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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Mai 2011
12. Jahrgang
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1. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist eine außerordentlich beschwerende Maßnahme. Deshalb darf sie nur angeordnet werden, wenn die Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Dies erfordert zwar nicht, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind, die zu erwartenden Taten müssen aber schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen und daher zumindest dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen sein. Die lediglich latente Gefahr oder bloße Möglichkeit zukünftiger Straftaten reicht nicht aus (BGH NStZ-RR 2009, 198).
2. Die Erheblichkeit drohender Taten kann sich ohne weiteres aus dem Delikt selbst ergeben, etwa bei Verbrechen. Ist dies nicht der Fall, kommt es grundsätzlich auf die zu befürchtende konkrete Ausgestaltung der Taten an (BGH NStZ 2008, 563, 564). Dabei sind zu erwartende Gewalt- und Aggressionsdelikte regelmäßig zu den erheblichen Taten zu rechnen. Todesdrohungen gehören hierzu indes nur, wenn sie geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsempfinden zu beeinträchtigen; dies ist insbesondere der Fall, wenn sie aus der Sicht des Betroffenen die nahe liegende Gefahr ihrer Verwirklichung in sich tragen (BGH NStZ 2008, 563, 564; 2009, 383). Die Gefahr bloßer Beleidigungen ist dagegen grundsätzlich nicht geeignet, eine Unterbringung nach § 63 StGB zu rechtfertigen.
3. Tätliche Auseinandersetzungen aus Anlass einer Unterbringung sind innerhalb einer Einrichtung nicht ohne weiteres denjenigen Handlungen gleichzusetzen, die ein Täter außerhalb einer Betreuungseinrichtung begeht. Dies gilt jedenfalls, wenn es um das Verhalten eines in einer psychiatrischen Klinik Untergebrachten gegenüber dem im Umgang mit schwierigen und aggressiven Patienten erfahrenem oder geschultem Personal geht. Aggressives Verhalten in diesem Bereich ist nicht gleichzusetzen mit Handlungen in Freiheit gegenüber beliebigen Dritten oder dem Täter nahe stehenden Personen. Solche Taten verlangen daher – jedenfalls soweit sie nicht dem Bereich schwerster Rechtsgutsverletzungen zuzurechnen sind – schon nach ihrem äußeren Eindruck weit weniger nach einer Reaktion durch ein strafrechtliches Sicherungsverfahren und Anordnung einer strafrechtlichen Maßregel (BGH NStZ 1998, 405).
1. Die Durchführung eines Anfrage- und Vorlageverfahrens nach § 132 GVG ist keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, wenn sie ein Jahr und vier Monate in Anspruch nimmt. Sie ist nicht in Anwendung der Vollstreckungslösung zu kompensieren. Gleichwohl können die zuvor bemessenen Einzelstrafen in einem solchen Fall keinen Bestand haben. Der Umstand, dass nach Erlass des tatrichterlichen Urteils ein nicht unerheblicher Zeitraum verstrichen ist, muss vorliegend zu Gunsten der Angeklagten strafmildernd Berücksichtigung finden, da sie dies nicht zu vertreten haben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 187, 188). Die seit den Taten vergangene Zeit und die aus der Verfahrensdauer resultierende Belastung für den Angeklagten stellen grundsätzlich einen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Sie sind nunmehr ergänzend festzustellen und in wertender Betrachtung bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen.
2. In Strafverfahren wegen einer Vielzahl gleichförmiger Taten oder Tateinzelakte, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, ist dem Erfordernis der Verlesung des Anklagesatzes i.S.d. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO Genüge getan, wenn dieser insoweit wörtlich vorgelesen wird, als in ihm die gleichartige Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, beschrieben und die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie bei Vermögensdelikten der Gesamtschaden bestimmt sind. Einer Verlesung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte bedarf es in diesem Fall nicht.
3. Demnach muss der konkrete Anklagesatz in den einschlägigen Verfahren einerseits die Schilderung der gleichartigen Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, die Bezifferung der Gesamtzahl der Taten, die Bestimmung des Tatzeitraums sowie bei Vermögensdelikten die Bezifferung des Gesamtschadens umfassen. Andererseits sind auch die Auflistung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder - namentlich in Fällen der Bewertungseinheit oder der uneigentlichen Organisationsdelikte - die Auflistung der Einzelakte der Taten Teil des Anklagesatzes. Eine Ausgliederung der
letztgenannten Auflistungen der Tatdetails in das Wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder an andere Stelle der Anklage ist demnach mit § 200 Abs. 1 Satz 1, § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht vereinbar. Auf der Grundlage der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen brauchen diese Auflistungen, die regelmäßig in tabellarischer Form die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und - bei Vermögensdelikten - die jeweiligen Einzelschäden bestimmen und dadurch die Einzeltaten näher individualisieren, jedoch nicht in der Hauptverhandlung verlesen zu werden. Vorzulesen ist lediglich die - regelmäßig in Fließtext abgefasste - allgemeine Schilderung der gleichartigen Tatausführung, in der die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands dargelegt werden, die für alle Einzeltaten einheitlich gegeben sind.
1. Die Durchführung eines Anfrage- und Vorlageverfahrens nach § 132 GVG ist keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, wenn sie ein Jahr und vier Monate in Anspruch nimmt und zur Zurückstellung der Entscheidung in einem davon betroffenen Verfahren führt. Sie ist nicht in Anwendung der Vollstreckungslösung zu kompensieren. Gleichwohl können die zuvor bemessenen Einzelstrafen in einem solchen Fall keinen Bestand haben. Der Umstand, dass nach Erlass des tatrichterlichen Urteils ein nicht unerheblicher Zeitraum verstrichen ist, muss vorliegend zu Gunsten der Angeklagten strafmildernd Berücksichtigung finden, da sie dies nicht zu vertreten haben (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 187, 188). Die seit den Taten vergangene Zeit und die aus der Verfahrensdauer resultierende Belastung für den Angeklagten stellen grundsätzlich einen bestimmenden Strafzumessungsgrund dar. Sie sind nunmehr ergänzend festzustellen und in wertender Betrachtung bei der Straffestsetzung in den Grenzen des gesetzlich eröffneten Strafrahmens bereits bei der Bemessung der Einzelstrafen mildernd zu berücksichtigen.
2. In Strafverfahren wegen einer Vielzahl gleichförmiger Taten oder Tateinzelakte, die durch eine gleichartige Begehungsweise gekennzeichnet sind, ist dem Erfordernis der Verlesung des Anklagesatzes i.S.d. § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO Genüge getan, wenn dieser insoweit wörtlich vorgelesen wird, als in ihm die gleichartige Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, beschrieben und die Gesamtzahl der Taten, der Tatzeitraum sowie bei Vermögensdelikten der Gesamtschaden bestimmt sind. Einer Verlesung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder der Einzelakte bedarf es in diesem Fall nicht.
3. Demnach muss der konkrete Anklagesatz in den einschlägigen Verfahren einerseits die Schilderung der gleichartigen Tatausführung, welche die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands erfüllt, die Bezifferung der Gesamtzahl der Taten, die Bestimmung des Tatzeitraums sowie bei Vermögensdelikten die Bezifferung des Gesamtschadens umfassen. Andererseits sind auch die Auflistung der näheren individualisierenden tatsächlichen Umstände der Einzeltaten oder - namentlich in Fällen der Bewertungseinheit oder der uneigentlichen Organisationsdelikte - die Auflistung der Einzelakte der Taten Teil des Anklagesatzes. Eine Ausgliederung der letztgenannten Auflistungen der Tatdetails in das Wesentliche Ergebnis der Ermittlungen oder an andere Stelle der Anklage ist demnach mit § 200 Abs. 1 Satz 1, § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht vereinbar. Auf der Grundlage der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen brauchen diese Auflistungen, die regelmäßig in tabellarischer Form die konkreten Tatzeitpunkte, die Tatorte, die Tatopfer und - bei Vermögensdelikten - die jeweiligen Einzelschäden bestimmen und dadurch die Einzeltaten näher individualisieren, jedoch nicht in der Hauptverhandlung verlesen zu werden. Vorzulesen ist lediglich die - regelmäßig in Fließtext abgefasste - allgemeine Schilderung der gleichartigen Tatausführung, in der die Merkmale des jeweiligen Straftatbestands dargelegt werden, die für alle Einzeltaten einheitlich gegeben sind.
1. Der Vorbehalt der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung setzt gemäß § 66a Abs. 1 StGB aF voraus, dass die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbar ist, wobei für die Beurteilung der Gefährlichkeit der Zeitpunkt der Aburteilung, nicht der der Entlassung aus dem Strafvollzug maßgeblich ist.
2. Eine bloße Hoffnung auf eine Verringerung der Gefährlichkeit während des Strafvollzugs steht ihrer aktuellen Feststellung nicht entgegen. Denkbare, nur erhoffte Haltungsänderungen durch eine therapeutische Behandlung bleiben daher regelmäßig der Prüfung gemäß § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB vorbehalten.
3. Stellt das Landgericht die Gefährlichkeit eines Verurteilten zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung ausdrücklich fest und kann es lediglich nicht zweifelsfrei ausschließen, dass diese durch eine therapeutische Behandlung im Strafvollzug verringert werden könnte, so hat es nach pflichtgemäßen Ermessen über die Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB aF zu entscheiden und nicht über deren Vorbehalt.
4. Bei einer vorbehaltenen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66a Abs. 2 StGB aF sind an die Qualität der neuen Tatsachen nicht die gleichen strengen Anforderungen zu stellen wie sie die Rechtsprechung bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung des § 66b StGB aF entwickelt hat.
