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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2017
18. Jahrgang
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Der Versuch der Tat ist unbeendet, wenn die Vollendung aus der Sicht des Täters noch möglich ist. In Fällen unbeendeten Versuchs genügt bloßes Aufgeben weiterer Tatausführung und Nichtweiterhandeln, um die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts zu erlangen. Abzugrenzen sind die Fälle des fehlgeschlagenen Versuchs, in denen entweder der Erfolgseintritt objektiv nicht mehr möglich ist oder der Täter ihn nicht mehr für möglich hält. Beim fehlgeschlagenen Versuch ist der Rücktritt ausgeschlossen. Ein Fall des fehlgeschlagenen Versuchs liegt jedoch nicht vor, wenn der Täter nach anfänglichem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs sogleich zu der Annahme gelangt, er könne ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitstehenden Mitteln die Tat noch vollenden.
1. Wohnmobile und Wohnwagen sind jedenfalls dann, wenn sie Menschen zumindest vorübergehend zur Unterkunft dienen, Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. (BGHSt)
2. Für die vorübergehende Nutzung als Wohnung genügt die Übernachtung auf einem Autobahnparkplatz. (Bearbeiter)
3. Ausreichend ist, wenn die Übernachtung im Wohnmobil oder Wohnwagen im Rahmen einer Urlaubsreise stattfindet. Nicht erforderlich ist, dass die bewegliche Unterkunft dauerhaft genutzt wird. (Bearbeiter)
4. Das Vorhandensein von Schlafplätzen kennzeichnet eine Wohnung typischerweise, ohne aber notwendiges Merkmal einer solchen zu sein. Insbesondere aber dann, wenn ein Wohnmobil oder Wohnwagen zu Schlafzwecken genutzt wird, dient es den Insassen zur Unterkunft und ist Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. (Bearbeiter)
5. Die Entstehungsgeschichte und vor allem der Zweck von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sprechen dafür, Wohnmobile und Wohnwagen jedenfalls dann als „Wohnungen“ anzusehen, wenn die Tat zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu denen eine tatsächliche Wohnnutzung stattfindet. Anlass für die Höherstufung des Wohnungseinbruchdiebstahls war nämlich nicht etwa der besondere Schutz von in einer Wohnung – und damit besonders sicher – aufbewahrten Gegenständen, sondern die mit einem Wohnungseinbruch einhergehende Verletzung der Privatsphäre des Tatopfers. (Bearbeiter)
1. Für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 303b Abs. 1 StGB ist es unerheblich, ob der betroffene Datenverarbeitungsvorgang rechtmäßigen oder rechtswidrigen Zwecken dient. (BGHR)
2. Wer zum Zwecke der Erzielung von Gewinnen durch Werbeeinnahmen ein Internetportal betreibt, auf dem Links zu von Dritten unter Verstoß gegen Urheberrecht vervielfältigten und hochgeladenen Filmen veröffentlich werden, kann Mittäter eines Delikts nach § 106 Abs. 1 UrhG sein. Das gilt zumindest, wenn die – vorliegend zudem in Absprache mit den Portalbetreibern zu eben diesem Zweck – vervielfältigten Filme ohne die Bekanntgabe der jeweiligen Zieladressen (Links) im Internet nicht ohne Weiteres auffindbar sind. Dann materialisiert sich erst durch die Herstellung der Abrufmöglichkeit durch Veröffentlichung der Links die durch den Upload der Raubkopien zwar bereits vollendete, bis dahin aber faktisch folgenlose Urheberrechtsverletzung in der digitalen Außenwelt. (Bearbeiter)
1. Nicht jeder Angriff auf den Hals des Opfers in der Form des Würgens ist eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Von maßgeblicher Bedeutung sind vielmehr Dauer und Stärke der Einwirkung, die zwar nicht dazu führen müssen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, aber abstrakt geeignet sein muss, das Leben des Opfers zu gefährden.
2. Bedingter Tötungsvorsatz setzt voraus, dass der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Beide Elemente des bedingten Vorsatzes müssen in jedem Einzelfall umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls erfolgen, in welche insbesondere die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen sind. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar. Hat der Täter eine offensichtlich äußerst gefährliche Gewalthandlung begangen, liegt es – vorbehaltlich in die Gesamtbetrachtung einzustellender gegenläufiger Umstände des Einzelfalls – nahe, dass er den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Tuns erkannt und, indem er gleichwohl sein gefährliches Handeln begonnen oder fortgesetzt hat, den Todeserfolg auch billigend in Kauf genommen hat.
3. Auch wenn dem Täter bewusst ist, dass man durch Würgen einen Menschen töten könne, belegt dies nur das Wissen um die allgemeine Gefährlichkeit eines solchen Angriffs gegen den Hals eines Menschen. Daraus lässt sich indes nicht ohne weiteres herleiten, dass der Täter in der konkreten Tatsituation auch tatsächlich mit der Möglichkeit rechnete, das Opfer könne zu Tode kommen, und er dies in seine Überlegungen mit einbezog. Es ist durchaus möglich, dass der Täter zwar alle Umstände kennt, ohne sich indes in der konkreten Situation bewusst zu sein, dass sein Vorgehen zum Tode des Opfers führen könne.
4. Bei spontanen, unüberlegten und in affektiver Erregung ausgeführten Handlungen kann auch aus dem Wissen um den möglichen Todeseintritt nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf das selbstständig neben dem Wissenselement stehende Willenselement des Vorsatzes geschlossen werden. Die Einordnung und Würdigung eines spontanen oder in affektiver Erregung erfolgenden Handelns obliegt dabei dem Tatrichter.
1. Der Begriff „Eindringen in den Körper“ in § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB umschreibt besonders nachhaltige Begehungsweisen und stellt sie unter erhöhte Strafdrohung. Erforderlich ist, dass die sexuelle Handlung mit Blick auf das geschützte Rechtsgut, nämlich die ungestörte sexuelle Entwicklung von Kindern, ähnlich schwer wiegt wie eine Vollziehung des Beischlafs. Auf eine besondere Erniedrigung des Opfers stellt § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB daher nicht ab, sondern allein auf das Eindringen in den Körper, welches als schwerwiegende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität anzusehen ist.
2. Eine solche Beeinträchtigung ist bei einem Eindringen mit dem Finger oder mit Gegenständen in Scheide oder After eines Kindes grundsätzlich anzunehmen (vgl. BGHSt 56, 223, 224). Das sexuell motivierte Einführen eines Thermometers, von Zäpfchen und des Daumens in den Anus stellt danach jeweils ein „Eindringen in den Körper“ im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB dar.
Das gewaltsame Entfernen der Kleidung stellt für sich allein grundsätzlich noch keine sexuelle Handlung an dem Körper des Tatopfers dar. Etwas anderes gilt, wenn das gewaltsame Entblößen seinerseits mit einer vom Tatopfer zu duldenden sexuellen Handlung verbunden ist oder wenn sich der Täter nach vorausgegangener Gewaltanwendung durch ein mit körperlichen Berührungen verbundenes geduldetes Herunterreißen der Kleidung geschlechtliche Erregung verschaffen will.
Ein falsches Fahren bei einem Überholvorgang liegt vor, wenn der Täter eine der in § 5 StVO normierten Regeln verletzt oder einen anderweitigen Verkehrsverstoß begeht, der das Überholen als solches gefährlicher macht, sodass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verkehrsverstoß und der spezifischen Gefahrenlage des Überholens besteht.