HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 605
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede
Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 505/15, Beschluss v. 31.03.2016, HRRS 2016 Nr. 605
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 15. April 2015, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen schuldig ist,
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II.2. bis II.4. der Urteilsgründe und im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
II. 1. Die Revision des Angeklagten E. gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 3.500 Euro angeordnet. Den Angeklagten E. hat es wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten S. hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Revision des Angeklagten E. ist unbegründet.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts bezogen der Angeklagte S. und sein Neffe C. S. Marihuana aus B., um es im Raum O. zu verkaufen. Die Drogen wurden jeweils durch einen Kurier mit einem präparierten Lieferfahrzeug nach O. gebracht, wo sie mit Hilfe des Angeklagten E. in einer Tiefgaragenanlage in Empfang genommen wurden.
a) So brachte der Angeklagte A., der kein Rechtsmittel eingelegt hat, am 9. Mai 2014 eine Lieferung von mindestens 4 kg Marihuana aus Br. nach O., und wurde von den Angeklagten durch Öffnen eines Rolltors in die Tiefgaragenanlage eingelassen, in der die Drogenlieferung aus dem Fahrzeug entnommen wurde. Das Marihuana wurde in der Folgezeit gewinnbringend verkauft (Fall II.1. der Urteilsgründe).
b) Am 27. Juni 2014 brachte der Angeklagte A. mindestens fünf Kilo Marihuana aus Br. zu C. S., der den Kurier in der Tiefgarage in O. erwartete. Der Angeklagte S. stand während der Lieferfahrt telefonisch im Kontakt mit dem Lieferanten. Nach dem Verkauf des Marihuanas beklagte sich ein Abnehmer darüber, dass es von minderwertiger Qualität sei. Der Angeklagte S. brachte deshalb 4 kg zurück zu seinem Lieferanten, erhielt aber nicht sogleich Ersatz dafür. Das restliche Kilogramm Marihuana verkaufte er (Fall II.2. der Urteilsgründe).
c) Am 1. Juli 2014 bestellte der Angeklagte S. erneut 8 kg Marihuana, von denen 4 kg als Ersatz für die mangelhafte Ware aus der vorangegangenen Lieferung gedacht waren. Die Betäubungsmittel wurden durch einen unbekannt gebliebenen Kurier mit dem Fahrzeug des Angeklagten A. nach O. gebracht und dort von C. S. in Empfang genommen, während S. mit diesem in telefonischem Kontakt stand. Nach der Veräußerung dieser Betäubungsmittel beklagte sich erneut ein Abnehmer über die schlechte Qualität. Der Lieferant wollte diesmal die mangelhafte Ware zunächst nicht zurücknehmen, sondern nur den Kaufpreis mindern (Fall II.3. der Urteilsgründe).
d) Nachdem der Drogenlieferant eine bessere Quelle erschlossen hatte, vereinbarte der Angeklagte S. mit ihm die Lieferung von 8 kg Marihuana. Davon waren nunmehr doch 4 kg als Ersatz für die mangelhafte Ware aus der vorangegangenen Lieferung gedacht, die ihrerseits an den Lieferanten zurückgeschickt werden sollte. Der Drogenkurier sollte nach der Übergabe der 8 kg Marihuana einen Bargeldbetrag in Höhe von 15.000 Euro mitnehmen und dem Lieferanten als Anzahlung auf den Kaufpreis der neuen Lieferung überbringen. Als der Angeklagte A. mit der Drogenlieferung in O. eintraf und von den Angeklagten S. und E. in der Tiefgaragenanlage in Empfang genommen wurde, erfolgte ein Zugriff der Polizei, welche die Drogenlieferung, den Bargeldbetrag von 15.000 Euro und weiteres Marihuana aus früheren Lieferungen in einem Lagerraum sowie in einem geparkten Pkw sicherstellte (Fall II.4. der Urteilsgründe).
2. Das Landgericht hat die Handlungen des Angeklagten S. als vier rechtlich selbständige Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Die Unterstützung durch den Angeklagten E. hat es als einheitliche Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angesehen.
Die Bewertung der Konkurrenzlage durch das Landgericht ist zum Nachteil des Angeklagten S. rechtsfehlerhaft.
In den Fällen II.3. und II.4. ist Ersatz für mangelhafte Ware aus der jeweils vorangegangenen Lieferung überbracht worden. Dadurch treffen die neuen Mengen und die Ersatzmengen bei der Anlieferung in einer Handlung zusammen. Wird eine zum Weiterverkauf erworbene Rauschgiftmenge umgetauscht, weil die gelieferte Qualität nicht den Erwartungen entspricht, so ist die Nachlieferung einer mangelfreien Ware auf die Abwicklung ein und desselben Rauschgiftgeschäfts gerichtet (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Januar 2010 - 2 StR 563/09, NStZ 2011, 97; Beschluss vom 30. Juni 2010 - 2 StR 323/09, NStZ-RR 2010, 26). Im vorliegenden Fall treffen die Fälle der gleichzeitigen Anlieferung von neuem Marihuana und Ersatz für mangelhafte Teile der vorangegangenen Lieferung zusammen. Auf diese Weise sind die Nachlieferung im Fall II.3. mit der Drogenlieferung aus Fall II.2. und die Nachlieferung im Fall II.4. mit der Drogenlieferung aus Fall II.3. verknüpft. Insgesamt liegt in den Fällen II.2. bis II.4. der Urteilsgründe nur eine Tat vor. Nur Fall II.1. bildet demgegenüber eine rechtlich selbstständige Handlung. Im Ergebnis liegen zwei Taten vor.
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte S. sich nicht anders als geschehen hätte verteidigen können. Seine weitergehende Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 12. November 2015 genannten Gründen unbegründet.
Die Revision des Angeklagten E. ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund seiner Sachrüge keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat. Durch die Annahme einer einheitlichen Beilhilfehandlung ist der Angeklagte E. nicht beschwert.
HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 605
Externe Fundstellen: StV 2017, 291
Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede