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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
März 2010
11. Jahrgang
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Von RAe Dr. Jörg Alvermann und Dr. Peter Talaska, Köln *
Mit Beschluss vom 17.3.2009 [1] hat sich der Bundesgerichtshof zur Anzeige- und Berichtigungspflicht bei zuvor bedingt vorsätzlich abgegebener Steuererklärung geäußert. Die Entscheidung steht in einer – gemessen an der Dauer der Zuständigkeit des 1. Senats für Steuerstrafsachen – langen Reihe von Entscheidungen, deren Ergebnis die Vergrößerung der Reichweite und Härte des Tatbestands der Steuerhinterziehung ist. Neben der viel besprochenen Grundsatzentscheidung vom 2.12.2008 zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung [2] wurde beispielsweise der Vollendungszeitpunkt der Steuerhinterziehung iRd. einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung auf den Zeitpunkt des Ergehens des zu niedrigen Feststellungsbescheids vorverlegt [3], der Umfang der Steuerverkürzung bei Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen auf den Nominalbetrag ausgedehnt [4] und die Vollstreckung auch kurzer Freiheitsstrafen bei Steuerhinterziehung angemahnt. [5]
Ebenso wie die zuvor genannten Entscheidungen provoziert der Beschluss vom 17.3.2009 Kritik. Nachfolgend ein Überblick zum Sach- und Streitstand: [6]
I. Ein Unternehmer (nachfolgend: U) hatte für den Zeitraum Januar 2002 bis Mai 2003 aufgrund von Rückständen in der Buchhaltung unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Dabei hielt es U lt. Feststellungen des Landgerichts bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für möglich, dass diese falsch sind. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau für den Zeitraum Januar bis Mai 2003 stellte das Finanzamt die Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldungen Februar bis Mai 2003 fest und teilte dies U mit. Aufgrund der Mitteilung des Finanzamts rechnete U damit, dass auch die Voranmeldungen 2002 falsch sind. Eine berichtigende Umsatzsteuerjahreserklärung für das Jahr 2002 reichte er dennoch nicht ein.
II. Das Landgericht verurteilte U wegen Hinterziehung von Umsatzsteuern 2002 durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Der Unterlassenstatbestand sei erfüllt,
weil U seiner Verpflichtung nach § 153 AO zur Berichtigung der falschen Umsatzsteuervoranmeldungen 2002 durch Abgabe einer richtigen Jahreserklärung nicht nachgekommen sei. Hinsichtlich der mitangeklagten Steuerhinterziehung 2003 sprach es U frei.
III. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hob der BGH das Urteil hinsichtlich des Teilfreispruchs sowie des Strafausspruchs auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung an das Landgericht zurück. [7] In dem parallelen, hier besprochenen Beschluss verwarf der BGH die Revision des U als unbegründet. [8]
IV. Im Rahmen dieses Beschlusses ergriff der BGH in einem obiter dictum die Gelegenheit, zur Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bei unterlassener Berichtigung nach § 153 AO Stellung zu nehmen. Er traf hierbei folgende wesentlichen Aussagen:
1. Eine steuerrechtliche Anzeige- und Berichtigungspflicht iSd. § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bestehe auch dann, wenn der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Angaben bereits bei Abgabe der Steuererklärung billigend in Kauf genommen hat. Der Steuerpflichtige habe im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung nicht sicher gewusst, dass die Erklärung falsch ist, sondern dies nur ernsthaft für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen. Erst im Nachhinein habe er sichere Kenntnis von der Unrichtigkeit der Erklärung erlangt, was sowohl nach dem Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Norm unter den Tatbestand des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu subsumieren sei. Es bestehe daher eine Strafbarkeit gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO wegen bedingt vorsätzlicher Abgabe einer falschen Steuererklärung sowie gemäß §§ 370 Abs. 1 Nr. 2 iVm. 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO wegen unterlassener Berichtigung der falschen Steuererklärung.
2. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit bestehe insoweit nicht, da dieser einerseits nicht lückenlos gelte und andererseits eine Selbstbelastungssituation nicht vorliege, da die Berichtigung grundsätzlich zugleich strafbefreiende Wirkung gemäß § 371 AO entfalte. Sei die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige wegen bestehender Hinderungsgründe oder mangels Zahlbarkeit der nachzuentrichtenden Steuer gesperrt, gelte grundsätzlich ein außergesetzliches strafrechtliches Verwertungsverbot. Nur ausnahmsweise in dem Fall, in dem wegen der vorangegangenen Falschabgabe dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Steuerstrafverfahrens bekannt gegeben worden sei, sei die Berichtigungspflicht nach § 153 AO in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zur Unzumutbarkeit der Abgabe von Steuererklärungen [9] suspendiert.
Weder der nach Auffassung des 1. Senats "eindeutige" Wortlaut des § 153 AO noch dessen Sinn und Zweck rechtfertigen die vom 1. Senat vorgenommene Auslegung. Mit seiner Entscheidung setzt sich der 1. Senat zudem in Widerspruch zur Rechtsprechung des 5. Senats, ohne dass dem Beschluss insoweit eine bewusste Abweichung zu entnehmen wäre. Ferner bestehen selbst bei unterstellter Richtigkeit des vom 1. Senat aufgestellten Rechtssatzes Bedenken, dass der Straftatbestand der Steuerhinterziehung im Falle der unterlassenen Berichtigung erfüllt ist. Schließlich ist die Problematik der erzwungenen Selbstbelastung nicht zufriedenstellend gelöst.
Im Einzelnen:
Die Entscheidung setzt sich sowohl über den Wortlaut des § 153 AO als auch über dessen Sinn und Zweck hinweg. Sie überschreitet hiermit die Grenzen zulässiger Auslegung:
1. Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen (§ 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Nach dem Wortlaut der Norm muss somit ein "nachträgliches Bekanntwerden" der Unrichtigkeit vorliegen.
2. Der 1. Senat folgt der herrschenden Literatur insoweit, als denjenigen, der bereits bei Abgabe einer Steuererklärung positive Kenntnis von deren Unrichtigkeit hat, keine Berichtigungspflicht trifft. [10] Damit entzieht er der gegenteiligen Entscheidung des OLG Hamburg [11] den Boden. Eine Berichtigungspflicht bestehe jedoch dann, wenn "derjenige, der zunächst mit der Unrichtigkeit der Angaben nur gerechnet, sie aber nicht sicher gekannt hat, die Unrichtigkeit erst nachträglich sicher erkennt, wenn er also positiv später erfährt, dass seine Angaben tatsächlich unrichtig waren". [12] Der BGH lässt somit ein konkretes Für-Möglich-Halten und Billigen im Strafrecht für Vorsatz genügen, wissend, dass gemäß § 16 StGB Kenntnis für die Annahme von Vorsatz erforderlich ist. Im Steuerrecht spricht er dem Steuerpflichtigen die Kenntnis jedoch ab, wenn lediglich ein Für-Möglich-Halten der Unrichtigkeit der eigenen Angaben vorliegt. Dies erscheint bereits auf den ersten Blick als inkonsequent.
3. Auch das nach Auffassung des BGH "eindeutige" Verständnis des Wortlauts des § 153 AO erschließt sich nicht. Das Erfordernis des "sicheren" Wissens lässt sich dem Gesetz eindeutig nicht entnehmen. Damit ist bereits zweifelhaft, dass § 153 AO insoweit einer Auslegung, wie
sie der BGH vorgenommen hat, überhaupt zugänglich ist, da der Wortlaut der Norm der Auslegung anerkanntermaßen letzte Grenzen setzt.
4. Zugegebenermaßen lässt sich der mögliche Sinn des Gesetzeswortlauts oftmals erst nach Anwendung anderer Auslegungsmethoden feststellen. Dementsprechend fordert das Bundesverfassungsgericht, dass im Wege der Auslegung einem nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Gesetz nicht ein entgegengesetzter Sinn verliehen, der normative Gehalt der Norm nicht grundlegend neu bestimmt und das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden darf. [13] Das Bundesverfassungsgericht zieht die Grenze der Auslegung somit letztlich nicht allein am möglichen Wortsinn, sondern fragt auch danach, ob die dem Gesetz zugrunde liegende Wertung – die ratio legis – den zu beurteilenden Fall erfasst.
Aber auch insoweit überzeugen die Ausführungen des 1. Senats nicht. Sinn und Zweck des § 153 AO ist, die allgemeinen Regelungen zur Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht im Besteuerungsverfahren (§§ 90 Abs. 1 und 150 Abs. 2 AO) zu ergänzen. "Die Vorschrift soll gewährleisten, dass die Finanzbehörde von Besteuerungsgrundlagen Kenntnis erhält, die ihr bislang noch nicht bekannt waren." [14] Es bleibt das Geheimnis des 1. Senats, warum dieses Telos erst dann erfüllt sein soll, wenn der Steuerpflichtige erst bei sicherer Kenntnis von der Unrichtigkeit seiner Angaben zur Berichtigung gegenüber dem Finanzamt angehalten wird. Im Sinne der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht ist es uE näherliegend, den Kenntnisbegriff des § 153 AO möglichst extensiv zu verstehen, ihn also auch dann als einschlägig zu betrachten, wenn der Steuerpflichtige im Nachhinein die Unrichtigkeit seiner Angaben lediglich für möglich hält. Konsequenterweise ist § 153 AO in diesem Fall dann nicht einschlägig, wenn der Steuerpflichtige schon vorher – also nicht nachträglich – seine Angaben für falsch hielt und dies billigend in Kauf nahm. [15]
Die Entscheidung des 1. Senats setzt sich auch in Widerspruch zur Rechtsprechung des 5. Senats zur Strafbarkeit bei unterlassener Berichtigungspflicht.
1. In seiner Entscheidung vom 11.9.2007 [16], die im Übrigen auch im Beschluss vom 17.3.2009 zitiert ist, urteilte der 5. Senat, dass das Gericht auch dann, wenn der Steuerpflichtige lediglich der Steuerhinterziehung durch aktives Tun angeklagt ist, prüfen müsse, ob er sich nicht auch dadurch strafbar gemacht hat, dass er seine Pflicht zur Berichtigung aus § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO nicht nachgekommen ist. Es handele sich insoweit um eine einheitliche Tat im prozessualen Sinne. Zur Begründung führte der 5. Senat an, dass insbesondere für das Verhältnis von Diebstahl und Hehlerei anerkannt sei, dass auch bei sich rechtlich oder tatsächlich wechselseitig ausschließenden Straftatbeständen die für die Annahme eines einheitlichen geschichtlichen Lebensvorgangs erforderliche innere Verknüpfung zweier zeitlich und räumlich getrennter Vorgänge vorliegen kann, wenn die in der Anklage nach Objekt, Ort und Zeit der Handlung konkretisierte Straftat die Grundlage für die Verurteilung wegen der anderen Straftat bildet. Im Verhältnis von Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung zu einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) wegen Nichtberichtigung der nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung gelte nichts anderes. Zum einen beziehen sich beide Tatvarianten auf denselben Steueranspruch; zum anderen kann der Tatrichter nur dann prüfen, ob einer Berichtigungspflicht gemäß § 153 Abs. 1 Satz1 Nr. 1 AO bestanden hat, wenn er geklärt hat, ob sich der Angeklagte wegen einer nach Ort, Zeit und konkretem Steueranspruch eingegrenzten Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. [17]
2. Die Entscheidung des 5. Senats basiert damit auf der unabdinglichen Annahme, dass sich eine Steuerhinterziehung durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung und eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen wegen Nichtberichtigung der nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung hinsichtlich des identischen "Streitgegenstands" einander ausschließen. Hiervon ist der 1. Senat nunmehr abgerückt, ohne dass ihm die Rechtsprechungsänderung bewusst gewesen zu sein scheint.
