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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2014
15. Jahrgang
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1. Die gesetzesalternative (ungleichartige) Wahlfeststellung verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG; eine Verurteilung wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei auf wahldeutiger Tatsachengrundlage ist zulässig.
2. Bei der gesetzesalternativen (ungleichartigen) Wahlfeststellung handelt es sich um eine prozessuale Entscheidungsregel, auf die Art. 103 Abs. 2 GG keine Anwendung findet. Selbst wenn dieser Regel ein materiellrechtlicher Gehalt zukommt, liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG vor.
3. Das einschränkende Merkmal der „rechtsethischen und psychologischen“ Gleichwertigkeit der verschiedenen Straftaten stellt sicher, dass die Rechtsfolgenentscheidung trotz Tatsachenalternativität an einen ausreichend einheitlichen Schuldvorwurf anknüpfen kann.
1. Die höchstrichterlich entwickelte Rechtsfigur der ungleichartigen (gesetzesalternativen) Wahlfeststellung verstößt nach Ansicht des Senats nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG; er sieht im Anfrageverfahren nach § 132 GVG daher keinen Grund zur Änderung seiner Rechtsprechung.
2. Der Grundsatz nulla poena sine lege (Art. 103 Abs. 2 GG) wird nach Ansicht des Senats nicht berührt oder gar verletzt. Durch die ungleichartige Wahlfeststellung werden weder gesetzliche Tatbestandsvoraussetzungen abgeschwächt, noch wird ein neuer Tatbestand konstruiert. Auch auf wahldeutiger Grundlage erfolgt die Verurteilung nur nach den bei der Begehung der Tat bestehenden Straftatbeständen, den in ihnen enthaltenen Merkmalen und Strafandrohungen.
3. Ein Freispruch aufgrund doppelter Anwendung des Zweifelssatzes nach je unterschiedlicher Blickrichtung wäre in Fällen, in denen ein strafloses Verhalten des Angeklagten sicher ausscheidet („tertium non datur“), nach der Auffassung des Senats schlechthin unvereinbar mit unverzichtbaren Geboten der Gerechtigkeit, wonach eine am Gleichheitssatz orientierte, dem Rechtsgüterschutz verpflichtete Ausgestaltung eines effektiven Strafverfahrens zu gewährleisten ist.
4. Der Senat gibt bei dieser Gelegenheit zu erwägen, ob in Fällen der Gesetzesalternativität nicht schon allein die Anwendung des Zweifelssatzes eine eindeutige Verurteilung nach dem im Einzelfall mildesten Gesetz ermöglichen und so eine Belastung des Angeklagten mit einem alternativen Schuldspruch vermeiden würde.
1. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen getrennt voneinander geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH NStZ 2011, 699, 701 Rn. 34 f. mwN). In die Prüfung sind dabei neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung und der konkreten Angriffsweise des Täters auch seine psychische Verfassung bei Tatbegehung und seine Motivationslage einzubeziehen (vgl. BGH NStZ 2013, 581, 582 mwN).
2. Wird eine lebensgefährliche Gewalttat spontan, unüberlegt und in affektiver Erregung ausgeführt, kann aus dem Wissen um den möglichen Eintritt des Todes nicht ohne Berücksichtigung der sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebenden Besonderheiten auf eine
billigende Inkaufnahme des Erfolgseintritts geschlossen werden (BGH, NStZ 2011, 338 f.).
3. Ein Verletzter ist im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in erheblicher Weise dauernd entstellt, wenn es durch die Tat zu einer Verunstaltung seiner Gesamterscheinung gekommen ist, die in ihren Auswirkungen dem Gewicht der geringsten Fälle des § 226 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB gleichkommt (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 343). Dies kann grundsätzlich auch bei einzelnen besonders großen oder markanten Narben ebenso wie bei einer Vielzahl von Narben in derselben Körperregion der Fall sein. Allein der Umstand, dass eine Narbe deutlich sichtbar ist, reicht dabei aber für die Annahme einer erheblichen Entstellung noch nicht aus. Erst wenn im Einzelfall - etwa durch eine deutliche Verzerrung der Proportionen des Gesichts - ein Grad an Verunstaltung erreicht ist, der in einer Relation zu den anderen schweren Folgen im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB steht, kommt die Annahme einer erheblichen Entstellung in Betracht.
4. Bei einer nicht pathologisch bedingten Persönlichkeitsstörung liegt eine andere schwere seelische Abartigkeit nur dann vor, wenn sie in ihrem Gewicht einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt und Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Täters vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen (st. Rspr.). Auch müssen sich die defekten Muster im Denken, Fühlen oder Verhalten des Betroffenen als zeitstabil erwiesen haben (vgl. BGHSt 49, 45, 52 f.).
Ein von vornherein auf Dauer und Gleichförmigkeit angelegtes betrügerisches Handelns bleibt auch dann eine einheitliche Tat nach § 263 StGB, wenn es zu einer Veränderung des Erscheinungsbilds nach außen hin kommt – hier: durch Gründung neuer Gesellschaften –, sofern die ursprüngliche Vorgehensweise im Wesentlichen erhalten bleibt.
1. § 89a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB verstößt nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. (BGHSt)
2. § 89a StGB entspricht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; dieser gebietet es jedoch, die Vorschrift dahin einschränkend auszulegen, dass der Täter bei der Vornahme der in § 89a Abs. 2 StGB normierten Vorbereitungshandlungen zur Begehung der schweren staatsgefährdenden Gewalttat bereits fest entschlossen sein muss. (BGHSt) 3. Zur Auslegung des Begriffs der schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB. (BGHSt)
4. Der Senat verkennt nicht, dass § 89a StGB auch Verhaltensweisen unter Strafe stellt, die von einer Verletzung oder auch nur konkreten Gefährdung der vom Gesetzgeber durch die Norm unter Schutz gestellten Rechtsgüter derart weit entfernt sind, dass ihre Pönalisierung - auch unter Berücksichtigung des Gewichts der Schutzgüter - die Grenze dessen erreicht, was unter verfassungsrechtlichen Aspekten noch als verhältnismäßig anzusehen ist. Die Strafbarkeit kann an objektive Tathandlungen anknüpfen, die per se keinen eigenen Unrechtsgehalt aufweisen. Insbesondere § 89a Abs. 2 Nr. 3 StGB verlagert die Strafbarkeit besonders weit ins Vorfeld und stellt letztlich in der Sache ein Vorbereitungsdelikt zu dem weiteren Vorbereitungsdelikt des § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB dar. (Bearbeiter)
5. Die „Staatsschutzklausel“ des § 89a Abs. 1 S. 2 StGB erfordert – auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zur Parallelregelung in § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a) und b) GVG – kein zielgerichtetes Handeln zur Beeinträchtigung der inneren Sicherheit im Sinne einer Absicht.
Die Gesetzesformulierung sowie die Erläuterungen in den Materialien bringen vielmehr zum Ausdruck, dass das voluntative Element des Bestimmens bei § 89a StGB nicht im Sinne einer Absicht zu verstehen ist, sondern dahin, dass der Täter die zur Eignung führenden Gesichtspunkte kennt und billigt. (Bearbeiter)
6. Nicht ausreichend zur Erfüllung der Voraussetzungen der „Staatsschutzklausel“ ist irgendeine negative Beeinflussung des allgemeinen Sicherheitsgefühls. Ein derartiger Effekt kann durch Straftaten unterschiedlichster Art - gegebenenfalls befördert durch eine entsprechende mediale Berichterstattung - eintreten und ist daher für sich allein nicht geeignet, die Voraussetzungen der Staatsschutzklausel zu erfüllen. Erforderlich ist vielmehr, dass die Belange des Staates auf dem Gebiet der inneren Sicherheit in vergleichbar schwerer Weise berührt werden, wie dies bei den weiteren Alternativen des § 120 Abs. 2 Satz 1 GVG der Fall ist. Deren Voraussetzungen liegen namentlich dann vor, wenn die Tat nach den konkreten Umständen geeignet ist, das innere Gefüge des Gesamtstaates zu beeinträchtigen oder sich gegen Verfassungsgrundsätze richtet. (Bearbeiter)
