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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2011
12. Jahrgang
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1. § 46b StGB ist auch auf das Opfer einer in § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 StPO bezeichneten Tat anwendbar. (BGHSt)
2. Zur Ermessensausübung im Rahmen des § 46b StGB. (BGHSt)
3. Das Tatbestandsmerkmal der Freiwilligkeit ist nicht mit Blick auf eine strafprozessuale Aussagepflicht des Zeugen (vgl. §§ 51, 70 StPO) ausgeschlossen. Freiwilligkeit ist vielmehr nach der insoweit auf § 46b StGB übertragbaren Rechtsprechung zu § 31 BtMG dann gegeben, wenn sich der Beschuldigte frei zur Offenbarung entschließen kann. Unfreiwillig handelt hingegen, wer meint, nicht mehr anders handeln zu können. Auch eine Zeugnispflicht führt jedoch nicht dazu, dass der Zeuge nicht Herr seiner Entschlüsse ist und eine Aussage daher nicht mehr auf einem autonomen Entschluss beruhen kann. (Bearbeiter)
4. Unfreiwillig handelt hingegen ein Zeuge, gegen den bereits konkret Erzwingungsmaßnahmen (vgl. §§ 51, 70 StPO) ergriffen wurden und der erst daraufhin aussagt. (Bearbeiter)
5. Der Umstand, dass ein „Kronzeuge“ durch eine wahrheitsgemäße Aussage im Kern nur seine staatsbürgerlichen Pflichten erfüllt, steht zwar der Freiwilligkeit seiner Angaben grundsätzlich nicht entgegen, kann aber gleichwohl im Rahmen der Ermessensausübung gegen die Gewährung einer Strafmilderung sprechen. (Bearbeiter)
6. Im Rahmen der Ermessensausübung über die Gewährung einer Strafmilderung müssen die in § 46b Abs. 2 Nr. 1 StGB beispielhaft aufgeführten Umstände im Einzelnen dargelegt und bewertet werden, soweit sie im konkreten Fall relevant sind. Namentlich kann zu beachten sein, ob und wann ein Angeklagter die Ermittlungsbehörden von der Tat informiert hat oder ob diese bereits
Kenntnis von Tat und Tätern hatten. Ferner kann zu würdigen sein, ob und inwieweit der Angeklagte mit seiner Wissensoffenbarung ausschließlich oder vorrangig eigene Aufklärungs- bzw. Genugtuungsinteressen verfolgt hat. (Bearbeiter)
Aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung generell hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB.
1. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, nach der sich aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine die Rückwirkung generell hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB ergibt.
2. Ohne eine entsprechende, ausdrückliche Aussage des Bundesgesetzgebers ist die Annahme, dass sich dieser mit neuem innerstaatlichem Recht über die durch Ratifizierung der MRK übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland hinwegsetzen wollte, nicht gerechtfertigt.
1. Aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ergibt sich für die Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung keine die Rückwirkung generell hindernde andere Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB.
2. Alle staatlichen Organe der Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in ihrer durch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erfahrenen Ausformung zu beachten. Da die Fachgerichte innerhalb der staatlichen Kompetenzordnung als Teil der rechtsprechenden Gewalt gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden sind und die Konvention im Range eines Bundesgesetzes steht, ist der entsprechende Spielraum der Fachgerichte durch diese Rangzuweisung dahingehend begrenzt, dass sie die Konvention wie anderes Bundesrecht im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung der bundesdeutschen Gesetze zu beachten und anzuwenden haben (BVerfGE 111, 307, 317, 323). Aus Gründen der Gesetzesbindung muss daher eine konventionsfreundliche Auslegung dort enden, wo der gegenteilige Wille des nationalen Gesetzgebers deutlich erkennbar wird und eine Auslegung im Sinne der Konvention gegen Wortlaut oder Regelungszweck der Norm erfolgen müsste.
3. Da bei der Anwendung des § 67d Abs. 3 StGB den Gerichten im Rahmen der auch bei nachträglichen Entscheidungen vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung (§ 62 StGB) ein Abwägungsspielraum eröffnet ist, müssen Art. 7 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 MRK an dieser Stelle insoweit Beachtung finden, als dies im Rahmen der staatlichen Kompetenzordnung methodisch und sachgerecht vertretbar erscheint. Bei einer konventionsfreundlichen Gesamtwürdigung streiten die Aspekte des Vertrauensschutzes und des Freiheitsrechts in gewichtigem Maße für den Verurteilten. Im Ergebnis werden – worauf der anfragende Strafsenat hinweist – grundsätzlich die Rechtspositionen des Verurteilten überwiegen. Wenn dies zu einer letztlich im Regelfall einschränkenden Auslegung des § 67d Abs. 3 StGB dergestalt führt, dass nur im Falle des Vorliegens einer hochgradigen Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualverbrechen der weitere Vollzug auch unter Berücksichtigung der Wertungen der Konvention verhältnismäßig erscheint, steht dies insbesondere dem Regelungszweck des § 67d Abs. 3 StGB nicht entgegen.
1. Hat der Tatrichter in die nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe (§ 55 StGB) auch die Rechtsfolgen aus einer Entscheidung einzubeziehen, in der auf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erkannt wurde, und stellt er fest, dass die Voraussetzungen der Unterbringung auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch vorliegen, so hat er die bereits angeordnete Maßregel aufrechtzuerhalten. Für eine zusätzliche originäre Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist aber kein Raum, da in diesem Fall die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB haben.
2. Der Senat lässt offen, wie in Fällen zu verfahren ist, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am Halbstrafenzeitpunkt orientierte Anordnung des Vorwegvollzugs zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug zum Zwecke des Vorwegvollzuges führen müsste. Er neigt jedoch dazu, darin eine der Konstellationen zu sehen, in denen entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen Vorwegvollzug verzichtet werden kann.
1. Bei der Frage, ob eine Strafrahmenmilderung wegen Versuchs vorzunehmen ist, ist im Wege der Gesamtschau aller strafzumessungserheblichen Gesichtspunkte im weitesten Sinne und der Persönlichkeit des Täters zu entscheiden.
2. Bei der Entscheidung über die fakultative Strafmilderung wegen Versuchs kommt den wesentlich versuchsbezogenen Umständen besonderes Gewicht zu, weil sie wichtige Kriterien für die Bewertung des Handlungs- und Erfolgsunrechts des versuchten Delikts darstellen. Hierzu gehören namentlich die Nähe zur Tatvollendung, die Gefährlichkeit des Versuchs und die aufgewandte kriminelle Energie.
1. Bei dem Hang im Sinne des § 66 StGB handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der als solcher dem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich ist. Dass bei einem Angeklagten kein Hang vorliege, kann daher im Rahmen eines Beweisantrages allenfalls das Beweisziel sein, also die Folgerung, die das Gericht nach Auffassung des Antragstellers aus einem beantragten Sachverständigengutachten ziehen soll.
2. Die Erwiesenheit des Gegenteils der behaupteten Tatsache (§ 244 Abs. 4 Satz 2 StPO) ist nur ein weiterer, allein für den Sonderfall eines Antrags auf Anhörung eines weiteren Sachverständigen geltender Grund, einen Beweisantrag zurückzuweisen, der die allgemeinen Zurückweisungsgründe des § 244 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 StPO nicht ausschließt.
3. Die Ablehnung eines Beweisantrags auf Vernehmung eines weiteren Sachverständigen unter Berufung auf eigene Sachkunde ist dem Tatrichter möglich, auch wenn ihm die eigene Sachkunde erst durch den zunächst vernommenen Sachverständigen vermittelt worden ist. Dies gilt selbst dann, wenn er dem ersten vernommenen Gutachter in seinen Schlussfolgerungen nicht folgen will.
1. Das Merkmal „Hang“ im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag.
2. Der Hang als „eingeschliffenes Verhaltensmuster“ bezeichnet einen aufgrund umfassender Vergangenheitsbetrachtung festgestellten gegenwärtigen Zustand. Seine Feststellung obliegt – nach sachverständiger Beratung – unter sorgfältiger Gesamtwürdigung aller für die Beurteilung der Persönlichkeit des Täters und seiner Taten maßgebenden Umstände dem Richter in eigener Verantwortung.
3. Die Gesamtwürdigung von Taten und Täterpersönlichkeit ist mit besonderer Sorgfalt vorzunehmen, wenn bei Vorliegen der formellen Voraussetzungen nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB in Ermangelung von symptomatischen Vortaten und neuerlicher Delinquenz trotz erfolgter Strafverbüßung die Tatsachengrundlage besonders schmal ist.
4. Der Feststellung, ein Angeklagter weise bei Anwendung eines statistischen psychologisch-psychiatrischen Prognoseinstruments eine bestimmte Anzahl von Risikopunkten auf, kommt für die Gefährlichkeitsprognose keine wesentliche Bedeutung zu. Solche Instrumente können für die Prognose zwar Anhaltspunkte über die Ausprägung eines strukturellen Grundrisikos liefern, sind aber nicht in der Lage, eine fundierte Einzelbetrachtung zu ersetzen. Zur individuellen Prognose bedarf es über die Anwendung derartiger Instrumente hinaus einer differenzierten Einzelfallanalyse durch den Sachverständigen.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus darf nur angeordnet werden, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades und nicht nur die einfache Möglichkeit neuerlicher erheblicher Straftaten besteht.
