Alle Ausgaben der HRRS, Aufsätze und Anmerkungen ab dem Jahr 2000.
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2010
11. Jahrgang
PDF-Download
1. Zum Umfang der Beweiskraft des Protokollvermerks nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO. (BGHR)
2. Der exakte Wortlaut eines Protokollvermerks nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO ist für den Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des Selbstleseverfahrens ohne Belang, denn der Vermerk beweist nicht die ordnungsgemäße Durchführung dieses Verfahrens, sondern allein die Tatsache, dass der Vorsitzende in der Hauptverhandlung eine entsprechende Feststellung getroffen hat. (Bearbeiter)
3. Da der Urkundsbeweis beim Selbstleseverfahren außerhalb der Hauptverhandlung erhoben wird, bedarf es der Kenntlichmachung und des Hinweises an die Verfahrensbeteiligten, dass der in dieser Sonderform gewonnene Beweisstoff dennoch als Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO der Überzeugungsbildung des Gerichts zugrunde gelegt werden kann. Dies wird durch die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO beweiskräftig vollzogen. Fehlt der entsprechende Vermerk, so ist danach die Inbegriffsrüge nach § 261 StPO eröffnet. (Bearbeiter)
4. Der Senat lässt ausdrücklich offen, wie angesichts der fehlenden Beweiskraft des Protokollvermerks nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO für seine inhaltliche Richtigkeit eine Rüge zu behandeln wäre, entgegen der protokollierten Feststellung des Vorsitzenden hätten die Richter oder Schöffen vom Wortlaut der fraglichen Schriftstücke nicht Kenntnis genommen. (Bearbeiter)
1. Welche Verfahrensvorgänge vom Begriff der Vernehmung i.S.d. § 247 Satz 1 und 2 StPO erfasst werden, wird vom Gesetz nicht näher bestimmt. Dieser Begriff ist im Regelungszusammenhang der §§ 247 und 248 StPO auf Grund der hohen Bedeutung der Anwesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die als Anspruch auf rechtliches Gehör und angemessene Verteidigung in Art. 103 Abs. 1 GG sowie durch Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK garantiert wird, restriktiv auszulegen (BGH, Beschluss des Großen Senats für Strafsachen vom 21. April 2010 - GSSt 1/09, Rn. 14 mwN, wistra 2010, 352 = NJW 2010, 2450).
2. Die Erhebung eines Sachbeweises kann demnach, auch wenn er eng mit der Vernehmung verbunden ist, nicht als Teil der Vernehmung i.S. des § 247 StPO angesehen werden, sondern ist ein Vorgang mit einer selbstständigen verfahrensrechtlichen Bedeutung. Die Augenscheinsnahme in Abwesenheit des Angeklagten ist von einem Beschluss über seine Ausschließung nicht gedeckt.
3. Die Durchführung einer Augenscheinseinnahme in Abwesenheit des Angeklagten kann nur durch eine Wiederholung der Augenscheinseinnahme während der weiteren Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten erfolgen. Zwar muss die förmliche Augenscheinseinnahme nicht dergestalt wiederholt werden, dass das Gericht und die Verfahrensbeteiligten das Augenscheinsobjekt nochmals besichtigen. Vielmehr hätte die Besichtigung des Augenscheinsobjekts durch den
Angeklagten während seiner Unterrichtung gemäß § 247 Satz 4 StPO ausgereicht, wenn die weiterhin anwesenden Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit einer neuerlichen Augenscheinsnahme hatten (BGH NStZ 2010, 162).
1. Eine Besetzungsentscheidung gemäß § 76 Abs. 2 GVG darf auch unabhängig von einer Besetzungsrüge jedenfalls darauf überprüft werden, ob sie nach dem Stand der Beschlussfassung sachlich gänzlich unvertretbar, damit objektiv willkürlich erfolgt und daher abzuändern ist.
2. Der Senat hält es – nicht tragend – für naheliegend, dass die Rüge einer unreduzierten Gerichtsbesetzung schon deswegen unzulässig ist, weil die Verhandlung in der Regelbesetzung den Angeklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beschweren kann, denn die Möglichkeit der Besetzungsreduktion wurde einzig zum Zwecke der Schonung von Justizressourcen nach der Wiedervereinigung geschaffen.
3. Der Senat hält es – nicht tragend – für naheliegend, dass eine Besetzungsreduktion schon bei Annahme schlichter Fehlerhaftigkeit korrigiert werden kann, sodass eine Strafkammer eine fehlerhafte Reduktion jederzeit aufheben und die Verhandlung in der Dreierbesetzung beschließen könnte.
1. Grundlage der Überzeugungsbildung des Richters und der Urteilsfindung darf nur das sein, was innerhalb der Hauptverhandlung, d.h. vom Aufruf der Sache bis zum letzten Wort des Angeklagten, mündlich so erörtert worden ist, dass alle Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.
2. Die Inbegriffsrüge kann auch darauf gestützt werden, das Gericht habe in den schriftlichen Urteilsgründen darauf verwiesen, dass der Angeklagte innerhalb der Frist des § 341 Abs. 1 StPO keine Revision eingelegt habe, obwohl zum Zeitpunkt der Abfassung der Gründe das Urteil bereits beraten und die Urteilsformel bereits verkündet ist.
3. Der Senat weist – nicht tragend – darauf hin, dass bei einer voraussichtlichen Therapiedauer von drei Jahren die für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB notwendige Aussicht eines Behandlungserfolgs zu verneinen sei.
1. Eine Änderung der Urteilsformel ist nach Abschluss der Urteilsverkündung nur zulässig, soweit offensichtliche Schreibversehen oder Unrichtigkeiten berichtigt werden, die sich ohne Weiteres aus Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligte klar zutage treten und auch nur den entferntesten Verdacht einer späteren sachlichen Abänderung des verkündeten Urteils ausschließen.
2. Ein „Berichtigungsbeschluss“, der nach diesen Maßstäben nicht zulässig ist, ist unwirksam und das Urteil daher so zu behandeln, als ob der Beschluss nicht ergangen wäre.
1. Der exakte Wortlaut eines Protokollvermerks nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO ist für den Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des Selbstleseverfahrens ohne Belang, denn der Vermerk beweist ohnehin nicht die ordnungsgemäße Durchführung dieses Verfahrens, sondern allein die Tatsache, dass der Vorsitzende in der Hauptverhandlung eine entsprechende Feststellung getroffen hat.
2. Da der Urkundsbeweis beim Selbstleseverfahren außerhalb der Hauptverhandlung erhoben wird, bedarf es der Kenntlichmachung und des Hinweises an die Verfahrensbeteiligten, dass der in dieser Sonderform gewonnene Beweisstoff dennoch als Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO der Überzeugungsbildung des Gerichts zugrunde gelegt werden kann. Dies wird durch die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO beweiskräftig vollzogen. Fehlt der entsprechende Vermerk, so ist danach die Inbegriffsrüge nach § 261 StPO eröffnet.
3. Bei mehreren Tatbeteiligten ist die Frage der Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit für jeden Beteiligten nach der Art seines Tatbeitrages selbstständig zu ermitteln.
4. Bei Mittäterschaft oder mittelbarer Täterschaft sind selbstständige Betrugstaten derjenigen, die unmittelbar gegenüber den Geschädigten handeln, gleichwohl beim Mittäter oder Hintermann, dessen Handlung sich in nur einer Tätigkeit erschöpft, als eine einheitliche Tat anzusehen.