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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
April 2016
17. Jahrgang
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Von Prof. Dr. Brian Valerius, Universität Bayreuth
Der dritte Strafsenat des Bundesgerichtshofs musste sich mit verschiedenen Tatvorwürfen gegenüber einem zu einer Jugendstrafe verurteilten Angeklagten auseinandersetzen, die zu einem Großteil in der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a StGB bestanden. Einige dieser (und von der Anmerkung allein aufgegriffenen) Taten wurden mittels verschiedener Kommunikationsdienste des Internets begangen. Zum einen lud der Angeklagte nach den Feststellungen des Landgerichts Coburg ein Foto von sich und einem Bekannten in beider Facebook-Profil hoch, auf dem die beiden Abgebildeten unter anderem die rechte Hand zum Hitlergruß ausstreckten. Das Foto war zumindest für eine Stunde für alle Facebook-Freunde sichtbar; beim Angeklagten waren dies mindestens 40, bei dem Bekannten 844 Personen (Rn. 1 der Entscheidung). Zum anderen veröffentlichte der Angeklagte Abbildungen von Hakenkreuzen in einer von ihm auf dem Internet-Videoportal "YouTube" gegründeten Plattform mit der Bezeichnung "Arische Musikfraktion" (Rn. 2).
Nach diesen festgestellten Tatsachen stünde die Strafbarkeit des Angeklagten jeweils gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB an sich außer Frage. Der zweite Sachverhalt wies allerdings die Besonderheit auf, dass die Bilddateien von einem Computer in Tschechien aus hochgeladen wurden. Der dritte Strafsenat beschäftigte sich daher insbesondere mit den §§ 3 ff. StGB und griff das nach wie vor aktuelle Problem des Strafanwendungsrechts auf, wie weit die nationale Strafgewalt im Internet, im konkreten Fall bei dem abstrakten Gefährdungsdelikt des § 86a StGB reicht.
Abstrakte Gefährdungsdelikte zeichnen sich in der Regel dadurch aus, bereits eine generell als gefährlich erachtete Handlung als solche unter Strafe zu stellen und auf ein Erfolgsmerkmal zu verzichten. Es liegt daher nahe, ihnen keinen "zum Tatbestand gehörende(n) Erfolg" zuzuschreiben, den § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB für einen Erfolgsort indessen voraussetzt.[1] Dies hätte zur Folge, abstrakten Gefährdungsdelikten in der Regel nur einen Tätigkeitsort
nach § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB zuzugestehen, so dass das deutsche Strafrecht lediglich dann anwendbar wäre, wenn die jeweilige Handlung im Inland vorgenommen wird. Zu den abstrakten Gefährdungsdelikten zählen vor allem die meisten Äußerungsdelikte, z.B. die Verbreitung pornographischer Schriften gemäß §§ 184 ff. StGB[2] sowie der vorliegend einschlägige Straftatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in § 86a StGB.[3] Selbst wenn solche Inhalte ohne Zugriffsbeschränkung in den Kommunikationsdiensten des Internets veröffentlicht würden und daher grundsätzlich weltweit, auch von Deutschland aus abrufbar wären, entschiede somit über die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts allein der Tätigkeitsort.
Dieses Ergebnis findet freilich nicht nur Zustimmung – nicht nur wegen der Möglichkeit, sich wie im vorliegenden Sachverhalt schlicht ins Ausland zu begeben, um von dort aus die hierzulande rechtswidrigen Inhalte zu verbreiten, und sich dadurch gezielt der deutschen Strafbarkeit zu entziehen. Es kursieren daher verschiedene Vorschläge, um in solchen Fällen doch zu einer Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu gelangen. Der dritte Strafsenat verwirft diese Ansätze nunmehr allesamt. Insbesondere lehnt er die Ansicht ab, die bei Äußerungsdelikten im Internet für den Handlungsort den Standort des vom Täter angewählten Servers als ausschlaggebend erachtet.[4] Darüber hinaus distanziert er sich von einer ähnlich argumentierenden Entscheidung des KG, das über die Strafbarkeit von Angeklagten entscheiden musste, die während der deutschen Nationalhymne vor einem Länderspiel der deutschen Herrenfußballnationalmannschaft in Polen den Hitlergruß zeigten und deren Verhalten live wie in Szenen zeitversetzt als Aufzeichnung im deutschen Fernsehen gesendet wurde. Da das Verwenden als Kundgabehandlung auch den Bereich einbeziehe, an dem das jeweilige Kennzeichen wahrgenommen werde, lag nach Ansicht des KG der Handlungsort nicht nur am Standort des Täters, sondern auch am Ort der akustischen bzw. optischen Wahrnehmbarkeit des verwendeten Kennzeichens.[5]
Solche Ansätze leiden indessen daran, nicht mehr hinreichend zwischen der Handlung und ihren Folgen zu unterscheiden und dadurch die Grenzen zwischen Handlungs- und Erfolgsort zu sehr verschwimmen zu lassen.[6] Auch bei Straftaten im Internet wird daher mit dem dritten Strafsenat der Handlungsort bei aktivem Tun allein durch den Aufenthaltsort des Täters bestimmt (Rn. 9).[7] Oder in den Worten des Senats: "Der Radius der Wahrnehmbarkeit einer Handlung ist nicht Teil ihrer selbst" (Rn. 9).[8] Daher kann ebenso wenig der Abruf der vom Täter bereitgestellten Inhalte durch Dritte von Deutschland aus (und der somit hier für die Abrufenden liegende Handlungsort) dem Täter zugerechnet werden (Rn. 10). Insoweit lässt der Senat offen, ob dem internetspezifischen Verbreitensbegriff des ersten Strafsenats mit seiner fragwürdigen Gleichsetzung von gespeicherten Daten und Datenspeichern[9] zu folgen wäre. Er hält aber auch fest, dass "angesichts der weiteren Tathandlungsvariante des öffentlichen Verwendens im Rahmen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB hierzu ein Bedürfnis nicht besteht" (Rn. 10) – was freilich ebenso der Ansicht des ersten Strafsenats zu § 184 Abs. 3 Nr. 1 StGB a.F. (inzwischen § 184a Satz 1 Nr. 1 bzw. § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB) entgegenzuhalten bleibt, da insoweit (jedenfalls weitgehend) auf die Tathandlung des (öffentlichen) Zugänglichmachens verwiesen werden kann.[10]
Dass die vorstehenden vom dritten Strafsenat abgelehnten Ansichten speziell die Reichweite der nationalen Strafgewalt im Bereich der Medien und dessen Besonderheiten im Blick hatten, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es eine generelle (z.B. auch im Umweltstrafrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nicht unbedeutende) Problematik darstellt, ob abstrakte Gefährdungsdelikte einen Erfolgsort haben. Zunehmend wird dies unter unterschiedlichen Voraussetzungen bejaht und hierbei unter anderem darauf verwiesen, dass ansonsten ein Erfolgsort selbst dann nicht gegeben wäre, wenn das geschützte Rechtsgut tatsächlich verletzt wird. Dies würde zu dem kuriosen Ergebnis führen, dass die mit einem abstrakten Gefährdungsdelikt beabsichtigte Vorverlagerung und Erweiterung der Strafbarkeit insoweit den Schutz des jeweiligen Rechtsguts einschränkte.[11]
Auch diesen Einwand verwirft der Senat aber. Seine These, dass "jedenfalls an dem Ort, an dem die hervorgerufene abstrakte Gefahr in eine konkrete umgeschlagen ist oder gar nur umschlagen kann, kein zum Tatbestand gehörender Erfolg" im Sinne des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB eintritt, lässt sich indessen mit seiner Definition des Erfolgs, der "in einer von der tatbestandsmäßigen Handlung räumlich und/oder zeitlich abtrennbaren Außenweltsveränderung bestehen" müsse (jeweils Rn. 8), nicht stützen. Mit dieser Begründung vermag der Senat lediglich den Erfolgsort eines abstrakten Gefährdungsdelikts
an dem Ort auszuschließen, an dem die abstrakte Gefahr in eine konkrete umschlagen kann, nicht jedoch an dem Ort, an dem tatsächlich eine konkrete Gefahr entstanden ist.[12] Auch die geäußerten Bedenken, bei abstrakten Gefährdungsdelikten die "Vorverlagerung der Strafbarkeit[…]– schon mit Blick auf völkerrechtliche Fragen – nicht ausnahmslos auf Sachverhalte mit internationalem Bezug zu erstrecken" (Rn. 8),[13] dringen jedenfalls dann nicht durch, wenn die der Tathandlung innewohnende abstrakte Gefahr zu einer konkreten Gefahr für das geschützte Rechtsgut wird. Ansonsten dürfte ebenso wenig ein entsprechender konkreter Gefährdungstatbestand auf einen Sachverhalt anwendbar sein, bei dem der Täter die Handlung im Ausland vornimmt, die (tatbestandliche) konkrete Gefahr indes im Inland hervorgerufen wird.
Die bereits zitierte Überlegung des Senats, abstrakte Gefährdungsdelikte "schon mit Blick auf völkerrechtliche Fragen[…] nicht ausnahmslos auf Sachverhalte mit internationalem Bezug zu erstrecken" (Rn. 8) ist zwar richtig und wichtig, steht der Anerkennung eines Erfolgsorts bei abstrakten Gefährdungsdelikten aber nicht kategorisch entgegen. Entscheidend ist vielmehr, welche Anforderungen an diesen Erfolg gestellt werden. Der Senat vermengt in seiner Begründung im Grunde zwei Schritte, nämlich wie zunächst die Voraussetzung "zum Tatbestand gehörender Erfolg" unter Berücksichtigung des völkerrechtlichen Charakters des Strafanwendungsrechts losgelöst von der allgemeinen Deliktslehre zu verstehen bleibt und wie sodann gerade unter Beachtung völkerrechtlicher Grundsätze wie insbesondere des Nichteinmischungsprinzips die nationale Strafgewalt ggf. begrenzt werden muss. Vorliegend argumentiert der Senat hingegen mit der völkerrechtlich notwendigen Begrenzung für eine den völkerrechtlichen Charakter des Strafanwendungsrechts von vornherein nicht berücksichtigende Interpretation.
Allerdings dürfte die wesentliche Aussage der Entscheidung nicht unbedingt darin liegen, welcher der vorstehend dargestellten Ansichten eines Meinungsstreits sich der Senat konkret anschließt. Von weitaus größerer Bedeutung nicht zuletzt für die Praxis dürfte vielmehr die mitunter ausdrückliche Abkehr des Senats von früheren Entscheidungen der Rechtsprechung sein, in denen mit unterschiedlich zweifelhaften bzw. jedenfalls missverständlichen Begründungen eine extensive Auslegung bzw. Anwendbarkeit von Strafvorschriften im Zusammenhang mit kriminellen Erscheinungsformen im Internet gehandhabt wurde. Dies betrifft zum einen die oben genannte Entscheidung des KG zu § 86a Abs. 1 StGB sowie den vom ersten Strafsenat befürworteten internetspezifischen Verbreitensbegriff. Zum anderen distanziert sich der Senat aber auch von der viel beachteten und (zu Recht) heftig kritisierten Toeben-Entscheidung des ersten Strafsenats, in welcher der gleichnamige Angeklagte wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, weil er unter anderem auf einer englischsprachigen frei zugänglichen Website im Internet den Holocaust leugnete, obwohl er australischer Staatsbürger war und die fraglichen Inhalte von Australien aus auf einen sich dort befindenden Server hochgeladen hatte. Der Senat bejahte für die Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 und 3 StGB als abstrakt-konkretes Gefährlichkeitsdelikt die Möglichkeit eines Erfolgsorts gemäß § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB. Er befinde sich an jedem Ort, an dem die konkrete Tat ihre Gefährlichkeit für das tatbestandlich umschriebene Rechtsgut entfalten könne, z.B. bei der Volksverhetzung die konkrete Eignung eintrete, den öffentlichen Frieden in Deutschland zu stören.[14] Den notwendigen völkerrechtlich legitimierenden Anknüpfungspunkt für die Ausübung der nationalen Strafgewalt erblickte der Senat schlicht darin, dass die Tat ein gewichtiges inländisches Rechtsgut betreffe, das zudem objektiv einen besonderen Bezug auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufweise und dessen Verletzung die Strafvorschrift des § 130 StGB gerade unterbinden solle.[15] Mit dieser Begründung geht eine aus völkerrechtlichen Gründen gebotene Einschränkung freilich kaum einher.[16] Der dritte Strafsenat verweist nunmehr zwar zutreffend darauf, dass in der Toeben-Entscheidung offen gelassen wurde, ob ein Erfolgsort bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt besteht, wenn sich die abstrakte Gefahr realisiert hat, und vermeidet dadurch einen offenen Dissens. Auf einer Linie stehen die Toeben-Entscheidung des ersten Strafsenats und der hier besprochene Beschluss des dritten Strafsenats aber jedenfalls nicht.[17]
Auch wenn die Begründung des dritten Strafsenats nicht in jedem Punkt geteilt werden kann, so bleibt dessen zentrale Aussage einer zurückhaltenden Anwendung des nationalen Strafrechts auf Verbreitungsdelikte im Internet doch uneingeschränkt zu begrüßen.[18] Sicherlich kann der folgerichtig ergangene Teilfreispruch des Angeklagten selbst einen Juristen bei all seiner Nüchternheit angesichts der geschilderten Ereignisse nur schmerzen. Gleichwohl ist ihm zuzustimmen und dem dritten Strafsenat Respekt zu zollen, zumal gerade bei Sachverhalten mit rechtsextremistischem Hintergrund mit Entscheidungen, die nicht zu einer Verurteilung führen, stets die Gefahr negativer Berichterstattung einhergeht.
Über die Folgen seiner Entscheidung und einen möglichen "Propagandatourismus" war sich der Senat durchaus im Klaren. "Er verkennt nicht, dass seine Auffassung dazu führen kann, dass Personen – wie vorliegend der Angeklagte – gezielt die Grenze überqueren werden, um Kennzeichen in das Internet einzustellen, deren Verwendung im Inland mit Strafe bedroht wäre. Es ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, diese Strafbarkeitslücke zu schließen, falls er dies für erforderlich erachtet." (Rn. 12). Indessen ist es zunächst fraglich, ob und ggf. wie weit überhaupt von einer "Strafbarkeitslücke" gesprochen werden kann, die der (deutsche) Gesetzgeber
schließen darf. Die einschlägigen Verhaltensweisen, die nach Ansicht des Senats nicht vom deutschen Strafrecht erfasst sind, finden nun einmal nicht im Inland statt, so dass ein wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Ausübung der nationalen Strafgewalt ausscheidet. Völkerrechtliche Grundsätze wie vor allem das Nichteinmischungsprinzip hat aber nicht nur die Rechtsprechung, sondern auch der Gesetzgeber zu beachten, der die Anwendbarkeit von Strafvorschriften auf Auslandstaten daher nicht nach Belieben bestimmen darf.
Aufgegriffen hat die Anregung des dritten Strafsenats ein im Januar dieses Jahres im Bundesrat eingebrachter Gesetzesantrag der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein,[19] dem weitere Länder beigetreten sind. Der Bundesrat hat am 26. Februar 2016 beschlossen, den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag einzubringen.[20] Der Gesetzentwurf sieht unter anderem die Aufnahme der §§ 86, 86a StGB in den Katalog des § 5 StGB als neue Nr. 3 lit. a) vor. Demzufolge sollen diese beiden Strafvorschriften nunmehr auch für Auslandstaten gelten, und zwar unabhängig vom Recht des Tatorts. Dass die Ausweitung der nationalen Strafgewalt auf Auslandstaten indessen nicht uneingeschränkt möglich ist und eines legitimierenden Anknüpfungspunktes bedarf, bemerkt der Entwurfsverfasser selbst, der ausdrücklich berücksichtigt, "dass die Verwendung und Verbreitung von Propagandamitteln und Kennzeichen in Deutschland als verfassungswidrig eingestufter Organisationen in vielen anderen Staaten nicht als strafbares Unrecht betrachtet wird".[21] Der Entwurf sieht daher einschränkend vor, dass der Täter seine Lebensgrundlage im Inland haben muss, und greift dadurch das sog. – bereits in dieser Form in § 5 Nr. 3 lit. a) derzeitiger Fassung, Nr. 5 lit. b) und Nr. 9 lit. b) StGB bemühte – Domizilprinzip auf. Als legitimierender Anknüpfungspunkt für die nationale Strafgewalt soll somit eine entsprechende Bindung des Täters an das Inland herangezogen werden, die in dessen hierzulande gelegenem Lebensmittelpunkt zum Ausdruck kommt. Hiervon wäre in der Regel auszugehen, wenn der Täter seinen ausschließlichen Wohnsitz oder seinen ständigen Aufenthalt im Inland hat. Bei mehreren Wohnsitzen entschiede der Schwerpunkt der persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen.[22]
Als völlig bedenkenfrei erweist sich der Gesetzentwurf trotz des Rückgriffs auf das Domizilprinzip allerdings nicht. Zum einen bleibt generell und unabhängig von dem konkreten Entwurf zu bemerken, dass der Gesetzgeber in letzter Zeit recht häufig den Katalog des § 5 StGB anpasst bzw. erweitert. Allein in den letzten beiden Jahren wurden etwa die Straftatbestände des § 237 StGB (Nr. 6 lit. c)), der § 226 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2, § 226a StGB (Nr. 9a) und der §§ 331 bis 337 StGB (Nr. 15) in § 5 StGB aufgenommen, vornehmlich um Umgehungshandlungen im Ausland strafrechtlich zu erfassen. [23] Bei allen berechtigten Anliegen, wie gerade vorliegend bei der Bekämpfung extremistischen Gedankenguts, sollte aber § 5 StGB nicht nahezu schon reflexartig ausgeweitet und ein solches Vorgehen als Standard etabliert werden.
Zum anderen ist bei der konkreten Ausgestaltung des Gesetzentwurfs festzustellen, dass – abweichend von den bereits genannten § 5 Nr. 3 lit. a) derzeitiger Fassung, Nr. 5 lit. b) und Nr. 9 lit. b) StGB, die ebenfalls die Lebensgrundlage des Täters im Inland voraussetzen, um die nationale Strafgewalt zu begrenzen – auf die weitere einschränkende Voraussetzung verzichtet wurde, dass es sich bei dem Täter um einen Deutschen handeln muss. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird dieser Unterschied allerdings nicht aufgegriffen. Der Entwurfsverfasser scheint davon auszugehen, dass das Domizilprinzip in Kombination mit dem Staatsschutzprinzip als legitimierender Anknüpfungspunkt ausreicht. Dies dürfte jedoch nicht selbstverständlich sein, genügt für die Verwirklichung der §§ 86, 86a StGB doch gerade eine lediglich abstrakte Gefährdung der jeweils geschützten Rechtsgüter, die sich nicht in einer konkreten Gefahr oder Verletzung realisieren muss. Zumindest in diesen Fällen bildete daher das Domizilprinzip letztlich den alleinigen Anknüpfungspunkt für die Erstreckung der nationalen Strafgewalt auf Auslandstaten, dessen legitimierende Wirkung für sich gesehen aber in Frage steht.[24] Es würde sich daher anbieten, als weitere einschränkende Voraussetzung die deutsche Staatsangehörigkeit des Täters in den geplanten § 5 Nr. 3 lit. a) StGB aufzunehmen.
[1] So die wohl bislang hA: statt vieler Lackner/Kühl StGB, 28. Aufl. 2014, § 9 Rn. 2; Hilgendorf NJW 1997, 1873 (1876); ders. ZStW 113 (2001), 650 (662 f.); Sieber NJW 1999, 2065 (2068).
[2] Fischer StGB, 63. Aufl. 2016, § 184 Rn. 3; Ziegler BeckOK-StGB, 29. Edit. 2015, § 184 Rn. 2 jeweils zu § 184 StGB; Hilgendorf/Valerius Computer- und Internetstrafrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 144.
[3] BGHSt 23, 267 (270); 47, 354 (359); Rackow BeckOK-StGB (Rn. 2 ), § 86a Einl.; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben StGB, 29. Aufl. 2014, § 86a Rn. 1.
[4] Siehe vor allem Cornils JZ 1999, 394 (396 f.); ebenso Schönke/Schröder/Eser (Fn. 3 ), § 9 Rn. 4 und 7b. Zu den praktischen Schwierigkeiten, den Standort verwendeter Hardwarekomponenten zu ermitteln, Busching MMR 2015, 295 (298).
[5] KG NJW 1999, 3500 (3502).
[6] Böse NK-StGB, 4. Aufl. 2013, § 9 Rn. 4; Hilgendorf/Valerius (Rn. 2 ), Rn. 150; Heinrich FS Weber, 2004, S. 91 (103 ff.); Zimmermann HRRS 2015, 441 (444).
[7] Mit Verweis auf Ambos MüKo-StGB, 2. Aufl. 2011, § 9 Rn. 8.
[8] Mit Verweis auf Heinrich NStZ 2000, 533 (534) sowie Steinmetz MüKo-StGB (Fn. 7 ), § 86 Rn. 8 f.
[9] BGHSt 47, 55 (58 ff.); kritisch etwa Schönke/Schröder/Eisele (Fn. 3 ), § 184b Rn. 5; Hilgendorf/Valerius (Rn. 2 ), Rn. 303 ff.; Gercke MMR 2001, 678 (679 f.); Kudlich JZ 2002, 310 (311); Lindemann/Wachsmuth JR 2002, 206 (207 f.).
[10] Schönke/Schröder/Eisele (Fn. 3 ), § 184b Rn. 5; Hilgendorf/Valerius (Rn. 2 ), Rn. 301; Gercke MMR 2001, 678 (679).
[11] Werle/Jeßberger LK, 12. Aufl. 2007, § 9 Rn. 33; Hecker ZStW 115 (2003), 880 (888); Heinrich GA 1999, 72 (81); ders. NStZ 2000, 533 (534).
[12] Der Hinweis des Senats auf die Ansicht von Hilgendorf NJW 1997, 1873 (1876), der zutreffend eine abstrakte Gefahr als keine derartige Außenweltveränderung ansieht, ist daher missverständlich.
[13] Zustimmend Zimmermann HRRS 2015, 441 (443).
[14] BGHSt 46, 212 (221).
[15] BGHSt 46, 212 (224).
[16] Kritisch unter anderem Hilgendorf/Valerius (Rn. 2 ), Rn. 161; Koch GA 2002, 703 (707).
[17] Kritisch auch Becker NStZ 2015, 83 (84).
[18] Ebenso Zimmermann HRRS 2015, 441 (447); kritisch hingegen Becker NStZ 2015, 83 (84).
[20] BR-StenBer, 942. Sitzung am 26.2.2016, S. 70 (C).
[22] BR-Drucks. 27/16, S. 4; Ambos MüKo-StGB (Fn. 7 ), § 5 Rn. 16; Fischer (Fn. 2 ), § 5 Rn. 3; Werle/Jeßberger LK (Fn. 11 ), § 5 Rn. 19.
[23] Allgemein hierzu Werle/Jeßberger LK (Fn. 11 ), § 5 Rn. 4.
[24] Ambos Internationales Strafrecht, 4. Aufl. 2014, § 3 Rn. 42; Werle/Jeßberger LK (Fn. 11 ), Vor § 3 Rn. 254.