatbegehung oder -teilnahme oder droht mit negativen Konsequenzen für die Verweigerung.[26] Der geschaffene Hand-
lungsgrund ist nur dann vom Hintermann geschaffen, wenn es sich nicht lediglich um gesetzlich vorgeschriebene Konsequenzen, sondern um allein seiner Willkür unterliegende Folgen handelt. Am Beispiel: "Wenn du deiner Schwester nicht hilfst, werde ich alles unternehmen, dich aus der Familie zu verstoßen." Das angekündigte Sanktionsverhalten kann auch unter der Schwelle der Nötigung bleiben ("… dann spreche ich nicht mehr mit dir"; "… dann ist unsere Freundschaft zu Ende"). Dass ein solcher Sanktionsmechanismus nicht notwendig nötigungsgleich zu sein braucht, wird klar, sobald man an das Aufstellen von positiven Sanktionen, wie das In-Aussicht-Stellen von finanziellen oder sonstigen Vorteilen denkt.[27]
Die dritte Fallgruppe ist die der Täuschung: der Anstifter erweckt die Handlungsbereitschaft dadurch, dass er den Haupttäter mit falschen Informationen versorgt, von denen der Anstifter annimmt, dass sie den Haupttäter zur Tat motivieren dürften (3).[28] In Frage kommt insbesondere das Aufzeigen von unzutreffenden positiven Folgen durch die Tat bzw. von unzutreffenden negativen Folgen durch ihr Unterlassen. Man denke etwa an die unrichtige Ankündigung der Mutter: "Wenn du deiner Schwester nicht hilfst, wird sie dich aus der Familie verstoßen." Will nun der Angesprochene handeln, um der Ausstoßung zu entgehen, so ist Handlungsgrund das Nicht-Verstoßen-Werden-Wollen, also ein fiktiver, nämlich von der Mutter konstruierter Handlungsgrund. Bei dieser Kategorie der Täuschung ist zu bedenken, dass ein künstlicher Handlungsgrund nicht nur durch unzutreffende Informationen entstehen kann, sondern auch durch geschicktes Zusammenstellen von ausgewählten, zutreffenden Informationen. Das Phänomen einer solchen "Formal-Täuschung" (in Anlehnung an die Formal-Beleidigung) basiert auf dem aus Soziologie und Psychologie bekannten "framing effect"[29]. In einem solchen Fall basiert der Handlungsgrund auf tätereigenem Wollen sowie auf zutreffenden Informationen, kommt allerdings nicht durch ungestörte Willensbildung, sondern durch ein nahegelegtes, tendenziöses Deutungsraster zustande – ist somit doch nicht das Wollen des Täters, sondern das Wollen des anderen.
Insgesamt wird anhand der Fallkonstellationen (1) bis (3) also eine Grenze markiert, die etabliert, dass das Verhalten des Anstiftenden über ein bloßes Informieren, welches dem Haupttäter eine unbeeinträchtigte, autonome Entscheidung überlässt, hinausgeht. Der Anstiftende kreiert manipulativ einen Handlungsgrund, der den Adressaten motiviert. Die Grundlage der Motivation kann zutreffen, die Folge, die der Angestiftete mit der Tat herbeiführen will, also real sein (Sanktionsmechanismus; Blindes Vertrauen). Die Grundlage der Motivation kann aber aus Sicht eines verständigen Beobachters auch unbegründet sein und fiktiv bleiben (Täuschung; framing).
Aus der Überlegung der manipulativen Schaffung eines Handlungsgrundes wird auch der Strafgrund der Anstiftung, die eigentümliche Kombination aus eigenständigem Rechtsgutsangriff des Anstifters sowie seinem lediglich akzessorischen Angriff,[30] klarer verständlich: Strafwürdig ist die Tatsache, dass ein anderer aufgrund meines Wollens eine Tat vollbringen will (eigenständiger Angriff des Anstifters) und er dies auch tut (akzessorischer Angriff des Anstifters). Gäbe es mein Wollen nicht, bliebe die Verletzung eines Rechtsgutes aus.[31] Der Anstifter ist für den Wollensfehler des Täters zuständig – und diese Zuständigkeit ergibt sich aufgrund der Manipulativität seines Vorgehens. Die Zuständigkeit des Anstifters ist jedoch nicht vollumfassend, denn der Täter trifft immer noch selbst eine vorwerfbare Entscheidung für die Tat. Liefert eine Person hingegen lediglich Informationen und unternimmt es nicht, dem Täter ihr Wollen aufzunötigen, so trifft die Verantwortung für einen gefassten Tatentschluss allein den Täter: Expertisen etwa (z.B. die Auskunft, die Sprengladung reiche für x-cm breiten Stahl aus) stellen neutrale Informationen dar, die potentiell als Beihilfehandlungen zu qualifizieren sind[32] – Willensmanipulationen sind sie nicht.
Was bedeutet die Überlegung für den Fall? Hat der Angeklagte seine Lebensgefährten dazu angestiftet, seinen Handel mit Betäubungsmitteln zu fördern? Die Lebensgefährtin war – wie der BGH feststellt – keine omnimodo factura. Das überzeugt: Bevor der Angeklagte seinen Tatplan mitteilte, war die Tat noch nicht konkretisiert. Keine omnimodo factura zu sein ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit dafür, eine Anstiftung abzulehnen. Es könnte sein, dass sie sich, nachdem sie von der konkreten Tatplanung erfahren hatte, aus freien Stücken zur Förderung entschlossen hat. War das der Fall, dann ist nicht von einem Bestimmen, sondern einer bloß angestoßenen Beihilfe auszugehen: Das Gespräch mit dem Angeklagten war dann Anlass, nicht aber der relevante Grund ihrer Handlung. Sie könnte sich also – für genauere Einschätzungen reichen die Tatsachenfeststellungen nicht hin – aus freien Stücken, ohne manipulatives Einwirken des Angeklagten zur Beihilfe entschlossen haben. Die Tatsache, dass die Gehilfin beinahe erwachsen war, scheint gegen die Vermutung einer Abhängigkeit zu sprechen, die bei jüngeren Personen strukturell näher läge (Hörigkeit, blindes Vertrauen). Die Tatsache, dass es sich um eine Lebenspartnerschaft handelte, bleibt ein argumentativ zweideutiges Indiz: Es ist möglich, dass eine (drogengestützte) Abhängigkeit vorlag und die Gehilfin blind das Wollen ihres Lebensgefährten als ihr Wollen übernahm. Es könnte aber auch sein, dass sie durchaus frei in ihren Entscheidungen war und gerade angesichts der
bestehenden engen Beziehung den Plänen des Angeklagten sich zu widersetzen durchaus fähig und bereit gewesen wäre.
Man könnte nun einwenden, dass bei realitätsnaher Interpretation des Sachverhalts, der Angeklagte zumindest implizit einen Sanktionsmechanismus aufstellte ("Wenn du mir nicht hilfst, werde ich dir böse sein!") und insofern doch manipulativ vorging. Das ist richtig und fordert eine Präzisierung des oben zum Sanktionsmechanismus gesagten: Die Sanktion des eingerichteten Mechanismus muss eine gewisse Erheblichkeitsschwelle erreichen.[33] Ein Streit infolge der Verweigerung der Hilfe etwa dürfte die Vollverantwortlichkeit der Entscheidung zur Beihilfe nicht ausschließen.[34]
Nach der hier vorgeschlagenen Interpretation des Bestimmens könnte es also sein, dass je nach konkreter Lage des Sachverhalts kein Bestimmen vorlag, sondern die Lebensgefährtin durch die Bitte des Angeklagten nur veranlasst wurde, sich aber selbstbestimmt zur Beihilfe entschied, ihr eigenes Wollen als handlungsleitendes Wollen heranzog – und nicht das Wollen des anderen.
Doch selbst wenn man diesem Auslegungsvorschlag nicht für überzeugend hält, scheint für den dem Urteil zugrundeliegenden Fall eine teleologische Reduktion des § 30a Abs. 2 Nr. 1 BtMG überlegenswert: Die Hilfe der 17jährigen Lebensgefährtin bei einem Drogendeal zu erbitten, scheint sich von dem angesichts der Strafhöhe zu vermutenden Unrecht, nämlich Schutzbedürftige in systematischer Weise als Drogenkuriere auszunutzen,[35] in nicht unerheblicher Weise zu unterscheiden. Selbst wenn man zur Unterschreitung der fünf Jahre auf die Möglichkeit des minder schweren Falles (§ 30a Abs. 3 BtMG[36]) zurückgriffe, erschiene dieses Vorgehen erstens im Lichte der Garantiefunktion des Art. 103 Abs. 2 GG lediglich als Verlegenheitslösung und würde zweitens keine überzeugende Anpassung an die Sanktionsspielräume des Strafgesetzbuches erreichen.[37]
[1] BGH 1 StR 195/17 (=HRRS 2018 Nr. 25), Urteil vom 7. November 2017, Rn 3.
[2] BGH 1 StR 195/17 (=HRRS 2018 Nr. 25), Urteil vom 7. November 2017, Rn 5.
[3] "(…) und diese Bereitschaft auch aufgezeigt hat oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hatte (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 2000 – 4 StR 400/99, BGHSt 45, 373, 374 und vom 17. August 2000 – 4 StR 233/00, NStZ 2001, 41, 42)", BGH 1 StR 195/17 (=HRRS 2018 Nr. 25), Urteil vom 7. November 2017, Rn. 8.
[4] BGH 1 StR 195/17 (=HRRS 2018 Nr. 25), Urteil vom 7. November 2017, Rn. 8.
[5] BGH 1 StR 195/17 (=HRRS 2018 Nr. 25), Urteil vom 7. November 2017, Rn. 9 f.
[6] BGH 1 StR 195/17 (=HRRS 2018 Nr. 25), Urteil vom 7. November 2017, Rn. 11.
[7] BGH 1 StR 195/17 (=HRRS 2018 Nr. 25), Urteil vom 7. November 2017, Rn. 12.
[8] Die Behauptung jedoch, der Missbrauch von Kindern zu Drogengeschäften nehme zu, sei statistisch nicht gedeckt, so Oğlakcıoğlu, in: Joecks/Miebach (Hrsg.), MüKo-StGB, 3. Aufl. 2017, § 30a BtMG Rn. 41.
[9] Jedenfalls bezogen auf den zweiten Aspekt Oğlakcıoğlu, MüKo-StGB (Fn. 8), § 30a BtMG Rn. 47.
[10] Vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfes ( BT-Drs. 12/6853, 41): "Straftaten dieser Art sind besonders gefährlich, da durch sie Kinder und Jugendliche mißbraucht und namentlich durch Verleiten zum Umgang mit Betäubungsmitteln in die Kriminalität getrieben werden. Diese Taten sind daher äußerst sozialschädlich und in herausragender Weise strafwürdig."
[11] Zur kriminalpolitischen Kritik daran vgl. Schünemann, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2007, § 26 Rn. 15.
[12] Ebenso zu einer "sehr weiten Verursachungstheorie" Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht, Allgemeiner Teil (Fn. 12) Rn. 802. Vgl. auch Joecks, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), MüKo-StGB, 3. Aufl. 2017, § 26 Rn. 19; Murmann, in: Satzger/Schluckebier (Hrsg.), S/S/W, 3. Aufl. 2016, § 26 Rn. 4.: "Typisiertes Anstifterunrecht kann nur der verwirklichen, dessen Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr der Hervorrufung eines fremden Tatentschlusses darstellt.” Dies sei aber auch beim Schaffen von Tatreizen nicht immer ausgeschlossen. Ähnlich Kühl, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 8. Aufl. 2017, Kap. 20 Rn. 173 : ein entsprechendes Tatsachenarrangement könne eine unerlaubte Gefahr sein.
[13] Prägnant Kindhäuser, in: LPK-StGB, 7. Aufl. 2017, § 26 Rn. 10 ff.; guter Überblick bei Timpe GA 2013, 145, 145 ff.; ausführliche Nachweise zum Streitstand bei Heinrich, Strafrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 2016, Rn. 1289 ff.
[14] Die Rechtsprechung fordert, das greift der 1. Senat auf, die "Einflussnahme auf den Willen eines anderen (…), die diesen zu dem im Gesetz beschriebenen Verhalten bringt", vgl. mit Verweis auf die entsprechende Rspr. BGH 1 StR 195/17 (=HRRS 2018 Nr. 25), Urteil vom 7. November 2017, Rn. 6.
[15] Puppe NStZ 2006, 424, 425 f., die ein Bestimmen nur annimmt, wenn derjenige, der die Tat mit einem anderen verabredet hat, diese nun (auch) darum ausführt, um die Verabredung einzuhalten. Puppe GA 2013, 514, 517 f., mit dem Hinweis auf eine Annäherung des Schrifttums an die Position ihrer Konzeption des Unrechtspaktes. Zur Kritik Schünemann, LK-StGB (Fn. 11), § 26 Rn. 10 ff.; krit. auch Roxin, Strafrecht: Allgemeiner Teil (Band II), 2003, § 26 Rn. 89. Dessen Argument, eine Selbstbindung des Vordermanns sei aufgrund ihrer Freiwilligkeit unbeachtlich, will nicht recht einleuchten.
[16] So etwa m.w.N. Kühl, in: Lackner/Kühl, 28. Aufl. 2014, § 26 Rn. 2.
[17] Vgl. zur im Schrifttum herrschenden Meinung: Heine/Weißer, in: S/S, 29. Aufl. 2014, § 26 Rn. 3.; Schünemann, LK-StGB (Fn. 11), § 26 Rn. 2 f., der mit der fehlenden zielgerichteten Tataufforderung als dem Strafgrund der Teilnahme argumentiert.
[18] Vgl. auch zur Kritik an der "grob phänotypischen Unterscheidung zwischen verbaler und non-verbaler geistiger Beeinflussung" s. Timpe GA 2013, 145, 150.
[19] Kritisch auch Frister, Strafrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl. 2015, Kap. 28/23, der darauf hinweist, dass der Verpflichtende eines Unrechtspaktes selbst "die interne Entscheidung" über die Tatbegehung trifft und daher i.d.R. Mittäter sei.
[20] Zu dieser Unterscheidung gibt es eine Fülle an Literatur in der analytischen Handlungstheorie, die zwischen Ursache und Grund differenziert, vgl. nur Anscombe, Intention, 2. Aufl., 2000, § 5. Thukydides zeigt eine weitere Unterscheidung, nämlich die zwischen dem wahrhaftigen Grund (" ἀ ληθεστ ά τ[η] πρ ό φασι[ς]") und den öffentlich vorgetragenen Erklärungen ("α ἱ δ’ ἐ ς τ ὸ φανερ ὸ ν λεγ ό μεναι α ἰ τ ί αι") einer Handlung. Vgl. Thukydides, Der Peloponnesische Krieg, Erstes Buch, Kap. 23, Para. 6.
[21] Vgl. bereits Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1991, Kap. 22/22: "Dass der Anstifter die Tat für angebracht hält, muss für den Angestifteten ein Grund für die Tat sein." Ähnlich auch Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht, Allgemeiner Teil (Fn. 12) Rn. 802, wonach der Anstifter dem Anzustiftendem die Möglichkeit geben müsse, den "ihm vermittelten Impuls (…) zur Grundlage seines Tatentschlusses zu machen".
[22] Die Abgrenzung von "zum Anlass nehmen" und "bestimmt werden" benennt explizit Timpe GA 2013, 145, 161. Das Phänomen der Teilnahme durch "neutrale Handlungen" auch für die Anstiftung für vorstellbar haltend Kudlich, in: Heintschel-Heinegg (Hrsg.), BeckOK-StGB, 37. Aufl. 2018, § 26 Rn. 13.2.
