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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Juni/Juli 2011
12. Jahrgang
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1. Art. 7 EMRK garantiert mehr als das Verbot einer rückwirkenden Bestrafung. Er beinhaltet auch in einem weiteren Sinne das Prinzip, dass nur das Gesetz eine Straftat definieren und eine Strafe vorschreiben darf (nullum crimen, nulla poena sine lege).
2. Der EGMR kann von seiner früheren Rechtsprechung abweichen und einen weitergehenden Schutz gewährleisten, wenn dies zur Verwirklichung des konkreten und wirksamen Schutzes der Menschenrechte erforderlich ist.
3. Art. 7 EMRK gewährleistet auch das Meistbegünstigungsprinzip und damit das Gebot der Rückwirkung eines nachträglich gemilderten Strafrechts. Es ist im Sinne des Rechtsstaatsprinzips (rule of law) geboten, dass ein Gericht dasjenige Gesetz zur Anwendung bringt, das der Gesetzgeber aktuell für angemessen hält.
4. Führt die Entscheidung des Angeklagten für ein summarisches Erledigungsverfahren, das ein Geständnis einschließt,
vor allem zu einer maßgeblichen Strafmilderung, darf der Gesetzgeber diese Strafmilderung nicht nach der Ausübung dieser Unterwerfungsoption rückwirkend abschaffen. Dies gilt auch dann, wenn der Angeklagte seine Unterwerfung noch widerrufen konnte. Auch wenn die EMRK den Vertragsstaaten keine Verständigungsverfahren vorschreibt, dürfen den Angeklagten die Vorteile solcher Verfahren nicht willkürlich entzogen werden.