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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Oktober 2012
13. Jahrgang
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1. Die Zulässigkeit der Verfahrensrüge eines Verstoßes gegen § 252 StPO setzt nicht den Vortrag voraus, der zeugnisverweigerungsberechtigte Zeuge habe nicht nach qualifizierter Belehrung auf das Verwertungsverbot verzichtet. (BGHSt)
2. Die qualifizierte Belehrung über Möglichkeit und Rechtsfolgen eines Verzichts auf das Verwertungsverbot gemäß § 252 StPO sowie die daraufhin abgegebene Verzichtserklärung eines zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen sind als wesentliche Förmlichkeiten des Verfahrens in das Hauptverhandlungsprotokoll aufzunehmen (§ 273 Abs. 1 StPO). (BGHSt)
3. Ist auf das Verwertungsverbot aus § 252 StPO wirksam verzichtet worden, ist die frühere Aussage des zeugnisverweigerungsberechtigten Zeugen nach allgemeinen Regeln verwertbar; dies schließt eine Verlesung gemäß § 251 Abs. 2 Nr. 3 StPO ein. (BGHSt)
4. Aus § 252 StPO ergibt sich, wenn ein Zeuge unter Berufung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht in der Hauptverhandlung die Aussage verweigert, grundsätzlich ein umfassendes Verwertungsverbot (vgl. BGHSt 29, 230, 232; 32, 25, 29). Eine Ausnahme gilt nach ständiger Rechtsprechung insoweit nur für eine Vernehmung eines Richters als Zeuge über eine frühere Aussage der Auskunftsperson, wenn diese bei jener früheren Vernehmung über ihr Zeugnisverweigerungsrecht ordnungsgemäß belehrt worden war (BGHSt 32, 25, 29; 36, 384, 385; 46, 189, 195; st. Rspr.). (Bearbeiter)
5. Weitergehend erlaubt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung eine Verwertung früherer Aussagen, wenn der verweigerungsberechtigte Zeuge nach ausdrücklicher, qualifizierter Belehrung hierüber mitteilt, er mache von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, gestatte jedoch die Verwertung jener früheren Aussage (BGHSt 45, 203; BGH NStZ 2007, 352). Es handelt sich insoweit folglich um eine in der Rechtsprechung entwickelte eng begrenzte Ausnahme von dem gesetzlichen Verwertungsverbot. (Bearbeiter)
6. Der Beweis dieses Verzichts kann nicht ersetzt werden, indem das Landgericht in den Urteilsgründen ausführt, dem betroffenen Zeugen sei „bewusst und bekannt“ gewesen, dass seine frühere Vernehmung verwertet werden dürfe. Gleiches gilt hinsichtlich der Erklärung des „Einvernehmens“ aller Beteiligten mit der Verlesung der Niederschrift der richterlichen Aussage. (Bearbeiter)
1. Das Amtsgericht hat den Einspruch des nicht vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen und unentschuldigt ausgebliebenen Betroffenen auch dann nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen, wenn das vorausgegangene Sachurteil vom Rechtsbeschwerdegericht nur im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen worden war. (BGHSt)
2. Der Betroffene ist nach § 73 Abs. 1 OWiG zum Erscheinen in der Hauptverhandlung verpflichtet. Dem Ausbleiben des Betroffenen, wenn es nicht aus anderen Gründen genügend entschuldigt ist, ist mangelndes Interesse an der Wahrnehmung seiner Prozessrolle zu entnehmen; dies rechtfertigt angesichts der geringeren Bedeutung von Bußgeldverfahren eine Verwerfung des Einspruchs. (Bearbeiter)
3. Durch die Verwerfung des Einspruchs wird der einheitliche Inhalt des Bußgeldbescheids wiederhergestellt. Mit der Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG wird der Bußgeldbescheid insgesamt rechtskräftig. (Bearbeiter)
4. Der Grundsatz der reformatio in peius gebietet es nicht, einen dem Betroffenen günstigeren, in Folge der nur teilweisen Urteilsaufhebung rechtskräftigen Schuldspruch aufrecht zu erhalten. Dieser Grundsatz gilt im Ordnungswidrigkeitenrecht ohnehin nur eingeschränkt.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren gilt der Grundsatz des § 358 Abs. 2 StPO, der den Betroffenen vor einer Verschlechterung des Rechtsfolgenausspruchs, nicht aber des Schuldspruchs schützt. (Bearbeiter)
5. Der Senat entnimmt der vom Gesetzgeber geschaffenen Regelung der ausnahmslosen Verwerfung des Einspruchs bei unentschuldigtem Nichterscheinen des nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen in der Hauptverhandlung, dass ihm dann auch die Rechtswohltat des Verschlechterungsverbots hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs nicht zukommt. (Bearbeiter)
1. Sitzt der Beschuldigte aufgrund eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs in Untersuchungshaft, ist für die Anordnung von Beschränkungen, die dem Beschuldigten aufgrund des Zwecks der Untersuchungshaft aufzuerlegen sind, gemäß § 126 Abs. 1, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs bis zur Anklageerhebung auch dann zuständig, wenn die Untersuchungshaft in Niedersachsen vollzogen wird. § 134a Abs. 1 Satz 2 NJVollzG ändert hieran nichts. (BGHR)
2. Die aufgrund des Zwecks der Untersuchungshaft erforderlichen Beschränkungen bestimmen sich (auch) in diesem Fall nach § 119 StPO und nicht nach §§ 133 ff. NJVollzG (entgegen Oberlandesgericht Celle, StV 2010, 194; Anschluss an OLG Oldenburg, StV 2008, 195; vgl. auch OLG Frankfurt, NStZ-RR 2010, 294; OLG Rostock, NStZ 2010, 350; OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 221 [3. Strafsenat] und NStZ-RR 2010, 292 [2. Strafsenat]; KG, StV 2010, 370; OLG Köln, NStZ 2011, 55). (BGHR)
3. Dem Landesgesetzgeber fehlt die Gesetzgebungskompetenz zur Schaffung von Regelungen, die den Zweck der Untersuchungshaft unmittelbar betreffen. Ebenso fehlt ihm die Gesetzgebungskompetenz für eine Änderung der haftrichterlichen Zuständigkeit, namentlich der Zuständigkeit in Ermittlungsverfahren, die in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof und damit hinsichtlich der vor Anklageerhebung zu treffenden gerichtlichen Maßnahmen in die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs fallen. (Bearbeiter)
4. Soweit Landesgesetze – wie hier das NJVollZG – bezüglich der Regelung von Maßnahmen, die der Zweck der Untersuchungshaft erfordert, von der Strafprozessordnung, namentlich von § 119 StPO, abweichende Regelungen enthalten, ist entsprechendes Landesrecht im Hinblick auf die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG unwirksam. (Bearbeiter)
1. Zwar kann ein Ablehnungsgesuch dann, wenn das Gericht im Beschlusswege entscheidet, nur solange statthaft angebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist (BGH NStZ 1993, 600; 2008, 55). Eine Entscheidung ist aber erst ergangen, wenn sie für das Gericht, das sie gefasst hat – außer in den gesetzlich vorgesehenen Fällen – unabänderlich ist.
2. Bei einem Beschluss, der außerhalb einer Hauptverhandlung ergeht und nicht verkündet wird, ist dies in der Regel dann der Fall, wenn ihn die Geschäftsstelle an eine Behörde oder Person außerhalb des Gerichts hinausgegeben hat und eine Abänderung tatsächlich unmöglich ist. Hiervon auszunehmen sind indes die Beschlüsse, die nach rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels unmittelbar die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung herbeiführen. Diese sind bereits dann erlassen, wenn sie mit den Unterschriften der Richter versehen in den Geschäftsgang gegeben werden. Hierzu gehören auch die Beschlüsse des Revisionsgerichts gemäß § 349 Abs. 2 StPO. Gleiches gilt für Revisionsentscheidungen, die gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO ergehen und die Rechtskraft des angefochtenen Urteils nur teilweise unmittelbar herbeiführen, da eine „geteilte“ Beurteilung der Frage, ob über das Rechtsmittel bereits entschieden ist, nicht in Betracht kommt (BGH NStZ 2011, 713).
3. Der Senat ist zu dieser Entscheidung auch eingedenk der Tatsache berufen, dass mit der Gehörsrüge zugleich ein Ablehnungsgesuch gegen einzelne Senatsmitglieder gestellt wurde, denn es entspricht der Intention des § 356a StPO, dass über die Anhörungsrüge durch den iudex a quo entschieden wird (BGH NStZ-RR 2009, 353).
1. Auch der Angriff auf einen Teil des Schuldspruchs führt zur Unwirksamkeit der Beschränkung hinsichtlich des Maßregelausspruchs, wenn diese Rechtsfolgenentscheidung auch an den Schuldspruch hinsichtlich des angefochtenen Teils der Verurteilung anknüpft.
2. Eine Beschränkung der Revision nach § 344 Abs. 1 StPO ist nur zulässig, soweit die Beschwerdepunkte nach dem inneren Zusammenhang des Urteils – losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil – tatsächlich und rechtlich unabhängig beurteilt werden können, ohne eine
Überprüfung des Urteils im Übrigen erforderlich zu machen; für eine teilweise Zurücknahme des Rechtsmittels gilt nichts anderes. Weiter muss gewährleistet sein, dass die nach Teilanfechtung stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleiben kann. Die Revisionsbeschränkung unter Ausklammerung eines Maßregelausspruchs ist deshalb unwirksam, wenn zugleich der Schuldspruch angegriffen wird, der von der Maßregelfrage nicht getrennt werden kann.
3. § 64 StGB erfasst auch die Alternative, dass die Tat in sonstiger Weise auf den Hang zum Rauschmittelkonsum im Übermaß zurückgeht. Dabei muss ein Ursachenzusammenhang festgestellt werden, der etwa bei Geldbeschaffungsdelikten mit dem Folgeziel des Drogenerwerbs oder aber im sozialen Verfall des Täters infolge des Rauschmittelkonsums bestehen kann. Der Hang zum übermäßigen Rauschmittelkonsum muss zudem nicht die alleinige Ursache der Begehung von Straftaten sein. Eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur des Täters schließt die Mitursächlichkeit des Hangs zum Rauschmittelkonsum für die Tatbegehung nicht aus. Allerdings muss die hangbedingte Tat zugleich wiederum Symptomcharakter für künftige weitere Straftaten besitzen, deren Prognose den materiellen Maßregelgrund bildet.
4. Die Anknüpfung an den Halbstrafenzeitpunkt in § 67 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 5 Satz 1 StGB ist zwingend. Nur die Frage, ob das Gericht von der Möglichkeit der Anordnung des Vorwegvollzuges eines Teils der Strafe Gebrauch macht, liegt in seinem Ermessen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist vor der Verwertung einer gerichtskundigen Tatsache in aller Regel ein Hinweis zu erteilen, das Tatgericht werde sie (möglicherweise) seiner Entscheidung als offenkundig zugrunde legen. Hierdurch soll dem Angeklagten rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährt und ihm insbesondere die Möglichkeit wirksamer Verteidigung eröffnet werden.
2. Die Erörterung einer gerichtskundigen Tatsache gehört aber nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten, deren Beachtung das Protokoll ersichtlich machen muss. Sie muss gesondert bewiesen werden.
1. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht der Heilung von Zulässigkeitsmängeln von fristgemäß erhobenen Verfahrensrügen.
2. Könnte ein Angeklagter, dem durch die Antragsschrift des Generalbundesanwalts ein formaler Mangel in der Begründung einer Verfahrensrüge aufgezeigt worden ist, diese unter Hinweis auf ein Verschulden seines Verteidigers nachbessern, würde im Ergebnis die Formvorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO außer Kraft gesetzt.
3. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt nur in besonderen Prozesssituationen ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint.
1. Grundsätzlich ist ein auf einem Irrtum beruhender oder durch Täuschung oder Drohung herbeigeführter Rechtsmittelverzicht nicht anfechtbar. Die Berücksichtigung von Willensmängeln ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn sie nicht die Folge einer (durch das Gericht zu verantwortenden) Drohung oder einer unrichtigen richterlichen Auskunft sind. Ob ein Verteidiger ein Geständnis und einen Rechtsmittelverzicht durch unlauteren Druck herbeigeführt hat, kann offen bleiben.
2. Die Verhandlungsfähigkeit wird in der Regel nur durch schwere körperliche oder seelische Mängel ausgeschlossen; auf die Geschäftsfähigkeit im Sinne des bürgerlichen Rechts kommt es nicht an. Allein das Bestehen eines psychischen Drucks genügt zu ihrem Ausschluss nicht.
Der Hinweispflicht gemäß § 265 StPO wird nicht schon durch Ausführungen in einem Zusatz zur Terminsladung des Verteidigers genügt, sondern es ist gemäß § 265 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StPO ein Hinweis an den Angeklagten erforderlich.
Stirbt der Angeklagte vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens, so gilt ein Beschluss gemäß § 206a StPO zum ordnungsgemäßen Abschluss des Verfahrens als geboten. Zuständig hierfür ist das Gericht, bei dem die
Sache anhängig ist. Das ist das Tatgericht auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Angeklagten zwar das Urteil schon ergangen, die Sache aber noch nicht beim Revisionsgericht anhängig geworden ist (vgl. BGHSt 22, 213, 217 f.).
Stellt sich in der Hauptverhandlung heraus, dass erforderliche Strafanträge fehlen und ist die Antragsfrist abgelaufen, so ist das Verfahren nach § 260 Abs. 3 StPO insoweit einzustellen. Ein Freispruch kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn bereits feststeht, dass dem Angeklagten keine Straftat nachzuweisen ist.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich bei einer Auslieferung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls aus einem Verstoß gegen den Spezialitätsgrundsatz kein Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein Vollstreckungshindernis und ein Verbot freiheitsbeschränkender Maßnahmen (EuGH, NStZ 2010, 35).
1. Es bleibt offen, ob die Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2 StPO durch einen unmittelbar vor dem Urteil verkündeten Beschluss auch dann noch Teil der abschließenden Entscheidung des Gerichts ist, wenn die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft nach protokolliertem Wiedereintritt in die Beweisaufnahme unmittelbar vorher erteilt worden ist.
2. Einzelfall des Ausschlusses des Beruhens nach mangelnder erneuter Erteilung des letzten Wortes bei besonderen Umständen.
Eine gesonderte Befragung des Angeklagten nach einem Hinweis gemäß/entsprechend § 265 StPO ist nur dann unerlässlich, wenn sonst keine Verteidigungsmöglichkeit bestünde.
War eine örtlich und sachlich zuständige Strafvollstreckungskammer vor Verlegung eines Untergebrachten mit einer Sache bereits befasst i.S.d. § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO, bleibt sie zuständig, bis sie die konkrete Sachfrage abschließend entschieden hat (BGHSt 56, 252). Das Befasstsein liegt auch in einer „außerplanmäßigen“ Überprüfung nach § 67e Abs. 1 StGB.