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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
November 2010
11. Jahrgang
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Von Akad. Rat Dr. Denis Basak, Frankfurt am Main
Der folgende Text versteht sich als Erwiderung auf den Aufsatz von Florian Hertel, HRRS 2010, S. 339 ff., in welchem der Autor eine Sperrwirkung von Tatbeständen des VStGB gegenüber denen des StGB begründen will. Dabei ist die angestoßene Debatte zur weiteren dogmatischen und systematischen Durchdringung des deutschen Völkerstrafrechts ausdrücklich begrüßenswert. Der vorliegende Text will innerhalb dieser Debatte allerdings einen Gegenstandpunkt zur Frage des systematischen Verhältnisses von VStGB und StGB begründen.
Acht Jahre nach Inkrafttreten des VStGB und nach vielstimmigen Klagen über dessen jahrelang konsequente Nichtanwendung durch die Strafverfolgungsbehörden [1]
kommt es inzwischen zu ersten Ermittlungsverfahren nach diesem Gesetz. In Mannheim wird ein mutmaßlicher Kriegsverbrecher aus Zentralafrika festgenommen [2], und auch wegen des Luftangriffs auf zwei Tanklaster nahe Kunduz auf Veranlassung eines Oberst Der Bundeswehr werden immerhin Ermittlungen durch die Generalbundesanwaltschaft gegen den kommandierenden Bundeswehroffizier eingeleitet. Diese Entwicklung trifft sich mit einem ausgedehnten und sich verfestigenden Auslandsengagement der Bundeswehr, welche gerade in Afghanistan im Kampfeinsatz steht, und für die sich immer wieder die Frage stellt und stellen wird, wie die deutsche Strafjustiz mit möglichen Straftaten von Bundeswehrangehörigen im Rahmen solcher Einsätze umgehen soll.[3] Es sei daran erinnert, dass – anders als etwa in den USA – die deutschen Streitkräfte der "normalen" Ziviljustiz unterstehen [4], auch wenn es materiellrechtlich etwa mit dem WStG, durchaus Sondernormen gibt.[5] Die Frage, nach welchen Maßstäben die deutsche Strafjustiz Taten deutscher Soldaten beurteilen soll, ist eine, deren aufscheinende praktische Relevanz die Notwendigkeit verdeutlicht, die damit zusammenhängenden Fragen auch wissenschaftlich zu durchdringen.[6]
Hertel nähert sich dieser Frage über den Fall der bombardierten Tanklastzüge nahe Kunduz.[7] Dieses Beispiel soll hier aufgegriffen werden, wobei zunächst sowohl der Sachverhalt als auch die Prozessgeschichte noch ergänzungsbedürftig erscheinen (A.). Der wesentliche Punkt ist aber die Frage nach dem systematischen Verhältnis des allgemeinen Strafrechts zum VStGB (B). Schließlich ist auch über die prozessualen Folgerungen aus den materiellrechtlichen Überlegungen zu sprechen (C.).
Das genaue Geschehen des 4.9.2009 im deutschen Feldlager in Kunduz und um die in einem Flussbett festgefahrenen Tanklastzüge, die zuvor von Aufständischen in deren Gewalt gebracht worden waren, ist von verschiedenen Seiten rekonstruiert und aufgearbeitet worden.[8] Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind bis heute nicht eindeutig in Bezug auf die Zahl der bei der durch die von der Bundeswehr angeforderten US-Kampfflugzeuge durch Bombardierung mit zwei 500-Pfund Bomben [9] erfolgten Zerstörung der Tanklaster getöteten Zivilisten. Diese schwankt je nach Quelle zwischen 30 und über 100 [10], selbst das Rote Kreuz geht aber von 74 toten Zivilisten aus.[11] Der Generalbundesanwalt hält bei der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Oberst Klein die genaue Zahl der toten Zivilisten für nicht ermittelbar.[12] Für die Frage, ob die zivilen Opfer im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB [13] "außer Verhältnis zum militärischen Nutzen" standen [14], ist dies allerdings keine unwichtige Größe, hier wären ggf. weitere Ermittlungen erforderlich gewesen.[15]
Zudem ist die Frage nach diesem angeblich verfolgten militärischen Nutzen eine, die als Tatbestandsmerkmal einer Strafnorm durchaus einer Betrachtung wert gewe-
sen wäre.[16] Verwiesen wird hier darauf, dass die Tanklaster entweder selbst als Waffe gegen die Bundeswehr hätten eingesetzt werden können oder aber dass der Treibstoff die Taliban in ihrer Kampfkraft unterstützt hätte; beides sollte vermieden werden.[17] Andererseits wird aber auch berichtet, bei dem Angriff sei es gezielt darum gegangen, als Feinde identifizierte Taliban zu töten.[18] Hertel ist zwar zuzustimmen, dass es bei militärischen Kampfeinsätzen um Abwägungen geht, die dem zivilen Strafrecht fremd sind.[19] Jenseits dessen weist der im vorliegenden Fall öffentlich bekannte Sachverhalt darauf hin, dass hier aus anderen Gründen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit angebracht wären: Die entführten Tanklastzüge waren in eine vom deutschen Feldlager entgegengesetzte Richtung verbracht worden, als sie sich in einer Flussfurt festfuhren. Zum Zeitpunkt des Bombardements steckten sie schon mehrere Stunden in dieser Sandbank fest und es gab keine Anzeichen, dass sie sich wieder bewegen würden. Eine unmittelbare Bedrohung des deutschen Feldlagers erscheint damit fernliegend.[20] Zudem hat der deutsche Kommandostand zumindest nach den in der Presse veröffentlichten Abläufen die von den amerikanischen Bomberpiloten mehrfach vorgeschlagenen Maßnahmen zum Auseinandertreiben der um die Tanklaster versammelten Menschen – Tiefflüge, Hitzefackeln – ausdrücklich abgelehnt und auf einer direkten Bombardierung bestanden.[21] Andererseits hat Oberst Klein wohl auch Attacken auf sich entfernende Personen untersagt [22], was eher nicht dafür spricht, dass er davon ausging, dass sich an den Tanklastern tatsächlich nur anzugreifende feindliche Kämpfer befanden, denn dann hätte dieser Befehl wenig Sinn gehabt.[23] Auch jenseits der einem Menschenleben nicht den gleichen absoluten Wert wie im zivilen Strafrecht zumessenden Logik eines ius in bello [24] bedeutet der Begriff einer Verhältnismäßigkeit aber immer den Einsatz des relativ mildesten Mittels zur Erreichung eines Ziels.[25] Dass diese Vorgabe in der Kommandozentrale im deutschen Feldlager in Kunduz an diesem Tag konsequent eingehalten wurde, darf zumindest bezweifelt werden. Insofern ist schon die Bewertung der Generalbundesanwaltschaft, dass hier kein Kriegsverbrechen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB gegeben war, fragwürdig.[26]
Für die Frage nach möglichen Pflichtverletzungen nicht unwesentlich sind auch bekannt gewordene weitere Einzelheiten des Umgangs der deutschen Offiziere mit dieser Situation. So wurde die Luftunterstützung mit der bewusst unrichtigen Behauptung angefordert, eigene Truppen hätten direkte Feindberührung.[27] Damit wurden die geltenden militärischen Einsatzregeln hier vorsätzlich verletzt [28]; zudem erscheint zumindest prima facie § 42 Abs. 1 Nr. 1 WStG zu greifen, nachdem die vorsätzlich inhaltlich falsche militärische Meldung, die z.B. den Tod eines Menschen verursacht (§ 2 Nr. 3 WStG), eine Militärstraftat ist.[29] Dass dies letztlich nicht einmal ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen soll, ist jedenfalls kein
Beleg für pflichtgemäßes Handeln des kommandierenden Offiziers, sondern eher für eine Schutzhaltung der übergeordneten Hierarchieebenen.[30] Über die Berechtigung oder auch nur die Zweckmäßigkeit einer solchen Grundhaltung lässt sich trefflich streiten, [31] dies ist aber nicht Thema dieses Textes.
Zur justiziellen Behandlung dieses Angriffs ist einerseits festzustellen, dass die Generalbundesanwaltschaft hier ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat und damit implizit den Verdacht der Begehung von Taten nach dem VStGB zunächst bejaht hat.[32] Diese Ermittlungen wurden, wie auch Hertel zutreffend vermerkt [33], am 16.04.2010 unter Berufung auf § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.[34] Die in Deutschland tätigen anwaltlichen Vertreter der Opfer und Hinterbliebenen sind gegen diese Verfügung bislang auch noch nicht weiter vorgegangen, sondern haben den Fall der Staatsanwaltschaft Dresden zu weiteren Ermittlungen nach dem allgemeinen Strafrecht, vor allem den §§ 212, 222 StGB vorgelegt und begründen dabei auch, warum der Generalbundesanwalt für eine Einstellung von Ermittlungen zu diesen Tatbeständen gar nicht zuständig ist.[35] Klageerzwingungsverfahren im Falle ablehnender Verfügungen sind hier wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten.[36] Insofern handelt es sich hier auch ein Jahr nach dem Bombenabwurf um ein weiter schwebendes Verfahren.
Jenseits der immensen politischen Brisanz gerade dieses Falles dient er hier allerdings weniger zur Exemplifizierung einer Grundhaltung zum justiziellen Umgang mit den eigenen kämpfenden Truppen, sondern als Folie für eine Diskussion zur Systematik des VStGB.
Hier will Hertel die Anwendbarkeit zumindest der allgemeinen Tötungsdelikte dann ausschließen, wenn bestimmte Tatbestände des VStGB "die Strafbarkeit für die jeweilige Situation abschließend regeln". [37] Als Beispiel hierfür dient § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB, weil es dort ansonsten zu widersprüchlichen Strafdrohungen käme, nämlich einer milderen Strafe für das Vorliegen des Kriegsverbrechens als bei fehlender Erwartung einer unverhältnismäßigen Anzahl von Toten – und damit einem Ausschluss des Kriegsverbrechens – nach § 211 StGB.[38]
Diese Analyse kann aus mehreren Gründen schon dogmatisch nicht überzeugen. § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt, es setzt den tatsächlichen Eintritt des Todes auch nur einer Person nicht voraus, sondern pönalisiert schon den Angriff selbst, wenn der Täter derartige Opfer erwartet. Mithin spiegelt sein Strafmaß nur das Handlungs- nicht aber ein Erfolgsunrecht wider.[39] Dass sich dadurch auch das Strafmaß gegenüber insbesondere § 211 StGB verringert, ist geradezu eine Notwendigkeit. Gleichzeitig ist dies auch ein Grund, warum nach den hier richtigerweise anwendbaren allgemeinen Konkurrenzregeln [40] vollendete Tötungsdelikte vor allem nach den §§ 212, 211 StGB nicht einmal in Gesetzeskonkurrenz hinter § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB zurücktreten [41], sondern in Idealkonkurrenz mit dieser Norm verwirklicht werden können.[42] Geht man hier aber von Tateinheit zwischen den grundsätzlich nebeneinander bestehenden Tatbeständen aus, entsteht auch nicht der von Hertel behauptete Wertungswiderspruch.
Weiter geht auch die Annahme, eine Bombardierung sei aus der Perspektive des StGB zwangsläufig als Mord zu bewerten, weil hier gemeingefährliche Mittel eingesetzt wurden [43], möglicherweise zu weit. Dieses Mordmerkmal scheint auf den ersten Blick sehr nahe zu lieben, weil es definiert wird als Verwendung von Werkzeugen, welche in der Tatsituation außer der anvisierten Person noch eine unbestimmte Menge weiterer Menschen in Lebens- oder Leibesgefahr zu bringen geeignet ist.[44] Dies trifft zweifellos auf Fliegerbomben ohne weiteres zu.[45] Der Einsatz derartiger Waffen ist aber der Bundeswehr im Kampfeinsatz sowohl durch das deutsche Wehr- und Kriegswaffenkontrollrecht, als auch durch das ISAF-Mandat ausdrücklich grundsätzlich erlaubt [46] – anders als jedem Zivilisten. Da der Grund für die Qualifikation des § 211 StGB bei diesem Mordmerkmal in der besonderen Rücksichtslosigkeit eines Täters liegt, der bereit ist, Tat-
mittel mit Breitenwirkung einzusetzen [47], wäre zumindest zu bedenken, ob diese Rücksichtslosigkeit auch vorliegt, wenn der Einsatz solcher Waffen explizit Teil der Aufgabe von Soldaten ist. Zumindest wenn und soweit die Verwendung dieser Waffen erlaubt und damit gerechtfertigt [48] ist, kann sie auch nicht eine Strafschärfung nach § 211 StGB tragen, selbst wenn die Handlung aus anderen Gründen als der Art der verwendeten Waffen sich letztlich als rechtswidrig herausstellt.[49] § 211 StGB käme nur dann in Betracht, wenn die Regeln für den Einsatz gerade solcher Waffen vorsätzlich gebrochen wurden – ein Vorwurf allerdings, der im vorliegenden Fall nach dem veröffentlichten Sachverhalt durchaus im Raume steht, da die zuständige Flugleitstelle über eine angebliche unmittelbare Feindberührung eigener Truppen – Voraussetzung für die Gewährung von Luftunterstützung – schlicht belogen wurde.[50]
Ist aber die offizielle Darstellung zutreffend, dass Oberst Klein davon ausging, dass sich an den Tankwagen tatsächlich ausschließlich gegnerische Kämpfer befanden, also militärisch legitime Ziele für einen Angriff auch mit Waffen wie den hier eingesetzten Bomben [51], wäre hier möglicherweise von einem Erlaubnistatbestandsirrtum auszugehen [52], so dass ein vorsätzliches Tötungsdelikt nicht in Frage käme.[53] Im Raum steht dann aber immer noch der Vorwurf der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB [54], vor allem weil die Informationsbasis für eine solche Einschätzung der Lage auf der fraglichen Sandbank bei Oberst Klein nicht ausreichte, um mit hinreichender Sicherheit alle Anwesenden als Taliban anzusehen.[55] Warum bezüglich dieser Norm § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB auch dann eine Sperrwirkung haben sollte, wenn er nicht gegeben ist, erschließt sich nicht.[56] Vielmehr würde § 222 StGB hier nur verdrängt, wenn die Erfolgsqualifikation des § 11 Abs. 2 VStGB tatsächlich bejaht worden wäre.[57]
Umgekehrt ist auch bezüglich dieser Norm festzuhalten, dass die Verursachung von Todesopfern durch Handlungen, die innerhalb des völkerrechtlichen und durch das konkrete Mandat und die Einsatzregeln gedeckten Rahmens liegen, schon mangels objektiver Pflichtverletzung nicht tatbestandsmäßig wäre.[58] Insofern ist die von Hertel angemahnte Berücksichtigung der Sondersituation eines militärischen Kampfeinsatzes durchaus auch innerhalb der "normalen" Dogmatik des StGB [59] – ergänzt durch das WStG [60] – möglich und auch nötig. Diese erweist sich auch in solchen Situationen als tiefenschärfer als von ihm angenommen und gleichzeitig begrifflich differenziert genug, um auch hier erlaubtes von nicht mehr erlaubtem Verhalten zu trennen und etwaige Unrechtsurteile nur dort zu treffen, wo diese auch angemessen sind. Dies gilt selbst bei Bejahung eines Tatbestands auch im Rahmen der Schuldbemessung und Strafzumessung insoweit, als hier diese Sondersituation des Kampfeinsatzes grundsätzlich zu berücksichtigen ist und oft zu einer wesent-
lich verringerten normativ zuzuschreibenden Schuld führen wird.[61]
Das VStGB sollte nach dem Willen des Gesetzgebers das allgemeine Strafrecht ergänzen, aber nicht verdrängen.[62] Dies ist auch insofern richtig, als es weitgehend Qualifizierungen zu den allgemeinen Tatbeständen enthält, welche vor allem durch die jeweilige "Gesamttat" der völkerstrafrechtlichen Normen, also die übergeordnete Anknüpfungssituation ein besonderes Gepräge erhalten und in aller Regel als schwerere Verbrechen anzusehen sind.[63] Dies gilt gerade für Kriegsverbrechen zwar zugestandenermaßen nur eingeschränkt, weil hier die Strafrahmen auf den ersten Blick in bestimmten Situationen auch nicht höher wirken, als im allgemeinen Strafrecht.[64] Allerdings ist in bewaffneten Konflikten eben mit zu bedenken, dass in einem solchen Rahmen für rechtmäßig agierende Militärs weitgehende Gewaltanwendungsbefugnisse bestehen, so dass die Tatbestände des VStGB hier als äußerste Grenzen für bestehende Erlaubnisnormen zu verstehen sind.[65] Auch hier ist aber keine Notwendigkeit zu erkennen, von den allgemeinen Konkurrenzregeln abzuweichen.[66] Die von Hertel in Anspruch genommenen Beispiele für im allgemeinen Strafrecht postulierte Sperrwirkungen [67] (soweit man hier überhaupt von einer eigenen dogmatischen Figur sprechen will und nicht von jeweils singulären Auslegungsfragen [68]) stellen zu diesen allgemeinen Regeln Ausnahmen dar, deren Übertragbarkeit auf das hier fragliche Verhältnis zwischen VStGB und StGB aber einer intensiven Begründung bedürfte, die aus den genannten Gründen nicht erkennbar ist.[69]
Auch rechtspolitisch wäre eine solche Ausschließungswirkung des VStGB höchst inkonsistent, geht es doch beim Völkerstrafrecht im Kern darum, der allgemeinen Straflosigkeit von Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte entgegenzutreten [70], und nicht darum, weitere Privilegierungen für diejenigen zu schaffen, welche die Staatsgewalt über die erlaubten Grenzen hinaus ausüben.[71] Straftheoretisch wie auch für die Glaubwürdigkeit des weltweiten Eintretens für die Achtung der Menschenrechte durch die Bundesrepublik Deutschland ist es wichtig, dass die vor nunmehr acht Jahren mit großer Verve postulierten Normen des VStGB im Hinblick auf Fälle eigener Militärs nicht auf eine solche Art und Weise in das Gegenteil dieser Funktion verkehrt werden.[72]
Zusammenfassend lässt sich dem entnehmen, dass es weder aus der Dogmatik des StGB noch aus der Perspektive des VStGB zwingende Gründe für die Annahme einer Sperrwirkung gibt. Der Wille des historischen Gesetzgebers in dieser Hinsicht ist klar formuliert, und auch im Ergebnis gibt es gute Gründe für ein Nebeneinander von StGB und VStGB im Allgemeinen wie auch im hier diskutierten Beispielsfall. Daher ist davon auszugehen, dass zwischen den Tatbeständen des StGB und denen des VStGB die allgemeinen Konkurrenzregeln gelten, die Normen in diesem Rahmen also nebeneinander Anwendung finden können.[73]
Am 19.04.2010 ließ die Bundesanwaltschaft in einer Pressemitteilung verlauten, dass sie das Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hatte.[74] Damit dauerte das entsprechende Ermittlungsverfahren nur ca. einen Monat, in dem weder die Hinterbliebenen der Opfer in Afghanistan noch deren hiesige Anwälte in irgend einer Form einbezogen wurden.[75] Dass in diesen vier Wochen eine umfassende Ermittlung des genauen Ablaufs des Sachverhaltes erfolgt ist, behauptet die Bundesanwaltschaft selbst nicht [76], die aber auch ohne genaue Klärung des Geschehens den subjektiven Tatbestand des § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB für nicht gegeben hält.[77]
In besagter Pressemitteilung nimmt die Bundesanwaltschaft zudem für sich in Anspruch, nach "dem Ergebnis von historischer, systematischer, teleologischer und verfassungsbezogener Auslegung" des § 120 Nr. 8 GVG für die abschließende Bewertung aller hier in Frage kommenden Straf-
normen zuständig zu sein.[78] Weitere Ausführungen zur Begründung dieses Auslegungsergebnisses werden nicht gemacht. Überzeugen kann es so ohne weiteres auch nicht.[79] Der historische Gesetzgeber hat sich mit dieser speziellen Frage ausweislich der Gesetzesmaterialien nicht beschäftigt.[80] Die bisherige Praxis des Generalbundesanwalts in vergleichbaren Fällen des § 120 GVG ist entgegengesetzt; hier wurden Fälle, bei denen im Laufe der Ermittlungen deutlich wurde, dass der Anlass für die Involvierung des Generalbundesanwalts im konkreten Sachverhalt doch nicht gegeben war, an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften der Bundesländer zurückverwiesen.[81]
Auch verfassungsrechtliche Vorgaben für eine Alleinzuständigkeit der Bundesanwaltschaft sind nicht erkennbar. Aus Art. 96 Abs. 5 GG kann zwar entnommen werden, dass im Falle von völkerstrafrechtlichen Tatbeständen die Länder die Gerichtsbarkeit für den Bund ausüben. Daraus lässt sich aber nicht entnehmen, dass bei Nichtvorliegen dieser Tatbestände die Zuständigkeit für die Beurteilung des fraglichen Sachverhaltes nach allgemeinem Strafrecht bei der Bundesanwaltschaft bleibt, wenn diese einmal Ermittlungen aufgenommen hat, denn die ausschließliche Bundeskompetenz für Strafverfahren, von welcher die Norm implizit ausgeht, besteht eben nur für die aufgeführten Tatbestände, nicht für alle anderen Normen des StGB.[82] Dies würde auch der sonstigen Systematik der Kompetenzverteilung zwischen Bundesanwaltschaft und den Staatsanwaltschaften der Länder diametral widersprechen.[83] Wäre eine solche Alleinzuständigkeit der Bundesanwaltschaft für die komplette strafrechtliche Beurteilung von Taten, bei bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr begangen werden, tatsächlich gewollt, müsste der Bundesgesetzgeber nur von der Ermächtigung in Art. 96 Abs. 2 GG Gebrauch machen und Wehrstrafgerichte als Bundesgerichte einführen, was bisher aber gerade nicht geschehen ist.[84] Auch ein objektiv-teleologischer Ansatz für eine Begründung einer solchen Allzuständigkeit der Bundesanwaltschaft jenseits des Willens zu einer möglichst schnellen Beendigung gerade dieses Verfahrens ist nicht zu erkennen. Jenseits dessen steht es der Staatsanwaltschaft in Dresden als örtlich zuständiger [85] Landesbehörde jederzeit frei, das Ermittlungsverfahren wieder zu eröffnen.[86]
Hinzu kommt, dass zumindest die Pressemitteilung, die zur Verfahrenseinstellung veröffentlicht wurde, sich inhaltlich mit den Tatbeständen des StGB nur insoweit beschäftigt, als aus der behaupteten völkerrechtlichen Zulässigkeit des Angriffs eine allgemeine Rechtfertigung gezogen wird.[87] Interessant ist hieran, dass genau die Frage, ob hier die völkerrechtlichen Regeln für einen solchen Angriff eingehalten wurden, Gegenstand monatelanger Debatten war, in deren Verlauf bekanntlich selbst der Verteidigungsminister die militärische Unangemessenheit der Attacke einräumte.[88] Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz kommt in seinem Untersuchungsbericht zu dem Ergebnis, das humanitäre Völkerrecht sei hier verletzt worden.[89] Die allgemein auf den fehlenden Vorsatz der Handelnden abzielenden Ausführungen der Bundesanwaltschaft enthalten jedenfalls keine schlüssige Erklärung für einen Ausschluss von § 222 StGB.[90] Zumindest dieser Vorwurf ist nach dem veröffentlichen Stand der Dinge nicht Gegenstand der bisher erfolgten Ermittlungen gewesen und steht damit noch im Raum.[91]
Aus all dem folgt, dass die Einstellungsverfügung durch die Bundesanwaltschaft keine Weiterführung der Ermittlungen durch die örtlich zuständige Generalstaatsanwaltschaft Dresden hindert [92], welche die Anwälte der Hinterbliebenen dort auch beantragt haben.[93] Deren weiteres Vorgehen, vor allem die Frage, ob es hier noch zu Klage- bzw. Ermittlungserzwingungsanträgen und in letzter Konsequenz zu Beschwerdeverfahren in Karlsruhe
und/oder in Straßburg kommt [94], hängt von vielen Faktoren ab. Als Außenstehender, aber am Völkerstrafrecht Interessierter, wünscht man sich, dass die deutschen Justizbehörden den menschen- und völkerrechtlichen Anspruch, den das VStGB erhebt, auch und gerade dann einlösen, wenn es um Taten deutscher Militärs geht, denn nur so lässt sich gerade in diesem Bereich auch internationale Glaubwürdigkeit erzielen.[95]
[1] Kritisch hierzu etwa amnesty international, Pressemitteilung vom 09.05.2006 zum Fall Almatov, unter
<www.amnesty.de/umleitung/2006/deu01/024?lang=d%26mimetype%3dtext%2fhtml> (zuletzt besucht am 22.09.2009); Basak KritV 2007, 333, 364; vgl. auch BT-Drucks. 16/2692.
[2] Knaup Spiegel Online vom 17.11.2009 <www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,661879,00.html> (zuletzt besucht am 22.09.2009).
[3] Ähnlich auch Frister/Korte/Kreß JZ 2010, 10 f.; Safferling/Kirsch JA 2010, 81; zur Wichtigkeit der konsequenten Anwendung der geltenden Normen auch und gerade gegenüber den eigenen Streitkräften Kreye SZ vom 21.04.2010, zugänglich unter <blogs.sueddeutsche.de/feuilletonist/2010/04/20/niederlage-im-kampf-um-herzen-und-kopfe/> (zuletzt besucht am 22.09.2010).
[4] Zur Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf Fälle wie diesen Safferling/Kirsch JA 2010, 81 f.
[5] Dazu Münchener Kommentar zum StGB (2003-2009) (MK)/Dau vor § 1 WStG Rn. 2 ff.
[6] Ausführlicher zu dieser allgemeinen Frage auch Frister/Korte/Kreß JZ 2010, 10, 12 ff.; Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189 ff.
[7] Hertel HRRS 2010, 339; zentral hierzu Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts vom 19.04.2010, zugänglich unter <www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?themenid=12&newsid=360> (zuletzt besucht am 22.09.2010),
[8] Zu den Schwierigkeiten bei der Beurteilung des Sachverhaltes, die durch die weitgehende Nichtveröffentlichung der entsprechenden Ermittlungsberichte entstehen, siehe von der Groeben German Law Journal (GLJ) 11 (2010), 469, 473 ff. Eine ausführliche Rekonstruktion des veröffentlichten Geschehens findet sich etwa in der Stellungnahme zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Fall Kundus des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) vom 10.6.2010, zugänglich über <www.ecchr.eu/FALL_KUNDUS/articles/kundus-opferan waelte-fordern-entschaedigung-und-fortfuehrung-des-erm ittlungsverfahrens.725.html> (besucht am 22.09.2010); eine andere bei amnesty international, Afghanistan:Background to the Kunduz airstrike of 4 September 2009, AI Index ASA 11/015/2009, zugänglich unter <www.amnesty.org/en/library/asset/ASA11/015/2009/en/9fe7aa75-884a-4f44-82fc-5c8208116985/asa110152009en.pdf> (zuletzt besucht am 22.09.2010).
[9] Zu den eingesetzten Waffen detailliert die Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 22 f.
[10] Diehl HuV-I 2010, 4, 6; Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 23 f.
[11] Siehe etwa die Meldung "Rot-Kreuz-Bericht belastet Guttenberg" vom 9.12.2009 unter <www.stern.de/politik/deutschland/luftangriff-von-kundus-rot-kreuz-bericht-belas
tet-guttenberg-1527884.html> (zuletzt besucht am 22.09.2010); der als "streng vertraulich" bezeichnete Bericht selbst ist bislang nicht veröffentlicht. Amnesty international (Fn. 8 ), S. 1 kommt unter Berufung auf Berichte von Dorfältesten auf 83 tote Zivilisten.
[12] Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 8.
[13] Zum Vorliegen eines bewaffneten Konfliktes in Afghanistan als Voraussetzung für die Begehung eines Kriegsverbrechens siehe Ambos NJW 2010, 1725, 1726; Diehl HuV-I 2010, 4, 14 ff.; Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 192 ff.; Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 82; von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 475 f.
[14] Hertel HRRS 2010, 339, 340; ausführlich hierzu von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 481 f., der schon wegen der Zahl der getöteten Zivilisten hier zu einer Unverhältnismäßigkeit kommt, zumindest im Verhältnis zu einer defensiven Zielsetzung von Oberst Klein.
[15] So auch Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 279 f.; als "für einen Außenstehenden kaum nachvollziehbar" bezeichnet auch Ambos NJW 2010, 1725 f. die Sachverhaltsermittlung durch die Bundesanwaltschaft.
[16] Ausführlich hierzu Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 45 ff.
[17] Hertel HRRS 2010, 339, 340; Safferling/Kirsch JA 2010, 81, die ihren Überlegungen allerdings einen Sachverhalt zugrunde legen, der einer Zeitungsmeldung aus der FAZ vom Tag unmittelbar nach dem Bombardement entnommen ist. Hier sind inzwischen an verschiedenen Stellen andere Abläufe aus vielen Quellen berichtet und veröffentlicht worden.
[18] Stark SPIEGEL 53/2009, 132 f. zitiert einen Bericht Oberst Kleins, nach dem "Feinde des Wiederaufbaus" getroffen und Aufständische "vernichtet" werden sollten; siehe auch Diehl HuV-I 2010, 4 (5 f.)
[19] Hertel HRRS 2010, 339, 340; ähnlich auch Safferling/
Kirsch JA 2010, 81, 84. Zu den hier einzubeziehenden Abwägungsgrößen siehe auch Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 199 f.; wobei von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 479 ff. ausführt, dass belastbare Maßstäbe für die Abwägung dieser Größen hier fehlen.
[20] Ambos NJW 2010, 1725, 1727; Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 274 f.
[21] Amnesty international (Fn. 8 ), S. 2; Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 23; von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 475. Die Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 5 b) weist darauf hin, dass Oberst Klein nur einen "örtlich eng begrenzten Einsatz mit der kleinsten zur Verfügung stehenden Bombengröße und -anzahl" befohlen habe, nach anderen Quellen wurden die kleineren Bomben aber von den Piloten vorgeschlagen und Warnmaßnahmen ausdrücklich nicht erlaubt. Auch hier wäre eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt wünschenswert gewesen.
[22] So jedenfalls sein eigener Bericht, zitiert nach Stark SPIEGEL 53/2009, 132 f.
[23] Wolf BOFAXE Nr. 339D v. 16.04.2010.
[24] Ambos NJW 2010, 1725, 1726 hält es für einen wesentlichen Schritt der Bundesanwaltschaft (Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts [Fn. 7 ], Ziff. 1), hier durch die Annahme eines bewaffneten Konfliktes auch dieses Rechts des Krieges für anwendbar zu erklären; zu dessen ethischer Fragwürdigkeit Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 84.
[25] Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 84; zu den Pflichten bei Angriffen mit möglichen Kollateralschäden nach Art. 51 und 57 des Ersten Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen (ZP I) siehe auch Diehl HuV-I 2010, 4, 19 f.; Kaleck/
Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 273 ff. Allerdings sieht von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 485, in diesen Normen im Bereich des humanitären Völkerrechts eigenständige Pflichten, deren Verletzungen gerade kein Kriegsverbrechen bedeute - dabei ist allerdings nicht klar, warum das allgemeine Vernunftprinzip des relativ mildesten Mittels hier bei einer ansonsten schon unklaren Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht gelten soll. Wie hier sehen auch Frister/Korte/Kreß JZ 2010, 10, 16 in der "Erforderlichkeit" eine der Voraussetzungen eines verhältnismäßigen Vorgehens; im Ergebnis ebenso auch Wolf BOFAXE Nr. 339D v. 16.04.2010, der auch auf die Überlagerung der […] Abwägungsverpflichtung durch den allgemeinen Schutz der Menschenrechte" hinweist.
[26] Vgl. auch Diehl HuV-I 2010, 4, 19 f.; Ambos NJW 2010, 1725 f. weist darauf hin, dass dieses letztlich auf das Fehlen des subjektiven Tatbestandes mangels Kenntnis der Anwesenheit von Zivilisten gestützte Ergebnis mangels Einblick in die Ermittlungsergebnisse hierzu nicht nachvollzogen werden könne; ähnlich auch Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 272; zweifelnd hierzu Wolf BOFAXE Nr. 339D v. 16.04.2010.
[27] Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 21 und 26.
[28] Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 276; nach Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 200, kann die Verletzung der Aufklärungs- und Verfahrenspflichten nach Art. 57 ZP I auch als Indiz für einen Vorsatz gewertet werden. Nach der Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 7 sollen Verstöße gegen die Rules of Engagement dagegen völlig unbeachtlich sein; differenzierter insoweit Frister/Korte/Kreß JZ 2010, 10, 16 f.
[29] Dazu MK/Dau (Fn. 5 ) § 42 WStG Rn. 5 ff.
[30] In diesem Sinne auch Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 271.
[31] Sehr kritisch hierzu Kreye (Fn. 3 ); Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 285 f.
[32] Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 277.
[33] HRRS 2010, 339, 343.
[34] Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ); Ambos NJW 2010, 1725.
[35] Der entsprechende anwaltliche Schriftsatz vom 09.06.2010 ist zugänglich unter <www.ecchr.eu/FALL_KUNDUS/
articles/kundus-opferanwaelte-fordern-entschaedigung-und-fortfuehrung-des-ermittlungsverfahrens.725.html> (zuletzt besucht am 22.09.2010).
[36] Dazu die Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 15.
[37] Hertel HRRS 2010, 339, 342, der sich hier ausdrücklich gegen die Gesetzesmaterialien - BR-Drucks. 29/02, S. 25 f. - und die ganz herrschende Meinung in der Literatur wendet, z.B.Ambos NJW 2010, 1725, 1727; von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 486; Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 269, 272; Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 85; Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 206 ff.; ebenso auch die Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 4.
[38] Hertel HRRS 2010, 339, 342.
[39] Daher sprechen Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 84 auch von einem "reinen Handlungsdelikt". Der Eintritt des Erfolges führt zu einer Erfolgsqualifikation nach § 11 Abs. 2 VStGB.
[40] MK/Ambos (Fn. 5 ) vor §§ 8 ff. VStGB Rn. 45.
[41] Genau dies ist aber die Prämisse von Hertel HRRS 2010, 339, 341, für das Vorliegen einer Sperrwirkung. Wie hier auch Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 207 f. am Beispiel von § 11 Abs. 1 Nr. 1 VStGB.
[42] Zum insofern parallelen Problem der Konkurrenz zwischen § 211 StGB und erfolgsqualifizierten Delikten vgl. auch v. Heintschel-Heinegg/Eschelbach, StGB (2010), § 211 StGB Rn. 107.
[43] Hertel HRRS 2010, 339, 342; ebenso insoweit Kaleck/
Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 272; Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 208.
[44] Vgl. BGHSt 38, 353 (355); Nomos Kommentar Strafgesetzbuch, 3. Aufl. (2010) (NK)/Neumann § 211 StGB Rn. 85; Leipziger Kommentar zum StGB, 11. Aufl. (2001) (LK)/Jähnke § 211 StGB Rn. 57; MK/Schneider (Fn. 5 ) § 211 StGB Rn. 102.
[45] Hertel HRRS 2010, 339, 342; Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 272; Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 208; vgl. auch BGH NJW 1985, 1477, 1478; v. Heintschel-Heinegg/Eschelbach (Fn. 42 ) § 211 StGB Rn. 70.
[46] Dazu Frister/Korte/Kreß JZ 2010, 10, 15 f.
[47] MK/Schneider (Fn. 5 ) § 211 StGB Rn. 102 ; LK/Jähnke (Fn. 44 ) § 211 StGB Rn. 57. Dagegen sieht NK/Neumann (Fn. 44 ) § 211 StGB Rn. 85 hierin nur das "subjektive Korrelat" der besonderen Gefährlichkeit des Tatmittels.
[48] Zur Einordnung der Erlaubnissätze des Kriegsvölkerrechts als Rechtfertigungsgründe für das allgemeine Strafrecht siehe Frister/Korte/Kreß JZ 2010, 10, 12 ff.; von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 486 f.; Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 85; Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 209 ff.; ebenso auch die Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 5.
[49] Dementsprechend geht auch von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 486 hier nur von § 212 StGB aus.
[50] Zum Vorliegen eines Tötungsvorsatzes bei Ausscheiden einer Rechtfertigung, wenn die Verfahrensregeln des humanitären Völkerrechts bewusst nicht eingehalten werden, siehe Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 216 f.Frister/Korte/Kreß JZ 2010, 10, 16 f., weisen allerdings auf den rein innerdienstlichen Charakter von Einsatzregeln (Rules of Engagement) hin, die aber dennoch als auslegungsrelevant angesehen werden.
[51] So die Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 2; von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 478, stellt zutreffend fest, dass mangels vollständiger Kenntnis der nicht veröffentlichten Ermittlungsergebnisse es kaum möglich ist, hier belastbar zu anderen Ergebnissen zu kommen; ähnlich auch Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 272.
[52] Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 205. Kaleck/
Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 276 verneinen auch dies, weil hier durch die Verletzung der Einsatzregeln und der zu den Voraussetzungen einer Rechtfertigung durch das humanitäre Völkerrecht zählenden Pflicht zu sorgfältiger Prüfung der eigenen Handlungsbefugnis Oberst Klein selbst dann nicht gerechtfertigt gewesen wäre, wenn sich seine Annahme als richtig erwiesen hätte. Zu einem anderen Ergebnis kommt man nur, wenn man die Rechtfertigung nicht aus den positiven Handlungsbefugnissen des humanitären Völkerrechts zieht, sondern aus dem Nichtvorliegen der Voraussetzungen eines Tatbestandes des Völkerstrafrechts. Ähnlich weisen Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 215, darauf hin, dass die Verbote der Art. 51 und 58 Abs. 2 c) ZP I hier nur dolus eventualis fordern, also weniger als den von § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB geforderten direkten Vorsatz, wobei eine Rechtfertigung für eine Tat nach dem StGB schon bei ersterem wegen der Nichteinhaltung des humanitären Völkerrechts ausschiede; ähnlich Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 32 ff. Diese Frage braucht hier aber nicht abschließend entschieden zu werden.
[53] Die Bundesanwaltschaft scheint dagegen aus dem Nichtvorliegen eines Kriegsverbrechens nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 VStGB bzw. dem festgestellten fehlenden Bewusstsein von der Anwesenheit von Nichtkämpfern automatisch auf eine positive Rechtfertigung des Angriffs durch das Kriegsvölkerrecht zu schließen, Presseerklärung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 5 b).Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 197 f. zeigen auf, inwiefern dies kurzschlüssig ist, ähnlich auch von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 487 f.
[54] Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 222.
[55] Hierzu von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 487 f.; Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 274; Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 38 ff.; zu den Schwierigkeiten, in einem nicht-internationalen bewaffneten Konflikt gegnerischen Kämpfer - also legitime Ziele - von Zivilisten zu unterscheiden und den daraus folgenden Aufklärungspflichten siehe auch Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 197 f.
[56] Auch Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 85 sehen einen Ausschluss der objektiven Pflichtwidrigkeit nur als gegeben an, wenn und soweit die Regeln des Kriegsvölkerrechts eingehalten wurden, inklusive der hier wohl verletzten Verfahrensregeln aus Art. 51 und 57 ZP I; ähnlich von der Groeben GLJ 11 (2010), 469, 487 f.; vgl. auch Ambos NJW 2010, 1725, 1727.
[57] Vgl. auch NK/Neumann (Fn. 44 ) § 222 StGB Rn. 14.
[58] Ambos NJW 2010, 1725, 1727; Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 85; Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 54 ff.
[59] Hertel HRRS 2010, 339, 342.
[60] MK/Dau (Fn. 5 ) vor § 1 WStG Rn. 2.
[61] Vgl. auch Diehl BOFAXE Nr. 343D v. 11.05.2010; Safferling/Kirsch JA 2010, 81, 85.
[62] BR-Drucks. 29/02, S. 25 f.; insoweit wortgleich BT-Drucks. 14/8524 S. 13.
[63] Werle JZ 2000, 755, 757 f.; Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 272; Ambos, Internationales Strafrecht, 2. Aufl. (2008), § 7 Rn. 11.
[64] Werle JZ 2000, 755, 757 f. weist dennoch darauf hin, dass das besondere Gepräge von Kriegsverbrechen im allgemeinen Strafrecht nicht hinreichend deutlich werde.
[65] Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 210 f.
[66] Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 211.
[67] HRRS 2010, 339, 341.
[68] Die zudem auch für sich durchaus umstritten sind, vgl. Satzger/Schmitt/Widmair/Fahl, StGB (2009), § 113 StGB Rn. 19; LK/Jähnke (Fn. 44 ) § 216 StGB Rn. 2.
[69] Zum Problem der erhöhten Begründungslasten bei der Bildung von Analogien zu Ausnahmeregeln siehe etwa Bund, Juristische Logik und Argumentation (1983), S. 191; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991), S. 355 f.
[70] Sehr deutlich hier etwa die Abs. 4-6 der Präambel des ICC-Statuts, siehe auch Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 30.
[71] So auch Diehl BOFAXE Nr. 343D v. 11.05.2010; Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 207; Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 30 f.; aA. insofern scheinbar Hertel HRRS 2010, 339, 342, nach dem es zu vermeiden sei, "durch zu großzügige Strafbarkeitsausdehnung unnötige und schädliche Verwirrung zu stiften". Wieso es allerdings eine Strafbarkeitsausdehnung sein soll, die vorhandenen und einschlägigen Tatbestände des StGB einfach anzuwenden, erschließt sich ebenso wenig wie der Vorwurf, hierdurch würden "strengere Maßstäbe als im Bereich des StGB" (ebenda) angelegt.
[72] Vgl. auch Kreye (Fn. 3 ).
[73] So auch Steiger/Bäumler AVR 48 (2010), 189, 211.
[74] Pressemitteilung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ).
[75] Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 271 und 277 f.
[76] Zu den Defiziten bei der Sachverhaltsaufklärung ausführlich Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 278 ff., die auch auf die etwa nach der EMRK bestehende Pflicht zu einer angemessenen Sachverhaltsermittlung hinweisen.
[77] Pressemiteilung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 2.
[78] Pressemiteilung 8/2010 des Generalbundesanwalts (Fn. 7 ), Ziff. 4.
[79] Ebenso Diehl BOFAXE Nr. 343D v. 11.05.2010; ausführlich hierzu Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 282 ff.
[80] Vgl. vor allem BR-Drucks. 222/02 und BT-Drucks. 14/8994.
[81] Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 284; siehe hierzu auch ausführlich BGHSt 46, 238 ff.
[82] Siehe dazu Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, 57. Aufl. (2010), Art. 96 GG Rn. 47 ff., sowie die Kontroverse zwischen Bundesrat und Bundesregierung in BT-Drucks. 14/8994, S. 7 f.
[83] Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 282.
[84] Ähnlich Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 283; zu dieser Möglichkeit Maunz/Dürig/Herzog (Fn. 82 ) Art. 96 GG Rn. 14 ff.
[85] Nach § 8 StPO i.V.m. § 9 BGB, vgl.Diehl BOFAXE Nr. 343D v. 11.05.2010; Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 26. Aufl. (2006) (LR)/Erb § 8 StPO Rn. 2.
[86] RGSt 67, 315, 316; Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. (2008) (KK)/Schmid § 170 StPO, Rn. 23; LR/Graalmann-Scheerer (Fn. 85 ) § 170 StPO Rn. 50.
[87] Kritisch hierzu auch Diehl BOFAXE Nr. 343D v. 11.05.2010.
[88] Dies selbst vor dem zu diesem Fall eingerichteten Untersuchungsausschuss des Bundestages am 22.04.2010, siehe <www.bundestag.de/presse/hib/2010_04/2010_128/01.html> (zuletzt besucht am 22.09.2010); hierzu auch den Grabenheinrich am 09.12.2009 unter <www.tagesschau.de/
inland/guttenbergkundus104.html> (zuletzt besucht am 22.09.2010).
[89] So etwa die Meldung "Rot-Kreuz-Bericht belastet Guttenberg" vom 9.12.2009 (Fn. 11 ), ähnlich auch Spiegel Online vom gleichen Tag "Guttenberg bleibt in Kunduz-Affäre unter Druck", <www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,666202,00.html> (zuletzt besucht am 22.09.2010); Grabenheinrich (Fn. 88 ).
[90] Siehe oben B.; sowie nochmals Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 273 ff.
[91] So auch Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 284 f.
[92] Dies schon wegen der jederzeitigen Möglichkeit der Staatsanwaltschaft, ein nach §170 Abs. 2 StPO eingestelltes Verfahren wieder zu eröffnen, vgl. RGSt 67, 315, 316; KK/Schmid (Fn. 86 ) § 170 StPO, Rn. 23; LR/Graalmann-Scheerer (Fn. 85 ) § 170 StPO Rn. 50.
[93] Siehe den Schriftsatz vom 09.06.2010 (Fn. 35 ), S. 4 ff.
[94] Dazu die Stellungnahme des ECCHR (Fn. 8 ), S. 15.
[95] In diesem Sinne auch ausführlich Kreye (Fn. 3 ); Kaleck/Schüller/Steiger KJ 2010, 270, 285 f.