HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juni 2016
17. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

522. BGH 3 StR 17/15 - Beschluss vom 26. November 2015 (LG Koblenz)

BGHSt; Untreue (Vermögensbetreuungspflicht; Aufsichtsrat; Vermögensbezug haushaltsrechtlicher Vorschriften; Verstoß gegen europarechtliche Vorschriften zur Beihilfe; Handlungsvollmacht; spezifisch dem Vermögensschutz dienende Pflicht; gravierende Pflichtverletzung; unternehmerischer Handlungsspielraum; Business Judgement Rule; Haushaltsuntreue; Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit; Nachteil; Gefährdungsschaden; Gefahr der Verschleifung; eigenständige Ermittlung; Konkretisierung anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens; Übernahme einer Bürgschaft; Unmittelbarkeit; Vollendungszeitpunkt; Mittäterschaft); Wirksamkeit von Satzungsvorschriften bei der GmbH (Bestimmtheit; Zustimmungsvorbehalte; „Generalzustimmung“).

§ 266 StGB; § 54 HGB; § 39 Ziff. 5 Satz 2 VV-LHO RP; Art. 107 AEUV; § 52 Abs. 1 GmbHG, § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG

1. Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH trifft die Pflicht im Sinne des Untreuetatbestands, das Vermögen der Gesellschaft zu betreuen. Es verletzt diese Pflicht u.a. dann, wenn es mit einem leitenden Angestellten der Gesellschaft bei einem das Gesellschaftsvermögen schä-

digenden, die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschreitenden Fehlverhalten zusammenwirkt. (BGHSt)

2. § 39 Ziff. 5 Satz 2 der Vorschriften zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung Rheinland-Pfalz schützt die Vermögensinteressen des Haushaltsgebers. (BGHSt)

3. Zu der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht und dem Eintritt eines Vermögensnachteils bei der Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen für ein Bundesland durch dessen Finanzminister. (BGHSt)

4. Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen begründet keine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen. (BGHSt)

5. Zu den Darlegungsanforderungen bezüglich der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht, wenn dem Angeklagten eine Handlungsvollmacht für die Gesellschaft erteilt wurde. (BGHSt)

6. Die zum Aktienrecht entwickelten, mittlerweile als sog. Business Judgement Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kodifizierten Grundsätze zum Handlungsspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen gelten in gleicher Weise für den Geschäftsführer einer GmbH und sind auch Maßstab für das Vorliegen einer Pflichtverletzung im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB. Das untreuespezifische Merkmal der „gravierenden Pflichtverletzung“ spiegelt der Sache nach nur diesen weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum wider. Maßnahmen, die außerhalb des unternehmerischen Gestaltungsspielraums liegen, sind regelmäßig Pflichtverletzungen i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB, ohne dass es auf weitere Wertungen noch ankommt. (Bearbeiter)

7. An das Merkmal der Vermögensbetreuungspflicht sind nach ständiger Rechtsprechung folgende Anforderungen zu stellen:

a) Eine Betreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestandes ist gegeben, wenn der Täter in einer Beziehung zum (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere, über die für jedermann geltenden Pflichten zur Wahrung der Rechtssphäre anderer hinausgehende Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen. Hierfür ist in erster Linie von Bedeutung, ob sich die fremdnützige Vermögensfürsorge als Hauptpflicht, mithin als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung darstellt. (Bearbeiter)

b) Diese besonders qualifizierte Pflichtenstellung in Bezug auf das fremde Vermögen muss über allgemeine vertragliche Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso hinausgehen wie über eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit. Erforderlich ist weiterhin, dass dem Täter die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen. (Bearbeiter)

8. Eine vertragliche Beziehung, die sich insgesamt als Treueverhältnis im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB darstellt, kann auch Verpflichtungen enthalten, deren Einhaltung nicht vom Untreuetatbestand geschützt wird. Nicht jede vermögensmindernde Pflichtverletzung eines Vermögensbetreuungspflichtigen ist demnach bereits untreuerelevant, sondern nur der Verstoß gegen eine Pflicht, die gerade spezifisch dem Vermögensschutz dient. Maßgebend für die Abgrenzung sind Inhalt und Umfang der Treueabrede, wie sie sich aus den Vertragsvereinbarungen bei sachgerechter Auslegung ergibt. (Bearbeiter)

9. Für das Merkmal des Vermögensschadens sind folgende Gesichtspunkte zu beachten (vgl. BVerfG HRRS 2010 Nr. 656):

a) Der Vermögensnachteil als Taterfolg der Untreue ist durch einen Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sog. Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Opfers aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, das bereits zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. (Bearbeiter)

b) Da es sich bei der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nicht um eine richterrechtlich geschaffene besondere Kategorie von Gefährdungsdelikten handelt, sondern auch in diesem Fall die Vermögensminderung tatsächlich eingetreten sein muss, reicht es nicht aus, lediglich die bloße (konkrete) Gefährdung des Vermögens festzustellen. Dies birgt je nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahr einer Verschleifung der Tatbestandsmerkmale der Pflichtwidrigkeit und des Vermögensschadens; ebenso ist ein solches Vorgehen aufgrund einer undifferenzierten Gleichsetzung von zukünftiger Verlustgefahr und gegenwärtigem Schaden geeignet, die gesetzgeberische Entscheidung, den Versuch der Untreue nicht unter Strafe zu stellen, zu unterlaufen. Daher dürfen die Verlustwahrscheinlichkeiten auch nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. (Bearbeiter)

c) Der Vermögensnachteil ist daher eigenständig zu ermitteln und anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren. Voraussetzung ist dabei, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist. Unter diesen Voraussetzungen kann auch bereits in dem Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine vermögensnachteilsgleiche Vermögensgefährdung liegen. (Bearbeiter)

10. Die Übernahme einer Bürgschaft stellt einen den Bürgen verpflichtenden Rechtsakt dar. Mangels eines unmittelbaren Zahlungsabflusses liegt in der Bürgschaft zunächst nur eine abstrakt wirkende Belastung, die die Gefahr der späteren Inanspruchnahme in sich trägt. Ein Vermögensnachteil im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB besteht bei Abgabe der Bürgschaftserklärung nur dann, wenn sich die künftige Verlustgefahr aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit des Bürgschaftsfalles schon zu diesem Zeitpunkt so weit verdichtet hat, dass sie als schadensgleich zu qualifizieren ist. Mit der vollen Höhe der Bürgschaftssumme kann ein Gefährdungsschaden nur angesetzt werden, wenn mit einer Inanspruchnahme von vornherein zu rechnen ist oder es sich bei dem durch die Bürgschaft ermöglichten Vorhaben um ein hochspekulatives Risikoprojekt handelt. (Bearbeiter)

11. Der Verstoß gegen den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 LHO) kann grundsätzlich eine untreuerelevante Pflichtwidrigkeit darstellen. Inhaltliche Aufgabenprioritäten lassen sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot jedoch nicht ableiten; dieses trifft keine Aussage über das verfolgte Ziel; es ist mithin zwar eine Verfahrensmaxime, aber kein Maßstab, der an das politisch-gestalterische Ziel anzulegen ist. Schließlich stellt das Gebot nur einen äußeren Begrenzungsrahmen des bestehenden Entfaltungs- und Gestaltungsspielraums dar und verhindert nur solche Maßnahmen, die mit den Grundsätzen vernünftigen Wirtschaftens schlicht unvereinbar sind. (Bearbeiter)

12. In der Nichtbeachtung der Art. 107 ff. AEUV liegt nicht schon deshalb ohne Weiteres ein Verstoß gegen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, weil eine europarechtswidrige Ausgabe nicht geleistet werden dürfe und damit zwangsläufig haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgrundsätze verletze. Die Unwirtschaftlichkeit einer Maßnahme der öffentlichen Hand verstößt nicht zwangsläufig gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil dieses nur eine relative Betrachtung gemessen am selbst nicht zu bewertenden, mit der Leistung verfolgten Zweck verlangt. (Bearbeiter)

13. Die Tathandlung im Rahmen von § 266 Abs. 1 StGB muss den Vermögensnachteil unmittelbar bewirken. Besteht dieser bei der Untreue durch die Übernahme einer Bürgschaft darin, dass im Tatzeitpunkt aufgrund der Rahmenumstände sicher zu erwarten ist, dass der Bürgschaftsfall eintritt, so ist die aufgrund der Eintrittswahrscheinlichkeit schon durch Eingehen der Verbindlichkeit bewirkte Vermögensminderung in diesem Sinne unmittelbar. Unerheblich ist dann, ob der Erfüllungsschaden isoliert betrachtet eine derartige sachliche und zeitliche Nähe zu der Pflichtverletzung aufweist, dass er dem Unmittelbarkeitserfordernis genügen könnte. (Bearbeiter)

14. Mit dem erstmaligen Eintritt des Vermögensnachteils, im Fall der einem Schaden gleichkommenden Gefährdungslage schon mit dieser, ist das Delikt der Untreue vollendet. Spätere Entwicklungen, die den Schaden vertiefen oder entfallen lassen, wirken sich allerdings auf das Maß der Schuld aus. Sie sind daher für die Beurteilung von Tat und Täter von Bedeutung und vom Gericht zu ermitteln. Der Grundsatz, dass sich Untersuchung und Entscheidung auf die in der Anklage bezeichnete Tat beschränken (§§ 155, 264 StPO), steht dem nicht entgegen. (Bearbeiter)

15. Rechtsgrundlos geleistete Zahlungen stellen zwar jedenfalls dann eine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes dar, wenn das den Rechtsgrund bildende Rechtsgeschäft wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) unwirksam ist (BGH HRRS 2013 Nr. 185). Angesichts der den § 125 Satz 2, § 134 BGB zugrundeliegenden unterschiedlichen Normzwecke ist jedoch zweifelhaft, ob dies in gleicher Weise generell auch dann anzunehmen ist, wenn die Unwirksamkeit des Rechtsgrundes aus einem Verstoß gegen ein - wie hier - rechtsgeschäftlich begründetes Formerfordernis folgt. (Bearbeiter)


Entscheidung

529. BGH 3 StR 142/15 - Beschluss vom 25. Februar 2016 (LG Kleve)

BGHR; Marktmanipulation („sonstige Täuschungshandlungen“; Bestimmtheit; Auslegung unter Berücksichtigung europäischer Rechtsakte, Richtlinie; Einwirkung auf den Börsenpreis; Feststellung; Kausalität; subjektive Gewissheit; Überzeugungsbildung; Täterschaft und Teilnahme; Jedermanndelikt); Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen (Rechtsfrage; Ermessen des Vorsitzenden; zu Grunde liegende Tatsachen; revisionsgerichtliche Überprüfung; keine Ermittlung von Tatsachen durch das Gericht; strukturelle Verknüpfung der Referate Marktanalyse und Ermittlung bei der BaFin; kein genereller Ausschluss als Gutachter); Verfall bei informationsgestützten Manipulationen (erlangtes Etwas; Vertretungsfälle; Verfügungsgewalt).

§ 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG; § 38 Abs. 2 Nr. 1 WpHG; § 261 StPO; § 73 StGB; § 73 Abs. 1 Satz 1 StPO; § 74 Abs. 3 StPO

1. Das Tatbestandsmerkmal "sonstige Täuschungshandlungen" im Sinne des § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG entspricht bei einer am Inhalt der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) sowie der Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG vom 22. Dezember 2003 orientierten Auslegung dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes. (BGHR)

2. Zur Feststellung einer Einwirkung auf den Börsenpreis im Sinne des § 38 Abs. 2 Nr. 1 WpHG. (BGHR)

3. Auf den Börsenpreis wird nach gängiger Definition eingewirkt, wenn er künstlich - das heißt gegen die wahren wirtschaftlichen Verhältnisse am Markt - erhöht, abgesenkt oder auch nur stabilisiert wird. Entscheidend ist, dass die manipulative Handlung kausal für die weitere Preisentwicklung ist. Für die diesbezügliche tatrichterliche Überzeugungsbildung gilt - wie auch sonst - § 261 StPO. Rechtsfehlerfreie richterliche Überzeugung ist insoweit subjektive Gewissheit auf hinreichender Tatsachengrundlage. Auf deren Basis müssen die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse möglich, nicht dagegen schlechterdings zwingend sein. Es besteht weiterhin auch in dem Bereich des Wertpapierhandels kein Anlass, zugunsten des Angeklagten Sachverhaltsvarianten zu unterstellen, für die es keinerlei Anhaltspunkte gibt. (Bearbeiter)

4. Hinsichtlich der Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen ist Folgendes zu beachten:

a) Ob die Besorgnis der Befangenheit berechtigt ist, ist eine Rechtsfrage. Ein Ermessen steht dem Tatgericht insoweit nicht zu. Dabei gelten für die Prüfung, ob der Tatrichter den einen Sachverständigen ablehnenden Antrag mit Recht zurückgewiesen hat, nicht die Grundsätze der Beschwerde, sondern die der Revision. Da das Revisionsgericht mithin an die vom Instanzgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen gebunden ist, ist es erforderlich, dass das Tatgericht in seinem Ablehnungsbeschluss darlegt, von welchen Tatsachen es ausgeht. (Bearbeiter)

b) Das Tatgericht ist indes nicht gehalten, selbst Umstände zu ermitteln, die möglicherweise die Besorgnis der Befangenheit begründen könnten. Vielmehr ist der Ablehnungsgrund vom Antragsteller gemäß § 74 Abs. 3 StPO glaubhaft zu machen. Dieser hat daher Tatsachen vorzutragen und so weit zu beweisen, dass das Gericht sie für wahrscheinlich hält, wobei er sich insbesondere auf das Zeugnis des Abgelehnten berufen kann. (Bearbeiter)

c) Aus der strukturellen Verknüpfung der Referate Marktanalyse und Ermittlung innerhalb der BaFin folgt nicht, dass deren Mitarbeiter generell als Sachverständige im Strafprozess ausschieden. Zwar hat das Gericht bei der Auswahl des Sachverständigen nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StPO darauf zu achten, dass dieser im Vorfeld nicht selbst ermittelnd tätig war und er das Gutachten eigenverantwortlich und frei von jeder Beeinflussung erstatten kann. Aus § 40a Abs. 1 Satz 2 WpHG folgt jedoch unmittelbar, dass insoweit die grundsätzliche Weisungsgebundenheit eines Mitarbeiters der BaFin bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht genügt, um diesen als Gutachter auszuschließen. (Bearbeiter)

5. Der Senat vermag der in der Literatur vielfach vertretenen Ansicht nicht zu folgen, eine Verfallsanordnung scheide bei informationsgestützten Manipulationen schon deshalb aus, weil unmittelbar aus diesen Taten nichts erlangt werde und das spätere Ausnutzen des zuvor manipulierten Börsenpreises keinen unmittelbar aus der Tat erlangten Vermögenszuwachs darstelle. (Bearbeiter)

6. In Vertretungsfällen gemäß § 73 Abs. 3 StGB, in denen der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter (§ 14 StGB) oder als sonstiger Angehöriger einer juristischen Person für diese handelt und die Vermögensmehrung bei der juristischen Person eintritt, gilt Folgendes:

a) Es kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Täter Verfügungsgewalt an dem Erlangten hat. Regelmäßig ist vielmehr davon auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die vom Privatvermögen des Täters zu trennen ist. (Bearbeiter)

b) Für eine Verfallsanordnung gegen den Täter bedarf es daher auch in Fällen einer - legalen - Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, dass dieser selbst etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat. Eine solche Feststellung rechtfertigende Umstände können etwa darin zu sehen sein, dass der Täter die juristische Person nur als formalen Mantel seiner Tat nutzt, eine Trennung zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft aber nicht vornimmt, oder darin, dass jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird. (Bearbeiter)


Entscheidung

591. BGH 2 StR 36/15 - Urteil vom 24. März 2016 (LG Frankfurt a. M.)

Betrug (Vermögensschaden; Schädigungsvorsatz: Gefährdungsschaden; Vorliegen eines besonders schweren Falls); Gründungsschwindel (Vollendungszeitpunkt); Anordnung des Verfalls (entgegenstehende Ansprüche Dritter).

§ 263 Abs. 1, Abs. 3 StGB; § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG; § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB

1. Für den für § 263 Abs. 1 StGB erforderlichen Vorsatz bezüglich des Eintritts eines Vermögensschadens genügt es, dass der Täter das mit einer Geldanlage verbundene konkrete Verlustrisiko für die Anleger erkannt und gebilligt hat. Der Betrugsvorsatz muss nicht auf den Eintritt eines Erfüllungs- oder Endschadens gerichtet sein muss (vgl. BGHSt 53, 199, 204). Der Schädigungsvorsatz entfällt auch nicht deshalb, weil der Täter beabsichtigt, hofft oder glaubt, einen endgültigen Vermögensschaden abwenden zu können (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 328, 330).

2. Bei § 399 Abs.1 Nr. 4 AktG handelt es sich jedoch um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, so dass es infolge der Falschangaben nicht zu einer unrichtigen Eintragung in das Handelsregister kommen muss. Der Tatbestand des § 399 Abs. 1 Nr. 4 AktG ist daher schon mit der Kenntnisnahme der falschen Angaben durch das Registergericht vollendet.


Entscheidung

605. BGH 2 StR 505/15 - Beschluss vom 31. März 2016 (LG Darmstadt)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Nachlieferung aufgrund Mangelhaftigkeit der ersten Betäubungsmittellieferung: Tateinheit).

§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG; § 52 Abs. 1 StGB

Wird eine zum Weiterverkauf erworbene Rauschgiftmenge umgetauscht, weil die gelieferte Qualität nicht den Erwartungen entspricht, so ist die Nachlieferung einer mangelfreien Ware auf die Abwicklung ein und desselben Rauschgiftgeschäfts gerichtet (vgl. BGH NStZ 2011, 97).


Entscheidung

563. BGH 1 StR 38/16 - Beschluss vom 5. April 2016 (LG München I)

Unerlaubtes bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Begriff des Mitsichführens; Anwendbarkeit des Qualifikationstatbestandes auch in Fällen, in denen die mitgeführten Drogen nicht entdeckt werden oder der gefährliche Gegenstand nicht eingesetzt wird; Verhältnis zur unerlaubten bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge).

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG

1. Das für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes unerlaubtem bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln notwendige Mitsichführen von Ge-

genständen, die zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, liegt dann vor, wenn der Täter gefährliche Gegenstände bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich ihrer jederzeit bedienen kann (vgl. BGH NStZ 1997, 137). Hierfür genügt, dass die gefährlichen Gegenstände dem Täter in irgendeinem Stadium des Tathergangs zur Verfügung stehen, d.h. sich so in seiner räumlichen Nähe befinden, dass er sich ihrer jederzeit, also ohne nennenswerten Zeitaufwand, und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann (vgl. BGHSt 52, 89, 93). Setzt sich die Tat aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand des Mitsichführens eines gefährlichen Gegenstands nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist.

2. Eine den erhöhten Strafrahmen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erhöhte Rechtsgutsgefährlichkeit besteht in Situationen einer Kontrolle des bewaffneten Täters durch Angehörige von Strafverfolgungsbehörden auch dann, wenn diesen der Umstand eines unerlaubten Umgangs des Kontrollierten mit Betäubungsmitteln (zunächst) unbekannt bleibt. Im Hinblick auf den Schutzzweck von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist es daher für solche Fallgestaltungen nicht veranlasst, strengere Anforderungen an die subjektive Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen bei Mitführen von gekorenen Waffen zu stellen. Eine allgemeine Einschränkung des Qualifikationstatbestandes in Konstellationen, in denen die von Gesetz angenommene (generelle) Gefährlichkeit sich konkret nicht verwirklicht hat, kommt erst recht nicht in Betracht (vgl. BGHSt 43, 8, 12 f.).

3. Zwar ist grundsätzlich neben dem bewaffneten unerlaubten Handeltreiben eine Verurteilung wegen bewaffneter unerlaubter Einfuhr nicht möglich. Die Einfuhr erweist sich aber dann nicht als unselbständiger Teilakt des Handeltreibens, wenn die durch einen einheitlichen Vorgang erworbene Menge des Betäubungsmittels teils für den gewinnbringenden Weiterverkauf und teils für den Eigenkonsum bestimmt ist (vgl. BGH NStZ 2007, 529).


Entscheidung

580. BGH 1 StR 629/15 - Urteil vom 21. April 2016 (LG Weiden)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tateinheit: Bewertungseinheit durch gleichzeitigen Besitz der Gesamtmenge); tatrichterliche Beweiswürdigung (revisionsrechtliche Überprüfbarkeit: Lückenhaftigkeit, keine Auseinandersetzung mit fernliegenden Sachverhaltsmöglichkeiten); Strafzumessung (revisionsrechtliche Überprüfbarkeit).

§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG; § 52 StGB; § 261 StPO; § 46 StGB

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werden mehrere Verkaufsvorgänge durch den Erwerb und Besitz der hierzu bestimmten Gesamtmenge zu einer Bewertungseinheit verbunden, wenn sie denselben Güterumsatz betreffen. Dabei setzt die Annahme einer Bewertungseinheit konkrete Anhaltspunkte dafür voraus, dass bestimmte Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren. Eine willkürliche Zusammenfassung kommt dagegen nicht in Betracht.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründet der Besitz verschiedener und zu unterschiedlichem Handel bestimmter Betäubungsmittel, die zu keinem Zeitpunkt zu einem Depot verbunden waren, nicht bereits aufgrund einer zeitlichen Überschneidung eine Bewertungseinheit (vgl. BGH NStZ-RR 2015,113). Zwar verwirklicht der gleichzeitige Besitz unterschiedlicher Betäubungsmittelmengen den Tatbestand des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nur einmal (vgl. BGH NStZ-RR 2016,). Dient aber der Besitz an den Betäubungsmitteln dem Zweck der gewinnbringenden Weiterveräußerung, tritt die Strafbarkeit wegen Besitzes hinter das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zurück (st. Rspr). Der Besitz hat deshalb mangels Wertgleichheit nicht die Kraft, selbständige, die Voraussetzungen des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllende Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge untereinander zur Tateinheit zu verbinden (vgl. BGH NStZ-RR 2016, 82).

3. Eine Lücke der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn sich das Tatgericht mit tatsächlich vorhandenen Anhaltspunkten für nahe liegende andere Möglichkeiten nicht auseinandergesetzt hat. Es ist aber weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr). Deshalb braucht das tatrichterliche Urteil bloß theoretische Möglichkeiten auch nicht zu erörtern (vgl. BGH wistra 2012,), sondern muss sich nur mit nach der Sachlage naheliegenden Möglichkeiten auseinandersetzen (vgl. BGH NStZ-RR 2005, 147). Wenn sich in der Hauptverhandlung keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass an sich selbständige Betäubungsmittelgeschäfte dieselbe Betäubungsmittelmenge betreffen, stellt es daher auch keinen Rechtsfehler dar, wenn das Tatgericht im Urteil die Frage einer Tat im Rechtssinne nicht erörtert.


Entscheidung

547. BGH 3 StR 554/15 - Beschluss vom 5. April 2016 (LG Bad Kreuznach)

Keine Beteiligung an der Einfuhr von Betäubungsmitteln des ohne Einfluss auf den Einfuhrvorgang im Inland wartenden Empfängers; rechtsfehlerhaftes Absehen von der Unterbringungsanordnung (Verhältnis zur Zurückstellung der Vollstreckung; Erfolgsaussicht; Wecken der Therapiebereitschaft während der Therapie).

§ 29 BtMG; § 64 StGB; § 35 BtMG

Auch der im Inland aufhältige Empfänger von Betäubungsmitteln aus dem Ausland kann wegen täterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln strafbar sein, wenn er sie durch Dritte über die Grenze bringen lässt und dabei mit Täterwillen die Tatbestandsverwirklichung fördernde Beiträge leistet. Hat der Empfänger hingegen keinen Einfluss auf den Einfuhrvorgang und wartet er nur darauf, dass der Lieferant ihm die eingeführten Betäubungsmittel bringt, kann er sich zwar etwa wegen einer Bestellung des Rauschgifts wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln strafbar machen; die bloße Bereitschaft zur Entgegennahme der eingeführten Betäubungsmittel begründet aber weder die Stellung als Mittäter noch als Gehilfe der Einfuhr.