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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Januar 2018
19. Jahrgang
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Bei außerordentlich ungünstigen Umständen, die gegen einen mehr als nur kurzfristigen Behandlungserfolg sprechen, ist alleine die vom Angeklagten gegenüber einem Sachverständigen bekundete Therapiebereitschaft nicht geeignet, eine konkrete Erfolgsaussicht der angeordneten Maßregel im Sinne des § 64 Satz 2 StGB zu begründen.
1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstaten aufgrund einer nicht nur vorübergehenden psychischen Störung im Sinne eines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale schuldunfähig (§ 20 StGB) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB) war und die Tatbegehung hierauf beruht. In diesem Zusammenhang ist darzulegen, wie sich die festgestellte, einem Merkmal der §§ 20, 21 StGB unterfallende Erkrankung in der jeweiligen Tatsituation auf die Einsichts- oder die Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat und warum die Anlassta-
ten auf den entsprechenden Zustand zurückzuführen sind.
2. Unzutreffende Vorstellungen von der Wirklichkeit aufgrund von kognitiven Einschränkungen führen nicht für sich genommen schon zur Annahme aufgehobener Einsichtsfähigkeit. Vielmehr ist in solchen Fällen nachvollziehbar zu begründen, warum der Angeklagte zweifelsfrei nicht in der Lage gewesen sein sollte, das Unrecht seiner Tat zu erkennen.
Die bloß theoretische Möglichkeit der späteren altersbedingten Verringerung der Gefährlichkeit ist im Rahmen der Prüfung des § 66 Abs. 1 StGB regelmäßig nicht zu berücksichtigen, sondern allenfalls im Verfahren nach § 67c Abs. 1 S. 1 StGB zu prüfen. Für die Gefährlichkeitsprognose kommt es auf den Zeitpunkt der Verurteilung an (§ 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Hinsichtlich der Anordnung der Sicherungsverwahrung steht dem Tatgericht auch kein Ermessen zu, in dessen Rahmen eine zu erwartende Haltungsänderung oder Alterungsprozesse berücksichtigt werden könnten.
1. Eine Straftat von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 63 StGB liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die wie die vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB im Höchstmaß mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden, gehören regelmäßig zum Bereich der mittleren Kriminalität. Lediglich Straftaten, die höchstens mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind nicht mehr ohne Weiteres diesem Bereich zuzurechnen.
2. Nach der Neufassung von § 63 S. 1 StGB muss auch bei drohenden Körperverletzungen im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob diese zu einer „erheblichen“ Schädigung oder Gefährdung führen und deshalb den Rechtsfrieden empfindlich stören und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Dabei verbietet sich jede schematische Betrachtung. Erforderlich ist eine Gesamtabwägung, in die neben der Schwere einer drohenden Tat insbesondere auch die Häufigkeit und die Rückfallfrequenz einzustellen sind.
Für die Strafzumessung und deren rechtliche Überprüfung ist grundsätzlich die Kenntnis vom Werdegang und den Lebensverhältnissen des Angeklagten wesentlich. Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, ob die Zumessung einer verhängten Freiheitsstrafe auf der gebotenen wertenden Gesamtschau des Tatgeschehens sowie des Täters und der für seine Persönlichkeit, sein Vorleben und sein Nachtatverhalten aussagekräftigen Umstände beruht.
Bei Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter im Rahmen einer Tatserie (hier: Betrugstaten) bestimmt sich die Zahl der rechtlich selbständigen Handlungen im Sinne von § 53 Abs. 1 StGB für jeden Täter grundsätzlich nach der Anzahl seiner eigenen Handlungen zur Verwirklichung der Einzeldelikte. Wirkt ein Täter an einzelnen Taten selbst nicht unmittelbar mit einem individuellen Tatbeitrag mit, sondern erschöpft sich seine Mitwirkung daran im Aufbau und in der Aufrechterhaltung des auf die Straftaten ausgerichteten „Geschäftsbetriebs“, sind diese Tathandlungen als – uneigentliches – Organisationsdelikt zu einer einheitlichen Tat im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB zusammenzufassen (st. Rspr., vgl. zuletzt etwa BGH HRRS 2015 Nr. 13 m.w.N.).
1. Bei Aufhebung einer Gesamtstrafe durch das Revisionsgericht und Zurückverweisung der Sache an das Tatgericht ist in der neuen Verhandlung die Gesamtstrafe nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten tatrichterlichen Verhandlung vorzunehmen.
2. Die aus den neuen Einzelstrafen zu bildende Gesamtstrafe darf jedoch nicht höher bemessen werden, als jene
Einzelstrafe des ersten Urteils, weswegen gegebenenfalls eine Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe um die weitere Strafe für den ursprünglich mit einer Einheitsstrafe geahndeten Lebenssachverhalt zu unterbleiben hat.
1. Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falls vor und ist zugleich ein vertypter Milderungsgrund gegeben, so ist vorrangig der minder schwere Fall zu prüfen. Im Rahmen der dabei gebotenen Gesamtwürdigung aller strafzumessungserheblichen Umstände kann auch der vertypte Milderungsgrund – zu festgestellten sonstigen Milderungsgründen hinzutretend oder auch für sich – einen minder schweren Fall begründen.
2. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens auch unter Berücksichtigung des vertypten Milderungsgrundes nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen dieses Milderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen. Ist der nach § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als derjenige des minder schweren Falls, ist dies in die Gesamtwürdigung miteinzubeziehen.
1. Soll einem Täter wegen einer anderen Straftat, die nicht in dem Katalog des § 69 Abs. 2 StGB enthalten ist, die Fahrerlaubnis entzogen werden, muss der Tatrichter eine Gesamtwürdigung der Tatumstände und der Täterpersönlichkeit vornehmen, mit der die fehlende Eignung belegt wird, wobei der Umfang der Darlegung vom Einzelfall abhängt.
2. Zwar belegt das Führen eines Kraftfahrzeugs unter dem deutlichen und zumindest mitunfallursächlichen Einfluss von Amphetaminen in aller Regel eine erhebliche charakterliche Unzuverlässigkeit, die auch die Ungeeignetheit des Täters zum Führen eines Kraftfahrzeugs nahe legt. Dies rechtfertigt jedoch ein Absehen von jeglicher Begründung nicht.