7. Nach dem Willen des Gesetzgebers setzt § 89a Abs. 1 StGB nicht voraus, dass der Täter ein schon im Detail geplantes Verbrechen vorbereitet. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Anknüpfung der Strafbarkeit allein an eine vage Vorstellung von der vorbereiteten Tat dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch genügen könnte. Denn die entsprechenden Erwägungen des Gesetzgebers können schon aus einfachrechtlichen Gründen in der praktischen Rechtsanwendung nicht vollständig umgesetzt werden. Die Vorbereitungshandlungen des Täters müssen angesichts der Gesetzessystematik vielmehr auf die Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat im Sinne des § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB gerichtet sein. Systematisch unabdingbar ist es deshalb, dass die geplante Tat jedenfalls bereits so weit konkretisiert ist, dass überprüft werden kann, ob sie die Voraussetzungen der Staatsschutzklausel erfüllt. Hieraus folgt, dass es Feststellungen bedarf, die ausreichen, um daraus entnehmen zu können, dass die ins Auge gefasste Tat neben den in § 89a Abs. 1 Satz 2 StGB aufgeführten Deliktstypen auch die dort genannten weiteren Voraussetzungen der Norm erfüllt. (Bearbeiter)
8. Strafnormen unterliegen von Verfassungs wegen keinen über die Einhaltung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit hinausgehenden, strengeren Anforderungen hinsichtlich der mit ihnen verfolgten Zwecke. Insbesondere lassen sich solche nicht aus der strafrechtlichen Rechtsgutslehre ableiten (anknüpfend an BVerfG HRRS 2008 Nr. 260). (Bearbeiter)
9. Bei der Beurteilung der Eignung und Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele sowie bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Einschätzung und Prognose der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren steht dem Gesetzgeber ein Beurteilungsspielraum zu, welcher gerichtlich je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Rechtsgüter, deren Schutz der Straftatbestand nach dem Willen des Gesetzgebers dienen soll, nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann. Dieser weite Beurteilungsspielraum erstreckt sich auch auf die Frage, ob der Normzweck auch mit milderen Mitteln erreicht werden kann, die weniger in die Grundrechte des Normunterworfenen eingreifen. (Bearbeiter)
10. Soweit eine Strafnorm Handlungen erfasst, die erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Art und das Maß der Gefährdung der betroffenen Rechtsgüter und auf den individuellen Unrechts- sowie Schuldgehalt aufweisen, kann dem bei der Zumessung der Rechtsfolgen angemessen Rechnung getragen werden. Auch die Möglichkeit, das Strafverfahren unter Opportunitätsgesichtspunkten gemäß §§ 153, 153a StPO einzustellen, kann insoweit zu Gunsten eines verfassungskonformen Verständnisses einer solchen Norm in Betracht gezogen werden. (Bearbeiter)
11. Das Strafgesetzbuch enthält in seinem Besonderen Teil zahlreiche abstrakte Gefährdungsdelikte sowie eine ganze Reihe von Normen, die - teilweise nicht näher spezifizierte und deshalb auch Alltagshandlungen umfassende - Vorbereitungshandlungen unter Strafe stellen, so etwa neben § 89a StGB die §§ 80, 83, 87, 149, 202c, 234a Abs. 3, § 263a Abs. 3, §§ 275, 310, 316c Abs. 4 StGB. Auch im Nebenstrafrecht finden sich entsprechende Tatbestände, etwa § 19 GÜG. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten ist solche „Vorfeldkriminalität“ in vielen Bereichen, etwa denen des Umwelt-, Wirtschafts-, Betäubungsmittel-, Steuer-, und Computerstrafrechts stetig ausgeweitet worden. Diese Vorverlagerung des Strafrechts in den Bereich der Vorbereitung von Rechtsgutsverletzungen ist indes nicht - jedenfalls nicht ohne Weiteres - mit dem Grundgesetz unvereinbar. (Bearbeiter)
1. Die Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs durch einen an sich Unberechtigten allein zum Zwecke der Rückführung an den Berechtigten ist regelmäßig von dessen mutmaßlichen Willen gedeckt und daher nicht tatbestandsmäßig im Sinne des § 248b Abs. 1 StGB. (BGHSt)
2. Das Dauerdelikt des § 248b StGB erfasst das Ingebrauchnehmen eines Kraftfahrzeugs gegen den Willen des Berechtigten. Unter dem Gebrauch eines Fahrzeugs ist dessen vorübergehende Nutzung - seinem bestimmungsgemäßen Zweck entsprechend - als Fortbewegungsmittel zu verstehen. Erforderlich ist das Ingangsetzen des Fahrzeugs zur selbständigen Fahrt. Die bloße Inbetriebnahme durch Anlassen des Motors reicht daher ebenso wenig aus wie die Nutzung eines parkenden Fahrzeugs zum Schlafen (vgl. BGHSt 11, 47, 50). Ein Gewahrsamsbruch ist regelmäßig nicht erforderlich, weshalb dem Ingebrauchnehmen das unbefugte Ingebrauchhalten gleichstellt ist. Es ist daher ausreichend, wenn - wie bei der Benutzung eines Mietwagens nach Ablauf der Mietzeit - die Berechtigung des Täters nach-
träglich wegfällt und er die Sache somit als „Nicht-mehr-Berechtigter“ nutzt. (Bearbeiter)
3. In welchem Umfang der Tatrichter seine Überzeugungsbildung in den Urteilsgründen mitzuteilen hat, hängt von den Gegebenheiten des jeweiligen Falles ab. Regelmäßig aber müssen, zumal wenn, wie hier, der Angeklagte die Tat bestritten hat, die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr). (Bearbeiter)
1. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es bei der Tötung eines wenige Wochen oder Monate alten Kleinkindes für die Frage der Heimtücke nicht auf dessen Arg- und Wehrlosigkeit ankommt, da es aufgrund seines Alters noch zu keinerlei Argwohn oder Gegenwehr fähig ist, sondern auf die Arg- und Wehrlosigkeit eines im Hinblick auf das Kind schutzbereiten Dritten (vgl. BGH NStZ 2013, 158 mwN). Schutzbereiter Dritter ist jede Person, die den Schutz eines Kleinkindes vor Leib- und Lebensgefahr dauernd oder vorübergehend übernommen hat und diesen im Augenblick der Tat entweder tatsächlich ausübt oder dies deshalb nicht tut, weil sie dem Täter vertraut (BGH, aaO) oder vom Täter ausgeschaltet wurde (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 43).
2. Zwar ist es nicht erforderlich, dass der potentiell schutzbereite Dritte „zugegen“ ist. Der schutzbereite Dritte muss auf Grund der Umstände des Einzelfalls den Schutz allerdings auch wirksam erbringen können, wofür eine gewisse räumliche Nähe erforderlich ist (vgl. BGH NStZ 2013, 158).
1. Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter diese in ihrer Bedeutung für die hilflose Lage des Angegriffenen und die Ausführung der Tat in dem Sinne erfasst, dass er sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr.).
2. Dieses Ausnutzungsbewusstsein kann bereits aus dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt (vgl. BGH NStZ 2013, 709, 710). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (vgl. BGH NStZ 2009, 30, 31).
3. Anders kann es jedoch bei „Augenblickstaten“, insbesondere bei affektiven Durchbrüchen oder sonstigen heftigen Gemütsbewegungen sein (vgl. BGH NStZ 2009, 30, 31). Wenn auch nicht jeder dieser Zustände einen Täter daran hindert, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tatbegehung zu erkennen, so kann doch insbesondere die Spontanität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein gefehlt hat (vgl. BGH NStZ 2013, 232, 233).
4. Hierbei handelt es sich um eine vom Tatgericht zu bewertende Tatfrage (vgl. BGH NStZ 2013, 232, 233).
1. Nach der (neuen) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und herrschender Meinung reicht es für das Merkmal des „Angriffs“ nicht aus, wenn auf den Führer eines Kraftfahrzeugs mit List eingewirkt wird, um ihn in eine Situation zu bringen, in der ein Raub durchgeführt werden soll.
