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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2013
14. Jahrgang
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1. Ein beendeter Versuch, von dem nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 StGB zurückgetreten werden kann, liegt auch dann vor, wenn sich der Täter im Augenblick des Verzichts auf eine mögliche Weiterführung der Tat keine Vorstellung von den Folgen seines bisherigen Verhaltens macht (vgl. BGHSt 40, 304, 306). Als innere Tatsache muss diese gedankliche Indifferenz des Täters gegenüber den von ihm bis dahin angestrebten oder doch zumindest in Kauf genommenen Konsequenzen aber positiv festgestellt werden; hierzu bedarf es einer zusammenfassenden Würdigung aller maßgeblichen objektiven Umstände.
2. Die völlige Ungeeignetheit eines Beweismittels liegt nur dann vor, wenn der Tatrichter ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, dass sich mit dem angebotenen Beweismittel das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht wird erzielen lassen; ein geminderter, geringer oder nur zweifelhafter Beweiswert reicht nicht aus (vgl. BGH NStZ 2008, 351, 352).
Eine Rechtfertigung durch Notwehr scheidet aus, wenn der Angeklagte einen tödlichen Tritt nicht mit dem erforderlichen Verteidigungswillen geführt hat. So liegt es etwa, wenn es dem Täter darum geht, eine endgültige Klärung der Auseinandersetzung herbeizuführen und „als eindeutiger Sieger des Zweikampfes aus dieser hervorzugehen“.
Das Misslingen des ursprünglichen Tatplans ist für sich genommen keine tragfähige Grundlage zur Bejahung eines rücktrittsunfähigen fehlgeschlagenen Versuchs. Das Scheitern eines Tatplanes kann indes zur Begründung dafür herangezogen werden, dass dem Täter die Undurchführbarkeit seines deliktischen Vorhabens i.S.e. fehlgeschlagenen Versuchs klar geworden ist.
Das Ausspähen fremder Kartendaten liegt weit im Vorfeld der eigentlichen Tat des Nachmachens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion (§ 152 b Abs. 5 i.V.m. § 149 Abs. 1 StGB), eine „Tatbestandsverwirklichung“ liegt darin nicht.
Eine Verurteilung wegen vollendeter Hehlerei durch Absetzen setzt die Feststellung eines Absatzerfolges voraus. Seine dem entgegenstehende Rechtsprechung gibt der 4. Strafsenat auf.
Nach der Auffassung des Senats ist § 182 Abs. 3 Nr. 1 StGB nicht auf solche Fälle zu beschränken, in denen die sexuellen Handlungen einvernehmlich vorgenommen werden (entgegen BGH HRRS 2007 Nr. 489 und BGH HRRS 2010 Nr. 739). Gegenteiliges ergibt sich nach Ansicht des Senats weder aus dem Merkmal des „Ausnutzens“ noch aus dem Sinn und Zweck der Norm.
1. Als Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes anzusehen. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Art und Weise die Beeinträchtigung erfolgt ist (vgl. BGHSt 36, 1, 6).
2. Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg gemäß § 223 Abs. 1 StGB zu begründen (vgl. BGHSt 48, 34, 36). Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht (vgl. BGH aaO S. 36 f.). Bloß emotionale Reaktionen auf Aufregungen, wie etwa starke Gemütsbewegungen oder andere Erregungszustände, aber auch latente Angstzustände, stellen keinen pathologischen Zustand und damit keine Gesundheitsbeschädigung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar (vgl. BGH NStZ 1997, 123).
3. Der Tatbestand der Bedrohung setzt voraus, dass die Ankündigung des Verbrechens den Bedrohungsadressaten erreicht. Dies kann auch über Dritte erfolgen, wenn die Weitergabe der Drohung an den Adressaten vom Vorsatz des Täters umfasst ist.
4. In Fällen, in denen der Täter mehrfach zur Vollendung einer Nötigung ansetzt, um einen bestimmten Erfolg zu erreichen, liegt nur eine Tat im Rechtssinne vor, solange der Versuch nicht fehlgeschlagen ist, der Täter also von dem Misslingen des vorgestellten Ablaufs noch nichts erfahren hat oder nicht zu der Annahme gelangt ist, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten und anderen bereitliegenden Mitteln vollenden (vgl. BGH NJW 1996, 936, 937).
5. Ist im Rahmen des § 21 StGB die erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit auf das Zusammenwirken von Persönlichkeitsstörung und Betäubungsmittelkonsum zurückzuführen, so ist regelmäßig erforderlich, dass der Täter an einer krankhaften Betäubungsmittelabhängigkeit leidet, in krankhafter Weise betäubungsmittelüberempfindlich ist oder eine länger andauernde geistig-seelische Störung hat, bei der bereits geringer Betäubungsmittelkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. BGH NStZ 2012, 209).
6. Die Gefährlichkeitsprognose selbst ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit
des Täters, seines Vorlebens und der von ihm begangenen Anlasstaten zu entwickeln (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 145, 147). An die Darlegungen und die vorzunehmende Abwägung sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je mehr es sich bei dem zu beurteilenden Sachverhalt unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (§ 62 StGB) um einen Grenzfall handelt.
7. Die im Rahmen des § 63 StGB zu prognostizierte Gefährlichkeit muss sich auf Taten beziehen, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben. Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen. Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind daher nicht mehr ohne Weiteres dem Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen.
8. Für Straftaten nach § 238 StGB ist dies nicht ohne Weiteres zu bejahen (vgl. BGH NStZ-RR 2013, 145, 147). Da auch insoweit das Höchstmaß der Freiheitsstrafe drei Jahre beträgt, kann auch die Nachstellung, wenn sie nicht mit aggressiven Übergriffen einhergeht, nicht generell als Straftat von erheblicher Bedeutung angesehen werden.
9. Es kann dahinstehen, ob die Tatbestandsvariante der „anderen vergleichbaren Handlung“ (§ 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB) ebenfalls verwirklicht ist und ob die insoweit in Rechtsprechung und Schrifttum geäußerten Bedenken (zum Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG) durchgreifen.