Schon der Vergleich der Strafrahmen von §§ 240 Abs. 1, 243 Abs. 1 StGB zeigt, dass der Nötigung gegenüber dem Diebstahl im besonders schweren Fall, für den eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren angedroht wird, bei der Bemessung der Einzelstrafe eine mindere Bedeutung zukommt. Eine Erhöhung der Einsatzstrafe für Diebstahl kann nicht allein mit einem Hinweis auf die tateinheitliche Verwirklichung des Nötigungstatbestandes begründet werden, selbst wenn die Nötigung für den Zeugen eine Gefährdung bedeutet.
Der Wohnungseinbruchsdiebstahl ist zwar mit einem gravierenden Eingriff in die Opfersphäre verbunden. Die Erfüllung des Tatbestands setzt aber nicht voraus, dass es im Einzelfall tatsächlich zum Eintritt einer schweren psychischen Belastung eines Geschädigten gekommen ist. Tatsächlich eingetretene ernsthafte psychische Störungen können ebenso wie die Erheblichkeit einer festgestellten Beeinträchtigung des Opfers ohne Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot strafschärfend bewertet werden.
Die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt zwar nicht grundsätzlich voraus, dass die Anlasstaten selbst erheblich sind. Sind die Taten des Beschuldigten (vgl. für den Verstoß gegen § 113 StGB BGH StV 1992, 571) ihrem Gewicht nach nicht dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen, bedarf die Gefährlichkeitsprognose aber besonders sorgfältiger Darlegung.
1. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB gebietet auch bei § 224 StGB regelmäßig die Annahme eines minder schweren Falles.
2. Gehen vom Opfer unmittelbar vor der Tat beträchtliche Provokationen aus, so ist die Erörterung des § 213 Alt. 1 StGB auch im Rahmen des § 224 StGB geboten.
1. Eine Weisung, die im Rahmen der nach der Strafvollstreckung eintretenden Führungsaufsicht erteilt wird, kann regelmäßig nicht die Erwartung einer späteren Haltungsänderung des Täters begründen. Die Möglichkeit einer solchen Weisung ermöglicht es dem Tatrichter daher alleine nicht, von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abzusehen, obwohl deren Voraussetzungen zum Urteilszeitpunkt vorliegen, sofern nicht zusätzliche andere Umstände von besonderem Gewicht hinzutreten.
2. Die Ausgestaltung der Führungsaufsicht hat in erster Linie Bedeutung für die Prüfung und Entscheidung gemäß § 67c Abs. 1 StGB.
Nachvollziehbare, verständliche Motive für eine Tatbegehung wie ungünstige wirtschaftliche Verhältnisse oder eine Suchterkrankung können strafmildernd zu Buche schlagen; ihr Fehlen berechtigt allerdings nicht, dies strafschärfend zu berücksichtigen. Dass der Angeklagte die Tatbeteiligung mit guten Gründen hätte zurückweisen können, stellt letztlich die Verwertung des Umstands dar, dass die Tat überhaupt begangen wurde. Dies ist aber ein Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB.
1. Die Entscheidung, ob der Strafrahmen eines minder schweren Falles Anwendung finden kann, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung aller für die Wertung von Tat und Täter in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist maßgeblich, ob das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkom-
menden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens nicht mehr angemessen ist.
2. Es ist hierbei Sache des Tatgerichts, die Erschwerungs- und Milderungsgründe auf diese Weise nach pflichtgemäßem Ermessen gegeneinander abzuwägen. Denn das Tatgericht ist am ehesten in der Lage, sich auf Grund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen. Seine Wertung ist deshalb in der Revisionsinstanz nur begrenzt nachprüfbar.
3. Das Revisionsgericht kann daher (ebenso wie bei der Strafhöhenbemessung) nur eingreifen, wenn die durch das Tatgericht vorgenommene Beurteilung Rechtsfehler erkennen lässt, etwa weil die maßgeblichen Erwägungen rechtlich anerkannten Strafzumessungsgrundsätzen zuwider laufen, in sich widersprüchlich oder in dem Sinne lückenhaft sind, dass naheliegende, sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht erkennbar bedacht sind.
4. Zwar mögen Art und Menge des Rauschgifts regelmäßig den Unrechtsgehalt des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln wesentlich prägen und als bestimmende Gründe in die Strafzumessungserwägungen einzustellen sind. Gleichwohl verlieren die allgemeinen Grundsätze der Strafzumessung nach den §§ 46 ff. StGB im Bereich des BtMG nicht ihre Bedeutung. Danach ist auch bei Rauschgiftgeschäften die Strafe jedes von mehreren Tatbeteiligten vor allem nach dem Maß seiner individuellen Schuld zuzumessen.
5. Maßgeblich für die Bemessung der Strafe eines Gehilfen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist das im Gewicht seines eigenen Tatbeitrages zum Ausdruck kommende Maß seiner Schuld, wenn auch unter Berücksichtigung des ihm zurechenbaren Umfangs und der Folgen der Haupttat. Eine reine „Mengenrechtsprechung“ wäre mit diesen Grundsätzen nicht zu vereinbaren.