2. Hiervon abzugrenzen sind Handlungen, welche auf den Führer eines Kfz eine objektiv nötigungsgleiche Wirkung haben. Es kommt hierfür nicht darauf an, ob diese Wirkung vorgetäuscht ist oder ob der objektiv Genötigte von einer Rechtswidrigkeit der Einwirkung ausgeht. Fälle einer vorgetäuschten Polizeikontrolle unterscheiden sich daher substanziell von bloßen Vortäuschungen allgemein motivierender Umstände (vorgetäuschte Panne; Anhalter); sie entsprechen vielmehr Fällen der Straßensperre. Denn dem Kraftfahrzeugführer ist bei der Einwirkung durch Haltezeichen durch Polizeibeamte kein Ermessen eingeräumt; er ist vielmehr bei Androhung von Geldbuße verpflichtet, Haltezeichen Folge zu leisten, und befindet sich daher objektiv in einer (irrtümlich als gerechtfertigt angesehenen) Nötigungssituation.
Für das bewusste Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit genügt es, dass der Täter sich bewusst ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Täter die Arglosigkeit herbeiführt oder bestärkt (vgl. BGH NStZ 2006, 338, 339); worauf die Arglosigkeit des Angegriffenen beruht, ist ohne Belang (vgl. BGH NStZ 2008, 93, 94).
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist jeder feste Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung dazu geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen. Mit einer erheblichen Verletzung ist eine nach Dauer oder Intensität gravierende, jedenfalls nicht nur ganz leichte Verletzung oder Gesundheitsschädigung gemeint.
Mit dem Eingang eines Geldbetrages auf einem Girokonto hat der darüber Verfügungsbefugte sich das Giralgeld regelmäßig im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB verschafft, ohne dass er von der Gutschrift Kenntnis erlangen muss. Damit ist der als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltete Geldwäschetatbestand vollendet.
In den Urteilsgründen einer Verurteilung wegen Betruges ist grundsätzlich festzustellen und darzulegen, welche irrigen Vorstellungen die Person hatte, die die Verfügung getroffen hat (vgl. BGH NStZ 2014, 215, 216); regelmäßig ist es deshalb erforderlich, die irrende Person zu ermitteln und in der Hauptverhandlung über die tatrelevante Vorstellung zu vernehmen. Ausnahmsweise kann in Fällen eines normativ geprägten Vorstellungsbildes des Verfügenden die Vernehmung weniger Zeugen genügen. Belegen deren Angaben das Vorliegen eines Irrtums in den sie betreffenden Fällen, kann auf die Erregung eines Irrtums auch bei anderen Verfügenden geschlossen werden (vgl. auch BGH NJW 2014, 2132, 2133).
Der Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 3 StGB steht nicht entgegen, wenn das Opfer sich gegen die sexuellen Übergriffe des Täters sträubt und ihn mehrfach bittet, damit aufzuhören. Ein „Ausnutzen“ ist nicht nur dann gegeben, wenn der Jugendliche infolge seiner fehlenden Selbstbestimmungsfähigkeit keinen der sexuellen Handlung entgegenstehenden Willen entwickeln kann, sondern auch dann, wenn das jugendliche Opfer seinen noch unterentwickelten und deshalb nur bedingt vorhanden entgegenstehenden Willen nicht verwirklichen, etwa aufgrund der Dominanz des Täters bzw. eines bestehenden „Machtgefälles“ nicht durchsetzen kann.
Der bloße Besitz von Falschgeld erfüllt regelmäßig nicht das Tatbestandsmerkmal des „Sich-Verschaffens“ gem. § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Der Begriff umschreibt vielmehr einen über den reinen Besitz hinausgehenden Erwerbsvorgang, in dem der Täter eigene Verfügungsgewalt über das Falschgeld begründen muss.
§ 240 StGB ist als Erfolgsdelikt ausgestaltet. Eine vollendete Nötigung liegt daher erst dann vor, wenn das Opfer aufgrund der Druckwirkung des Nötigungsmittels die vom Täter angestrebte Handlung vorgenommen oder zumindest mit ihrer Ausführung begonnen hat (vgl. BGH NStZ 2013, 36).