Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni 2016
17. Jahrgang
PDF-Download
Von Dr. Jochen Bader, Karlsruhe[*]
Am 21. November 2015 ist das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes (GVZBV) in Kraft getreten[1]. Ein wichtiger Bestandteil dieses Gesetzes sind die neu geschaffenen §§ 9a und 9b des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG). Diese betreffen das nachrichtendienstliche Mittel des Einsatzes von Verdeckten Mitarbeitern und von Vertrauensleuten.
Mit der Neuregelung wurden folgende Fragen angegangen:
1. Welches strafrechtlich relevante Verhalten von Verdeckten Mitarbeitern und von Vertrauensleuten der Nachrichtendienste ist gerechtfertigt?
2. Was geschieht, wenn sich Verdeckte Mitarbeiter oder Vertrauensleute strafbar gemacht haben?
3. Nach welchen Kriterien müssen Vertrauensleute der Nachrichtendienste ausgesucht werden?
Bestehenden Regelungsbedarf haben zum einen der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages und die Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus (BLKR) aufgezeigt[2]. Zum anderen dürfte ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 6. September 9.2011 das Bedürfnis nach Rechtssicherheit verstärkt haben. Das OLG Düsseldorf hatte eine gegen Entgelt und im Auftrag des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Deutschland handelnde Vertrauensperson wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland und wegen strafbarer Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit dieser erstinstanzlichen OLG-Entscheidung wurde der Auffassung, dass die einsatzbedingte Erfüllung von Straftatbeständen durch Vertrauensleute unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung von Dienstrechten bzw. einer Amtsbefugnis strafrechtlich gerechtfertigt sein könne, eine klare Absage erteilt[3].
Die neuen §§ 9a und 9b BVerfSchG spielen nicht nur für die eingesetzten Verdeckten Mitarbeiter und Vertrauensleute selbst eine große Rolle, sondern auch für diejenigen, die in den Diensten für die Einsätze verantwortlich sind. Denn die Frage, ob sich auch VP-Führer wegen Anstiftung oder Beihilfe strafbar machen können, hängt aufgrund der allgemeinen Beteiligungsregeln des StGB entscheidend von der strafrechtlichen Bewertung des Handelns der menschlichen Quelle ab (limitierte Akzessorietät).
Durch das GVZBV wurden auch § 3 S. 2 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) und § 5 des Gesetzes über den Militärischen Abschirmdienst (MADG) geändert, die nun die §§ 9a und 9b BVerfSchG für entsprechend anwendbar erklären. Für Verdeckte Mitarbeiter und Vertrauensleute des BND (im Inland) und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) gelten damit dieselben Regeln wie für die des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV). Die nachfolgende Untersuchung erfolgt aus Gründen einer klareren Darstellung jedoch allein mit Blick auf die Tätigkeit des BfV.
Um seinem gesetzlichen Auftrag nach § 3 BVerfSchG effektiv nachkommen zu können, ist das BfV auf menschliche Quellen angewiesen. Mitunter schwierig ist dabei der Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und von Vertrauensleuten zur Aufklärung terroristischer Vereinigungen, extremistischer Gruppierungen und verbotener Vereinigungen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Frage, welches Einsatzverhalten im strafrechtsrelevanten Bereich gerechtfertigt ist[4]. Es liegt in der Natur der Sache, dass Verdeckte Mitarbeiter oder Vertrauensleute einer entsprechenden Vereinigung oder Gruppierung sehr nahe kommen müssen, um wichtige Informationen erlangen zu können. Auch ohne Beteiligung an den konkreten Katalogtaten im Sinne des § 129a StGB besteht dabei aufgrund der weiten Tatbestände verschiedener Organisationsdelikte die Gefahr, dass die eingesetzte Person entsprechende Straftatbestände verwirklicht[5]. Solche Einsätze können den Tatbestand der mitgliedschaftlichen Beteiligung (§ 129a Abs. 1 StGB) oder der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (129a Abs. 5 StGB) erfüllen. Ist die aufzuklärende Organisation zudem verboten worden, können auch Straftatbestände gemäß § 20 Abs. 1 VereinsG, § 84 Abs. 2 oder § 85 Abs. 2 StGB verwirklicht werden. Über die Verwirklichung von Organisationsdelikten hinaus kann sich im Einsatz zur Vermeidung einer Enttarnung auch die Notwendigkeit solcher identitätsstiftender Verhaltensweisen ergeben, die ebenfalls Straftatbestände erfüllen (sog. Begleitdelikte). Beispiele dafür sind etwa die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) oder strafbare Verstöße gegen das versammlungsrechtliche Vermummungsverbot (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 Versammlungsgesetz des Bundes oder entsprechende landesrechtliche Regelung)[6].
Zum besseren Verständnis der neuen §§ 9a und 9b BVerfSchG lohnt ein kurzer Blick auf den bisherigen Meinungsstand zur strafrechtlichen Rechtfertigung des Einsatzes von Vertrauensleuten der Nachrichtendienste. Bezüglich der Frage, wie das Handeln im strafrechtsrelevanten Bereich der Organisationsdelikte bisher beurteilt worden ist, prägen zwei Auffassungen die Diskussion. Teile der Literatur[7] gehen davon aus, dass die maßgeblichen nachrichtendienstlichen Regelungen konkludent eine Befugnis zum Eingriff in straftatbestandlich geschützte Rechtsgüter enthalten. Angenommen wird ein Rechtfertigungsgrund für die Wahrnehmung einer amtlichen Befugnis (sog. Amtsrecht). Danach stellte beispielsweise § 8 Abs. 2 BVerfSchG (a. F.) in Verbindung mit § 9 BVerfSchG (a. F.) nicht nur die erforderliche Ermächtigungsgrundlage für den Einsatz von Vertrauensleuten als solches dar, sondern war auch ein strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund. Dementsprechend wird auch in der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes (Begründung des Regierungsentwurfs) mit Blick auf den bisherigen § 8 Abs. 2 BVerfSchG ausgeführt:
"Herkömmlich wird diese Regelung als Amtsrecht verstanden, das zwar nicht zu Grundrechtseingriffen befugt, im Übrigen aber im Rahmen des gesetzlichen Auftrags und unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit die Anwendung der Mittel rechtfertigt. Dies gilt beispielsweise für die Herstellung von Tarnpapieren zum Aufbau einer Legende eines verdeckt eingesetzten Mitarbeiters, dessen Mitgliedschaft in einer strafbaren Vereinigung zu deren Aufklärung von innen oder für das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a Strafgesetzbuch (StGB)) im rechtsextremistischen Milieu als szenetypisches Verhalten."[8]
Gleichzeitig findet sich hier der Hinweis, dass diese Auffassung zunehmend umstritten sei[9]. Die in diesem Zusammenhang in der Begründung des Regierungsentwurfs nur angedeuteten Gegenstimmen sind in Teilen der Literatur[10] und in dem bereits genannten Urteil des OLG Düsseldorf zu verorten. Das OLG Düsseldorf hat die Verurteilung einer Vertrauensperson des BND wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ergebnis damit begründet, dass die Ausübung hoheitlicher Gewalt per se noch keinen Rechtfertigungsgrund darstelle[11]. Es bedürfe vielmehr einer hinreichend kon-
kreten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in Form einer Befugnisnorm. § 8 Abs. 2 BVerfSchG (a. F.) – auch in Verbindung mit § 9 BVerfSchG (a. F.) – erfülle diese Voraussetzungen jedenfalls nicht. Anders verhalte sich dies grundsätzlich bei Befugnisnormen, die konkret regeln, welches Verhalten unter welchen Voraussetzungen erlaubt ist, und so in hinreichend bestimmter Weise den Schluss zulassen, dass das Verhalten trotz der Verwirklichung von Straftatbeständen aufgrund seiner Rechtmäßigkeit nicht strafbar ist[12].
Mit den neuen §§ 9a und 9b BVerfSchG wird der dargestellte Meinungsstreit nun zumindest für die Nachrichtendienste des Bundes entschärft. Mangels Gesetzgebungskompetenz für die Befugnisse der Landesämter für Verfassungsschutz (LfV) konnte mit dem GVZBV keine bundesweit einheitliche Regelung geschaffen werden[13]. Soweit die Länder in ihren Verfassungsschutzgesetzen keine vergleichbaren Regelungen getroffen haben, besteht der Meinungsstreit fort.
Bevor im Einzelnen auf die §§ 9a und 9b Abs. 1 BVerfSchG eingegangen wird, soll das systematische Zusammenspiel der relevanten Normen des BVerfSchG kurz erläutert werden. In § 9a Abs. 1 BVerfSchG ist nun die allgemeine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern neu geregelt worden. § 9a Abs. 2 BVerfSchG schafft den Rahmen für die strafrechtliche Rechtfertigung des Einsatzverhaltens[14]. Mit § 9a Abs. 3 BVerfSchG wird ein strafprozessualer Einstellungstatbestand für den Fall geschaffen, dass dieser Einsatzrahmen überschritten wird.
Für den Einsatz von Vertrauensleuten ist nach § 9b Abs. 1 S. 1 BVerfSchG § 9a BVerfSchG entsprechend anzuwenden. Damit gelten für Verdeckte Mitarbeiter und für Vertrauensleute dieselben Einsatzvoraussetzungen und Einsatzschranken sowie dieselbe strafprozessuale Einstellungsvorschrift. Die nachfolgende Darstellung gilt daher für Verdeckte Mitarbeiter und für Vertrauensleute gleichermaßen.
Nach § 9a Abs. 1 S. 1 BVerfSchG darf das BfV eigene Mitarbeiter[15] unter einer ihnen verliehenen und auf Dauer angelegten Legende zu Aufklärungszwecken unter den Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BVerfSchG einsetzen[16] . In § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BVerfSchG wiederum wird auf § 3 Abs. 1 BVerfSchG verwiesen, womit auf das Beobachtungsspektrum des BfV Bezug genommen wird. Darüber hinaus werden durch den Verweis auf § 9 Abs. 1 BVerfSchG der Subsidiaritätsgrundsatz und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Einsatzvoraussetzungen ausdrücklich festgelegt (§ 9 Abs. 1 S. 2 u. 3 BVerfSchG). Soll sich der Einsatz gegen eine unter § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BVerfSchG fallende Bestrebung richten, ist die Eingriffsschwelle für einen dauerhaften Einsatz erhöht worden. In diesen Fällen ist nach § 9a Abs. 1 S. 2 BVerfSchG der dauerhafte Einsatz nur noch bei einer Bestrebung von erheblicher Bedeutung zulässig.
In § 9a Abs. 2 BVerfSchG werden dem Einsatzverhalten Schranken gesetzt. § 9a Abs. 2 S. 1 BVerfSchG stellt klar, dass Verdeckte Mitarbeiter und Vertrauensleute nicht zur Gründung und steuernder Einflussnahme von Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 oder 4 BVerfSchG eingesetzt werden dürfen. Wo die Grenze zwischen einsatzbedingtem Agieren und einer steuernden Einflussnahme verläuft, ist ein tatsächliches Problem des Einzelfalls und verdeutlicht die Notwendigkeit einer effektiven operativen Kontrolle.
§ 9a Abs. 2 S. 2 BVerfSchG regelt nunmehr ausdrücklich die strafrechtlich rechtfertigende Befugnis zur "Infiltration" von Personenzusammenschlüssen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 oder 4 BVerfSchG einschließlich strafbarer Vereinigungen[17]. Verdeckte Mitarbeiter und Vertrauensleute des BfV dürfen danach zur Aufklärung in solchen Personenzusammenschlüssen oder für solche Personenzusammenschlüsse tätig werden. Einsatzbedingte Zuwiderhandlungen gegen die §§ 129, 129a, 129b StGB oder gegebenenfalls auch gegen § 84 Abs. 2 und § 85 Abs. 2 StGB sowie gegen § 20 VereinsG können damit gerechtfertigt sein, soweit sie verhältnismäßig sind.
Im Regierungsentwurf war die Regelung in § 9a Abs. 2 S. 1 und 2 BVerfSchG noch deutlicher auf die §§ 129a, 129b StGB zugeschnitten. Dort war explizit von der Beteiligung an einer strafbaren Vereinigung als Mitglied oder Unterstützer die Rede. Mit dem jetzigen Bezug auf Personenzusammenschlüsse statt auf Vereinigungen hat man im Ergebnis eine offenere Regelung gewählt. Erfasst werden damit sowohl legalistische, aber vor allem auch solche Personenzusammenschlüsse, die einem strafbewährten Vereinigungsverbot unterfallen.
Dass der Gesetzgeber hier von einer Rechtfertigung und nicht von Tatbestandausschlüssen ausgeht, ergibt sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs. Dort wird der Begriff "Rechtfertigungstatbestand" im Zusammenhang mit Strafnormen zunächst für die allgemeine Regelung des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel in § 8 Abs. 2 BVerfSchG verwendet. In der weiteren Begründung wird in diesem Zusammenhang auch der neue § 9a Abs. 2 S. 2 BVerfSchG in Bezug genommen[18]. Im Zusammenhang mit der Begehung sog. Begleittaten wird ausdrücklich die Ebene der strafrechtlichen Rechtfertigung angesprochen[19]. Nicht erfasst von § 9 Abs. 2 S. 2 BVerfSchG sind sonstige Straftatbestände, die gegebenenfalls tateinheitlich mit dem entsprechenden Organisationsdelikt verwirklicht werden.
Verwirklichen Verdeckte Mitarbeiter oder Vertrauensleute des BfV andere Straftatbestände als solche, die bereits nach § 9a Abs. 2 S. 2 BVerfSchG gerechtfertigt sein können, ist grundsätzlich eine Rechtfertigung nach § 9a Abs. 2 S. 3 BVerfSchG unter drei kumulativ zu erfüllender Bedingungen möglich:
1. Es darf nicht in Individualrechte eingriffen werden.
2. Die Beteiligung muss von den an den Bestrebungen Beteiligten derart erwartet werden, dass sie zur Gewinnung und Sicherung der Informationszugänge unumgänglich ist.
3. Die Beteiligung darf nicht außer Verhältnis zur Bedeutung des aufzuklärenden Sachverhalts stehen.
Gedacht ist dabei zum Beispiel an Begleittaten wie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) oder an einen Verstoß gegen das versammlungsrechtliche Vermummungsverbot (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 VersG oder entsprechende landesrechtliche Regelung)[20]. Eine nähere Erläuterung des Begriffs "Individualrechte" findet sich in der Begründung des Regierungsentwurfs nicht. Deutlich wird jedoch, dass der Begriff vor allem in Abgrenzung zu Kollektivrechten bzw. zu öffentlichen Interessen zu verstehen ist[21]. Mit Individualrechten dürften damit beispielsweise körperliche Integrität, Eigentum und Vermögen gemeint sein. Welches Verhalten nach § 9 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 BVerfSchG von den an den Bestrebungen Beteiligten derart erwartet wird, dass es "unumgänglich" ist, kann verständlicherweise nicht näher definiert werden. Denn zugehörigkeitsstiftende Verhaltensmuster sind in den verschiedenen Phänomenbereichen sehr unterschiedlich und nach der Begründung des Regierungsentwurfs deshalb ausdrücklich "entwicklungsoffen"[22].
Der Gesetzgeber hat in § 9a Abs. 2 BVerfSchG bewusst auf eine katalogmäßige Auflistung der in Frage kommenden Straftatbestände verzichtet. Für dieses Vorgehen werden belastbare Gründe angeführt. Zum einen können unterschiedliche Einsatzsituationen nicht sicher vorhergesagt werden[23]. Zum anderen soll der "Gegenseite" kein Maßstab für die Enttarnung an die Hand gegeben werden. Ergänzende Maßgaben können in als Verschlusssachen eingestuften Dienstvorschriften getroffen werden[24]. Eine solche Konkretisierung von nachrichtendienstlichen Mitteln in Dienstvorschriften ist im Recht der Nachrichtendienste keine Besonderheit. Zutreffend weist Lampe darauf hin, dass die verfassungsrechtliche Legitimation der Aufgaben und Einrichtungen der Nachrichtendienste jedenfalls Besonderheiten bei der normativen Zuweisung von Aufträgen und Befugnissen sowie bei der parlamentarischen und gerichtlichen Überprüfung rechtfertigt[25].
§ 9a Abs. 2 BVerfSchG kann vor diesem Hintergrund wohl als mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot vereinbar angesehen werden.
Nach § 9a Abs. 2 S. 4 BVerfSchG "soll", sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Verdeckte Mitarbeiter oder Vertrauensleute rechtswidrig einen Straftatbestand von erheblicher Bedeutung verwirklicht haben, der Einsatz unverzüglich beendet und die Strafverfolgungsbehörde darüber unterrichtet werden.
Der Wortlaut des § 9a Abs. 2 S. 4 BVerfSchG erfasst auch strafbares Verhalten ohne Einsatzzusammenhang[26]. Damit soll insbesondere für den Bereich der Vertrauensleute verhindert werden, dass im Dunstkreis extremistischer Bestrebungen über längere Zeit Straftaten von erheblicher Bedeutung mit Kenntnis des Staates begangen werden. Die Beurteilung, ob zureichende tatsächliche Voraussetzungen für eine rechtswidrige Straftat vorliegen und ob diese auch von erheblicher Bedeutung sind, obliegt hier gemäß § 9a Abs. 2 S. 4 BVerfSchG allein dem BfV[27]. Insbesondere entscheidet das BfV darüber, ob die tatsächlichen Anhaltspukte für eine Straftat "zureichend" sind, mithin ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt. Problematisch daran ist jedoch, dass das Entscheidungsmonopol der Staatsanwaltschaft über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§§ 152, 160 StPO) zumindest bei alleiniger Entscheidung des BfV nicht ausreichend gewahrt ist[28].
Im Verhältnis zu den allgemeinen Übermittlungsvorschriften in den §§ 19 und 20 BVerfSchG wurden damit speziellere Übermittlungsregelungen getroffen. Mit Blick auf Staatsschutzdelikte hat das BfV grundsätzlich nach § 20 Abs. 1 BVerfSchG Informationen an Staatsanwaltschaft und Polizei zu übermitteln ("übermittelt"), wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten erforderlich ist. Die Beurteilung, ob die tatsächlichen Anhaltspunkte auch "zureichend" sind, obliegt dort jedoch richtigerweise der Staatsanwaltschaft. Es hätte sich angeboten, die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden nach § 9a Abs. 2 S. 4 BVerfSchG nicht vom Ergebnis der Prüfung eines Anfangsverdachts abhängig zu machen, sondern diese Prüfung auch hier systemgerecht der Staatsanwaltschaft zu überlassen.
Zuständig für die Entscheidung über Ausnahmen von der Einsatzbeendigung und/oder Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden ist nach § 9a Abs. 2 S. 5 BVerfSchG der Behördenleiter des BfV oder sein Vertreter. Dabei ist zu beachten, dass § 9a Abs. 2 S. 4 BVerfSchG als "Soll"-Vorschrift ausgestaltet ist. Unklar ist jedoch, welche Kriterien für eine davon grundsätzlich mögliche Ausnahme bestimmend sein sollen. Diese Unklarheit kann mit dem Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens erklärt werden. Im Regierungsentwurf war nur die Frage der Beendigung des Einsatzes, nicht aber die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden darüber geregelt. Folglich wäre diese Unterrichtung dann anhand der allgemeinen Übermittlungsvorschriften des BVerfSchG vorzunehmen gewesen. Die Frage der Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden ist bei Staatsschutzdelikten nach § 20 BVerfSchG eine gebundene Entscheidung, während bei sonstigen Straftaten ein behördliches Ermessen besteht (§ 19 Abs. 1 BVerfSchG). Das in beiden Fällen zu beachtende Übermittlungsverbot nach § 23 BVerfSchG, das auch Quellenschutzüberlegungen zulässt, wäre restriktiv auszulegen gewesen[29].
Da aber in § 9a Abs. 2 S. 4 BVerfSchG nunmehr die Unterrichtung der Strafverfolgungsbehörden ausdrücklich geregelt und für den Regelfall intendiert ist, soll sich deren Unterrichtung nur nach dieser Norm richten. Die Übermittlungsverbote des § 23 BVerfSchG sind dann aber nicht anwendbar. Sie beziehen sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG nur auf Übermittlungen nach dem dritten Abschnitt des BVerfSchG. Dieser Effekt ist ausdrücklich gewollt[30]. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass bei der Entscheidung über eine weiterhin mögliche Ausnahme von der intendierten Unterrichtung nicht einfach alle in § 23 BVerfSchG genannten Kriterien im selben Umfang fruchtbar gemacht werden können. Ein weiterhin wichtiges Kriterium ist sicher der Schutz von Leib und Leben.
Aber auch Risiken für den Einsatzzweck dürften weiterhin Berücksichtigung finden können, wenn sie nicht als absoluter Ausschlussgrund gehandhabt werden.
Grundsätzlich besteht aufgrund der Dynamik des Einsatzes menschlicher Quellen die Gefahr, dass die entsprechende Einsatzbefugnis überschritten wird. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine Enttarnung vermieden und die Akzeptanz eines Verdeckten Mitarbeiters in der Szene erhalten werden soll. In der Begründung des Regierungsentwurfs wird als Beispiel dafür eine Sachbeschädigung im Anschluss an eine Demonstration mit militantem Verlauf genannt, die nach § 9a Abs. 2 S. 3 BVerfSchG wegen des Eingriffs in ein Individualrecht nicht gerechtfertigt wäre[31].
Bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen kann nun gemäß § 9a Abs. 3 BVerfSchG von der Verfolgung entsprechender Vergehen (nicht bei Verbrechen) abgesehen und in jeder Lage des Verfahrens eine bereits erhobene Klage zurückgenommen und das Verfahren eingestellt werden[32]. Damit wurde neben § 153c Abs. 4 und § 153d Abs. 2 StPO eine weitere Ausnahme von der Nichtrücknehmbarkeit der Anklage nach Eröffnung des Hauptverfahren (§ 156 StPO) geschaffen.
Das Absehen von der Verfolgung bzw. die Einstellung nach § 9 Abs. 3 BVerfSchG setzt zunächst voraus, dass der Einsatz zur Aufklärung einer Bestrebung von bestimmter Qualität erfolgte (§ 9a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BVerfSchG). Es muss sich um eine Bestrebung handeln, die auf die Begehung einer der in § 3 Absatz 1 des Artikel 10-Gesetzes bezeichneten Straftaten gerichtet ist. Weiter wird kumulativ mit § 9a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BVerfSchG verlangt, dass die Tat von den an den Bestrebungen Beteiligten derart erwartet wurde, dass sie zur Gewinnung und Sicherung der Informationszugänge unumgänglich war. § 9a Abs. 3 S. 2 BVerfSchG gibt diesbezüglich vor, welche Umstände dabei zu berücksichtigen sind. Ausgeschlossen ist die Einstellung allerdings, wenn eine höhere Strafe als ein Jahr Freiheitsstrafe zu erwarten ist oder eine zu erwartende Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden würde (§ 9a Abs. 3 Satz 3 und 4 BVerfSchG). Diese Ausschlussgründe verlangen eine strafzumessungsrechtliche Prognose der zuständigen Staatsanwaltschaft ohne die Pflicht oder Möglichkeit zur Beteiligung eines Gerichts. Bei dieser Prognose soll dem Einsatzzusammenhang eine zentrale Bedeutung zugemessen werden[33].
Die Jahresgrenze des § 9a Abs. 3 S. 3 BVerfSchG bezieht sich auf die für die Tat im Raum stehende Einzelstrafe und nicht auf eine etwa bei Tatmehrheit zu bildende Gesamtstrafe[34].
Der neue Einstellungstatbestand des § 9a Abs. 3 BVerfSchG soll auch für Vertrauensleute der LfV gelten[35]. Erreicht wird dies mit einer komplexen Verweisung, deren Ausgangspunkt die Verweisung in § 9b Abs. 1 S. 1 BVerfSchG auf § 9a BVerfSchG ist. Da in § 9b BVerfSchG (schon aus kompetenzrechtlichen Gründen) nur Regelungen für die Vertrauensleute des BfV und nicht auch die Vertrauensleute der LfV getroffen werden und sich die Verweisung in § 9b Abs. 1 S. 1 BVerfSchG somit grundsätzlich nur auf Vertrauensleute des BfV beziehen kann, liegt der Schluss nahe, dass der Einstellungstatbestand nur auf Vertrauensleute des BfV anzuwenden ist. Dem steht jedoch die uneingeschränkte Verweisung auf § 9a BVerfSchG und damit insbesondere auch auf § 9a Abs. 3 S. 5 BVerfSchG entgegen, wonach die Regelungen des § 9a Abs. 3 S. 1 bis 4 "auch in den Fällen der Landesbehörden für Verfassungsschutz" Anwendung finden. Folgerichtig wird in der Begründung des Regierungsentwurfs klargestellt, dass die in § 9b Abs. 1 S. 1 BVerfSchG enthaltene Verweisung auch den Bezug des § 9a Abs. 3 S. 5 BVerfSchG auf die LfV einschließt. Da es sich bei § 9a Abs. 3 BVerfSchG um eine strafprozessuale Regelung und damit um einen Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) handelt, besteht insoweit eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes auch für die Tätigkeit der LfV.
Nicht zuletzt der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages in der 17. Wahlperiode hat aufgezeigt, dass die Auswahl von Vertrauensleuten ein besonders sensibler und heikler Aspekt nachrichtendienstlicher Tätigkeit ist[36]. In § 9b Abs. 2 BVerfSchG werden dafür nun Kriterien aufgestellt.
In § 9b Abs. 2 S. 2 Nr. 1 bis 5 BVerfSchG hat der Gesetzgeber fünf persönliche Ausschlussgründe geschaffen, die
einer Verpflichtung von Vertrauensleuten entgegenstehen. Hingewiesen sei hier insbesondere auf § 9b Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BVerfSchG. Danach dürfen Personen nicht als Vertrauensleute angeworben und eingesetzt werden, die von den Geld- oder Sachzuwendungen für die Tätigkeit auf Dauer als alleinige Lebensgrundlage abhängen würden. Damit soll das Problem, dass sich finanzielle Zuwendungen nachteilig auf die Nachrichtenehrlichkeit auswirken können, entschärft werden.
In welchem Umfang Vertrauensleute strafrechtlich vorbelastet sein dürfen, ist nun in § 9b Abs. 2. S. 2 Nr. 5 und S. 3 BVerfSchG geregelt worden.
Ausgeschlossen wird nach § 9b Abs. 2 S. 2 Nr. 5 BVerfSchG für den Regelfall der Einsatz solcher Personen, die im Bundeszentralregister mit einer Verurteilung wegen eines Verbrechens oder zu einer Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt worden ist, eingetragen sind. Davon ist gemäß § 9a Abs. 2 S. 3 BVerfSchG eine Ausnahme möglich, wenn die Verurteilung nicht als Täter eines Totschlages oder einer allein mit lebenslanger Haft bedrohten Straftat erfolgte und der Einsatz unerlässlich für die Aufklärung von Bestrebungen ist, die auf die Begehung von in § 3 Abs. 1 des Artikel 10-Gesetzes bezeichneten Straftaten gerichtet sind.
Die Erforderlichkeit einer solchen Ausnahme ergibt sich bereits daraus, dass es zu einem Wertungswiderspruch führen würde, wenn sich eine Vertrauensperson gemäß § 9a Abs. 2 S. 2 BVerfSchG zwar an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied beteiligen dürfte, aber eine entsprechende Vorverurteilung wegen des gleichen Verbrechens nach § 129a Abs. 1 StGB einen Ausschlussgrund für deren Verpflichtung darstellen würde.
Mit dem GVZBV wurde nur der nachrichtendienstliche Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und von Vertrauensleuten des BfV, des BND (im Inland) sowie des MAD geregelt. Der strafprozessuale Einsatz von Verdeckten Ermittlern und von Vertrauensleuten bleibt davon unberührt. Dieser erfolgt weiterhin nach der StPO, ergänzt durch entsprechende Verwaltungsvorschriften.
Für die Übermittlung von im Rahmen des nachrichtendienstlichen Einsatzes gewonnenen Erkenntnissen an die Strafverfolgungsbehörden wurden keine neuen Vorschriften geschaffen. Die mit dem GVZBV vorgenommenen Änderungen der bestehenden Übermittlungsvorschriften in den §§ 18 und 19 BVerfSchG lassen das bisher geltende System unberührt[37] . Bezüglich der Verwendung und Verwertung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse im Strafverfahren führt das GVZBV ebenfalls zu keiner Änderung. Die Frage der Verwendung solcher Erkenntnisse richtet sich weiterhin nach § 161 Abs. 2 StPO, die der Verwertung nach den allgemeinen Regeln. Für die Entscheidung darüber, ob entsprechende Erkenntnisse aus Gründen des Quellenschutzes nicht an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt werden dürfen, gelten weiterhin die in § 23 BVerfSchG geregelten Übermittlungsverbote[38].
Mit den §§ 9a und 9b BVerfSchG liegt nunmehr endlich ein rechtliches Instrumentarium vor, das die erforderliche Handlungsfähigkeit der Nachrichtendienste des Bundes rechtsstaatlich absichert.
Verwirrend bleibt die Regelungstechnik für den Einsatz von Vertrauensleuten mit der Verweisung in § 9b Abs. 1 S. 1 BVerfSchG auf § 9a BVerfSchG. Dies gilt insbesondere, soweit sich die Verweisung auch auf die Anwendbarkeit des Einstellungstatbestands in § 9a Abs. 3 BVerfSchG für Vertrauensleute der LfV bezieht. Hier hätte sich ein eigenständiger § 9c BVerfSchG angeboten. Der Gesetzgeber wollte sich ersichtlich nur auf die aufgezeigten Kernfragen des Einsatzes menschlicher Quellen beschränken. Er hat weite Bereiche deren Tätigkeit ausgenommen und damit der Selbstregulierung der Behörden überlassen. Dies betrifft insbesondere verfahrensrechtliche Aspekte wie Dokumentationspflichten hinsichtlich Werbung und Einsatz von Verdeckten Mitarbeitern und von Vertrauensleuten, Befristungsregelungen für deren Einsatz sowie das Gebot eines turnusmäßigen Wechsels der VP-Führer.
Nicht überschätzt werden kann in der praktischen Anwendung der §§ 9a und 9b BVerfSchG die über den gesamten Einsatzzeitraum vorzunehmende Prüfung der Verhältnismäßigkeit.
* Der Autor ist Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Frankenthal und derzeit zum Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof abgeordnet. Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder. Dank für wertvolle Anregungen gebührt Herrn BA b. BGH Michael Bruns und Herrn Regierungsdirektor im BMJV Volker Kraft.
[1] Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes vom 17. November 2015 (BGBl. I S. 1938). Einen Überblick über die wichtigsten Änderungen gibt Marscholleck NJW 2015, 3611 ff.
[2] Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss), BT-Drs. 17/14600, S. 896; Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Berlin 2013, S. 283. Letztere empfahl vor dem Hintergrund des durch sie aufgearbeiteten NSU-Komplexes, bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen für den Einsatz menschlicher Quellen zu schaffen.
[3] OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.9.2011 – 5 Sts 5/10, NStZ 2013, 590 ff.
[4] Ausführlich und instruktiv wird die Problematik für die Zeit vor den neu geschaffenen §§ 9a und 9b BVerfSchG von Hofmann/Ritzert beschrieben, NStZ 2014, 177 ff.
[5] Vgl. auch Hofmann/Ritzert NStZ 2014, 177 f.
[6] So ausdrücklich auch in der Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 26.
[7] Dazu beispielsweise Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 274; Borgs-Maciejewski/Ebert, Das Recht der Geheimdienste, 1983, BVerfSchG, Rn. 148; Gusy in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 3 BNDG Rn. 32 ff. differenziert nach betroffenen Schutzgütern und geht zumindest bei Normen, die den Staat oder die Allgemeinheit schützen, von der Möglichkeit einer Rechtfertigung aus; ebenfalls differenzierend, aber grundsätzlich bejahend Evers NJW 1987, 153, 155 ff.; aktuell auch Sellmeier/Warg NWVBL 2015, 135 ff.
[8] BT-Drs. 18/4654, S. 25. Ähnlich auch die Gesetzesbegründung zu § 8b Abs. 3 des Bremischen Verfassungsschutzgesetzes. Dort heißt es mit Blick auf Organisationsdelikte: "In der Vergangenheit waren die Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes insoweit von einer sich bereits aus dem gesetzlichen Auftrag der Verfassungsschutzbehörden ergebenden Rechtfertigungsgrund ausgegangen", Bremische Bürgerschaft, Drs. 18/1047, S. 25.
[9] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 25.
[10] Vgl. dazu Hofmann/Ritzert NStZ 2013, 177 ff.; Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, Berlin 2013, S. 294 ff.
[11] Auch eine Rechtfertigung gemäß § 34 StGB scheidet laut OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.9.2011 – 5 Sts 5/10, NStZ 2013, 590, 593, aus. § 34 StGB sei unabhängig von der grundsätzlichen Frage, inwieweit dieser überhaupt auf staatliches Handeln anwendbar ist, mit Blick auf die geradezu planmäßig zu verwirklichenden Straftaten von Vertrauensleuten, die immer wieder Organisationsdelikte begehen, untauglich.
[12] OLG Düsseldorf, Urt. v. 6.9.2011 – 5 Sts 5/10, NStZ 2013, 590, 591; beispielhaft werden Regelungen der Polizeigesetze genannt, die Freiheitsberaubungen und Körperverletzungen rechtfertigen können, oder auch die §§ 1 ff. des Artikel 10-Gesetzes, die eine Strafbarkeit wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes nach § 201 StGB ausschließen.
[13] Der Kompetenztitel des Artikels 73 Abs. 1 Nr. 10 lit. b GG erfasst nur Fragen der Zusammenarbeit des Bundes und der Länder. Vgl. zu diesem Thema Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 48 ff.
[14] Nicht erfasst sind nachrichtendienstliche Informanten, Gewährspersonen, Countermen und Doppelagenten sowie nicht offen, aber nicht legendiert ermittelnde Mitarbeiter des BfV. Insoweit bleiben § 8 Abs. 2 und § 9 BVerfSchG anwendbar. Vgl. dazu die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 26. Zur Systematik dieser Regelungen vgl. beispielsweise. Lampe NStZ 2015, 361, 366 ff.
[15] Weder in § 9a Abs. 1 S. 1 BVerfSchG noch sonst im BVerfSchG wird der Verdeckte Mitarbeiter definiert. In § 9a Abs. 1 S. 1 BVerfSchG ist nur die Rede von "eigenen Mitarbeitern" des BfV. Eine Regelung wie in § 110a Abs. 2 StPO für den strafprozessualen Verdeckten Ermittler, dass es sich bei der eingesetzten Person um einen Beamten handeln muss, fehlt. Das Erfordernis der Beamteneigenschaft für den Verdeckten Ermittler in der StPO zielt darauf ab, die notwendige straffe Führung und wirksame disziplinarrechtliche Dienstaufsicht zu gewährleisten.
[16] Der Einsatz kann durch das BfV selbst angeordnet werden. Ob die Forderung nach einer gerichtlichen Anordnung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und von Vertrauenspersonen des BKA im erst kürzlich ergangenen Urteil des BVerfG zum BKAG auch auf einen nachrichtendienstlichen Einsatz übertragbar ist, kann hier nicht weiter erörtert werden; für das BKAG vgl. BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 - 1 BvR 966/09 - 1 BvR 1140/09, Rn. 174.
[17] Der Begriff "Infiltration" wird ausdrücklich in der Begründung des Regierungsentwurfes (BT-Drs. 18/4654, S. 26) erwähnt und ist auch nicht durch die Beschlussempfehlung des BT-Innenausschusses (BT-Drs. 18/5415) relativiert worden.
[18] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 25.
[19] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 27.
[20] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 26.
[21] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 26.
[22] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 26.
[23] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 26.
[24] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 26.
[25] Lampe NStZ 2015, 361, 366 f.; darüber hinaus weist er mit Blick auf die auch weiterhin nach § 8 Abs. 2 S. 2 und 3 BVerfSchG mit Zustimmung des Bundesministers des Innern zu erstellende und dem parlamentarischen Kontrollgremium zu berichtende Dienstvorschrift zutreffend darauf hin, dass diese Regelungstechnik im Recht der Nachrichtendienste über einen mittlerweile beachtlichen Zeitraum nicht höchstrichterlich beanstandet wurde. Allerdings könnte die § 8 BVerfSchG betreffende Anmerkung des BVerfG im kürzlich ergangenen Urteil zum BKAG, dass nämlich über die Verfassungsmäßigkeit des § 8 BVerfSchG hier nicht zu entscheiden war, als eher kritisch zu verstehen sein; vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 - 1 BvR 966/09 - 1 BvR 1140/09, Rn. 320.
[26] Dies ist vom Gesetzgeber auch so intendiert, vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 27.
[27] Welche Straftatbestände von "erheblicher Bedeutung" im Sinne des § 9a Abs. 2 S. 4 BVerfSchG sind, wurde nicht legaldefiniert und ist damit eine offene Wertungsfrage. Anders beispielsweise in § 7 Abs. 5 des Verfassungsschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen i. V. m. § 8 Abs. 3 des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen.
[28] Vgl. allgemein zu dieser Problematik Griesbaum/Wallenta NStZ 2013, 369, 373 ff. Mitunter wird wohl auch vertreten, die Beurteilung der die Einstellungsvoraussetzungen ausfüllenden unbestimmten Rechtsbegriffe und Ermessenserwägungen den Diensten in eigener Verantwortung zu überlassen. Dazu und zu weiteren Überlegungen zum komplexen Verhältnis von Tatsachenfeststellung und Informationsübermittlungen im Verhältnis der Dienste zu den Strafverfolgungsbehörden vgl. Lampe NStZ 2015, 361, 370.
[29] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 27.
[30] Vgl. Beschlussempfehlung des BT-Innenausschusses, BT-Drs. 18/5415, S. 10; vgl. dazu auch Marscholleck NJW 2015, 3611 ff.
[32] Daneben bleiben die Einstellungsregelungen der §§ 153 ff. StPO grundsätzlich anwendbar.
[33] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 27.
[34] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 27.
[35] Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 18/4654, S. 28.
[36] Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des 2. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode (NSU-Untersuchungsausschuss), BT-Drs. 17/14600.
[37] Ob und in welchem Umfang das Kriterium der "hypothetischen Datenneuerhebung" wie sie das BVerfG für § 20 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 BKAG mittlerweile vorschreibt, auch für die Übermittlungsvorschriften des BVerfSchG gelten könnte, kann an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden; für das BKAG vgl. dazu BVerfG, Urt. v. 20.4.2016 - 1 BvR 966/09 - 1 BvR 1140/09, Rn. 315.
[38] Je nach Fallgestaltung kommt auch eine Sperrerklärung gemäß § 96 StPO (analog) in Betracht.