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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2017
18. Jahrgang
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1. Die sogenannte Rückführungsrichtlinie steht der Strafbarkeit des „Schleusers“ nach § 96 AufenthG nicht entgegen.
2. Die Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) will ein harmonisiertes und effizientes Verfahren zur Rückführung sich illegal in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhaltender „Drittstaatsangehöriger“ gewährleisten und eine mögliche Beeinträchtigung ihrer praktischen Wirksamkeit ausschließen. Weil eine Strafhaft wegen unerlaubten Aufenthalts grundsätzlich geeignet sein kann, das Rückkehrverfahren scheitern zu lassen bzw. zu verzögern, soll eine Freiheitsstrafe nicht allein deshalb verhängt werden, weil sich ein „Drittstaatsangehöriger“ illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, nachdem ihm eine Anordnung zum Verlassen des Staatsgebiets bekannt gegeben worden und die darin gesetzte Frist abgelaufen ist. (Bearbeiter)
3. Die Rückführungsrichtlinie und das auf ihrer Grundlage durchgeführte Rückführungsverfahren machen indes das mit einem unerlaubten Aufenthalt verbundene Unrecht nicht ungeschehen. Den zuständigen Behörden wird lediglich ein Verfahren vorgegeben, um den unerlaubten Aufenthalt bei Vorliegen der dort geregelten Maßgaben schnellstmöglich zu beenden. Dafür, dass es unionsrechtlich geboten sein könnte, Tatbestandsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Tat des illegal Einreisenden entfallen zu lassen, gibt es keine Anhaltspunkte. (Bearbeiter)
4. Rückführungsrichtlinie und -verfahren stehen in keinerlei Zusammenhang mit dem Unrecht des „Schleusers“ oder sonstigen Hintermanns des unerlaubten Aufenthalts. Es besteht insoweit sogar die in mehreren europarechtlichen Instrumenten verankerte gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, Anstiftung und Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt wirksam zu sanktionieren. Sie könnte nicht erfüllt werden, wenn die hier betroffenen „Schleusungstatbestände“ aufgrund des Fehlens einer rechtswidrigen Haupttat in einem beträchtlichen Umfang leerlaufen würden.
1. Auch nach dem Wegfall der gesellschaftsrechtlichen Regelungen zu sog. eigenkapitalersetzenden Darlehen (vgl. §§ 32a, 32b GmbHG a.F.) erfüllt nach Ansicht des Senats die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens durch den Täter an sich selbst oder eine von ihm kontrollierte andere Gesellschaft – bei Vorliegen aller übrigen Tatbestandsvoraussetzungen – regelmäßig den Tatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB, nicht aber den der Gläubigerbegünstigung im Sinne von § 283c Abs. 1 StGB.
2. Es kommt für die Gläubigerstellung im Sinne von § 283c Abs. 1 StGB nicht entscheidend darauf an, ob einem Gesellschafter wegen eines der Gesellschaft gewährten Darlehens eine zivilrechtlich wirksame Rückzahlungsforderung zusteht. Maßgeblich ist vielmehr, dass es sich bei der Vorschrift des § 283c Abs. 1 StGB um eine Privilegierung gegenüber § 283 StGB handelt, die eingreift, weil ein Schuldner milder bestraft werden soll, wenn er sich bloß davon leiten ließ, einen bestimmten Gläubiger durch Befriedigung oder Sicherung von dessen Forderung besonders zu bevorzugen. Wenn der Schuldner hingegen sich selbst oder einem von ihm kontrollierten Unternehmen auf Kosten der Masse einen Vorteil verschaffen will, besteht kein Anlass für eine solche Privilegierung.
3. Der Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO bedarf es zur Kenntlichmachung und zum Hinweis an die Ver-
fahrensbeteiligten, dass der Beweisstoff in Form des Urkundsbeweises, der beim Selbstleseverfahren außerhalb der Hauptverhandlung erhoben wird, dennoch als Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne von § 261 StPO der Überzeugungsbildung des Gerichts zu Grunde gelegt werden kann. Dies wird durch die Feststellung und Protokollierung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO beweiskräftig vollzogen. Fehlt der entsprechende Vermerk, so ist die Inbegriffsrüge nach § 261 StPO eröffnet, dass die dem Selbstleseverfahren zugeführten Urkunden als verwertbarer Beweisstoff nicht zur Verfügung standen.
Bei der Berechnung der Höhe der hinterzogenen Gewerbesteuer ist zu beachten, dass die in Bezug auf die verdeckten Gewinnausschüttungen zusätzlich anfallende Gewerbesteuerschuld als weitere Betriebsausgabe abzuziehen ist. Die Gewerbesteuer mindert ihre eigene Bemessungsgrundlage.
1. Es unterläuft nicht den gesetzgeberischen Zweck des § 31 BtMG, das dessen Voraussetzungen noch nicht genügende Aussageverhalten des Angeklagten bei der Strafzumessung – neben anderen Kriterien – zu dessen Gunsten zu berücksichtigen.
2. Zwar kann eine verspätet geleistete Aufklärungshilfe für sich genommen – ohne Hinzutreten weiterer gewichtiger Strafmilderungsgründe – keine Strafrahmenverschiebung gemäß § 30a Abs. 3 BtMG begründen. In der Tat würde es den gesetzlichen Wertungen widersprechen, einem Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung nach § 31 Satz 1 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB wegen Überschreitens der Zeitgrenze des § 31 Satz 3 BtMG i.V.m. § 46b Abs. 3 StGB zu verwehren, ihm dann allerdings allein wegen der verspätet geleisteten Aufklärungshilfe eine (für ihn noch günstigere) Strafrahmenverschiebung gemäß § 30a Abs. 3 BtMG zuzubilligen. Dies hindert jedoch nicht, eine erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens erbrachte Aufklärungshilfe im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen (vgl. BGHSt 56, 191, 193). Bei Hinzutreten weiterer gewichtiger Strafmilderungsgründe kann eine solche verspätete Aufklärungshilfe im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung durchaus die Annahme eines minder schweren Falles rechtfertigen, ohne dass darin eine Umgehung von § 31 Satz 3 BtMG i.V.m. § 46b Abs. 3 StGB zu sehen wäre.