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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2018
19. Jahrgang
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1. Ein Durchsuchungsbeschluss gestattet nicht auch die Durchsuchung der Wohnräume eines Beschuldigten, wenn als Durchsuchungsobjekte ausdrücklich nur seine Geschäftsräume mit Nebenräumen genannt werden, während die Wohnanschrift lediglich bei den zur Identifizierung des Beschuldigten dienenden Angaben zur Person Erwähnung findet.
2. Die erweiternde Auslegung eines bereits vollzogenen Durchsuchungsbeschlusses durch das Beschwerdegericht, wonach entgegen dem Beschlussinhalt weitere Räumlichkeiten erfasst sein sollen, ist mit der Funktion des Richtervorbehalts des Art. 13 Abs. 2 GG, eine vorbeugende Kontrolle zu gewährleisten, nicht vereinbar.
3. Wendet sich ein Beschuldigter gegen die Durchsuchung von Räumlichkeiten, die nach seiner Auffassung von der Durchsuchungsanordnung nicht umfasst sind, so kann er sein – die Art und Weise der Durchsuchung betreffendes – Rechtschutzziel nicht mit einer Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss, sondern nur über einen Antrag entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO erreichen.
4. Um den mit einer Durchsuchung verbundenen schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte räumliche Lebenssphäre des Einzelnen messbar und kontrollierbar zu gestalten, muss der Durchsuchungsbeschluss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie es nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Nichts anderes gilt für die räumliche Sphäre, in der die Durchsuchung stattfinden soll.
1. Im Auslieferungsverfahren haben die deutschen Gerichte zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte die unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze und das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz sowie den nach Art. 25 GG in der Bundesrepublik verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard wahren. Letzteres gilt insbesondere im Auslieferungsverkehr mit Staaten, die nicht Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind.
2. Angesichts der Eingliederung des vom Grundgesetz verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der Staatengemeinschaft sind im Rechtshilfeverkehr Strukturen und Inhalte fremder Rechtsordnungen grundsätzlich auch dann zu achten, wenn sie im Einzelnen nicht mit den deutschen innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen. Ein unüberwindbares Hindernis für eine Auslieferung besteht daher nur bei einer Verletzung der unabdingbaren Grundsätze der deutschen verfassungsrechtlichen Ordnung, wie etwa dann, wenn der Schutz des Wesensgehalts der Menschenwürdegarantie nicht mehr gewährleistet ist.
3. Zur Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz gehört die Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sind für die Beurteilung eines Sachverhalts Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einschlägig, so sind die von diesem berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Würdigung einzubeziehen und es hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen Abwägungsergebnissen stattzufinden.
4. Art. 6 Abs. 3 Buchstabe d EMRK gewährleistet unter anderem das Konfrontationsrecht, also das Recht der Verteidigung, Fragen an Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen. Dem Angeklagten muss die effektive Möglichkeit verschafft werden, einen Zeugen zu befragen und seine Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit in Frage zu stellen.
5. Eine Verletzung des Konfrontationsrechts folgt noch nicht allein daraus, dass eine Belastungszeugin in der Hauptverhandlung nicht konfrontiert werden konnte. Erforderlich ist vielmehr eine umfassende Betrachtung des gesamten Strafverfahrens, in die auch einzubeziehen ist, warum die Zeugin vor Gericht nicht gehört wurde und ob im Ermittlungsverfahren die Möglichkeit zur Konfrontation der Zeugin bestand.
6. In einem Strafverfahren wegen eines Sexualdelikts ist es im Grundsatz nicht zu beanstanden, dass eine belastende Zeugenaussage lediglich durch Inaugenscheinnahme der Videoaufnahme einer im Ermittlungsverfahren durchgeführten Vernehmung in die Hauptverhandlung eingeführt wird, solange die Verteidigung bei dieser die Möglichkeit hatte, Fragen zu stellen.
1. Im Auslieferungsverkehr mit einem Drittstaat bindet der Umstand, dass dem Verfolgten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union subsidiärer Schutz gewährt worden ist und auch gegenwärtig noch gewährt wird, die deutschen Stellen zwar nicht unmittelbar. Er stellt jedoch ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass dem Beschwerdeführer eine Behandlung drohen könnte, die seine Auslieferung unzulässig machen würde.
2. Allerdings können die Gründe, auf denen die Gewährung subsidiären Schutzes beruht, namentlich die Gefahr der Verhängung der Todesstrafe sowie einer menschenrechtswidrigen Behandlung im ersuchenden Staat – hier: Weißrussland –, im Auslieferungsverfahren durch die
Abgabe völkerrechtlich verbindlicher Zusicherungen entkräftet und ausgeräumt werden.
3. Eine Verfassungsbeschwerde genügt in diesem Fall nur den Begründungsanforderungen, wenn neben den weiteren Auslieferungsunterlagen die vom ersuchenden Staat erteilten Zusicherungen vorgelegt oder in ihrem wesentlichen Inhalt wiedergegeben werden.
1. Das Rechtsschutzbedürfnis für die verfassungsgerichtliche Überprüfung einer Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus besteht angesichts des damit verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht auch dann fort, wenn der Betroffene zwischenzeitlich aus dem Maßregelvollzug entlassen worden ist.
2. Zur hinreichenden Substantiierung einer Verfassungsbeschwerde sind die entscheidungserheblichen Dokumente grundsätzlich beizufügen oder in einer die verfassungsgerichtliche Prüfung ermöglichenden Weise wiederzugeben. Der Verweis auf die Anlagen einer früheren von demselben Beschwerdeführer erhobenen Verfassungsbeschwerde genügt regelmäßig nicht. Abweichendes gilt ausnahmsweise dann, wenn der Beschwerdeführer bereits eine stattgebende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erhalten hat, aus der sich der maßgebliche Inhalt der in Bezug genommenen Unterlagen ergibt, so dass es ein verfassungsprozessrechtlich nicht gebotener Formalismus wäre, eine erneute Vorlage der Dokumente zu verlangen.
3. Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Zu diesen wichtigen Gründen gehören in erster Linie solche des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts – einschließlich der Unterbringung eines nicht oder erheblich vermindert schuldfähigen Straftäters, von dem infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, in einem psychiatrischen Krankenhaus.
4. Bei der Entscheidung über die Fortdauer einer Maßregel ist dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch Rechnung zu tragen, dass das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten einander als wechselseitiges Korrektiv gegenübergestellt und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zur Dauer des erlittenen Freiheitsentzugs in Beziehung zu setzen.
5. Die Beurteilung hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidriger Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; die Art und der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen.
6. Je länger der Freiheitsentzug andauert, desto strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit sowie die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründungstiefe einer negativen Prognoseentscheidung. Zugleich wächst mit dem stärker werdenden Freiheitseingriff die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte.
7. Es ist zweifelhaft, ob die von einem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend konkretisiert ist, wenn das Gericht lediglich von der Gefahr gewalttätiger Übergriffe ausgeht und dabei ausdrücklich offen lässt, ob Raub- oder Sexualstraftaten drohen, wobei die zu erwartenden Straftatbestände zudem nicht näher spezifiziert werden.
8. Eine Gefahrprognose genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht, wenn sie sich nicht hinreichend mit den konkreten Umständen des Einzelfalls auseinandersetzt und – trotz entsprechender Hinweise in vorangegangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – erneut übergeht, dass der seit über 27 Jahren im Maßregelvollzug Untergebrachte die bei den Anlasstaten mitgeführten Werkzeuge lediglich zum Zweck der Drohung eingesetzt, niemanden verletzt, bei Gegenwehr regelmäßig die Flucht ergriffen und auch im Maßregelvollzug keine Gewalt ausgeübt hat (Folgeentscheidung zu den Beschlüssen des BVerfG vom 16. Mai 2013 – 2 BvR 2671/11 – [= HRRS 2013 Nr. 493] und vom 11. Juli 2014 – 2 BvR 2848/12 – [= HRRS 2014 Nr. 989]).
9. Die Gefahr künftiger (schwerwiegender) Sexualstraftaten ist nicht hinreichend dargetan, wenn das eingeholte Sachverständigengutachten zwar zu dem Schluss kommt, bei den der Unterbringung zugrunde liegenden Raubdelikten handele es sich in Wahrheit um „verkappte Sexualstraftaten“, wenn das Gericht jedoch übergeht, dass bei dem Untergebrachten nach dem Gutachten Hemmungen bestehen, vorhandene Vergewaltigungsphantasien umzusetzen und dass sich sein Verhalten gegenüber Frauen im Maßregelvollzug zwischenzeitlich zum Positiven gewandelt hat.
1. In einem gegen § 217 StGB gerichteten Verfassungsbeschwerdeverfahren ist der Richter des Bundesverfassungsgerichts Müller wegen Besorgnis der Befangenheit von der Mitwirkung ausgeschlossen.
2. Die Besorgnis der Befangenheit eines Bundesverfassungsrichters setzt voraus, dass bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass zu Zweifeln an seiner Unparteilichkeit besteht. Hierfür genügt es nicht, dass der Richter zuvor Aufgaben der politischen Gestaltung wahrgenommen und sich in diesem Zusammenhang am Wettstreit unterschiedlicher (partei)politischer Auffassungen beteiligt hat.
3. Zweifel an seiner Objektivität können allerdings begründet sein, wenn sich aufdrängt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen seiner – mit Engagement geäußerten – politischen Überzeugung und seiner Rechtsauffassung besteht oder wenn frühere Forderungen des Richters nach einer Rechtsänderung in einer konkreten Beziehung zu einem während seiner Amtszeit beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren stehen.
4. Wenngleich die bloße Mitwirkung an einem Gesetzgebungsverfahren hierfür nicht ausreicht, ist die Besorgnis der Befangenheit begründet, wenn der Richter als Ministerpräsident den politischen Anstoß für einen mit der angegriffenen Regelung weitgehend deckungsgleichen Gesetzentwurf gegeben, sich für diesen öffentlich besonders engagiert und ihn mit einer dezidiert verfassungsrechtlich argumentierenden Begründung in den Bundesrat eingebracht hatte.