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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2015
16. Jahrgang
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Von Rechtsanwalt Sebastian Wohlwend, Berlin
Die Durchsuchung bei Dritten nach § 103 Abs. 1 S. 1 StPO bedarf gegenüber der Durchsuchung beim Beschuldigten einer zusätzlichen Voraussetzung: die Durchsuchung ist nur gestattet, wenn über den Grad der Vermutung hinaus aufgrund von Tatsachen der Schluss gezogen werden kann, dass der Durchsuchungszweck erreicht wird.[1]
Dabei können sich Probleme in der Praxis dergestalt ergeben, dass eine Durchsuchungsanordnung nur für die
Räumlichkeiten des Beschuldigten vorliegt und /oder für Räumlichkeiten eines unbeteiligten Dritten eben nicht und entweder Gefahr im Verzug angenommen oder der Beschluss auf diese Räume ausgedehnt wird. Denn ist die Durchsuchung beim Beschuldigten möglich, so wird diese generell auf den unverdächtigen Dritten ausgeweitet, wenn es sich um ein Zimmer in einer WG oder um das Kinderzimmer eines straf(un)mündigen Kindes handelt. Die Durchsuchung nimmt grds. keinen Halt vor angrenzenden Räumlichkeiten, die sich in der gleichen Wohnung befinden, wie das Zimmer des Beschuldigten. Die Umfassung der weiteren Räumlichkeiten wird zumeist mit der Begründung eines gemeinsamen Haushalts oder der Gefahr im Verzug erfolgen. Diese oberflächliche Ansicht wird jedoch den tatsächlichen Gegebenheiten in den WG- oder Kinderzimmer-Fällen nicht gerecht und verstößt nicht nur gegen § 103 StPO sondern damit auch gegen Art. 13 GG. Nach hiesiger Ansicht ergibt sich aus der Missachtung der §§ 103 ff. StPO ein vollumfängliches Beweisverwertungsverbot.
Grundsätzlich bedarf es eines Durchsuchungsbeschlusses. Eine Ausnahme liegt bei Gefahr im Verzug vor, § 105 Abs. 1 StPO. Die Bejahung von Gefahr im Verzug ist nur dann möglich, wenn zu erwarten ist, dass das Zuwarten auf einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss das Auffinden von Beweismitteln verhindern bzw. erschweren würde. Hieran sind aber strenge Voraussetzungen geknüpft. Erfährt z.B. die Polizei von dem Verdacht einer Straftat und begibt sich zur Örtlichkeit, klingelt an der Haustür, in welcher der Beschuldigte sein Zimmer bewohnt und der Polizei wird der Zutritt durch den Beschuldigten oder einer anderen Person verweigert, kann keine Gefahr im Verzug mehr angenommen werden, da eine bewusste Umgehung der richterlichen Anordnung vorliegen würde.[2] Bis zum Eintritt am Durchsuchungsobjekt hat sich die Polizei um einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss zu bemühen. Daher kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Staatsanwaltschaft oder ihre Hilfsbeamten nach kriminalistischer Erfahrung die Durchsuchung für erforderlich halten mussten[3] und das ist ab dem Zeitpunkt der Fall, in welchem die Fahrt zum Verdächtigen oder unverdächtigen Dritten mit anschließendem Durchsuchungswillen in Betracht kommt. Denn ansonsten könnte die schriftliche Anordnung immer dadurch umgangen werden, dass – obwohl ausreichend Zeit zur Anfrage während der Hinfahrt zur zu durchsuchenden Wohnung/Räumlichkeiten besteht – die Polizei erst einmal klingelt, die freiwillige Durchsicht versucht und sodann unmittelbar, da aufgrund ihres Erscheinens sich für den Beschuldigten theoretisch die Möglichkeit eröffnet, Beweismittel wegzuschaffen oder zu vernichten, eine Gefährdungslage annimmt und ohne Beschluss die Durchsuchung vornimmt. Dies würde die gesetzliche Regelung und die vom Bundesverfassungsgericht[4] nochmals hervorgehobene richterliche Anordnung konterkarieren. Im Ergebnis bleibt für eine Durchsuchung ohne Beschluss nahezu wenig Raum. Wie es bereits das Bundesverfassungsgericht konstatierte, so ist der richterliche Beschluss die Regel und die Annahme von Gefahr im Verzug die Ausnahme und nicht umgekehrt.[5]
Besteht also die Annahme, dass das gesuchte Beweismittel nicht beim Beschuldigten, sondern beim nichtverdächtigen Mitbewohner aufzufinden ist, so ist ein entsprechender Beschluss herbei zu führen. Geschieht dies nicht, ist die Durchsuchungsmaßnahme bereits formell rechtswidrig. Über die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit bedarf es keiner Entscheidung mehr, da sich auch bei Missachtung von formellen Voraussetzungen ein Beweisverwertungsverbot ergibt. Eine andere Ansicht ist mit den hiesigen Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar. Der Beschuldigte sowie der nichtverdächtige Dritte haben ein Recht auf eine ordnungsgemäß laufende Strafrechtspflege, die selbstredend keinen Einschränkungen im (Vor-)Ermittlungsverfahren unterliegt. Es handelt sich nicht um bloße Ordnungsvorschriften, die "übersehen" werden können. Es handelt sich bei den formellen Voraussetzungen der §§ 102 ff. StPO um verbrieftes garantiertes Verfassungsrecht des Bürgers (Art. 13 GG), worunter auch die Dokumentations- und Begründungspflicht aus Art. 19 Abs. 4 GG fällt.