In diesem Zusammenhang stellt sich ferner die Frage, wie eine Steuer durch Nichtberichtigung einer Steuererklärung kausal verkürzt werden kann, wenn die identische Steuer bereits zuvor durch die mit Eventualvorsatz abgegebene Falscherklärung hinterzogen wurde.
1. Bisher war dieses Problem in der Fallkonstellation der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung relevant, wenn bereits zuvor unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden. [18] Nach ständiger Rechtsprechung des BGH führt dies zu einer doppelten Strafbarkeit, weil den Erklärungen ein eigenständiger Erklärungswert zukomme. Dabei hat der 5. Senat maßgeblich darauf abgestellt, dass die fehlerhaften Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich zu einer Steuerverkürzung auf Zeit führen, während die falsche Jahreserklärung eine endgültige Steuerverkürzung bewirkt. [19]
2. Der 1. Senat begründet dies neuerdings – in ausdrücklicher Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung – mit der Besonderheit des umsatzsteuerlichen Besteuerungsverfahrens, dass das Verfahren der Umsatzsteuervoranmeldungen einerseits und die Umsatzsteuerjahreserklärung andererseits rechtlich selbstständig sind. [20]
3. Unabhängig davon, welche Begründung man für die doppelte Strafbarkeit im Umsatzsteuerverfahren anführt: Eine Vergleichbarkeit mit der vorliegenden Konstellation besteht nicht. Der unterlassenen Berichtigung kommt im Hinblick auf den Verkürzungserfolg kein eigener Erklärungswert zu, da bereits durch die Abgabe der unrichtigen Steuererklärung eine Steuerverkürzung auf Dauer eingetreten ist. § 153 AO stellt auch keine verfahrensrechtlich selbständige Erklärungsvorschrift dar. Sie ist lediglich eine Ergänzung der allgemeinen Erklärungspflichten iSd. §§ 149, 150 AO. Eine Auseinandersetzung mit dieser uE zwingenden Fragestellung bleibt der 1. Senat schuldig.
Schließlich postuliert der Beschluss des 1. Senats mit seiner Auslegung des § 153 AO nunmehr einen Zwang zur strafrechtlichen Selbstbelastung.
1. Nach dem in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten nemo-tenetur-Grundsatz [21] ist ein staatlicher Zwang zur strafrechtlichen Selbstbelastung schlechthin unzulässig. Die Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige und zur Richtigstellung führt jedoch dazu, dass das strafrechtliche Institut der Selbstanzeige durch eine im Steuerverwaltungsrecht angesiedelte Vorschrift unterlaufen wird. Durch die strafbewehrte Pflicht zur Berichtigung gem. § 153 AO wird das Recht zur Selbstanzeige in eine Pflicht zur Selbstanzeige umfunktioniert. [22] Hierin liegt auch ein systematischer Widerspruch zu § 393 Abs. 1 AO. Es ist widersinnig, bei drohender Selbstbelastungsgefahr zwar auf die Anwendung verwaltungsrechtlicher Zwangsmittel zu verzichten, den Steuerpflichtigen aber durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen zur Berichtigung anzuhalten.
2. Das Argument des 1. Senats, es fehle an einer drohenden Selbstbelastung, da die Selbstanzeigemöglichkeit bestehe, verfängt nicht. Die Straflosigkeit der Selbstanzeige stellt unstreitig einen persönlichen Strafaufhebungsgrund dar. Die Selbstbezichtigung zu einer tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Handlung bleibt hiervon unberührt. Ferner erfordert eine wirksame Selbstanzeige über die Berichtigung der fehlerhaften Angaben gemäß § 153 AO hinaus, neben dem Nichtvorliegen von Hinderungsgründen (§ 371 Abs. 2 AO) die Nachzahlung der verkürzten Steuern (§ 371 Abs. 3 AO). Es ist also keineswegs so, dass die Berichtigung automatisch zur Strafbefreiung führt.
3. Dies erkennt auch der 1. Senat und verweist im Fall des Bestehens von Hinderungsgründen auf ein außergesetzliches Verwertungsverbot. Es dürfte jedoch unzweifelhaft sein, dass ein Verwertungsverbot ohne entsprechende Fernwirkung nicht geeignet ist, dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit angemessen Rechnung zu tragen. [23]
Gegen die Strafbewehrung der Berichtigungspflicht iSd. § 153 AO im Falle der zuvor mit Eventualvorsatz abgegebenen unrichtigen Steuererklärung bestehen erhebliche rechtliche Bedenken. Der 1. Senat des BGH hat diese Bedenken in seiner Entscheidung vom 17.3.2009 nicht aufgelöst. Jenseits aller Einwände besteht auch keine Notwendigkeit, die Nichtberichtigung in der besprochenen Fallkonstellation unter Strafe zu stellen. Insoweit sei auf eine Entscheidung des I. Senats des BFH verwiesen: "Zweck der fehlenden Berichtigungspflicht bei bereits anfänglicher Kenntnis ist nämlich, dass in diesem Fall ohnehin schon eine Steuerstraftat vorliegt und dem Täter insoweit eine Selbstbezichtigungspflicht auch für das Steuerverfahren nicht zugemutet werden soll." [24] Dies muss unabhängig davon gelten, mit welcher Vorsatzform der Täter diese Steuerstraftat verwirklicht hat. Es bleibt zu hoffen, dass sich der BGH dieser Frage nochmals annimmt.
* STRECK MACK SCHWEDHELM, Rechtsanwälte und Fachanwälte für Steuerrecht, Köln/Berlin/München.
[1] BGHSt 53, 210 = HRRS 2009 Nr. 480.
[2] BGHSt 53, 71 = HRRS 2009 Nr. 127; zur Kritik s. nur Spatscheck/Zumwinkel, StraFo 2009, 4, mwN.
[3] BGHSt 53, 99 = HRRS 2009 Nr. 68.
[4] BGHSt 53, 221 = HRRS 2009 Nr. 483.
[5] BGH wistra 2009, 359 = HRRS 2009 Nr. 565.
[6] Eingehend: Wulf PStR 2009, 190; nur kursorisch: Schützeberg BB 2009, 1906; Weidemann Stbg. 2009, 559, 560; Sackreuther PStR 2009, 185, 188; Buse AO-StB 2009, 232.
[7] BGH wistra 2009, 315 = HRRS 2009 Nr. 481.
[9] BGHSt 47, 8, 12 ff.; BGH wistra 2002, 150.
[10] Tipke in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 153 AO Rz. 11 (Mai 2009); Brockmeyer in Klein, AO,10. Aufl. (2009), § 153 Rz. 4; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl. (2009), § 370 Rz. 182; Stahl, KÖSDI 2000, 12445, 12451; Schuhmann wistra 1994, 45, 47; Samson wistra 1990, 245, 246.
[11] HansOLG Hamburg wistra 1993, 274, unter Verweis auf OLG Karlsruhe BB 1966, 1379.
[12] BGH BGHSt 53, 210.
[13] BVerfGE 54, 277, 299.
[15] So auch Wulf PStR 2009, 190, 192.
[16] BGH wistra 2008, 22 = HRRS 2007 Nr. 997.
[17] BGH wistra 2008, 22.
[18] Vertiefend hierzu Talaska, Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Spannungsfeld von Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren (2006), S. 90 ff., mwN.
[19] BGH wistra 2005, 228 = HRRS 2005 Nr. 396.
[20] BGHSt 53, 221; die Rechtsprechungsänderung ist darauf zurückzuführen, dass der 1. Senat nunmehr auch bei Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen nicht mehr eine Steuerhinterziehung auf Zeit mit einem Zinsgewinn als Vorteil, sondern eine endgültige Steuerhinterziehung in Höhe des Nominalbetrags annimmt.
[21] BVerfGE 56, 37, 41 f.
[22] Schuhmann wistra 1994, 45, 48; Kottke DStR 1996, 1350.
[23] Vgl. auch Wulf PStR 2009, 190, 195.
[24] BFH/NV 2007, 1801, 1802.