[23] In diese Richtung gehen auch die Überlegungen bei Schild, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Albrecht/Altenhain (Hrsg.), NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 26 Rn. 6: Der Anstifter müsse den Täter zum Tatentschluss durch "motivliche[n]Druck" bringen, ihm "so starke Motive aufdräng[en], dass dieser schwach wird und seine Hemmungen überwindet." Ähnlich auch das Abstellen auf die "Herrschaft über die Motivation" bei Joecks, MüKo-StGB (Fn. 8), § 26 Rn. 20.
[24] Auf die Qualität einer "willensbestimmende[n]Macht" durch das Ausnutzen von Machtverhältnissen hinweisend Noltenius, Kriterien der Abgrenzung von Anstiftung und mittelbarer Täterschaft, 2003, S. 286 ff. Bei der mittelbaren Täterschaft hingegen werde dem Vordermann durch das Verschleiern der Sachlage die Möglichkeit zur richtigen Maximenbildung von vornherein genommen (S. 288).
[25] In dieser Richtung gehen auch die Überlegungen von Timpe GA 2013, 145, 159 f., der Anstiftung als instrumentelle Lenkung eines kalkulierenden Individuums charakterisiert. Vgl. zur Vorstellung der Anstiftung durch "Interessenssanktionierung", was dann auch in arrangierten tatanreizenden Situationen für ein Bestimmen hinreichen kann, Christmann, Zur Strafbarkeit sogenannter Tatsachenarrangements wegen Anstiftung, 1997, S. 122 ff.
[26] Hoyer weist zutreffend darauf hin, dass diesen Sanktionsmechanismus auch der Vordermann initiieren kann (indem er die Tatbegehung für ein Entgelt anbietet). Die eigentliche Konstitution des Sanktionsmechanismus liegt jedoch in der Annahmeerklärung des Hintermanns, s. Hoyer, in: Wolter (Hrsg.), SK-StGB, 9. Aufl. 2016, § 26 Rn. 14.
[27] Zur durch den Anstifter in Aussicht gestellten positiven Gegenleistung, die zu einer für die Anstiftung notwendigen Motivherrschaft führe, zutreffend Hoyer, SK-StGB (Fn. 26), § 26 Rn. 13 f.
[28] Auf den Aspekt der Täuschung (v.a. Motivirrtum) verweist auch Schild, NK-StGB (Fn. 23), § 26 Rn. 6.
[29] Vgl. nur Überblick bei Matthes, Framing, 2014.
[30] Zum Mischverhältnis Schünemann, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2007, vor§ 26 Rn. 10 ff.
[31] Handelt der Täter losgelöst von meinem ihm gegenüber kundgetanen Wollen, so wirkt mein Wollen in der Tat nicht mehr fort: bloß versuchte Anstiftung, s. Jakobs, AT (Fn. 21) Kap. 22/22.
[32] Jakobs liefert das Beispiel einer Auskunft durch einen Fachmann, an dem für den Täter "allein die Meinung der Durchführbarkeit, nicht aber der Durchführungswille" interessant ist, Jakobs, AT (Fn. 21) Kap. 22/22.
[33] Puppe GA 2013, 514, 519.
[34] Eine ähnliche Präzisierungsarbeit, die hier erforderlich wäre, ist vom Merkmal der Empfindlichkeit des Übels bei § 240 StGB bekannt.
[35] Siehe die Begründung des Gesetzentwurfes oben Fn. 10.
[36] Vgl. die Kasuistik bei Oğlakcıoğlu, MüKo-StGB (Fn. 8), § 30a BtMG Rn. 230
[37] Denn der Strafrahmen des besagten minder schweren Falles entspricht dem der Misshandlung von Schutzbefohlenen, § 225 Abs. 1 StGB. Dieser Tatbestand kennt allerdings seinerseits einen minder schweren Fall mit einem Strafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren, § 225 Abs. 4 StGB.