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HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 236

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede

Zitiervorschlag: BGH, 2 StR 307/15, Urteil v. 23.12.2015, HRRS 2016 Nr. 236


BGH 2 StR 307/15 - Urteil vom 23. Dezember 2015 (LG Kassel)

Täter-Opfer-Ausgleich (Voraussetzungen der Strafmilderung: Erstreben einer Wiedergutmachung ausreichend, kein vollständiges Einräumen des Tatverdachts erforderlich; kommunikativer Prozess zwischen Angeklagtem und Geschädigtem: Anforderungen an die Darstellung im Urteil); Rücktritt vom Versuch (Freiwilligkeit)

§ 46a Nr. 1 StGB; § 267 Abs. 2 Satz 1 StPO; § 22 StGB; § 23 Abs. 1 StGB; § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB

Leitsätze des Bearbeiters

1. Dass aufgrund der Vermögenslage der Angeklagten auf absehbare Zeit nicht mit einer auch nur (teilweisen) Zahlung von Schmerzensgeld zu rechnen ist, steht der Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB nicht grundsätzlich entgegen. Im Rahmen des § 46a Nr. 1 StGB genügt - anders als bei § 46a Nr. 2 StGB - das ernsthafte Erstreben einer Wiedergutmachung; ein Wiedergutmachungserfolg wird deshalb nicht vorausgesetzt (vgl. BGH NJW 2001, 2557).

2. Soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt, dass das Verhalten des Täters sich als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung darstellt (vgl. BGH NJW 2001, 2557), steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat. Soweit ein Angeklagter lediglich einzelne Umstände der Tatbegehung beschönigt, steht dies einer Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht entgegen (vgl. vgl. BGH NStZ 2003, 199, 200).

3. Regelmäßig sind für eine Annahme des § 46a Nr. 1 StGB aber auch tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat. Für die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB bedarf es grundsätzlich zwar keines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten (vgl. BGH NJW 2001, 2557). Der kommunikative Prozess kann auch über die jeweiligen Rechtsanwälte erfolgen. Die schlichte Behauptung, es habe ein kommunikativer Prozess stattgefunden, genügt regelmäßig allerdings nicht. Es müssen insbesondere Feststellungen dazu getroffen werden, wie sich der Tatgeschädigte zu den Ausgleichsbemühungen der Angeklagten verhalten haben, insbesondere dazu, ob die Geschädigten die (zugesagten) Leistungen als „friedensstiftenden Ausgleich“ akzeptiert haben (vgl. BGH NStZ 2006, 275, 276).

Entscheidungstenor

1. Die Revision des Angeklagten M. gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 28. Januar 2015 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil hinsichtlich der Angeklagten M. und E. im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Sich-Bereiterklärens zu einem Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Gegen den Angeklagten E. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen Anstiftung zum versuchten Mord in Tateinheit mit Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verhängt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten M. ist unbegründet. Das wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts unterhielt der Angeklagte E. im Zeitraum Frühjahr 2012 bis November 2013 eine Liebesbeziehung zu K. Als K. die Beziehung beendete, akzeptierte der an einer dissozialen, narzisstischen und histrionischen Persönlichkeitsstörung leidende Angeklagte E. dies nicht und begann seinem früheren Partner nachzustellen, was zu einer Strafanzeige führte.

Im März 2014 erfuhr der Angeklagte E., dass K. eine Beziehung zu Es. eingegangen war. In ihm verfestigte sich, beruhend auf einem Konglomerat aus Eifersucht, Missgunst, Enttäuschung, großer Verzweiflung, narzisstischer Wut und endgültiger Verlustangst, der Gedanke, Es. umbringen zu lassen, um K. für sich zurückzugewinnen. Bei seiner Recherche nach einem Auftragsmörder stieß er im so genannten „D.“ auf einen Eintrag des Mitangeklagten M., der seine Dienste wie folgt anbot: "… Suche noch immer Arbeit, beinahe gleich was! Transporter, Mafia, Hitman … Da will ich als Krimineller durchstarten … Gerne Mafia oder ähnlich strukturell angesiedelte Organisation. Gruß C. ".

Auf diesen Eintrag antwortete der Angeklagte E. und behauptete, Mitglied des „O.“ zu sein, dessen Führung die Beseitigung eines Verräters, des Nebenklägers Es., verlange. M. würde einen Vorschuss von 3.000 Euro und weitere 7.000 Euro nach Erledigung des Auftrags erhalten; zudem könne er in die Organisation aufgenommen werden. M., der im Übrigen mittellos war und sich von dem Geld ein Motorrad kaufen wollte, erklärte sich einverstanden. E. nahm daraufhin einen Kredit bei seiner Sparkasse auf und ließ M. den Vorschuss zukommen, ohne dass es zu einem persönlichen Zusammentreffen kam. Anschließend teilte er M. Namen und Adresse des zu Tötenden mit und betonte, dass K. bei der Ausführung nichts geschehen dürfe. Auf Anregung E. vereinbarte M. für den 28. April 2014 einen Hausbesuch bei dem arbeitslosen Es. unter dem Vorwand, Mitarbeiter des Jobcenters zu sein. Per Safemail informierte er E., er werde bei Es. „einmarschieren und ihm das Ehrliche Silber durch den Hals ziehen“. Dieses erste Vorhaben scheiterte jedoch, weil sich M. nicht als Mitarbeiter des Jobcenters ausweisen konnte und deshalb von Es. nicht eingelassen wurde. M. informierte E. über den Fehlschlag und versprach Erledigung für den 2. Mai 2014.

An diesem Tag klingelte er gegen 22.00 Uhr an der Hauseingangstür zu Es. Wohnung. Bei sich trug er ein Messer mit einer Klingenlänge von 21,5 cm. Da er wusste, dass Es. ihn von dem vorherigen Besuch kannte, positionierte er sich außerhalb des durch die teilverglaste Hauseingangstür einsehbaren Bereichs. Als Es., der durch den Glaseinsatz der Tür niemanden erblickte, die Tür einen Spalt weit öffnete, drang M. gewaltsam ein und fügte dem Nebenkläger unter Ausnutzung des Überraschungsmoments sogleich eine Schnittverletzung am Hals und im Gesicht zu. Es entwickelte sich ein Kampfgeschehen, bei dem M. weiter versuchte, dem erheblich Widerstand leistenden Es. weitere Stiche in Oberkörper und Hals zu versetzen. Dabei erlitt Es. u.a. tiefe Schnittwunden der rechten Hand mit Sehnendurchtrennung. Dem durch die Hilfeschreie alarmierten und zu Hilfe eilenden Nebenkläger K. versetzte M. Schnitte im Nackenbereich und am Oberarm. K. bewaffnete sich daraufhin seinerseits mit einem Küchenmesser und forderte, in der anderen Hand ein Telefon haltend, M. auf, „sich zu verpissen“. Zu diesem Zeitpunkt war M. über den am Boden liegenden Es. gebeugt, während K. in einer Entfernung von ca. 1 m bewaffnet mit dem Küchenmesser in seinem Rücken stand. M., der erkannte, dass ein weiteres Einstechen auf Es. zwar möglich war, für ihn selbst aber ein erhebliches Risiko bedeutet hätte, seinerseits erheblich verletzt zu werden und der zudem davon ausging, K. habe bereits telefonisch alsbald eintreffende Rettungskräfte alarmiert, ergriff daraufhin die Flucht.

Es. erlitt durch den Angriff zahlreiche Schnittverletzungen im Hals- und Kopfbereich sowie an den Händen, was einen stationären Krankenhausaufenthalt mit handchirurgischen Eingriffen bis zum 16. Mai 2014 erforderlich machte. Eine erneute Operation erfolgte im November 2014. Weitere handchirurgische Eingriffe mit Nerventransplantation sowie schönheitschirurgische Eingriffe an der Gesichtsnarbe sind vorgesehen. Zudem befindet er sich in psychologischer Behandlung, weil er unter Angst- und Stimmungsschwankungen leidet. Die Verletzungen K. konnten ambulant versorgt werden.

2. Nach dem aus seiner Sicht misslungenen Tötungsversuch nahm der Angeklagte E. wieder via Internet Kontakt zu M. auf, um ihn dazu zu bewegen, die Sache zu Ende zu bringen. Dabei bedauerte M., dass die „Zielperson … noch immer unter ihnen wandelte“ und zudem „schon zu viel Mühe und Zeit investiert worden war um aufzugeben.“ Beide Angeklagten diskutierten via Internet über verschiedene Ausführungsmöglichkeiten, wie z.B. die Verabreichung einer tödlichen Injektion im Krankenhaus und insbesondere die Erschießung Es. mit einer mit Schalldämpfer versehenen Waffe, die entweder in Tschechien oder über einen Bekannten M. hätte besorgt werden müssen. Dabei machte E. klar, dass die Organisation auf eine Erledigung des Auftrags unbedingt bestehe und stellte gleichzeitig eine Erhöhung des vereinbarten Entgelts auf 35.000 Euro in Aussicht.

Am 20. Mai 2014, dem Tag der Verhaftung E., fuhr M. nach H., um dort eine Schusswaffe für 1.100 Euro zu erwerben, was er E. per E-Mail mitteilte. E., dem der Angeklagte M. weder namentlich noch persönlich bekannt war, gab bei seiner Beschuldigtenvernehmung das Versteck der SIM-Karte preis, mittels derer er mit M. telefoniert hatte. So gelang es, den Angeklagten M. ausfindig zu machen und am 22. Mai 2014 festzunehmen.

II.

1. Die Revision des Angeklagten M. hat keinen Erfolg.

Der mit der Formalrüge geltend gemachte Verstoß gegen § 261 StPO liegt aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht vor.

Auch die Sachrüge bleibt ohne Erfolg.

Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte M. habe bei der versuchten Tötung des Nebenklägers Es. heimtückisch und aus Habgier gehandelt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die dagegen erhobenen Einwände sind fernliegend. Dass von dem Mitangeklagten E. nach dem Scheitern des ersten Anschlags Druck ausgeübt wurde, den Auftrag zu Ende zu bringen, ändert nichts daran, dass es dem Angeklagten M. maßgeblich darum ging, den versprochenen und nach oben nachverhandelten Auftragslohn für die Tötung Es. zu erlangen und sich zudem dadurch Zugang zu der Organisation zu verschaffen, um sich so eine dauerhafte Einnahmequelle zu sichern.

Soweit die Strafkammer die Freiwilligkeit eines Rücktritts vom unbeendeten Versuch verneint hat, ist auch dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Aufgrund des Einschreitens des nunmehr ebenfalls bewaffneten, eingriffsbereiten K., der sich zudem im Rücken des Angeklagten befand, wäre ein weiteres Einstechen auf den sich wehrenden Geschädigten Es. mit einer unkalkulierbaren Eigengefährdung verbunden gewesen. Darüber hinaus hat der Angeklagte M. in seiner E-Mail vom 10. Mai 2014 an den Angeklagten E. eingeräumt, auch deshalb geflohen zu sein, da K. Telefon schon geleuchtet habe und er nicht auf frischer Tat ertappt werden wollte. Im Ergebnis hat der Angeklagte damit aufgrund einer äußeren Zwangslage und damit nicht freiwillig (vorübergehend) von einer Tötung des Nebenklägers Es. Abstand genommen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 24 Rn. 19 ff.).

Die Strafzumessungserwägungen sind - wie vom Generalbundesanwalt ausgeführt - frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten.

2. Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung aufgrund eines stattgefundenen Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB vorgenommen hat, halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Im Adhäsionsverfahren haben die Geschädigten vertreten durch ihre Rechtsanwälte und die Angeklagten einen Vergleich geschlossen, in dem letztere sich gesamtschuldnerisch zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 15.000 Euro an den Nebenkläger Es. sowie in Höhe von 1.500 Euro an den Nebenkläger K. verpflichten. Der Angeklagte M. hat sich darüber hinaus verpflichtet, weitere 1.000 Euro an den Geschädigten K. zu zahlen, das Ganze mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass beide Angeklagte über kein vollstreckbares Einkommen verfügen.

Darin sieht die Strafkammer einen kommunikativen Prozess und die volle Übernahme von Verantwortung, zumal sich beide Angeklagte bei dem Zeugen Es. entschuldigt haben. Durch den durch die jeweiligen Anwälte verhandelten Vergleich sei es zu einer friedensstiftenden Wirkung gekommen, die zu einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1 StGB führe.

b) Zutreffend ist das Landgericht zunächst davon ausgegangen, dass der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46a Nr. 1 StGB zur Anwendung gelangen kann. Da sich § 46a Nr. 1 StGB vorrangig auf den Ausgleich immaterieller Folgen einer Straftat bezieht (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557), kann die Zahlung eines Schmerzensgeldes nach § 253 Abs. 2 BGB der Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB unterfallen (vgl. BGH, Urteil vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04; Urteil vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276; Fischer, aaO Rn. 9 f.).

Dass aufgrund der Vermögenslage der Angeklagten, die zudem eine langjährige Haftstrafe zu verbüßen haben, auf absehbare Zeit nicht mit einer auch nur (teilweisen) Zahlung von Schmerzensgeld zu rechnen ist (vgl. UA S. 64/69), steht der Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - nicht grundsätzlich entgegen. Im Rahmen des § 46a Nr. 1 StGB genügt - anders als bei § 46a Nr. 2 StGB - das ernsthafte Erstreben einer Wiedergutmachung; ein Wiedergutmachungserfolg wird deshalb nicht vorausgesetzt (Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557; BGH, Beschluss vom 22. August 2001 - 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29).

Soweit die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt, dass das Verhalten des Täters sich als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung darstellt (Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557), steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte M. eine Tötungsabsicht bestritten und damit den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat (vgl. UA S. 20 f.). Dies schließt die von dem Landgericht angenommene Verantwortungsübernahme für die Tat (UA S. 63) nicht aus. Der Angeklagte hat dadurch seine Verantwortung für die Tat und deren Folgen nicht in Abrede gestellt. Er hat das objektive Tatgeschehen vielmehr weitgehend eingeräumt (UA S. 19 ff.) und die „Opfer-Position“ des Geschädigten nicht bestritten (vgl. Senatsurteil vom 10. Februar 2010 - 2 StR 391/09, NStZ-RR 2010, 175, 176 [Behauptung einer Notwehrlage]). Soweit ein Angeklagter lediglich einzelne Umstände der Tatbegehung beschönigt, steht dies einer Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB nicht entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. September 2002 - 2 StR 336/02, NStZ 2003, 199, 200 und vom 25. Juni 2008 - 2 StR 217/08, NStZ-RR 2008, 304).

Regelmäßig sind aber auch tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat. Hier lassen die Feststellungen des Landgerichts nicht erkennen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme des erforderlichen „kommunikativen Prozesses zwischen Täter und Opfer“ vorlagen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264, 3265). Für die Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB bedarf es grundsätzlich zwar keines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten (BGH, Beschluss vom 17. Juni 1998 - 1 StR 249/98, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 2; Senatsurteil vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01, NJW 2001, 2557; vgl. auch Fischer, aaO § 46a Rn. 7). Der kommunikative Prozess kann auch über die jeweiligen Rechtsanwälte erfolgen. Die schlichte Behauptung, es habe - vermittelt durch die jeweiligen Vertreter - ein kommunikativer Prozess stattgefunden (vgl. UA S. 63/69), genügt bei der hier vorliegenden Fallgestaltung allerdings nicht. Es fehlen insbesondere Feststellungen dazu, wie sich die Geschädigten zu den Ausgleichsbemühungen der Angeklagten verhalten haben, insbesondere dazu, ob die Geschädigten die (zugesagten) Leistungen als „friedensstiftenden Ausgleich“ (vgl. Senatsurteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02, NJW 2002, 3264, 3265) akzeptiert haben. Solche Feststellungen sind regelmäßig erforderlich (BGH, Urteil vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04; Urteil vom 7. Dezember 2005 - 1 StR 287/05, NStZ 2006, 275, 276; Urteil vom 12. Januar 2012 - 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439, 440).

Im vorliegenden Fall haben beide Geschädigte der gesamten Hauptverhandlung in ihrer Rolle als Nebenkläger beigewohnt. Gleichwohl fehlt im Urteil jeder Hinweis, ob der durch den Angriff auf sein Leben schwer gezeichnete Es. die Entschuldigung der beiden Angeklagten und einen weitgehend wertlosen Titel als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert hat. Dass sich die beiden Angeklagten auch bei dem Geschädigten K. entschuldigt hätten, ergibt sich aus dem Urteil nicht. Ebenso wenig wird dargestellt, welche Ansprüche die beiden Geschädigten im Adhäsionsverfahren zunächst geltend gemacht hatten und ob der schließlich geschlossene Vergleich gegebenenfalls noch zu einer Reduzierung des Schmerzensgeldanspruchs, zu dessen Erfüllung die Angeklagten hier ohnehin verurteilt worden wären, geführt hat. Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, ob es sich bei dem in der Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich um ein ernsthaftes Bemühen um Schadenswiedergutmachung oder um ein taktisches Vorgehen in der Hoffnung auf eine mildere Strafe gehandelt hat.

HRRS-Nummer: HRRS 2016 Nr. 236

Bearbeiter: Christoph Henckel/Karsten Gaede