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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2018
19. Jahrgang
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1. Der Annahme von Anstiftung steht es nicht entgegen, wenn der Haupttäter bereits allgemein zu derartigen Taten bereit war und diese Bereitschaft auch aufgezeigt hat oder sogar selbst die Initiative zu den Taten ergriffen hatte (vgl. BGHSt 45, 373, 374); denn hier fehlt es noch an einer konkret-individualisierten Tat, zu der der Haupttäter erst noch durch Hervorrufen des Tatentschlusses veranlasst werden muss (vgl. BGH NStZ 1994, 29, 30).
2. Selbst wenn also ein Betäubungsmittelhändler seine grundsätzliche Bereitschaft bekundet hatte, Betäubungsmittel ins Ausland liefern zu wollen, liegt kein Fall eines bereits zur Tat entschlossenen Haupttäters vor (sog. omnimodo facturus), da es insoweit noch an einem bestimmten, auf eine konkrete Tat bezogenen Tatentschluss fehlt (vgl. hierzu BGH NStZ-RR 2013, 281).
3. Auch derjenige, der im Internet, z.B. über einen „Online-Shop“, aus dem Ausland heraus die Lieferung von Betäubungsmitteln in das Inland andient, kann daher noch angestiftet werden. Die Internetpräsentationen eines im Ausland ansässigen Drogenhändlers sind lediglich Aufforderungen zur Abgabe eines Angebots, eine sog. invitatio ad offerendum.
Die psychische Unterstützung eines Tatgenossen zur Begründung von Mittäterschaft setzt voraus, dass die Tatbegehung objektiv gefördert oder erleichtert wird und dass dies dem unterstützenden Tatgenossen bewusst ist
(vgl. BGH NStZ 2014, 351, 352). Zum Beleg einer psychischen Unterstützung bedarf es genauer Feststellungen, insbesondere zur objektiv fördernden Funktion der Handlung sowie zu der entsprechenden Willensrichtung des Tatgenossen (vgl. BGH NStZ 2014, 351, 352).
Die Tatentdeckung durch Dritte und die Furcht des Angeklagten, am Tatort festgehalten zu werden, steht der Annahme eines freiwilligen Rücktritts entgegen.
Der Tötungsvorsatz setzt keine Kenntnis von Einzelheiten der todesursächlichen physischen Prozesse voraus. Bei einem kräftigen Schlag oder Stoß gegen die linke Halsseite in dem grundsätzlichen Bewusstsein, dass das Opfer an den Folgen versterben kann, kann sich der Vorsatz daher auch auf den Tod aufgrund eines – durch den Schlag ausgelösten – Hirninfarkts drei Tage nach der Tathandlung erstrecken.
1. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein abweichendes Sexualverhalten nicht ohne Weiteres einer schweren Persönlichkeitsstörung gleichgesetzt und dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit i.S.v. §§ 20, 21 StGB zugeordnet werden. Eine festgestellte Pädophilie kann aber im Einzelfall eine schwere andere seelische Abartigkeit und eine hierdurch erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit begründen, wenn Sexualpraktiken zu einer eingeschliffenen Verhaltensschablone geworden sind, die sich durch abnehmende Befriedigung, zunehmende Frequenz der devianten Handlungen, Ausbau des Raffinements und gedankliche Einengung des Täters auf diese Praktik auszeichnen.
2. Ob die sexuelle Devianz in Form einer Pädophilie einen solchen Ausprägungsgrad erreicht, der dem Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit zugeordnet werden kann, ist aufgrund einer Gesamtschau der Täterpersönlichkeit und seiner Taten zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, ob die sexuellen Neigungen die Persönlichkeit des Täters so verändert haben, dass er zur Bekämpfung seiner Triebe nicht die erforderlichen Hemmungen aufzubringen vermag).
Kommt es in der Folge der strafbaren Manipulation eines Kfz-Wegstreckenzählers zu einem Betrug, besteht zwischen § 263 StGB und § 22b StVG regelmäßig Gesetzeskonkurrenz. (BGH)
1. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung bei Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist danach, dass der Mörder das sich keines erheblichen Angriffs versehende, mithin arglose Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und es dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren.
2. Kommt es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit Todesdrohungen zwischen dem Täter und dem späteren Opfer, an deren Ende das Opfer dem Täter jedoch den Rücken zuwendet, ist die damit verbundene Preisgabe von Verteidigungsmöglichkeiten regelmäßig ein gewichtiges Indiz für eine erhalten gebliebene Arglosigkeit.
3. Eine auf früheren Aggressionen und einer feindseligen Atmosphäre beruhende latente Angst des Opfers steht
der Annahme von Arglosigkeit nicht grundsätzlich entgegen, da es darauf ankommt, ob es gerade im Tatzeitpunkt mit Angriffen auf sein Leben gerechnet hat.
4. An dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen Arg- und Wehrlosigkeit fehlt es, wenn die Wehrlosigkeit eine Folge der unterlegenen Verteidigungsmittel des Opfers ist. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass insbesondere bei einander nahestehenden Personen auch die Möglichkeit zur verbalen Einwirkung ein Mittel zur Verhinderung des Angriffs sein kann. Daher ist ggf. zu berücksichtigen, ob sich Täter und Opfer von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen oder ob das Opfer hinterrücks erschossen wird.
1. Adressat des mit dem Ausgabevorgang eines Geldautomaten verbundenen Einigungsangebots ist nach den vertraglichen Beziehungen zwischen Kontoinhaber und Geldinstitut und der Interessenlage der Kontoinhaber, nicht aber ein unberechtigter Benutzer des Geldautomaten. Dies gilt auch dann, wenn eine technisch ordnungsgemäße Bedienung des Automaten vorangegangen ist.
2. Wegnahme ist der „Bruch“ fremden und die Begründung neuen Gewahrsams (vgl. BGHSt 35, 152, 158). Ein Bruch des fremden Gewahrsams liegt aber nur vor, wenn der Gewahrsam gegen oder ohne den Willen des Inhabers aufgehoben wird. Wird ein Geldautomat technisch ordnungsgemäß bedient, erfolgt die tatsächliche Ausgabe des Geldes mit dem Willen des Geldinstituts. Dessen Gewahrsam wird nicht gebrochen. Insoweit ist der tatsächliche Vorgang der Gewahrsamspreisgabe auch von dem rechtsgeschäftlichen Angebot an den Kontoinhaber auf Übereignung zu unterscheiden (vgl. BGHSt 35, 152, 161).
Bei der abredewidrigen Verwendung eines zweckgebunden gewährten Darlehens kommt es für die Feststellung eines Vermögensschadens grundsätzlich darauf an, inwiefern die – ggf. bilanziell zu bewertende – tatsächliche Verwendung der ausgereichten Beträge von der vereinbarten abweicht. Plant der Täter von Anfang an die zweckwidrige Verwendung des Gesamtbetrages, kann darin bereits ein Schaden begründet sein, sofern dies zur Wertlosigkeit des Rückzahlungsanspruchs führt.
Eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung setzt voraus, dass die Körperverletzung durch ein von außen unmittelbar auf den Körper einwirkendes gefährliches Tatmittel eingetreten ist. Wird ein Kraftfahrzeug als Werkzeug eingesetzt, muss die körperliche Misshandlung also bereits durch den Anstoß selbst ausgelöst worden sein. Erst infolge eines anschließenden Sturzes oder einer Ausweichbewegung erlittene Verletzungen sind dagegen nicht auf den unmittelbaren Kontakt zwischen Fahrzeug und Körper zurückzuführen.
1. Tateinheit liegt vor, wenn die tatbestandlichen, mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrfach verletzenden Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind.
2. Der Tatbestand des Bankrotts wird nicht durch den Tatbestand des Betrugs verdrängt oder umgekehrt. Das wäre nach der Rechtsprechung des BGH nur dann der Fall, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen von mehreren, dem Wortlaut nach anwendbaren Straftatbeständen erschöpfend erfasst wird.
3. Maßgebend für die Beurteilung sind die Rechtsgüter, gegen die sich der Angriff des Täters richtet und die Tatbestände, die das Gesetz zu ihrem Schutz aufstellt. Die Verletzung des durch den einen Straftatbestand geschützten Rechtsguts muss eine – wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige – Erscheinungsform des anderen Tatbestandes sein. Während der Tatbestand des Bankrotts die vollständige Erfassung des pfändbaren Schuldnervermögens im Interesse der Gläubiger schützt, bezweckt der Tatbestand des Betrugs ausschließlich den Vermögensschutz der einzelnen Vermögensinhaber.
4. Bei der gemäß § 283 Abs. 1 und 2 StGB für die täterschaftliche Begehung erforderlichen Pflichtenstellung als Schuldner handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Abs. 1 StGB.
5. Die Betrugshandlung kann im Prozessverkehr jeder Art begangen werden, also auch im Eröffnungsverfahren nach den §§ 11 ff. InsO, da der Insolvenzschuldner gegenüber dem Insolvenzgericht zu wahrheitsgemäßen Auskünften und Angaben verpflichtet ist.
6. Dem Tatgericht obliegt es nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung des Tatbestandes des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, die geschuldeten Beiträge – für die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte gesondert – nach Anzahl, Beschäftigungszeiten, Löhnen der Arbeitnehmer und der Höhe des Beitragssatzes der örtlich zuständigen Krankenkasse festzustellen, um eine revisionsgerichtliche Nachprüfung zu ermöglichen. Die geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge werden auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkassen sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung berechnet. Falls solche Feststellungen im Einzelfall nicht möglich sind, kann die Höhe der vorenthaltenen Beiträge auf Grundlage der tatsächlichen Umstände geschätzt werden. Die Grundsätze, die in der Rechtsprechung bei Taten nach § 370 AO für die Darlegung der Berechnungsgrundlagen der verkürzten Steuern entwickelt wurden, gelten insoweit entsprechend.
7. Das Vergehen des Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen der Beiträge zur Sozialversicherung ist erst beendet, wenn die Beitragspflicht erloschen ist, sei es durch Beitragsentrichtung, sei es durch Wegfall des Beitragsschuldners.
1. Die Tatbestände der versuchten Brandstiftung mit Todesfolge und der (vollendeten) schweren Brandstiftung) stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit.
2. Die versuchte besonders schwere Brandstiftung tritt im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter die versuchte Brandstiftung mit Todesfolge zurück, weil der Unrechtsgehalt der Handlung insoweit schon erschöpfend vom Straftatbestand des § 306c StGB erfasst ist.
Dafür ob der Täter „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ im Sinne des § 213 1. Alt StGB wurde ist nicht entscheidend, ob sich die Tat als „Spontantat“ darstellt. Vielmehr kommt es darauf an, ob der durch eine schwere Provokation, die in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls auch in Ohrfeigen liegen kann (vgl. BGH StraFo 2016, 167), hervorgerufene Zorn noch angehalten und als nicht durch rationale Abwägung unterbrochene Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 200). Entscheidend ist, ob ein motivationspsychologischer Zusammenhang zwischen der Misshandlung oder Beleidigung durch das Opfer und der Körperverletzungshandlung des Täters besteht (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 80). Das kann auch noch nach mehreren Stunden der Fall sein (vgl. BGH NStZ 1984, 216).