Die richterliche Durchsuchungsanordnung hat zwingend schriftlich zu erfolgen.[6] Die mündliche Anordnung findet im Gesetz keine Stütze. Nach § 35 Abs. 2 StPO ist die Entscheidung, und nichts anderes ist die Durchsuchungsanordnung, dem Abwesenden in schriftlicher Form zuzustellen.[7] § 105 StPO lässt zudem keine nachträgliche richterliche Bestätigung der Durchsuchung zu. Ebenso verlangen die §§ 34 ff. StPO Schriftform für einen mit Gründen versehenen Beschluss des Richters, sofern dem Betroffenen die Anordnung nicht verkündet wird. Der Gerichtsbeschluss ist durch Zustellung oder formlose Mitteilung bekanntzugeben, § 35 Abs. 2 StPO. Die fernmündliche Eröffnung eines Gerichtsbeschlusses durch einen Polizeibeamten genügt nicht.[8] Eine andere Behandlung von Durchsuchungsanordnungen verbietet sich folglich. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass ein vehementer Grundrechtseingriff durch die Anordnung vorliegt und deswegen die Prozessordnung zu garantieren hat, dass der Richter anhand der Akten eine unabhängige Bewertung der Eingriffsumstände vornehmen konnte und der Betroffene anhand des Beschlusses den Umfang und die Gründe des Eingriffs bei dessen Vollzug kontrollieren kann.[9]
Selbstredend sind die einschlägige(n) Strafnorm(en) und der Beschuldigte aufzuführen.
Daneben müssen die zu durchsuchenden Räumlichkeiten konkret bezeichnet und ggf. begrenzt werden.[10] Die Begrenzungen sind insbesondere aufgrund der erweiterten Voraussetzungen des § 103 StPO bei der Durchsuchung von Nichtverdächtigen notwendig.
Besondere Vorsicht ist in den Fällen geboten, in welchen eine Durchsuchungsanordnung nach § 102 StPO gegen einen Erwachsenen vorliegt und dann auch sämtliche Zimmer der Kinder des Beschuldigten durchsucht werden. Zwar hat der erziehungsberechtigte Beschuldigte grds. – zivilrechtlich – Mitgewahrsam an den Kinderzimmern. Das reicht aber nicht aus. Es bedarf dabei der Beachtung der geistigen Entwicklung und Reife des Kindes.
Im Kinderzimmer findet das Leben und Wirken des Kindes / Jugendlichen statt. Für die Gewahrsamsfrage kann nicht das bloße Alter des Kindes / Jugendlichen, sondern die Verwendung, d.h die tatsächliche Nutzung der Räumlichkeit durch dieses / diesen bzw. des Beschuldigten entscheidend sein. Dies gebietet sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Demgemäß ist grds. § 102 StPO Einhalt zu gebieten und für die Durchsuchung der Kinderzimmer müssen damit die Voraussetzungen des § 103 StPO vorliegen.
Bei Wohngemeinschaften ist die Inhaberfrage grds. einfacher zu beantworten. An den Zimmern von unverdächtigen Dritten ist nur der das Zimmer Bewohnende Inhaber i.S.d. § 103 StPO. Die Durchsuchung von Gemeinschaftsräumen ist an § 102 StPO zu messen.
Da u.a. nach dem Bundesverfassungsgericht eine mündliche Anordnung der Durchsuchung ausreichend sein soll – und dies auch nur in Eilfällen -, müssen bei einer mündlichen Anordnung die Grundlagen der richterlichen Entscheidung gleichwohl in der Akte vermerkt sein, denn der richterliche Vermerk ist formale Voraussetzung im Rahmen der sich aus Art 19 Abs. 4 GG ergebenden Dokumentations- und Begründungspflichten.[11] Auch die Dringlichkeit muss dokumentiert werden.[12] Die Dokumentations- und Begründungspflicht gilt auch für die Erfassung und dem Umfang der Durchsuchung und des Durchsuchungsobjekts. Ansonsten würde das Gericht seine Aufgabe praktisch auf die Ermittlungsbeamten delegieren, was rechtlich unzulässig ist.[13]
Neben den Räumen, die in dem Beschluss erfasst werden müssen, sind die erhofften, aufzufindenden Beweismittel, zumindest der Gattung nach, zu bezeichnen.[14] Wird nach einer Schusswaffe gesucht, so ist auch "Schusswaffe" und nicht bloß, "gefährliches Werkzeug" oder "Waffe" grob anzugeben. Denn wenn die Ermittlungen Anhaltspunkte auf konkrete Gegenstände, die dem Typ oder gar aufgrund eines besonderen Merkmals individualisierbar sind, geben, so hat der Beschluss diese Gegenstände auch konkret zu benennen.[15]
Des Weiteren bedarf es auch der Angabe, aus welchen Gründen sich die Annahme ergibt, dass das Beweismittel beim unverdächtigen Dritten aufgefunden werden wird. Dazu müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Im Konkreten sind reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung gestützte, fallunabhängige Vermutungen nicht ausreichend. Es ist auch dann keine Ausnahme davon zu machen, wenn sich im Laufe der Durchsuchung beim Verdächtigen herausstellt, dass dort das Beweismittel nicht auffindbar ist, es aber aufgrund des örtlichen Zusammenhangs zwischen den Zimmern des Verdächtigen und des unverdächtigen Dritten, wie auch des zeitlichen Zusammenhangs zwischen angeblicher Tatausführung und Erscheinen der Beamten vor Ort, der Verdacht besteht, dass sich im Zimmer des unverdächtigen Dritten das Beweismittel auffinden lässt. Denn § 103 StPO verlangt "Tatsachen" und nicht bloße Erwägungen oder Vermutungen. Fehlt es an Umständen, die durch bewiesene Tatsachen darauf schließen lassen würden, dass das mutmaßliche Tatwerkzeug sich in Räumen Dritter befinden würde, ist die Anordnung rechtswidrig.[16]
Wie oben kurz angeschnitten, muss die Durchsuchung auch verhältnismäßig sein.[17] D.h. die Durchsuchung muss in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Straftat und zur Stärke des Tatverdachts stehen.[18] Hierbei sind auch die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie der Grad des Auffindeverdachts zu bewerten.[19] Dabei muss eine Abwägung anhand konkreter Sachverhaltselemente im Einzelfall erfolgen.[20] Hiermit soll im Ergebnis "das Schießen mit Kanonen auf Spatzen" verhindert werden. In der Praxis findet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erstaunlicherweise
wenig Gehör. Ein Verstoß sollte natürlich trotzdem gerügt werden.
Gegen den Durchsuchungsbeschluss des Ermittlungsrichters ist der Weg der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO eröffnet.[21] Die Beschwerde ist an keine Frist gebunden. Denn die Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes gegen den Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen aus Art. 13 Abs. 1 GG gebietet, dass auch nach Abschluss der Durchsuchung deren Rechtmäßigkeit mit dem grundsätzlich gegen diese Maßnahme gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel zur Überprüfung gestellt werden kann.[22] Die Beschwerde ist beim anordnenden Gericht (iudex a qou) einzureichen.
Gegen die Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft oder deren Ermittlungsbeamten ist Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog beim zuständigen Gericht zu stellen.[23] Auch hier ist keine Frist einzuhalten. Gegen die Entscheidung des Gerichts ist wiederum die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO möglich.[24]
Eine weitere Beschwerde ist nach § 310 Abs. 2 StPO ausgeschlossen.
Neben dem Inhaber der Räumlichkeiten ist dessen Erziehungsberechtigter oder gesetzlicher Vertreter zur Einlegung eines Rechtsbehelfs im Namen des Inhabers berechtigt.[25] Gleichfalls steht auch dem Beschuldigten im Falle des § 103 StPO ein Rechtsbehelf zur Verfügung. Zwar ist der Beschuldigte nicht unmittelbar, aber mittelbar durch die Durchsuchung betroffen und nur so kann dem Anreiz für die Strafverfolgungsbehörden, rechtswidrige Durchsuchungen durchzuführen, von vornherein entgegengewirkt werden.[26]
Ferner steht es dem Beschuldigten im Rahmen der Hauptverhandlung zu, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme – inzident – prüfen zu lassen, solange gegen diese Widerspruch erhoben wird. Der Widerspruch ist natürlich zu begründen und die Rechtswidrigkeit der Maßnahme aufzuzeigen. Das Gericht muss sich dann mit der Verwertbarkeit der Beweismittel auseinandersetzen.
Da es Sinn des Grundsatzes des fairen Verfahrens ist, eine effektive Rechtsschutzmöglichkeit, egal ob im Rahmen des Rechtsbehelf gegen die Durchsuchung oder der Hauptverhandlung durch Widerspruch, bei einer Maßnahme, die sich gegen den Beschuldigten auswirkt bzw. auswirken kann, zu ermöglichen, ist die Rechtskreistheorie des BGH[27] abzulehnen.[28] Denn, obwohl hier maßgeblich die Rechte des Dritten betroffen sind, so wirken sich Erkenntnisse aus der fehlerhaften Durchsuchung auf das Verfahren und damit gegen den Beschuldigten aus. Dem Beschuldigten muss damit die Möglichkeit eröffnet werden, gegen die Maßnahme vorgehen zu können.[29]
Das Gesetz verlangt ausdrücklich, dass vor Beginn der Durchsuchung gemäß § 103 Abs. 1 StPO dem Inhaber der Räume oder Gegenstände bzw. der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person der Durchsuchungszweck bekanntgegeben werden muss (§ 106 Abs. 2. S. 1)[30], es sei denn, die Durchsuchung findet gemäß den Voraussetzungen von § 103 Abs. 2 StPO statt[31] (hier nicht relevant). Ist der unverdächtige Dritte im Übrigen nicht zugegen, dafür aber eine nach § 106 Abs. 1 S. 2 StPO genannte Person, ist dieser die Maßnahme zu erläutern. Entsprechend § 106 Abs. 1 S. 2 StPO reicht also die Anwesenheit eines Familienangehörigen oder Mitbewohners in der WG aus. Bei den Personen muss es sich weiterhin um Erwachsene handeln. Kinder und Jugendliche scheitern daher aus. Handelt es sich bei den Räumlichkeiten um solche, die von einer unter 18 jährigen Person bewohnt werden, sind dessen Erziehungsberechtigte zwingend hinzu zu ziehen und diesen die Maßnahme zu erläutern. Inhaber ist zwar auch das Kind und der Jugendliche, da diese Gewahrsam begründen können, aber aus jugendschutzrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere aus § 67 JGG, sind die Erziehungsberechtigten, vor allem aufgrund der rechtlichen Tragweite der Durchsuchung, zu informieren. Dies ergibt sich im Ergebnis auch aus § 106 StPO, denn dort können nur Erwachsene Vertreter des Inhabers sein.
Erfolgt weder einer Erörterung über den Umfang und Zweck der Durchsuchung oder wird ein Zeuge i.S.d. § 106 StPO nicht beigezogen, so ist die Maßnahme rechtswidrig. Nach h.M. handelt es sich bei § 106 StPO um eine bloße Ordnungsvorschrift, die, bei deren Missachtung, nicht zu einem Beweisverwertungsverbot führt.[32] Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
Nach § 106 Abs. 1 S. 2 StPO ist, wenn möglich, eine dort genannte Person hinzuzuziehen. Die Durchsuchungsbeamten müssen sich daher um solche Personen bemühen, dies aktenkundig machen, und können erst bei erfolgloser Beschaffung dieser Personen die Durchsuchung beginnen. Liegt ein solches Bemühen nicht vor, werden strafprozessuale Vorschriften bewusst und willkürlich umgangen. Ein Rechtsverstoß kann nicht ohne Folgen bleiben. Dem Staat allein steht die Strafverfolgung zu. Er hat mit gutem Beispiel voran zu gehen und strafbares Verhalten nicht mit eigenem rechtswidrigem Handeln zu verfolgen. Er muss sich an Recht und Gesetz halten. Dies ist seine oberste rechtsstaatliche Pflicht. Zumal Art. 13 GG der Informationsbeschaffung Grenzen setzt und es zu einem Wertungswiderspruch führen würde, wenn der Staat Beweismittel verwerten darf, die er durch Verletzung eigens gesetzter Schranken erlangen würde.[33]
Ferner verlangt § 106 Abs. 2 StPO die Eröffnung des Durchsuchungszwecks an den unverdächtigen Dritten. Es handelt sich um einen zwingenden Bestandteil der Durchsuchung nach § 103 StPO. Eine Ausnahme lässt allein § 103 Abs. 2 S. 2 StPO für Inhaber von Räumlichkeiten nach § 104 Abs. 2 StPO zu. Bei der Verletzung dieser Vorschrift ist ebenfalls von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen.[34]
Die Anwesenheit von unabhängigen Zeugen ist wesentlicher Bestandteil der Durchsuchung (§ 105 Abs. 2 StPO). Die gesetzliche Fassung "wenn möglich" wird dahingehend ausgelegt, dass von einer Hinzuziehung abgesehen werden darf, wenn auf Grund von Tatsachen davon auszugehen ist, dass dadurch der Erfolg der Maßnahme gefährdet oder vereitelt wird.[35] Liegen solche Gründe vor, haben die mit dem Vollzug befassten Personen sie zu dokumentieren.[36] Bei Missachtung der Hinzuziehung von Zeugen bzw. der Dokumentationspflicht ist von einem Beweisverwertungsverbot auszugehen.[37]
Ein wesentlicher Aspekt ist auch bei der Durchführung der Durchsuchung die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Durchsuchung hat mit geringst möglicher Eingriffsintensität zu erfolgen. Eine überlange Durchsuchung ist zu vermeiden. Ebenso die Beeinträchtigung von Mitbewohnern und Angehörigen oder Gästen, sofern diese nicht selbst durch (separaten) richterlichen Beschluss erfasst sind. Vor Beginn der Durchsuchung ist dem Betroffenen die Möglichkeit zu geben, das / die Beweismittel freiwillig herauszugeben, da es sich dabei um das mildere Mittel handelt.[38]
Gegen die Art und Weise der Durchsuchung besteht die Möglichkeit, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog zu stellen.[39]
Bei jeder Durchsuchung sollte ein eigenes Durchsuchungsprotokoll über Art und Weise der Durchsuchung gefertigt werden und Revue passieren lassen, welche Beeinträchtigungen erfolgt sind.
Es ist von einem vollumfänglichen Verwertungsverbot bei Verletzung formeller und materieller Voraussetzung auszugehen.[40] Auch wenn die Rechtsprechung aktuell noch sehr restriktiv mit Beweisverwertungsverboten umgeht, sollte jede Verfehlung vorgetragen werden, da sich aus dem Gesamtbild, welches durch die eigene Dokumentation untermauert werden kann, u.a ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie ein willkürlicher oder bewusst, schwerwiegender Verfahrensverstoß ergeben kann. Denn auch die Summe an einzelnen, weniger schwerwiegenden Verfahrensverstößen, kann das sprichwörtliche Fass zum Überlaufen bringen.
[1] Siehe BeckOK -StPO/Hegmann (Stand:15.01.2015), § 103.
[2] Siehe auch KK-StPO/Bruns, 7.Aufl. (2013), § 105 Rn. 1.
[3] So BGH NStZ 2012, 104 = HRRS 2011 Nr. 1221.
[4] Vgl. BVerfG, NStZ 2001, 382 = StV 2001, 207.
[5] Siehe BVerfG, a.a.O. (Fn. 4).
[6] A.A. BVerfG, Beschluss vom 23.7.2007 – 2 BvR 2267/06; BGHSt 28, 57; BGH NStZ 2005, 392 = HRRS 2005 Nr. 270;BeckOK-StPO/Hegmann (Stand:15.01.2015), § 105 Rn. 8 mwNw.
[7] Vgl. Marx NJ 2010, 240; Harms StV 2006, 215.
[8] LG Hildesheim NdsRpfl 1988, 251; KK-StPO/Maul, 7. Aufl. (2013), § 35 Rn. 14.
[9] Vgl. Marx a.a.O. (Fn. 7).
[10] BVerfG NStZ 1992, 91 = StV 1992, 49; BeckOK-StPO/Hegmann (Stand:15.01.2015), § 105 Rn. 10.
[11] Vgl. BVerfG, a.a.O (Fn. 10); BVerfG, a.a.O. (Fn. 4).
[12] Siehe BVerfG NJW 2003, 2303 = StV 2003, 205; LG Tübingen NStZ 2008, 589.
[13] I.E. BGH NStZ 2002, 215 = StV 2002, 4.
[14] Siehe BGH, a.a.O. (Fn. 13); BeckOK-StPO/Hegmann, a.a.O. (Fn. 10).
[15] Wobei davon auszugehen ist, dass die Gerichte in einem solchen Fall kein Beweisverwertungsverbot erkennen wollen.
[16] Siehe BVerfG NJW 2003, 2669; BVerfG NJW 2007, 1804 = HRRS 2007 Nr. 325.
[17] Vgl. BVerfG NStZ-RR 2006, 110.
[18] Siehe Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, 3. Aufl. (2015), § 2 Rn. 141 mwNw.
[19] Park , a.a.O. (Fn. 18).
[20] Vgl. OLG Hamburg StV 2008, 12 (unverhältnismäßige Durchsuchung bei geringer Menge BtM).
[21] Vgl. BVerfG NJW 1997, 2163 = StV 1997, 393; BVerfG NJW 1999, 273.
[22] BVerfG NJW 1997, 2163 = StV 1997, 393; BGHR StPO § 304 Abs. 5 Durchsuchung 1; BGH NJW 2000, 84; BGH NStZ 2002, 215 = StV 2002, 4.
[23] Siehe BVerfG, a.a.O. (Fn. 22); BeckOK-StPO/Hegmann (Stand:15.01.2015), § 105 Rn. 23.
[24] Siehe auch Park, Durchsuchung und Beschlagnahme, 3. Aufl. (2015), § 2 Rn. 321
[25] Siehe OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 251; Eisenberg, JGG, 17. Aufl. (2014), § 67 Rn. 12.
[26] So auch Krekeler NStZ 1993, 263; wohl i.E. auch BVerfG, HRRS 2015 Nr. 427 (zur sitzungspolizeilichen Maßnahme: "Gemäß § 304 Abs. 2 StPO steht die Beschwerde grundsätzlich auch nicht verfahrensbeteiligten Personen zu, die durch die richterliche Entscheidung betroffen sind.").
[27] Siehe BGH NJW 2009, 1619 = StV 2010, 9 = HRRS 2009 Nr. 315.
[28] Vgl. Dencker StV 1995, 232 (Verwertungsverbot für den nur mittelbar betroffenen Mitbeschuldigten).
[29] I.E. wohl auch BVerfG, a.a.O. (Fn. 26).
[30] Vgl. Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 9. Aufl. (2015), Rn. 2438.
[31] Eisenberg , a.a.O. (Fn. 30).
[32] BGH NStZ 1983, 375 = StV 1983, 323; Meyer-Goßner, 58. Aufl. (2015), § 106 Rn. 1; a.A. BVerfG NJW 2005, 1917 = StV 2005, 363 = HRRS 2005 Nr. 549 (Verwertungsverbot zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen); AG Bremen StV 2008, 589.
[33] So bereits zu Recht Ransiek StV 2002, 565.
[34] A.A. BGH a.a.O. (Fn. 32).
[35] Vgl. BayObLG JR 1981, 29; OLG Celle StV 1985, 138.
[36] LG München StraFo 2009, 146.
[37] A.A. KG NJW 19 72, 169; OLG Stuttgart NJW 1971, 629; Dölling/Duttge/Rössner/Hartmann, Gesamtes Strafrecht, 3. Aufl. (2013), StPO, § 105 Rn. 17.
[38] Vgl. BeckOK-StPO/Engelstätter, RiStBV 73a Rn. 2.
[39] BGH NStZ 2000, 155; BGH NStZ 1999, 200; KK-StPO/Bruns, 7. Aufl. (2013), § 105 Rn. 18; BeckOK-StPO/Hegmann (Stand: 15.01.2015), § 105 Rn. 23.
[40] So auch Ransiek a.a.O. (Fn. 33); Krekeler a.a.O. (Fn. 26).