HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2017
18. Jahrgang
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III. Strafzumessungs- und Maßregelrecht


Entscheidung

431. BGH 1 StR 618/16 – Urteil vom 21. Februar 2017 (LG München I)

Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (Gefährlichkeitsprognose: Voraussetzungen, Darstellung im Urteil auch bei Ablehnung der Anordnung); tatrichterliche Beweiswürdigung (revisionsrechtliche Überprüfbarkeit).

§ 63 StGB; § 267 Abs. 6 Satz 1 StPO; § 261 StPO

1. Die erforderliche Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 141) und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 306). Dabei hat der Tatrichter die für die Entscheidung über die Unterbringung maßgeblichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzulegen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH NStZ 2015, 394, 395).

2. Diese Anforderungen gelten nicht lediglich für tatrichterliche Entscheidungen, die eine Unterbringung des Angeklagten oder Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB anordnen, sondern auch für die Anordnung ablehnende Erkenntnisse.


Entscheidung

420. BGH 3 StR 535/16 – Beschluss vom 21. Februar 2017 (LG Koblenz)

Sachlich-rechtlich fehlerhafte Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (keine ausreichende Gefährlichkeitsprognose hinsichtlich der Begehung erheblicher Taten durch paranoid-schizophrenen Angeklagten).

§ 63 StGB

Begeht ein an einer paranoiden Schizophrenie leidender Angeklagter im Zustand der krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit mehrere geringfügige Straftaten – hier: erkennbar nicht ernstzunehmende „Bombendrohungen“; Versuch des Erwerbs minimaler Mengen vermeintlicher Betäubungsmittel; eher geringfügige Warenkreditbetrügereien –, sind ohne das Hinzukommen besonderer Umstände mangels ausreichender Gefahrprognose regelmäßig nicht die Voraussetzungen das § 63 StGB erfüllt.


Entscheidung

437. BGH 2 StR 291/16 – Beschluss vom 22. Februar 2017 (LG Schwerin)

Strafzumessung bei Betäubungsmitteldelikten (Verhältnis von minderschwerem Fall und Strafmilderungen wegen Aufklärungshilfe); Mittäter (Tateinheit bei

einer Tathandlung in Vorbereitung mehrerer Einzeltaten eines Mittäters).

§ 46 StGB; § 30a Abs. 3 BtMG; § 31 BtMG; § 25 Abs. 2 StGB; § 52 Abs. 1 StGB

Einem Angeklagten, der im Ermittlungsverfahren zunächst nur Nebenbeteiligte benennt und Informationen zu dem Haupttäter bewusst bis zur Hauptverhandlung zurückhält, kann nicht eine doppelte Strafmilderung nach § 30a Abs. 3 BtMG und nach § 31 BtMG zuteil werden.


Entscheidung

476. BGH 4 StR 526/16 – Beschluss vom 29. März 2017 (LG Baden-Baden)

Strafzumessung (Doppelverwertungsverbot).

§ 46 Abs. 3 StGB

Wird die Verwirklichung einer Qualifikation strafschärfend verwertet, zieht dies eine Verletzung des in § 46 Abs. 3 StGB normierten Doppelverwertungsverbot nach sich.


Entscheidung

452. BGH 1 StR 555/16 – Beschluss vom 22. Februar 2017 (LG Augsburg)

Gesamtstrafe und Strafaussetzung (Widerruf der Strafaussetzung).

§ 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB

Entfällt die ursprünglich gewährte Strafaussetzung zur Bewährung ist ein gebotener Ausgleich für die Nichterstattung erfüllter Auflagen durch eine die Strafvollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe verkürzende Anrechnung zu bewirken. Die Berücksichtigung bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe genügt dazu regelmäßig nicht.


Entscheidung

464. BGH 2 StR 567/16 – Beschluss vom 7. März 2017 (LG Frankfurt am Main)

Besondere gesetzliche Milderungsgründe (Strafbarkeit des Gehilfen); Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

§ 27 Abs. 2 Satz 2 StGB; § 49 Abs. 1 StGB; § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG

Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind in einem nächsten Schritt die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen