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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2011
12. Jahrgang
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1. Wer zum Zwecke der Selbsthilfe eine Sache wegnimmt, handelt nicht widerrechtlich, wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Einschreiten die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird.
2. Derjenige, dem ein Schaden zugefügt worden ist, kann grundsätzlich von einem unbekannten Schadensverursacher verlangen, zur eventuellen gerichtlichen Klärung des Schadensersatzanspruches die Personalien bekannt zu geben. Zur Sicherung dieses Anspruchs steht ihm unter den Voraussetzungen des § 229 BGB ein Festnahmerecht
zu, wenn die Gefahr besteht, dass sich dieser der Feststellung seiner Personalien durch Flucht entziehen will.
3. Um die Identifizierung eines fluchtverdächtigen Schuldners mit Namen und ladungsfähiger Anschrift zu ermöglichen und dadurch dessen Festnahme zu vermeiden, darf der Geschädigte grundsätzlich im Wege der Selbsthilfe eine dem Schuldner gehörende Sache wegnehmen.
1. Hält sich ein Angegriffener, der irrtümlich die tatsächlichen Voraussetzungen einer Notwehrlage annimmt, im Rahmen dessen, was in der von ihm angenommenen Situation zur Abwendung des Angriffs objektiv tatsächlich erforderlich und geboten gewesen wäre, so beurteilt sich sein Handeln nach den Grundsätzen des Erlaubnistatbestandsirrtums. Seine Bestrafung wegen vorsätzlicher Tatbegehung ist nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB ausgeschlossen. Bei Vermeidbarkeit des Irrtums kommt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 StGB die Bestrafung wegen einer Fahrlässigkeitstat in Betracht.
2. Zu prüfen bleibt dann, ob der vermeidbare Irrtum auf einem der in § 33 StGB genannten asthenischen Affekte - Verwirrung, Furcht oder Schrecken - beruht, denn hierdurch entfiele schuldhaftes Handeln. Anders als in dem Fall, dass der Täter die Fortsetzung eines bereits beendeten Angriffs annimmt, ist die Anwendung dieser Vorschrift nicht ausgeschlossen, wenn die objektive Notwehrlage fortdauert.
3. Ist sich der Angegriffene demgegenüber bewusst, dass seine Verteidigungshandlung über das hinausgeht, was zur Abwehr des (angenommenen) Angriffs im Sinne von § 32 Abs. 2 StGB erforderlich gewesen wäre, so bleibt es bei einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat. Indes kommt ihm auch in diesem Falle der Schuldausschließungsgrund des § 33 StGB dann zugute, wenn er aus den in der Vorschrift genannten Gründen zur Überschreitung der Grenzen der Notwehr hingerissen worden ist.
4. Der Angegriffene muss von einer erforderlichen Verteidigungshandlung nicht bereits dann absehen, wenn zwischen der dem Angreifer durch sie drohenden Rechtsgutverletzung und dem angegriffenen eigenen Rechtsgut ein Ungleichgewicht besteht. Rechtsmissbräuchlich und damit nicht mehr geboten ist eine Verteidigungshandlung vielmehr erst dann, wenn die jeweils bedrohten Rechtsgüter zueinander in einem unerträglichen Missverhältnis stehen, etwa wenn die Leib oder Leben des Angreifers gefährdende Handlung der Abwehr eines evident bagatellhaften, bloßem Unfug nahe kommenden Angriffs dient.
1. Für die Freiwilligkeit des Rücktritts ist entscheidend, ob der Täter von der weiteren Tatausführung absah, obwohl er subjektiv noch in der Lage gewesen wäre, das zur Vollendung der Tat Notwendige zu tun, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden war, die Tat zu vollbringen (BGHR, StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 18 und 19).
2. Sieht eine Angeklagte wegen der Befürchtung, eine dritte Person werde hinzukommen, keine Möglichkeit mehr, ihr Vorhaben mit Erfolg zu verwirklichen, liegt ein freiwilliger Rücktritt nicht vor. Die Angst vor drohender Entdeckung steht der Freiwilligkeit nicht grundsätzlich entgegen, es kommt vielmehr darauf an, ob es dem Täter überhaupt auf Heimlichkeit der Tat ankam bzw. ob sich aus seiner Sicht auf Grund der äußeren Umstände zumindest das von ihm für entscheidend angesehene Risiko der Entdeckung beträchtlich erhöht hat.
1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt es für die Abgrenzung eines unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein strafbefreiender Rücktritt gegeben ist, darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont) oder er sich - namentlich nach besonders gefährlichen Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen geführt haben - keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns macht. Zu einer lückenhaft begründeten Annahme des beendeten Versuchs.
2. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundgerichtshofs vor, wenn der Täter noch „Herr seiner Entschlüsse“ geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert, noch durch einen seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen (vgl. BGHSt 35, 184). Dabei ist maßgebliche Beurteilungsgrundlage nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon; die äußeren Gegebenheiten sind allerdings insofern von Belang, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters zulassen.
3. Freiwilligkeit darf nicht mit dem Verweis darauf abgelehnt werden, der Angeklagte habe es für „besser“ gehalten, „den Tatort zu verlassen“. Die Tataufgabe kann zwar
bei einem vom Angeklagten erkannten erhöhten Entdeckungsrisiko unfreiwillig sein. Dies setzt jedoch voraus, dass der Täter das Tatrisiko auf Grund neuer Umstände nicht mehr für vertretbar hält (BGH NStZ 1993, 76; 279; NStZ-RR 2006, 168). Dass er es für besser hält, die Tat nicht mehr zu verwirklichen, reicht hierfür nicht aus und vermag einen freiwilligen Rücktritt nicht auszuschließen. Darüber hinaus bedarf es in derartigen Fällen genauer Darlegung der Umstände, aus denen sich die für den Täter nicht mehr hinnehmbare Steigerung des Risikos, alsbald gestellt zu werden, gefolgert wird (BGH NStZ 1992, 536).
1. Bei einer Fallgestaltung der Nichterweislichkeit der Mittäterschaft bei der Vortat und der zweifelsfreien Feststellung einer Hehlereihandlung ist eine Verurteilung wegen der dem Diebstahl folgenden „Nachtat“ der Hehlerei im Wege der Postpendenzfeststellung möglich und geboten (BGHR vor § 1/Wahlfeststellung Postpendenz 3).
2. Auf die Postpendenzfeststellung finden die Grundsätze der Wahlfeststellung Anwendung, bei der die Strafe dem Gesetz entnommen werden muss, das die auf Grund konkreter Betrachtung zu ermittelnde mildeste Strafe zulässt (BGH NStZ 2000, 473, 474).
1. Wegen derselben Tat kann der Angeklagte nicht zugleich als Gehilfe verurteilt und als Mittäter freigesprochen werden; dies ist mit dem Grundsatz der Akzessorietät der Teilnahme unvereinbar.
2. Die Verurteilung wegen Beihilfe setzt die Feststellung einer hinreichend konkretisierten Haupttat (oder deren mehrere) im Urteil voraus.
1. Eine Urkundenfälschung auf der Wahlbenachrichtigungskarte bezüglich des Antrags auf Erteilung von Briefwahlunterlagen und eine nachfolgende Wahlfälschung unter Verwendung des aufgrund dieses Antrags ausgegebenen Stimmzettels sind nicht im Sinne einer Bewertungseinheit tateinheitlich verbunden, sondern stehen im Verhältnis von Tatmehrheit zueinander. Der Umstand, dass der Täter die Urkundenfälschung nur begeht, um in den Besitz der Briefwahlunterlagen zu kommen und den Stimmzettel selbst ausfüllen zu können, ändert daran nichts. (BGHSt)
2. Die Rechtsfigur der Bewertungseinheit ist noch nicht vollständig geklärt. Es geht bei einer Bewertungseinheit regelmäßig um einen Tatbestand, der typischerweise im Gesetz in pauschalierender, weit gefasster und verschiedene natürliche Handlungen zusammenfassender Weise beschrieben ist und der dementsprechend trotz mehrerer - nicht wegen teilweisen Zusammenfallens von Tathandlungen oder wegen eines auch räumlich/ zeitlich engen Zusammenhangs tateinheitlich verbundener - derartiger Handlungen als nur einmal erfüllt angesehen wird. (Bearbeiter)
3. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Regelbeispiels gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB erfordern, dass die Vielzahl von Urkunden schon im Rahmen einer Tat im Rechtssinne verwendet worden wäre. Liegen zahlreiche rechtlich selbständige Taten vor, bei denen jeweils eine oder zwei unechte Urkunden verwendet wurden, so sind nicht die bei sämtlichen Taten benutzten unechten Urkunden zusammenzuzählen und diese Summe dann der Strafzumessung für jede einzelne Tat zu Grunde zu legen. Im Einzelfall mag eine Vielzahl ähnlicher Taten und deren Folgen mit ein Grund für die Annahme besonders schwerer Fälle auch ohne Vorliegen eines Regelbeispiels sein. (Bearbeiter)
1. Veranstaltet der Angeklagte unter der falschen Vorspiegelung, er habe die Rechtmäßigkeit abschließend bei den Behörden abgesichert, im Internet eine Ausspielung, so erleiden die Teilnehmer einen Schaden, da ihren Spieleinsätzen infolge der drohenden Untersagung des Gewinnspiels nur eine geringere als die vertraglich geschuldete Gegenleistung gegenüberstand. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Angeklagte grundsätzlich weder willens noch in der Lage war, den überwiegenden Teil der vereinnahmten Gelder, den er schon für eigene Zwecke verbraucht hatte, im Fall einer vorzeitigen zwangsweisen Einstellung des Spielbetriebes durch die Behörden an die Spielteilnehmer zurückzuzahlen. Dass er einen geringen Teil der Einsätze an einige der Spielteilnehmer - die ihm zum Teil mit einer Strafanzeige gedroht hatten - zurück erstattet hat, steht dabei der Annahme eines Betrugsschadens nicht entgegen BGHSt 53, 199, 204. Hierin liegt lediglich eine bloße Schadenswiedergutmachung gewertet, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist.
2. Der Umstand, dass der Angeklagte bei der Tatbegehung möglicherweise darauf hoffte, dass die zuständigen Behörden letztlich keine Einwände erheben und ihm die Durchführung des Gewinnspiels einschließlich der Verlosung gestatten würden, lässt die Annahme eines (bedingten) Betrugsvorsatzes nicht entfallen (vgl. BGH NStZ 2003, 264).
3. Das Regelbeispiel des Vermögensverlustes großen Ausmaßes gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB bezieht sich nicht auf den erlangten Vorteil des Täters, sondern allein auf die Vermögenseinbuße beim Opfer. Das Ausmaß der Vermögenseinbuße ist daher auch bei Betrugsserien, die nach den Kriterien der rechtlichen oder natürlichen Handlungseinheit eine Tat bilden, opferbezogen zu bestimmen. Eine Addition der Einzelschäden kommt insoweit nur in Betracht, wenn die tateinheitlich zusammentreffenden Betrugstaten dasselbe Opfer betreffen. Auch die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB liegen nicht vor, weil sich die Vorstellung des Täters auf die fortgesetzte Begehung mehrerer rechtlich selbständiger Betrugstaten richten muss.
4. Für die Verurteilung wegen unerlaubter Ausspielung (§ 287 StGB) sind Feststellungen zu den von dem Angeklagten verwendeten Quizfragen und deren Schwierigkeitsgrad erforderlich, um ein erlaubtes Geschicklichkeitsspiel ausschließen zu können.
1. Ein besonders schwerer Fall des Betruges liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 - 1. Alt. - StGB). Von Gewerbsmäßigkeit ist auszugehen, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Es ist nicht erforderlich, dass der Täter seinen Lebensunterhalt allein oder auch nur überwiegend durch die Begehung von Straftaten bestreiten will. Liegt ein Gewinnstreben in diesem Sinne vor, dann ist schon die Erste der ins Auge gefassten Tathandlungen als gewerbsmäßig anzusehen (vgl. BGH, NStZ 2004, 265). Eine Entkräftung des Regelbeispiels kann nicht allein mit dem Argument erfolgen, dass nur wenige Taten vorliegen würden.
2. Ein Missbrauch des Berufs liegt vor, wenn der Täter die ihm dadurch gegebenen Möglichkeiten bewusst zur Begehung von Straftaten ausnutzt. Es ist allerdings nicht ausreichend, dass er nur allgemein für den Beruf erworbene Kenntnisse oder Fähigkeiten verwertet oder nur anlässlich der Berufsausübung sich ergebende äußere Gelegenheiten ausnutzt (vgl. BGH NJW 1983, 2099). Die strafbare Handlung muss vielmehr einen inneren Zusammenhang mit dem Beruf erkennen lassen (vgl. BGHSt 22, 144, 146; Senat, StV 2008, 80, 81); sie muss symptomatisch für die Unzuverlässigkeit des Täters im Beruf erscheinen (vgl. Senat, NJW 1983, 2099). Dies liegt aber für einen Angeklagten nahe, der in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt aufgetreten ist und dabei berufsspezifisches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat.
1. Täuschungshandlungen innerhalb eines gerichtlichen Arrestverfahrens in der Absicht, durch frühere Betrugshandlungen vereinnahmtes Geld behalten zu können, dienen lediglich der Beutesicherung und sind als mitbestrafte Nachtaten des Betrugs straflos.
2. Der Betrugsschaden erhöht sich durch solche Täuschungshandlungen im Arrestverfahren nicht, denn sie bewirkten allenfalls, dass sich der Betrugsschaden nicht verringert, weil hierdurch infolge des nicht erlangten Titels erfolgversprechende Vollstreckungsmaßnahmen unterblieben. Insoweit unterscheidet sich diese Fallkonstellation von anderen Betrugshandlungen, die darauf gerichtet sind, den Gläubiger von der Realisierung seiner Forderung abzuhalten.
3. Der Senat lässt offen, ob die Verfahrenskosten einen selbständigen Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB darstellen können.
1. In subjektiver Hinsicht genügt für eine Strafbarkeit als Gehilfe bedingter Vorsatz. Der Gehilfe muss also seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der
Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen. Einzelheiten der Haupttat braucht der Gehilfe hingegen nicht zu kennen und auch keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben.
2. Die Sicherung eines durch Veräußerung des ursprünglich Erlangten erzielten, ihm gegenüber nicht stoffgleichen Surrogats ist nicht vom Schutzzweck des § 257 Abs. 1 StGB erfasst.
3. Für § 257 StGB muss der Angeklagte in Absicht handeln, dem Vortäter den bereits erlangten Vorteil vor dem Zugriff des Geschädigten oder des Staates zu sichern. Hierfür muss sich der Vorteil im Augenblick der Hilfeleistung bereits oder noch beim Vortäter befinden.
1. Die Annahme eines Bandendiebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB setzt neben einer ausdrücklich oder konkludent getroffenen Bandenabrede zwischen mindestens drei Personen voraus, dass der Täter gerade als Mitglied der Bande unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds stiehlt. Die Einzeltat muss Ausfluss der Bandenabrede sein und darf nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt werden (vgl. BGH NStZ 2006, 342 f.; 2005, 567, 568). Auch wenn mehrere Angehörige der Bande handeln, muss festgestellt werden, dass eine Tat in Erfüllung der vorhandenen Bandenabrede ausgeführt wurde.
2. Wegen Geldfälschung nach § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB macht sich strafbar, wer sich falsches Geld in der Absicht verschafft, es als echt in Verkehr zu bringen oder ein solches Inverkehrbringen zu ermöglichen. Die auf das Inverkehrbringen des Falschgelds oder dessen Ermöglichung gerichtete Absicht muss der Täter spätestens bei der Inbesitznahme des Falschgelds gefasst haben.
1. Ein die Anforderungen des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllendes Anvertrautsein setzt ein den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich erfassendes Abhängigkeitsverhältnis des Jugendlichen zu dem Betreuer im Sinne einer Unter- und Überordnung voraus. Entscheidend ist, ob nach den konkreten Umständen ein Verantwortungsverhältnis besteht, kraft dessen dem Täter das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistigsittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten.
2. Wenn ein Angeklagter die ihm zur Last gelegten Taten leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld zuschiebt, so ist dies grundsätzlich zulässiges Verteidigungsverhalten. Die Grenze des Zulässigen ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht.
3. Zulässiges Verteidigungsverhalten darf nicht zur Begründung eines Hanges im Sinne des § 66 StGB verwertet werden.
4. Das Tatgericht soll nach § 66 Abs. 2 StGB die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt des Urteils auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass sie - im Gegensatz zu § 66 Abs. 1 StGB - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt. Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind deshalb wichtige Kriterien, die grundsätzlich zu berücksichtigen sind. Dies gilt entsprechend auch für § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB.