HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 437
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 291/16, Beschluss v. 22.02.2017, HRRS 2017 Nr. 437
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 3. Februar 2016 dahin geändert, dass der Angeklagte wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt wird.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
Die dagegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler erkennen lassen.
Nach den Feststellungen kam der Angeklagte mit zumindest seinem Landsmann „D.“ und einem unbekannt gebliebenen Chinesen überein, eine illegale Cannabisplantage zu betreiben. Dem Angeklagten oblag es, ein für den Betrieb der Anlage geeignetes Objekt zu finden, den Eigentümer und Vermieter des Gebäudes, der eine Gewinnbeteiligung von 70.000 Euro pro Ernte erhalten sollte, in den Tatplan einzuweihen, zur Tatbeteiligung zu gewinnen und anschließend diesem als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Nach jeder Ernte sollte der Angeklagte einen Anteil von 5.000 Euro erhalten.
In der Folge kam es zu zwei sich zeitlich überschneidenden Anbauvorgängen mit insgesamt 2.201 Cannabispflanzen. Bei einer polizeilichen Durchsuchung am 13. Februar 2015 wurden 1.697 bereits erntereife Pflanzen etwa 90-100 cm groß aus einem ersten, und 504 Pflanzen ca. 30 cm groß aus einem zweiten Anbauvorgang sichergestellt. Zu diesem Zeitpunkt wiesen die Pflanzen aus dem ersten Anbau ca. 9.730 Gramm THC-Gehalt auf, diejenigen aus dem zweiten Anbau ca. 58 Gramm.
Nach seiner Festnahme am 2. Juni 2015 machte der geständige Angeklagte Angaben zu den übrigen mit dem Plantagenbetrieb beschäftigen Personen und beschrieb erstmals in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 19. Juni 2015 den „D.“ und dessen Rolle. Er gab eine Personenbeschreibung ab, teilte mit, dieser habe in O. gewohnt, sei vor zwei Jahren nach Holland gezogen, sei häufig in B. im Do. Center anzutreffen und nutze einen dunkelblauen VW-Passat mit holländischem Kennzeichen. Eine Identifizierung des „D.“ war der Ermittlungsbehörde aufgrund dieser Angaben nicht möglich. Nach ergänzenden Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung zum Geburtsdatum und vollständigen Namen sowie nach Vorlage eines Fotos des „D. “, konnten die Ermittlungsbehörden diesen identifizieren und feststellen, dass er Anfang März 2015 nach Vietnam ausgereist war.
1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar den Schuldspruch wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Jedoch hat das Landgericht das Konkurrenzverhältnis der Tatbeiträge des Angeklagten unzutreffend beurteilt und ist rechtsfehlerhaft von zwei tatmehrheitlichen Fällen des Handeltreibens ausgegangen. Der Generalbundesanwalt hat dazu ausgeführt:
„Sind an einer Deliktsserie mehrere Personen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu entscheiden. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten - soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt - als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktsserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2014 - 4 StR 284/14 -, juris, Rn. 4, m.w.Nachw.).
Nach diesen Maßstäben hat sich der Angeklagte des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht. Denn er hat zu den beiden Anbauvorgängen (vgl. Bl. 5 UA) keine individuellen, jeweils nur einen Anbauvorgang fördernden Tatbeiträge erbracht. Seine Tatbeiträge - die Vermittlung der Anmietung des Gebäudes sowie die nachfolgende „Kontaktpflege“ zum Vermieter - haben sich vielmehr auf beide Anbauvorgänge gleichermaßen fördernd ausgewirkt, so dass diese ihm als tateinheitlich begangen zuzurechnen sind.“
Dem schließt sich der Senat an und ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
Die Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen. Entsprechend § 354 Abs. 1 StPO kann die im Übrigen ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten gebildete Gesamtfreiheitsstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben. Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung lässt den Unrechtsund Schuldgehalt der Tat unberührt. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer bei Annahme von Tateinheit statt Tatmehrheit auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 4 StR 220/07).
2. Dass die Strafkammer im Übrigen im Rahmen ihrer Strafzumessungsentscheidung die von dem Angeklagten - jedenfalls hinsichtlich des Haupttäters „D.“ verspätet - geleistete Aufklärungshilfe als wesentliches Kriterium für die Annahme minder schwerer Fälle herangezogen hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2017 - 2 StR 291/16). Bei dieser Sachlage bestand keine Veranlassung zu erwägen, ob die - was einzelne Plantagenarbeiter anbelangt gegebenenfalls rechtzeitig geleistete - Teil-Aufklärungshilfe über § 31 BtMG zu einer weiteren Reduzierung des bereits u.a. wegen der verspätet geleisteten Aufklärungshilfe herangezogenen Strafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG führen könnte. Einem Angeklagten, der im Ermittlungsverfahren zunächst nur Nebenbeteiligte benennt und Informationen zu dem Haupttäter bewusst bis zur Hauptverhandlung zurückhält, kann nicht eine doppelte Strafmilderung nach § 30a Abs. 3 BtMG und nach § 31 BtMG zuteil werden.
HRRS-Nummer: HRRS 2017 Nr. 437
Externe Fundstellen: NStZ-RR 2017, 251; StV 2018, 520
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede