HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Januar 2016
17. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Die Kriminalisierung des Sports – Anti-Doping-Maßnahmen des Strafrechts und der Sportverbände im Vergleich

Von Judith Lutz, Universität Passau[*]

I. Einleitung

Für all jene, die wider alle Vernunft noch daran glaubten, dass Spitzenleistungen im Bereich des Ausdauersports ohne Doping möglich sind, dürften die diesbezüglichen Medienberichte des letzten Jahres eine herbe Enttäuschung gewesen sein. Was sich im Mai 2015 mit einer Reportage des französischen Fernsehsenders "France 2" bereits abzeichnete,[1] gipfelte nun in der Suspendierung des russischen Leichtathletikverbandes durch den IAAF[2], nachdem eine unabhängige Kommission der WADA[3] den Vorwurf flächendeckenden Dopings erhoben hatte.[4] Noch während im Laufe des Jahres umfassende Diskussionen bezüglich eines Anti-Doping-Gesetzes (im Folgenden: AntiDopG) für Deutschland geführt wurden,[5] vernahm man seitens der NADA[6] Rufe nach noch weiter reichenden, nämlich nächtlichen (zwischen 23:00 und 06:00 Uhr), Dopingkontrollen.[7] Deutlich wurde also klar, dass sich sowohl Sport als auch Staat nicht mehr in der Lage sahen, ernsthaft gegen die "Dopingseuche"[8] vorgehen zu können. Am 13.11.2015 wurde das Gesetz zur Bekämpfung von Doping im Sport nun im Deutschen Bundestag beschlossen.[9] Der folgende Beitrag befasst sich, nachdem die Problematik der grundsätzlichen Verfassungsmäßig-

keit des Gesetzes – mit unterschiedlichen Ergebnissen[10] – bereits umfassend diskutiert wurde, nun mit der Frage, ob im Hinblick auf die Verfolgung von Dopingtätern die Verabschiedung des AntiDopG mit den daraus erwachsenden Möglichkeiten der StPO tatsächlich notwendig war, oder ob die Mittel, die den Sportverbänden bereits zur Verfügung stehen, nicht vielmehr ausreichend sind.

II. Die Dopingbekämpfung seitens des Strafrechts

Lange Zeit herrschte in Deutschland, trotz des Wissens um die enormen Ausmaße der Dopingverbreitung, breiter Konsens darüber, dass es die Aufgabe der Sportverbände selbst sei, diese zu bekämpfen. Hierzu seien sie aufgrund ihrer Sachkunde und -nähe deutlich besser befähigt, als es der Staat mit seinen Strafverfolgungsorganen sein könne.[11] Ab dem Jahre 2004 wurden hingegen immer wieder Stimmen laut, die eine Einmischung des Staates forderten: dieser dürfe die Verbände in ihrem Bemühen, gegen Dopingsünder vorzugehen, nicht alleine lassen.[12]

Dem aktuellen Entwurf des AntiDopG gingen sodann mehrere verschiedene Entwürfe voraus. Spätestens seit der 13. Legislaturperiode wurden seitens der Politik immer wieder Anstrengungen unternommen, die bestehenden Regelungen zu verschärfen,[13] mit dem Gesetzesvorschlag Bayerns im Jahr 2009 rückte erstmals auch der dopende Sportler, nicht mehr nur sein Umfeld, in den Fokus.[14] Unterstützt wurde der jetzt angenommene Entwurf insbesondere von Bundesjustizminister Heiko Maas,[15] Kritik kam jedoch nicht nur von Seiten der Vorsitzenden des Bundestags-Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, Renate Künast.[16] Auch bei den Adressaten der Norm, den Leistungssportlern selbst, herrscht bislang eher Skepsis: So kündigte Diskuswerfer Robert Harting bereits an, gegebenenfalls gegen das Gesetz klagen zu wollen.[17] Eine Kriminalisierung der Sportler wird auch von Seiten der WADA abgelehnt,[18] die NADA wiederum begrüßt die Einführung des Gesetzes.[19]

1. Die bisherige Rechtslage: Strafbarkeit nach § 263 StGB und §§ 95 Abs. 1 Nr. 2a a.F. i.V.m. 6a Abs. 1 AMG a.F.

Seit der 8. Novelle zur Änderung des Arzneimittelgesetzes 1998[20] machte sich gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 2a a.F.[21] i.V.m. 6a Abs. 1 AMG a.F. strafbar, wer Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr bringt, verschreibt oder bei anderen anwendet, unter dem Vorbehalt, dass tatsächlich Doping beim Menschen erfolgt, bzw. erfolgen soll. Eine Besitzstrafbarkeit wurde mit § 6a Abs. 2 a AMG a.F. im Jahr 2010 eingeführt, begrenzt jedoch auf die Strafbarkeit des Besitzes nicht geringer Mengen an Dopingmitteln.[22] Die bisherige Regelung zielte folglich vorrangig nicht auf den dopenden (Spitzen-)Sportler selbst, sondern auf dessen Umfeld ab.

Dem Grunde nach kann zwar ebenso eine Strafbarkeit des dopenden Sportlers nach § 263 StGB in Betracht kommen, sowohl zulasten des Veranstalters von sportlichen Wettkämpfen[23], als auch des Sponsors[24] sowie der Mitkonkurrenten[25]. Hierbei bestehen jedoch erhebliche Probleme, insbesondere Täuschung und Schaden nachzuweisen, wie exemplarisch der Fall des Radrennfahrers Stefan Schumacher zeigt: Dieser wurde 2013 vom LG Stuttgart nach dem Grundsatz in dubio pro reo vom Vorwurf des Betrugs zulasten seines Teamsponsors freigesprochen.[26]

Sofern also ein ausreichender Verdacht bestand, konnte bereits nach der bisherigen Regelung der Ermittlungsapparat der Polizei eingesetzt werden: Seit 2007 bestand für die Regelbeispiele der einschlägigen Straftatbestände – für das gewerbs- und bandenmäßige Inverkehrbringen beziehungsweise Verschreiben von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport, ebenso wie bei deren gewerbs- und bandenmäßiger Anwendung bei anderen, § 95 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 3 S. 2 Nr. 2b AMG a.F.; ebenso im Falle eines besonders schweren Betrugs nach § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB – gemäß §§ 100f Abs. 1, 100a Abs. 2 Nr. 3 StPO zumindest die Möglichkeit des

Kleinen Lauschangriffs, ebenso die Überwachung der Telekommunikation.[27]

2. Das neue Anti-Doping-Gesetz

Das neue AntiDopG beinhaltet eine Bündelung und Erweiterung der bisher im AMG geregelten Verbote durch die Erfassung von neuen Tatbegehungsmethoden sowie von "Dopingmethoden"[28] (§ 2 AntiDopG). Auch eine Erweiterung der bisherigen besonders schweren Fälle sowie deren Ausgestaltung als Verbrechenstatbestände ist enthalten (§ 4 Abs. 4 AntiDopG). Weiterhin ist erstmals die Einführung eines strafbewehrten Verbots des Selbstdopings des Athleten (§ 3 Abs. 1, 2 AntiDopG) sowie eine Verschärfung der Besitzstrafbarkeit verwirklicht: der Besitz und der Erwerb von Dopingmitteln ist künftig auch schon bei geringen Mengen strafbar, sofern damit Selbstdoping beabsichtigt wird (§ 3 Abs. 4 AntiDopG). Ebenfalls wird die Position der NADA gestärkt: zum einen wird die Datenübermittlung von Gerichten und Staatsanwaltschaften an die NADA eingeführt (§ 8 AntiDopG), zum anderen wird der NADA eine weitergehende Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ermöglicht (§§ 9 f. AntiDopG).[29]

Mit der Einführung des AntiDopG ergeben sich somit weitreichende Änderungen im Bereich der Strafverfolgungsmittel: es sind deutlich mehr Möglichkeiten gegeben, den Ermittlungsapparat der Polizei einzusetzen.

a) Der Anfangsverdacht: Die Einleitung des Ermittlungsverfahrens

Nach den §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO ist die Staatsanwaltschaft berechtigt und verpflichtet, das Ermittlungsverfahren einzuleiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat bekannt sind. Es muss folglich ein Anfangsverdacht[30] gegeben sein.

Fraglich ist, ob ein solcher Anfangsverdacht bereits bejaht werden kann, sobald eine positive Dopingkontrolle vorliegt. Als verfolgbare Straftat kam bislang vor allem ein Verstoß gegen §§ 95 Abs. 1 Nr 2a i.V.m. 6a Abs. 2a AMG a.F. in Betracht, die positive Dopingprobe musste also einen hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkt für einen vorherigen vorsätzlichen Gewahrsam des Sportlers an einer nicht geringen Menge Dopingmittel darstellen.[31] Nach der Rechtsprechung zum Betäubungsmittelstrafrecht ist allein aus einem nachgewiesenen Konsum nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Gewissheit zu schließen, dass auch ein vorangegangener strafbarer Besitz bestanden habe.[32] Hingegen würde es die Anforderungen an den Anfangsverdacht überdehnen, würde man noch nicht einmal diesen bei Vorliegen einer positiven Dopingprobe eines Athleten bejahen. In der Regel wird sich der Athlet die verbotene Substanz selbst verabreicht haben bzw. von einem anderen – Betreuer, Trainer, Arzt – verabreichen haben lassen, wobei dann auch eine Strafbarkeit nach § 6a Abs. 1 AMG a.F. in Betracht kommen konnte.[33] Jedenfalls in den Fällen, in denen noch weitere Indizien hinzutraten, wie beispielsweise bereits vorherige verbandsrechtliche Verfahren gegen den verdächtigen Athleten oder gegen sein sportliches Umfeld, oder mehrere positive Dopingproben bei Mitgliedern einer Trainingsgruppe, war ein Anfangsverdacht gemäß § 152 Abs. 2 StPO mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen auch bei der bisherigen, eingeschränkten Besitzstrafbarkeit bereits zu bejahen.[34] Mit Einführung des AntiDopG ist ein Anfangsverdacht strafbaren Handelns noch schneller anzunehmen: eine positive Dopingprobe ist als starkes Indiz für einen Verstoß gegen das Verbot des Selbstdopings, § 3 AntiDopG zu werten. Ebenso ist bei einer Verschärfung der Besitzstrafbarkeit ein Anfangsverdacht noch problemloser zu bejahen.

Fraglich ist jedoch, ob eine Dopingprobe, die von der NADA vollkommen verdachtsunabhängig erhoben werden darf, von der Staatsanwaltschaft überhaupt verwendet werden darf – im Gegensatz dazu wäre beispielsweise eine Blutentnahme, mittels derer ebenfalls Dopingspuren nachgewiesen werden könnten, im Falle der Durchführung durch die staatlichen Ermittlungsbehörden nur bei einer Beschuldigtenstellung des Sportlers möglich, § 81a Abs. 1 S. 2 StPO, d.h. wiederum nur, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen, § 152 Abs. 2 StPO. Nach Art. 14.2 NADC 2015[35] wird dies jedoch ausdrücklich ermöglicht: hiernach ist die NADA im Falle eines möglicherweise strafrechtlich relevanten Verstoßes gegen die Anti-Doping-Bestimmungen nach pflichtgemäßem Ermessen befugt, die Daten des getesteten Athleten, unter anderem seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort sowie weitere relevante Informationen, an die zuständige Staatsanwaltschaft bzw. das Bundeskriminalamt weiterzugeben. Bereits nach der bisherigen Regelung konnte folglich eine positive Dopingprobe ausreichen, um ein Ermittlungsverfahren gegen den Sportler einzuleiten.

b) Die Eingriffs- bzw. Zwangsmaßnahmen
aa) Überwachung der Telekommunikation, § 100a StPO

Neu ist, dass nach Inkrafttreten des AntiDopG, mit Einführung des § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b AntiDopG in den Katalog des § 100a Abs. 2 Nr. 3 StPO, bereits der Verdacht der Herstellung eines Dopingmittels oder dessen Anwendung – wie auch die Anwendung einer Dopingmethode bei einer anderen Person – eine Überwachung der Telekommunikation rechtfertigen können, sofern diese gewerbs- oder bandenmäßig erfolgt. Hierunter fällt beispielsweise auch die Überwachung des Handy- und E-Mail-Verkehrs.[36] Bislang war dies nur für Fälle des banden- bzw. gewerbsmäßigen Inverkehrbringens, Verschreibens und Anwendens bei anderen Personen möglich, §§ 100a Abs. 2 Nr. 3 StPO, 95 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 2 S. 2 Nr. 2b AMG a.F.

bb) Akustische Überwachung, §§ 100c, 100f StPO

Dieselben Konsequenzen ergeben sich in Bezug auf den sog. Kleinen Lauschangriff, d.h. die akustische Überwachung des Verdächtigen und gegebenenfalls seines Umfelds außerhalb von Wohnungen nach § 100f Abs. 1 StPO, welcher in seinen Voraussetzungen auf den Straftatkatalog des § 100a StPO zurückgreift. Auch hier ergibt sich folglich eine Erweiterung der Zulässigkeit im Falle der Tathandlungen des Herstellens von Dopingmitteln und der Dopingmethoden. Generelle Voraussetzung für die Anordnung einer solchen akustischen Überwachung ist das Vorliegen eines auf bestimmte Tatsachen gestützten Verdachts, § 100f Abs. 1 StPO. Die Eingriffsintensität der Maßnahme impliziert keine besonderen Anforderungen an den Verdachtsgrad, dieser unterscheidet sich grundsätzlich nicht vom sonst erforderlichen Anfangsverdacht. Höhere Anforderungen ergeben sich lediglich aus der Notwendigkeit, dass der Verdacht konkret auf eine Katalogtat bezogen sein muss.[37] Eine positive Dopingkontrolle der NADA, übermittelt an die Staatsanwaltschaft, würde demnach ausreichen, um einen solchen Verdacht zu begründen, s.o. Die akustische Überwachung des Wohnraumes selbst – der sog. Große Lauschangriff, § 100c StPO – aufgrund des Verdachts von Dopingstraftaten war hingegen bislang unzulässig, hieran wird sich auch mit Einführung des AntiDopG nichts ändern.

cc) Durchsuchung beim Beschuldigten, § 102 StPO

In Bezug auf die Durchsuchung eines Tatverdächtigen sowie seiner Wohnung ist Voraussetzung nach § 102 StPO, dass der Verdacht einer Straftat besteht. In diesem Falle ergeben sich folglich mit Einführung des AntiDopG durchaus weitreichende Folgen: bereits aufgrund einer positiven Dopingprobe kann künftig die Wohnung des Athleten durchsucht werden, sofern der begründete Verdacht besteht, dass dieser gegen das Verbot des Selbstdopings verstoßen hat. Dasselbe gilt für die Verschärfung der Besitzstrafbarkeit, s.o. Die körperliche Untersuchung des Athleten richtete sich bislang vor allem nach § 81c StPO, da der Sportler in der Regel als "Anderer" anzusehen war- die bisherige Regelung zielte, wie bereits erwähnt, vielmehr auf das Umfeld des Dopingnetzwerks ab, als auf den Sportler selbst. Mit Einführung des Straftatbestandes des Selbstdopings beziehungsweise der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit müssen für eine körperliche Untersuchung des beschuldigten Sportlers hingegen die Voraussetzungen des § 81a Abs. 1 StPO erfüllt sein. Demnach ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts ein erheblicher Verhältnismäßigkeitsmaßstab zu beachten, da in diesem Fall "der Körper des Beschuldigten zum Beweismittel gegen ihn selbst gemacht wird"[38].

dd) Verdeckte Ermittler, § 110a ff. StPO, und weitere Ermittlungspersonen

Weiterhin könnten zur Aufklärung von Dopingfällen auch Verdeckte Ermittler eingesetzt werden (§§ 110a ff. StPO). Jedoch wird auch bei organisierter Dopingkriminalität[39] selten die Schwelle zur Straftat "von erheblicher Bedeutung" im Sinne des § 110a Abs. 1 Nr. 3 und 4 StPO erreicht werden. Demnach wird dies auch nach Inkrafttreten des AntiDopG nur in den seltensten Fällen möglich sein. Eine Ausnahme könnte sich lediglich in Einzelfällen ergeben, wenn aufgrund der konkreten Begehungsweise der Tat ein höherer Kriminalitätsbereich erreicht wird, die Aufklärung auf andere Weise aussichtlos oder wesentlich erschwert wäre sowie der Rechtsfrieden empfindlich gestört wird, d.h. das Gefühl der Rechtssicherheit der Gesellschaft erheblich beeinträchtigt wird.[40] Andere Ermittlungspersonen, wie V-Personen oder Informanten, können nach wohl herrschender Ansicht gemäß der allgemeinen Generalklausel der §§ 161163 StPO bereits aufgrund eines bestehenden Anfangsverdachts eingesetzt werden.[41] Mit Inkrafttreten des AntiDopG können diese also konsequenterweise auch z.B. beim Verdacht des Selbstdopings eingesetzt werden.

III. Die Dopingbekämpfung von Seiten des Sports

Beteiligt am Kampf gegen Doping sind auf nicht-staatlicher Seite insbesondere die NADA, die Weltagentur WADA sowie die nationalen Sportverbände (bei-

spielsweise der DLV[42]). Als oberste Sportschiedsgerichtsbarkeit und damit letzte Instanz in Streitfragen zum internationalen Sportrecht ist der Court of Arbitration for Sport (CAS) mit Sitz in Lausanne zuständig.

Nach der NADA definiert sich Doping als Verstoß gegen die im NADC festgelegten Anti-Doping-Bestimmungen.[43] Darunter fallen: das Vorhandensein einer verbotenen Substanz (oder ihrer Metaboliten oder Marker) in der Probe eines Athleten, deren Gebrauch, die Umgehung der Probenahme oder die Weigerung oder das Unterlassen, sich einer Probenahme zu unterziehen, drei Meldepflichtverstöße innerhalb von 12 Monaten, die unzulässige Einflussnahme auf irgendeinen Teil des Dopingkontrollverfahrens, der Besitz und das Inverkehrbringen einer verbotenen Substanz oder einer verbotenen Methode sowie deren Verabreichung an Athleten. Eine Versuchsstrafbarkeit besteht für die Einflussnahme auf das Dopingkontrollverfahren, für den Gebrauch einer verbotenen Substanz sowie deren Inverkehrbringen oder deren Verabreichung an Athleten. Ebenso ist die Tatbeteiligung im Zusammenhang mit einem Dopingverstoß selbst als Doping anzusehen. Auch der Umgang eines Athleten in beruflicher oder sportlicher Funktion mit einem Athletenbetreuer, der aufgrund von Anti-Doping-Bestimmungen gesperrt ist, kann dem NADC zufolge selbst einen Verstoß darstellen.[44]

Im sportrechtlichen Verfahren gilt der Grundsatz der strict liability. Dies bedeutet, dass der Athlet zum einen selbst dafür verantwortlich ist, davon Kenntnis zu haben, was einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen darstellt; eine entlastende Berufung auf einen Irrtum, ähnlich § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, kommt demnach nicht in Betracht.[45] Es ist weiterhin persönliche Pflicht eines jeden Athleten, dafür Sorge zu tragen, dass keine dieser verbotenen Substanzen in seinen Körper gelangt. Vorsatz, Verschulden, Fahrlässigkeit oder allein bewusster Gebrauch werden grundsätzlich nicht gefordert,[46] es besteht allenfalls die Möglichkeit, dass den Sportler, sofern er nachweisen kann, dass er kein Verschulden für den Verstoß trägt oder dass dieser nicht absichtlich begangen wurde, eine gemilderte Strafe trifft.[47] Die Konsequenz ist demnach eine Beweislastumkehr im sportverbandsrechtlichen Verfahren, konträr zum staatlichen Strafverfahren.[48]

Die Konsequenzen bei Dopingvergehen richten sich nach den jeweiligen Verstößen: so werden bei Einzelsportarten die Ergebnisse eines Wettkampfes, bei dem ein Verstoß erfolgte, automatisch annulliert, einschließlich der Aberkennung von z.B. Preisen und Medaillen.[49] Weiterhin können bereits bei einem ersten Verstoß Wettkampfsperren bis zu einer Dauer von vier Jahren verhängt werden, ein dritter Verstoß kann zu einer lebenslangen Sperre führen.[50] Die Sperre bezieht sich dabei nicht nur auf die aktive Teilnahme des Athleten an Wettkämpfen, sondern verbietet ebenso sämtliche Verwaltungstätigkeiten, sogar als Ehrenamtlicher; dies gilt auch nicht nur für die Sportart, in deren Rahmen der Dopingverstoß erfolgte, sondern nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auch für alle anderen Sportarten, die der NADA unterstehen.[51] Aufgrund der Tatsache, dass all diese Folgen eines positiven Dopingtests sehr schnell und grundsätzlich ohne die Möglichkeit eines Freispruchs aufgrund mangelnder Beweise eintreten, wird den Sportrechtsverfahren teilweise ein erheblich größerer Abschreckungseffekt als den langwierigen, staatlichen Strafverfahren mit ungewissem Ausgang zugeschrieben.[52]

1. Die Datenerhebung und -speicherung durch die NADA: Das Anti-Doping Administration and Management System (ADAMS)

Der NADA wird von der WADA die Software "ADAMS" zur Verfügung gestellt, welche der Planung und Durchführung von Dopingtests dient. Eine der Hauptfunktionen von ADAMS ist die Speicherung der "Athlete Whereabouts", d.h. der Aufenthaltsorte der registrierten Athleten. Die Sportler müssen über ein Onlineportal ihre Aufenthaltsorte – sowohl die Adresse des Ortes, an dem sie oder er übernachtet, als auch z.B. die jeweiligen Trainingsstätten – sowie Daten zur Erreichbarkeit – Telefonnummer, E-Mail-Adresse – jeweils vierteljährlich im Voraus angeben; kurzfristige Änderungen haben via Telefon oder SMS zu erfolgen.[53]

Zur Angabe der "Whereabouts" sind alle Athleten Deutschlands verpflichtet, die dem "Registered Testing Pool" (RTP) oder dem "National Testing Pool" (NTP) angehören. Für die RTP-registrierten Athleten beinhalten diese darüber hinaus die Angabe eines täglichen Zeitfensters von 60 Minuten – zwischen 06:00 und 23:00 Uhr – zu dem sie oder er an einem von ihm bestimmten Ort für Dopingkontrollen zur Verfügung steht. Die Kriterien, nach denen die Aufnahme in die Testpools erfolgt, werden von der NADA in Abstimmung mit den jeweiligen nationalen Sportverbänden festgelegt. Am Beispiel der Leichtathletik dargelegt bedeutet dies: die Aufnahme in den Bundeskader des DLV ist gleichbedeutend mit der Aufnahme in einen der Testpools der NADA.[54] Der Athlet muss also, um bei nationalen und internationalen Wettkämpfen teilnehmen zu können, unter Anderem der Nutzung von ADAMS zustimmen. Verweigert er dies, so kann er – als Profisportler, der seinen Lebensunterhalt ganz oder teilweise mit der sportlichen Tätigkeit verdient – seinen Beruf nicht ausüben.[55]

Die NADA verfügt damit über sehr umfangreiche Informationen über die Spitzensportler, welche auch die Adressaten des AntiDopG sind.[56] Anlass für die Sammlung und Speicherung dieser Daten ist die Ermöglichung von unangemeldeten Dopingkontrollen, insbesondere außerhalb der Wettkämpfe.

2. Die Durchführung von Dopingkontrollen

Die NADA führt zur Feststellung von Dopingverstößen sowohl Trainings- als auch Wettkampfkontrollen durch. Trainingskontrollen werden nur bei den Testpool-registrierten Athleten durchgeführt, Wettkampfkontrollen auch bei nicht-registrierten sowie bei ausländischen Athleten. Seit Inkrafttreten des NADC 2015 ist die NADA für sämtliche Wettkampfkontrollen bei nationalen Wettkämpfen zuständig.[57] Die Kontrollen werden komplett verdachtsunabhängig durchgeführt: es bedarf keines Tatverdachts, keines Hinweises eines Dritten. Lediglich der Grad der Doping-Gefährdung der jeweiligen Sportart hat Einfluss auf die Einteilung der Sportler in die unterschiedlichen Testpools: Athleten aus hochgradig doping-gefährdeten Sportarten werden eher in den RTP eingeordnet und sind damit vermehrt Kontrollen ausgesetzt. Grundsätzlich werden die Kontrollen nur tagsüber – zwischen 06:00 Uhr und 23:00 Uhr – durchgeführt, bei ernstem und konkretem Verdacht kann jedoch auch schon jetzt ebenso zur Nachtzeit kontrolliert werden.[58] Mitnichten müssen also, wie nach dem Bekanntwerden der Ergebnisse der France 2-Studie vielfach gefordert, neue, verschärfte Regelungen erlassen werden, um die befürchtete Lücke im Kontrollsystem zu schließen; der bestehende NADC lässt dies in Ausnahmefällen bereits zu. Im Jahr 2014 wurden von der NADA insgesamt 8.652 Dopingkontrollen außerhalb der Wettkämpfe, sowie 1.375 von insgesamt 5.257 Wettkampfkontrollen organisiert.[59] Die erhobenen Proben können zum Zweck der weiteren Analyse gelagert werden, nach dem derzeit geltenden Standard für Datenschutz der NADA bis zu 10 Jahren.[60]

IV. Grundlegende Unterschiede zwischen Strafprozess und sportrechtlichem Verfahren

1. Selbstbelastungsfreiheit auf der einen Seite, faktischer Aussagezwang auf der anderen

Die Einführung eines Straftatbestandes des Selbstdopings, ebenso die verschärfte Besitzstrafbarkeit durch das AntiDopG, wirft im Zusammenhang mit der Verfahrensmaxime nemo tenetur se ipsum accusare, vgl. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK[61], § 14 Abs. 3 lit. g IPbpR, §§ 136 Abs. 1 S. 2, 136a StPO, einige Fragen auf. Diesem Grundsatz zufolge ist der beschuldigte Sportler nicht verpflichtet, zu seiner Strafverfolgung durch aktives Tun beizutragen; er hat das Recht, zu allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen die Aussage zu verweigern.

Wie bereits dargestellt, unterwirft sich der Sportler mit Unterzeichnung der Athletenvereinbarung den Dopingkontrollen der NADA. Sofern die Ergebnisse dieser Kontrollen den staatlichen Ermittlungsbehörden übermittelt werden, stellt sich damit das Problem, dass der Sportler mehr oder minder gezwungen ist, aktiv an seiner Überführung mitzuwirken.[62] Ebenso ist der Sportler im verbandsrechtlichen Verfahren aufgrund der dort geltenden Beweislastregeln faktisch gezwungen, zur Sache auszusagen.[63] In vergleichbaren Konstellationen – vordergründig im Insolvenzverfahren, konkret im sog. "Gemeinschuldnerbeschluss"[64] – hat das BVerfG entschieden, dass sich als Konsequenz des Grundsatzes der Freiheit von Selbstbezichtigungszwang unter Umständen ein Beweisverwertungsverbot ergeben kann. Begründet wurde dies damit, dass der Einzelne nicht von staatlicher Seite in eine Konfliktlage gebracht werden dürfe, in der er sich selbst strafbarer Handlungen oder ähnlicher Verfehlungen bezichtigen muss, und damit in Versuchung gerät, durch Falschaussagen ein neues Delikt zu begehen, oder wegen seines Schweigens Gefahr läuft, Zwangsmitteln unterworfen zu werden. Ein Zwang zur Selbstbezichtigung berühre zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet werde.[65] Aus einer staatlich angeordneten Mitwirkungspflicht kann sich folglich ein Beweisverwertungsverbot ergeben. Fraglich ist jedoch, ob diese Situation des Beschuldigten im Insolvenzverfahren mit der des Athleten im sportrechtli-

chen Verfahren vergleichbar ist. Darüber lässt es sich durchaus streiten: Verneint wird dies in erster Linie unter Hinweis auf die Freiwilligkeit, mit der sich die Athleten den Verbandsregeln bzw. Wettkampfregeln der Sportverbände und der NADA unterwerfen. Die Sportler seien diese Verpflichtungen folglich eigenverantwortlich eingegangen.[66]

Hingegen kann man aufgrund der Monopolstellung, welche die Sportverbände wegen des im Verbandswesen geltenden Ein-Verband-Prinzips[67] innehaben, durchaus einen faktischen Zwang der Sportler zur Abgabe einer solchen Erklärung erwägen, mithin eine freiwillige, eigenverantwortliche Entscheidung der Sportler verneinen.[68] Die faktische Mitwirkungspflicht im verbandsrechtlichen Verfahren käme demnach im Hinblick auf den Zwang zur Aussage einer staatlich angeordneten sehr nahe,[69] insbesondere wenn man dies im Lichte der Entscheidung im Fall Pechstein betrachtet. Darin wurde Anfang des Jahres 2015 vom OLG München entschieden, dass ein Missbrauch von Marktmacht zumindest dann vorläge, wenn ein marktbeherrschender Sportverband die Zulassung zu einem von ihm ausgerichteten Wettkampf von der Zustimmung zu einer Schiedsvereinbarung abhängig macht.[70] Begründet wurde dies damit, dass die Athletin faktisch gezwungen wurde, sich dem Schiedsgericht CAS zu unterwerfen, obgleich die Praxis zur Besetzung der Schiedsrichterstellen dort nicht strukturell neutral sei.[71] In diesem Urteil wurde also durchaus gesehen, dass der Spitzenathlet, um seinen Beruf ausüben zu können, keine andere Möglichkeit hat, als den Athletenvereinbarungen seines Sportfachverbandes zuzustimmen,[72] und demnach eine strukturelle Unterlegenheit des Sportlers gegenüber dem Verband zu bejahen ist.[73] Demzufolge könnte die Freiwilligkeit des Sportlers, mit der er sich dem verbandsrechtlichen Verfahren und demnach faktisch einer Aussagepflicht unterwirft, durchaus verneint werden,[74] mit der Konsequenz, dass ein Beweisverwertungsverbot zu bejahen wäre. Die Erkenntnisse aus dem sportrechtlichen Verfahren dürften demnach im Strafverfahren nicht berücksichtigt werden.

2. Ne bis in idem – Das Verbot der Doppelbestrafung

Weiterhin stellt sich bei einem künftigen – verstärkten – Nebeneinander von staatlichem Strafprozess und sportverbandsrechtlichem Verfahren, infolge dessen es vermehrt zur Sanktionierung des dopenden Sportlers sowohl nach dem StGB als auch dem WADC kommen kann, die Frage nach der Reichweite des Grundsatzes ne bis in idem, Art. 103 Abs. 3 GG.[75] Angeführt werden in diesem Zusammenhang vor allem grundsätzliche Probleme in Bezug auf eine mögliche Doppelbestrafung des Sportlers, weiter die gegenseitige Beeinflussung sowie Haftungsprobleme bei unterschiedlichem Ausgang der beiden Verfahren.[76] Bezüglich der Gefahr der Doppelbestrafung lässt sich jedoch entgegnen, dass Art. 103 Abs. 3 GG nur der Verhängung zweier Kriminalstrafen, d.h. beruhend auf den allgemeinen Strafgesetzen, entgegensteht. Da das sportrechtliche Verfahren jedoch dem Vereinsrecht, ergo dem Privatrecht, zuzuordnen ist, kommt eine Ausdehnung des ne bis in idem unter diesem Aspekt nicht in Betracht.[77] Jedoch lässt sich, mit Rücksicht auf das dem Art. 103 Abs. 3 GG zugrunde liegende Verhältnismäßigkeitsgebot, Art. 20 Abs. 3 GG, befürworten, dass eine möglicherweise bereits verhängte verbandsrechtliche Sanktion im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 Abs. 1, 2 StGB Berücksichtigung findet,[78] wie es beispielweise aus der ständigen Rechtsprechung des BGH in Bezug auf berufsrechtliche Sanktionen von Beamten bekannt ist.[79] Dies gilt umso mehr, als dass insbesondere der neue Straftatbestand des Selbstdopings denselben Schutzzweck verfolgt wie die einschlägigen Normen des WADC: die Integrität des Sports.[80]

Der entgegengesetzte Fall, d.h. eine zeitlich auf das strafrechtliche Urteil folgende verbandsrechtliche Sanktion, wird in Anbetracht der grundsätzlichen Auslastung der Strafgerichte eher die Ausnahme sein. Die Dopingsanktionen der Verbandsorgane hingegen können unmittelbar erfolgen, so beispielsweise die umgehende Annullierung der Platzierung eines im Wettkampf positiv getesteten Sportlers. Eine Anrechenbarkeit der staatlichen Strafe auf

eine darauf folgende verbandsrechtliche Sanktion ist jedoch zu verneinen. Begründen lässt sich dies schon allein mit der Vereinsautonomie des Sports, welche nach Art. 9 Abs. 1 GG garantiert wird. Dessen Selbstbestimmungs- und Selbstverständnisrecht umfasst auch die sportmoralische Beurteilung von Doping, so dass es unzulässig wäre, dies durch eine zwingende Anrechnung einer Kriminalstrafe zu umgehen. Ferner bestünde bei einer zwingenden Berücksichtigung der Kriminalstrafen auch die Problematik, dass Berufssportler mittels Selbstanzeige ein Ermittlungsverfahren initiieren und eine Verurteilung zu einer Geldstrafe durch die Strafgerichte in Kauf nehmen könnten, um beispielsweise eine jahrelange Wettkampfsperre zu vermeiden,[81] da letzteres für sie gegebenenfalls eine wesentlich größere Einbuße an finanziellen Mitteln bedeuten würde. Der Kampf der Sportverbände gegen Doping würde so ad absurdum geführt.

Aufgrund der unterschiedlichen Beweislastregeln – Grundsatz der strict liability im Gegensatz zum zwingenden Vorsatznachweis im Strafprozess[82] – kann es durchaus zu differierenden Ergebnissen der beiden Verfahren kommen. Nicht unwahrscheinlich wäre demnach der Fall, dass der positiv getestete Sportler zunächst zu einer Wettkampfsperre sowie zur Rückzahlung erhaltener Preisgelder verurteilt wird, später hingegen aufgrund von Zweifeln an seiner Schuld – in dubio pro reo – im staatlichen Verfahren freigesprochen wird. Teilweise wird befürchtet, dass dies zum einen das Ansehen der Sportgerichtsbarkeit gefährden könnte,[83] zum anderen auch umfangreiche Schadensersatzforderungen des Sportlers gegen den Sportverband nach sich ziehen würde.[84] Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass ein solches Nebeneinander von unterschiedlichen Sanktionswegen mit all den Konsequenzen durchaus üblich ist, so beispielsweise bei einem Verkehrsunfall, bei dem einerseits eine Haftung nach dem StVG – wobei eine Gefährdungshaftung bestehen kann – sowie andererseits eine Strafbarkeit nach dem StGB in Betracht kommt.

V. Fazit

Abschließend lässt sich feststellen, dass die Erweiterung der Strafbarkeit und die daraus resultierenden Einsatzmöglichkeiten des polizeilichen Ermittlungsapparates, im Zusammenspiel mit dem bereits bestehenden Kontrollsystem der Sportverbände, freilich die Verfolgung von Dopingtätern vereinfachen wird, und damit zu einer höheren Aufdeckungsquote in Bezug auf Dopingverstöße führen könnte. Bejaht man jedoch ein Beweisverwertungsverbot in Bezug auf die im sportrechtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse, so stellt sich die Situation bereits weniger positiv dar. Auch kann das Ziel einer höheren Aufdeckungsquote allein keine Grundlage für die Einführung eines Straftatbestandes – hier des Selbstdopings und der uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit – sein. Strafprozessuale Verfolgungsmöglichkeiten können kein Selbstzweck sein,[85] kriminalistische Anliegen können allein keine materiellrechtliche Strafbarkeit rechtfertigen.[86] Zu bedenken ist weiterhin, dass es durchaus fraglich ist, ob die staatlichen Ermittlungsbehörden rein tatsächlich überhaupt in der Lage sind, im Kampf gegen Dopingverstöße den Einsatz zu erbringen, den die NADA mit ihren Dopingkontrollen derzeit leistet. Die notorische Überlastung der Justiz und der Polizei sind ein bekanntes Problem,[87] bereits die bisherigen Regelungen im AMG wurden in diesem Zusammenhang mehrfach als "totes Recht"[88] bezeichnet. Auch kann die daraus resultierende schiere Dauer, die ein strafrechtliches Verfahren einnehmen kann, für den Sportler äußerst belastend sein.[89] Angesichts des Grundsatzes, dass das Strafrecht immer nur die ultima ratio sein darf, lässt sich also die Notwendigkeit einer verschärften Strafbarkeit nur schwer bejahen. Wenn zeitgleich mit einer Suspendierung des kompletten russischen Leichtathletikverbandes – aufgrund schwerwiegenden Dopingverdachts – in den deutschen Nominierungsrichtlinien immer noch deutlich über den internationalen Qualifikationsnormen[90] liegende Leistungen für eine Olympiateilnahme deutscher Athleten gefordert werden, und sich diese Richtlinien mit der Forderung einer Endkampfchance begründen, so müssen sich die Sportverbände außerdem den Vorwurf gefallen lassen, zu wissen, dass dies in einer derart "dopingverseuchten"[91] Sportwelt oft nicht ohne Doping zu erreichen sein wird.[92] Ein Ruf nach dem Gesetzgeber, der eben dies unter Strafe stellen soll, ist demnach nur schwer nachvollziehbar. Wüterich/Breucker lagen demnach richtig, wenn sie forderten: "Bevor darüber nachgedacht wird, ob der Staat sich in den Kampf gegen das Doping-Unwesen stürzt, muss sich deshalb der organisierte Sport die Frage stellen, ob er die verfügbaren Mittel ausschöpft"[93]. Die Frage hiernach muss sich der organisierte Sport auch weiterhin stellen lassen.


* Die Verfasserin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht von Professor Robert Esser, Universität Passau.

[1] Aus dieser ging hervor, dass die Gabe von Dopingmitteln in Mikrodosierungen zwar deutliche Leistungssteigerungen hervorrufen kann, hingegen nur sehr schwer bis gar nicht nachweisbar ist: http://www.francetvinfo.fr/sports/dopage/video-ils-se-dopent-volontairement-pendant-un-mois-l-effet-est-spectaculaire_893529.html (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[2] International Association of Athletics Federations.

[3] World Anti-Doping Agency.

[4] http://www.iaaf.org/news/press-release/araf-accepts-full-suspension (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[5] Unter anderem: Breucker DRiZ 2015, 118; Haug/Martin CaS 2014, 345; Lehner CaS 2015, 130; Steiner ZRP 2015, 51.

[6] Nationale Anti-Doping Agentur.

[7] Siehe Kistner, Kontrollen nützen nichts, SZ vom 6. Mai 2015, Nr. 103, S. 29.

[8] Dury SpuRt 2005, 137.

[9] BT-Drucksache 18/6677.

[10] Eine Verfassungsmäßigkeit ablehnend beispielsweise Lehner CaS 2015,130, 135; in Bezug auf den Straftatbestand des Selbstdopings auch Zuck NJW 2014, 276, 281.

[11] Dury , in: Festschrift für Röhricht (2005), S. 1097; Steiner, in: Röhricht/Vieweg (Hrsg.), Doping-Forum (2000), S. 125, 128f.; vgl. allgemein auch Vieweg SpuRt 2004, 194 ff. m.w.N.

[12] Dury a.a.O. (Fn. 11), S. 1099.

[13] Vgl. Gesetzentwurf vom 3. März 1998, BT-Drucks. 13/9996.

[14] Vgl. Referentenentwurf vom 30. November 2009: Gesetz zur Bekämpfung des Dopings und der Korruption im Sport: https://www.justiz.bayern.de/media/pdf/gesetze/entwurf_sportschutzgesetz_30112009.pdf (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[15] Siehe Mitteilung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 25. März 2015, http://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2015/03252015_Anti_Doping_Gesetz.html (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[16] Siehe Gastbeitrag von Künast: Doping ist kein Fall für das Strafrecht, FAZ vom 22. Mai 2015, Nr. 117, S. 10.

[17] Vgl. http://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/doping/robert-harting-erwaegt-klage-gegen-anti-doping-gesetz-13652984.html (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[18] "As such, the agency does not believe that doping should be made a criminal offence for athletes", siehe https://www.wada-ama.org/en/media/news/2015-10/wada-statement-on-the-criminalization-of-doping-in-sport (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[19] BT-Sportausschuss, Ausschussdrucksache 18 (5) 106: Anhörung Sportausschuss am 17. Juni 2015, Stellungnahme der NADA zum Anti-Doping-Gesetz.

[20] BGBl. I 1998/80, S. 3586.

[21] Hier und im Folgenden: a.F. meint jeweils die Fassung vom 7. August 2013, BGBl. I 2013/47, S. 3108.

[22] BGBl. I 2007/54, S. 2510.

[23] Schattmann , Betrug des Leistungssportlers im Wettkampf (2008), S. 27 ff.

[24] Grotz SpuRt 2005, 93.

[25] Schattmann a.a.O. (Fn. 22), S. 39 ff.

[26] LG Stuttgart 16 KLs 211 Js 88929/08, Urteil vom 29. Oktober 2013 = BeckRS 2013, 18596.

[27] BGBl. I 2007/70, S. 3198.

[28] Darunter fallen: die Manipulation von Blut und Blutbestandteilen, die chemische und physikalische Manipulation der Dopingkontrollen sowie das Gendoping, vgl. Anlage I des Internationalen Übereinkommens gegen Doping im Sport, BGBl. II 2014/31, S. 1367.

[29] BT-Drucksache 18/4898.

[30] Beulke , in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. (2007), § 152 Rn. 21.

[31] Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147.

[32] OLG Düsseldorf 5 Ss 151/93 u.a., Entscheidung vom 13. Mai 1993 = MDR 1993, 1113; Weber, BtMG, 3. Aufl. (2009), § 29 Rn. 1060.

[33] Kolbe , Strafprozessuale Aspekte der strafrechtlichen Dopingverfolgung (2012), S. 36; ebenso Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 146 (ohne Berücksichtigung der "geringen Menge").

[34] Vgl. Jahn in der schriftliche Stellungnahme im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, 20.7.2007: www.jura.uni-frankfurt.de/55029819/Jahn_Sachverstaendigenanhoerung_Sportausschuss_20-06-2007.pdf (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[35] Nationaler Anti-Doping Code.

[36] "Telekommunikation" definiert sich nach § 3 Nr. 22 TKG; Hauck, in: Löwe-Rosenberg a.a.O. (Fn. 29), § 100a Rn. 31: "[…]jede Form der Datenübermittlung unter Überwindung räumlicher Entfernungen bei nicht körperlicher Übertragung, insbesondere auf elektronischem oder optischem Wege".

[37] Hauck , in: Löwe-Rosenberg a.a.O.(Fn. 29), § 100f Rn. 14.

[38] Jahn SpuRt 2005, 141, 146; vgl. auch BVerfG 1 BvR 790/58, Beschluss vom 10. Juni 1963 = NJW 1963, 1597.

[39] Hinter einem gedopten Sportler steht häufig ein ganzes Netzwerk von Mittätern und –wissern; angefangen von Trainern bis hin zu Mannschaftsärzten etc.; vgl. Körner Kriminalistik 2003, 101, der von einer "verschworenen Gemeinschaft" spricht.

[40] Jahn SpuRt 2005, 141, 144.

[41] Rogall , Anmerkung zu BVerfG 2 BvR 2017 u. 2039/94, Beschluss vom 1. März 2000 = NStZ 2000, 489, 493; Jahn SpuRt 2005 141, 144; kritisch hierzu beispielsweise die Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes bei Kintzi DRiZ 2003, 136, 142.

[42] Deutscher Leichtathletik-Verband.

[43] Art. 1 NADC 2015.

[44] Vgl. Art. 2 NADC 2015.

[45] Art. 2 NADC 2015.

[46] Art. 2.1.1 NADC 2015.

[47] Art. 10 NADC 2015, beispielsweise eine Verkürzung seiner Wettkampfsperre von vier auf zwei Jahren.

[48] Kudlich JA 2007, 90, 95.

[49] Art. 9 ff. NADC 2015.

[50] Art. 10 NADC 2015.

[51] Kommentar zu Art. 10.12.1 NADC 2015.

[52] Dury SpuRt 2005, 137, 140.

[53] Vgl. Art. 3.1 NADA Standard für Meldepflichten.

[54] Vgl. https://www.leichtathletik.de/nationalmannschaft/anti-doping/ (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[55] LG München 37 O 28331/12, Urteil vom 26. Februar 2014 = SchiedsVZ 2014, 100; sowie OLG München U 1110/14 Kart, Urteil vom 15. Januar 2015 = BeckRS 2015, 02086: Fall Pechstein: bezogen auf die Freiwilligkeit der Einwilligung in eine Schiedsvereinbarung, welche von den Sportverbänden verlangt wurde.

[56] Dies sind, bezogen auf die Besitzstrafbarkeit und das Selbstdoping: alle Athleten, die aufgrund ihrer Testpoolzugehörigkeit Trainingskontrollen unterliegen, sowie jeder, der aus der sportlichen Betätigung unmittelbar oder mittelbar Einnahmen von erheblichem Umfang erzielt, vgl. § 4 Abs. 4 Nr. 1, 2 AntiDopG.

[57] Vgl. Art. 5.2.3 NADC 2015; durchgeführt werden die Kontrollen von der Firma PWC Medizinische Testverfahren im Sport GmbH, die Beauftragung Dritter ist nach Art. 5.2 NADC 2015 auch zulässig.

[58] Vgl. Kommentar zu Art. 5.3.2 NADC 2015.

[59] Vgl. NADA-Jahresbericht 2014, S. 4 f .: http://www.nada.de/fileadmin/user_upload/nada/Downloads/Jahresberichte/NADA_Jahresbericht_deutsch_final.pdf (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[60] Vgl. Art. 6.5 NADC 2015; Anlage 1 zum Standard für Datenschutz: http://www.nada.de/fileadmin/user_upload/nada/Downloads/Regelwerke/2015_Annex_Standard_fuer_Datenschutz.pdf (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[61] EGMR J. B. v. Schweiz, Urteil vom 3. Mai 2001 = NJW 2002, 499; Esser, in: Löwe-Rosenberg a.a.O. (Fn. 29), EMRK Art. 6 Rn. 879 ff.

[62] Das Abgeben einer Urinprobe (die übliche Methode einer Dopingkontrolle) ist, anders als das Erdulden einer Blutentnahme, als aktives Tun einzustufen.

[63] Im Sportgerichtsverfahren kann das zur Entscheidung berufene Disziplinarorgan negative Rückschlüsse daraus ziehen, dass der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Aufforderung nicht an der Anhörung teilnimmt oder Fragen der zuständigen Organe nicht beantwortet, Art. 3.2.5 NADC 2015.

[64] BVerfG 1 BvR 116/77, Beschluss vom 13. Januar 1981 = NJW 1981, 1431.

[65] Ebd.

[66] Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 150; Kolbe a.a.O. (Fn. 32), S. 113 ff.; Dury a.a.O. (Fn. 11), S.1106: Unterwerfung in "zivilrechtlich zulässiger Weise".

[67] Siehe hierzu Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände (2009), S. 21 ff.: In der Regel nehmen die internationalen Sportfachverbände nur jeweils einen nationalen Sportfachverband auf, um zu gewährleisten, dass Sportwettkämpfe international nach einheitlichen Regeln durchgeführt werden.

[68] Von einem "Kontrahierungszwang" spricht auch Cherkeh SpuRt 2004, 89.

[69] So auch Glocker, Die strafrechtliche Bedeutung von Doping (2009), S. 269.

[70] OLG München U 1110/14 Kart, Urteil vom 15. Januar 2015 = BeckRS 2015, 02086 ; LG München, Urteil vom 26. Februar 2014 = SchiedsVZ 2014, 100.

[71] OLG München U 1110/14 Kart, Urteil vom 15. Januar 2015 = BeckRS 2015, 02086, Rn. 60 ff.; LG München 37 O 28331/12, Urteil vom 26. Februar 2014 = SchiedsVZ 2014, 100, 105.

[72] "Die Klägerin hatte bei der Unterzeichnung der Schiedsvereinbarungen nicht die Wahl, von der Unterzeichnung Abstand zu nehmen[…]Die Wettkampfteilnahme bei den Beklagten ist für die Klägerin angesichts deren Monopolstellung die einzige Möglichkeit, ihren Beruf angemessen auszuüben."

[73] Niedermaier , Schieds- und Schiedsverfahrensvereinbarungen in strukturellen Ungleichgewichtslagen (2013), S.69 f.

[74] Gegen eine freiwillige Entscheidung auch Schenk im Expertengespräch zur Dopinggesetzgebung am 26. September 2013 im Bundesministerium des Inneren, Bonn: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Kurzmeldungen/bericht.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 11. Januar 2016).

[75] Vgl. Lüer, Dopingstrafen im Sport (2006), S. 133.

[76] Rössner im Expertengespräch zur Dopinggesetzgebung am 26. September 2013 im Bundesministerium des Inneren, Bonn (Fn. 73).

[77] Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 151.

[78] Glocker a.a.O. (Fn. 68), S. 273; ebenso Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 153.

[79] Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 153; vgl. auch BGH 2 StR 527/87, Urteil vom 16. Dezember 1987 = BeckRS 9998, 164679.

[80] Zu § 3 AntiDopG (Selbstdoping), BT-Drucksache 18/4898.

[81] Lüer a.a.O. (Fn. 74), S. 155 f.

[82] Eine fahrlässige Begehungsweise ist im AntiDopG nicht enthalten.

[83] Dury SpuRt 2005, 137, 140.

[84] Vgl. Schild im Expertengespräch zur Dopinggesetzgebung am 26. September 2013 im Bundesministerium des Inneren, Bonn (Fn. 73).

[85] Kauerhof HRRS 2007, 71, 72; anders: Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147.

[86] So auch: Kreuzer ZRP 2013, 181, 183 f.

[87] Dury a.a.O. (Fn. 11) 1107.

[88] Dury SpuRt 2005, 137, 139; ders. a.a.O.(Fn. 11), S. 1105; "wenig effektiv": Hauptmann/Rübenstahl HRRS 2007, 143, 147.

[89] Im Fall Schumacher wurde im Jahr 2013 das Urteil gesprochen, die Anklageschrift datiert vom 20. September 2010. Die in Frage stehende positive Dopingprobe stammte aus dem Jahr 2008, vgl. LG Stuttgart 16 KLs 211 Js 88929/08, Urteil vom 29. Oktober 2013 = BeckRS 2013, 18596.

[90] Beispielsweise liegt im Marathon die Normanforderung des IAAF für Männer bei 2:17:00 h, die des DLV bei 2:12:15 h.

[91] Einer Studie der Universität des Saarlandes zufolge greifen 35% der Leistungssportlerinnen und Leistungssportler zu verbotenen Mitteln: Pitsch/Maats/Emrich magazin forschung 1/2009, 15, 17.

[92] Lehner CaS 2015, 130.

[93] Wüterich/Breucker SpuRt 2002, 133; ähnlich: Kauerhof HRRS 2007, 71, 72: "Die Möglichkeit der konsequenteren Ausschöpfung dieser Institute beim Vorgehen gegen Dopingsünder muss zunächst qualitativ beleuchtet werden, bevor die Diskussion über die quantitative Ausweitung strafrechtlicher Normen angefacht wird".