Bei der Berechnung des von Verwahrung freien Zeitraums nach § 66 Abs. 4 Satz 3 StGB kommt es auf den Zeitraum zwischen den einzelnen zur Begründung der formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung in Betracht kommenden Vortaten sowie auf die Frist zwischen der letzten relevanten Vortat und der abzuurteilenden neuen Straftat an.
1. Das Merkmal „Hang“ im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verlangt einen eingeschliffenen inneren Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten begehen lässt. Hangtäter ist derjenige, der dauerhaft zu Straftaten entschlossen ist oder aufgrund einer fest eingewurzelten Neigung immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit bietet, ebenso wie derjenige, der willensschwach ist und aus innerer Haltlosigkeit Tatanreizen nicht zu widerstehen vermag.
2. Auf die Ursache für die fest eingewurzelte Neigung zu Straftaten kommt es nicht an. Deshalb scheidet die Annahme eines Hanges im Sinne von § 66 StGB neben der eines Hanges im Sinne von § 64 StGB selbst dann nicht aus, wenn sich ausnahmsweise feststellen ließe, dass allein die Suchterkrankung eines Täters für dessen Kriminalität ursächlich ist.
3. Stellt der Tatrichter sowohl einen Hang nach § 64 StGB als auch einen allein auf der Suchtmittelabhängigkeit beruhenden Hang im Sinne des § 66 StGB fest, so bestimmt sich nach § 72 StGB, ob die Unterbringung des Täters in beiden Maßregelformen oder nur in einer von ihnen anzuordnen ist. Ist der Zweck der Maßregel bereits durch eine von ihnen zu erreichen, was ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit voraussetzt, so wird nur die weniger beschwerende Maßregel, nämlich die Unterbringung in der Entziehungsanstalt, verhängt. Andernfalls sind beide anzuordnen und deren Vollstreckungsreihenfolge zu bestimmen. Vor dem Ende des Vollzugs der ersten Maßregel ist sodann zu entscheiden, ob der Zweck der zweiten Maßregel deren Vollstreckung noch erfordert.
4. Stellt der Tatrichter aufgrund der Erkenntnisse eines Sachverständigen eine voraussichtliche Dauer der Suchtbehandlung gem. § 64 StGB von drei Jahren fest, so ist die notwendige Erfolgsaussicht zu verneinen.
1. Dass der Täter kein Verhalten gezeigt hat, durch das er den Tatbestand noch eines weiteren Strafgesetzes verwirklicht hätte, kann ihm im Rahmen der Bemessung der Rechtsfolgen nicht zugute gehalten werden.
2. Die tatrichterliche Erwägung, der Angeklagte sei als Ausländer besonders strafempfindlich, ist rechtsfehlerhaft, denn die Ausländereigenschaft begründet für sich alleine keine besondere Strafempfindlichkeit. Nur besondere Umstände wie Verständigungsprobleme, abweichende Lebensbedingungen und erschwerte familiäre Kontakte können ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen; hierzu bedarf es gegebenenfalls konkreter Feststellungen.
1. Wird der Täter durch die Leistung eines Dritten von einer Verbindlichkeit frei, so hat er hierdurch allein noch nichts im Sinne der §§ 73, 73a StGB erlangt, da der Wert lediglich vom Vermögen eines Dritten in das Vermögen eines anderen Dritten übergeht, ohne dass der Täter selbst Verfügungsgewalt innegehabt und den Wert dadurch „erlangt“ hätte.
2. Will der Tatrichter den nach dem Bruttoprinzip für verfallen zu erklärenden Geldbetrag – etwa aufgrund der Härtevorschrift des § 73c Abs. 1 StGB – kürzen, so hat er die jeweiligen Kürzungsbeträge selbst zu bestimmen, vom eigentlich verwirkten Verfallsbetrag abzuziehen und den verbleibenden Saldo für verfallen zu erklären. Die Anordnung eines Verfalls nebst Anrechnung ist hingegen unzulässig.
3. Die Annahme einer unbilligen Härte im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB kommt nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht.
1. Die Feststellung der Geldbeträge, hinsichtlich derer der Tatrichter nur wegen des Bestehens von Ansprüchen Verletzter von der Anordnung des Wertersatzverfalls abgesehen hat (§ 111i Abs. 2 Sätze 1 und 3 StPO), ist auf den Wert des von dem Angeklagten jeweils im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB Erlangten beschränkt.
2. Bei mehreren Beteiligten an einer Tat ist entscheidend, was der einzelne Beteiligte selbst tatsächlich erlangt hat. Zwar reicht es aus, dass er die wirtschaftliche Mitverfügungsgewalt an dem Vermögensgegenstand erlangt, jedoch kann ihm nach § 73 StGB nicht darüber hinaus auch das zugerechnet werden, was ausschließlich von einem anderen Tatbeteiligten erlangt ist.
3. Die Vermögensgegenstände, in die Verletzte die Zwangsvollstreckung betreiben (können), müssen im Urteil nicht bezeichnet werden.