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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2017
18. Jahrgang
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1. Die erforderliche Gefährlichkeitsprognose im Sinne des § 63 StGB ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstat(en) zu entwickeln (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 141) und hat sich darauf zu erstrecken, ob und welche Taten von dem Beschuldigten infolge seines Zustands drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 306). Dabei hat der Tatrichter die für die Entscheidung über die Unterbringung maßgeblichen Umstände in den Urteilsgründen so umfassend darzulegen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (vgl. BGH NStZ 2015, 394, 395).
2. Diese Anforderungen gelten nicht lediglich für tatrichterliche Entscheidungen, die eine Unterbringung des Angeklagten oder Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB anordnen, sondern auch für die Anordnung ablehnende Erkenntnisse.
Begeht ein an einer paranoiden Schizophrenie leidender Angeklagter im Zustand der krankheitsbedingten Schuldunfähigkeit mehrere geringfügige Straftaten – hier: erkennbar nicht ernstzunehmende „Bombendrohungen“; Versuch des Erwerbs minimaler Mengen vermeintlicher Betäubungsmittel; eher geringfügige Warenkreditbetrügereien –, sind ohne das Hinzukommen besonderer Umstände mangels ausreichender Gefahrprognose regelmäßig nicht die Voraussetzungen das § 63 StGB erfüllt.
Einem Angeklagten, der im Ermittlungsverfahren zunächst nur Nebenbeteiligte benennt und Informationen zu dem Haupttäter bewusst bis zur Hauptverhandlung zurückhält, kann nicht eine doppelte Strafmilderung nach § 30a Abs. 3 BtMG und nach § 31 BtMG zuteil werden.
Wird die Verwirklichung einer Qualifikation strafschärfend verwertet, zieht dies eine Verletzung des in § 46 Abs. 3 StGB normierten Doppelverwertungsverbot nach sich.
Entfällt die ursprünglich gewährte Strafaussetzung zur Bewährung ist ein gebotener Ausgleich für die Nichterstattung erfüllter Auflagen durch eine die Strafvollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe verkürzende Anrechnung zu bewirken. Die Berücksichtigung bei der Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe genügt dazu regelmäßig nicht.
Sieht das Gesetz einen minder schweren Fall vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, sind in einem nächsten Schritt die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen