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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2011
12. Jahrgang
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Von Prof. Dr. Johannes Feest, Bremen, und RiOLG Dr. Wolfgang Lesting, Oldenburg
Die weit verbreitete Erwartung, "in einem Rechtsstaat (sei) grundsätzlich davon auszugehen, dass Behörden gerichtliche Entscheidungen beachten",[1] wird im Strafvollzug nicht immer erfüllt. "Renitente Strafvollzugsbehörden"[2] verweigern in erstaunlicher Zahl eine zügige und konsequente Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen. Dies führte zunächst nur vereinzelt zu kritischen Anmerkungen in der Strafvollzugsliteratur. Inzwischen sind aber auch viele Gerichte sensibilisiert, wenn das Verhalten der Vollzugsbehörden den Eindruck erweckt, gegen die Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen zu opponieren.[3] In immer deutlicheren Worten wird das renitente Verhalten der Justizvollzugsanstalten beschrieben und eine Änderung angemahnt.[4] Für die Gefangenen blieb die gestiegene Aufmerksamkeit jedoch bislang zu-
meist folgenlos, da eine Vollstreckungsregelung im Strafvollzugsgesetz fehlt und die Rechtsprechung eine analoge Anwendung der Zwangsgeldregelung in §§ 170, 172 VwGO im Strafvollzug einhellig ablehnt. Zuletzt war auch das BVerfG[5] der Frage, ob die fehlende gesetzliche Vollstreckungsregelung noch mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz und dem Anspruch der Gefangenen auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle der angegriffenen Vollzugsmaßnahmen vereinbar ist, unter Hinweis auf den Vornahmeantrag nach § 113 Abs. 1 StVollzG ausgewichen.
Diesem "Vollzugsdefizit" ist das KG in spektakulärer Weise entgegengetreten. Anstatt die Anstalt ein weiteres Mal zur (absehbaren) Neubescheidung zu verpflichten, hat es einen Ausweg aufgezeigt, mit dem die Gerichte anstelle der Anstalten in der Sache entscheiden und auf diese Weise zugleich für die Durchsetzung ihrer Entscheidungen sorgen können. Damit hat es nicht nur den Rechtsschutz der Gefangenen gestärkt und deren Wartezeit auf eine verbindliche (positive) Entscheidung entscheidend verkürzt, sondern eine erfolgversprechende Sanktionsmöglichkeit gegenüber einer Verweigerungsstrategie der Anstalten aufgezeigt. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Weg bei den Gerichten viele Nachahmer findet, zumindest bis eine gesetzliche Vollstreckungsregelung – wie in den Eckpunkten des Bundesjustizministeriums zur Sicherungsverwahrung vorgesehen – den renitenten Vollzugsbehörden Einhalt gebietet. Denn auch verbindliche Entscheidungen der Gerichte könnten sich als zahnlos erweisen, wenn sie nicht vollstreckbar sind.
[1] So zuletzt auch BGH III ZR 124/09 – Urteil vom 11. März 2010, StraFo 2011, 157, 158.
[2] Lesting/Feest ZRP 1987, 390.
[3] Feest/Lesting, Festschrift für Ulrich Eisenberg, S. 675.
[4] Vgl. etwa KG StV 2011, 230 = StraFo 2001, 112.
[5] BVerfG 2 BvR 1377/07 (3. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 3. November 2010, HRRS 2011 Nr. 209.