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HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht
Februar 2010
11. Jahrgang
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1. Redakteure öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten sind Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. (BGHSt)
2. Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sind nicht schon auf Grund ihrer Rechtsnatur stets sonstige Stellen gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Der öffentlich-rechtlichen Organisationsform der betreffenden Stelle kommt in diesem Zusammenhang keine allein ausschlaggebende Aussagekraft zu. Sie hat allerdings erhebliche indizielle Bedeutung für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „sonstige Stelle“ (BGH NJW 2009, 3248, 3249 – zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen; vgl. auch BGHSt 37, 191, 195 ff.). (Bearbeiter)
3. Unter einer sonstigen Stelle ist eine behördenähnliche Institution zu verstehen, die selbst zwar keine Behörde im verwaltungsrechtlichen Sinn, aber rechtlich befugt ist, bei der Ausführung von Gesetzen und bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben mitzuwirken (BGHSt 49, 214, 219; BGH NJW 2007, 2932, 2933; 2009, 3248, 3249 – zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Zu den öffentlichen Aufgaben gehören dabei nicht nur die der Eingriffs- und Leistungsverwaltung, sondern auch der Bereich der staatlichen Daseinsvorsorge (st. Rechtspr.; vgl. BGHSt 38, 199, 201 m.w.Nachw.). Der hr wirkt – ebenso wie die übrigen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – in diesem Sinne bei der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mit. (Bearbeiter)
4. Für die Eigenschaft einer Anstalt oder Körperschaft des öffentlichen Rechts als sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB kommt es nicht darauf an, dass die betreffende Stelle bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben derart staatlicher Steuerung unterliegt, dass sie bei einer Gesamtbetrachtung der sie kennzeichnenden Merkmale als „verlängerter Arm“ des Staates erscheint. Dieses Abgrenzungskriterium hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für den Bereich der Tätigkeit privatrechtlich organisierter Einrichtungen und Unternehmen der öffentlichen Hand entwickelt (vgl. z.B. BGHSt 43, 370, 377; 45, 16, 19; 49, 214, 219; 50, 299, 303), weil es in diesem Zusammenhang eines aussagekräftigen Unterscheidungsmerkmals von staatlichem und privatem Handeln bedarf (BGH NJW 2007, 2932, 2933). Auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben in Organisationsformen des öffentlichen Rechts ist es nicht übertragbar. Vielmehr ist es hier gerade das institutionelle Moment, das die Integrität und Funktionstüchtigkeit des Verwaltungsapparats und das öffentliche Vertrauen in die staatlichen Institutionen in den Blick geraten lässt, auch ohne dass der Aufgabenträger einer Steuerung der Aufgabenerfüllung durch staatliche Behörden im engeren Sinn unterliegt. Vor diesem Hintergrund stellen auch solche Anstalten des öffentlichen Rechts, die auf Grund der besonderen Natur der ihnen zur Erfüllung anvertrauten öffentlichen Aufgabe von staatlicher Steuerung frei bleiben müssen und deshalb nicht der Staatsaufsicht unterliegen, sonstige Stellen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB dar. (Bearbeiter)
5. Für den Vorsatz hinsichtlich der Amtsträgerstellung reicht es grundsätzlich nicht aus, wenn der Betreffende nur um die seine Amtsträgerstellung begründenden Tatsachen weiß. Vielmehr muss er auch eine Bedeutungskenntnis gerade von seiner Funktion als Amtsträger haben (BGHR StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 Amtsträger 14 Rn. 20-21; BGH NJW 2009, 3248, 3250 – zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). (Bearbeiter)
Sowohl die Bejahung eines der Eingangsmerkmale des § 20 StGB als auch die Annahme eingeschränkter oder fehlender Schuldfähigkeit sind Rechtsfragen. Der Tatrichter hat daher zum einen bei der Entscheidung darüber die Darlegungen eines psychiatrischen Sachverständigen zu überprüfen. Zum anderen ist er verpflichtet, seine Entscheidung in einer für das Revisionsgericht nachprüfbaren Weise zu begründen.
1. Beharrliches Handeln im Sinne des § 238 StGB setzt wiederholtes Tätigwerden voraus. Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Täter aus Missachtung des entgegenstehenden Willens oder aus Gleichgültigkeit gegenüber den Wünschen des Opfers in der Absicht handelt, sich auch in Zukunft entsprechend zu verhalten. Eine in jedem Einzelfall Gültigkeit beanspruchende, zur Begründung der Beharrlichkeit erforderliche (Mindest)Anzahl von Angriffen des Täters kann nicht festgelegt werden. (BGHSt)
2. Die Lebensgestaltung des Opfers wird schwerwiegend beeinträchtigt, wenn es zu einem Verhalten veranlasst wird, das es ohne Zutun des Täters nicht gezeigt hätte und das zu gravierenden, ernst zu nehmenden Folgen führt, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung erheblich und objektivierbar hinausgehen. (BGHSt)
3. § 238 StGB ist kein Dauerdelikt. Einzelne Handlungen des Täters, die erst in ihrer Gesamtheit zu der erforderlichen Beeinträchtigung des Opfers führen, werden jedoch zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst, wenn sie einen ausreichenden räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufweisen und von einem fortbestehenden einheitlichen Willen des Täters getragen sind. (BGHSt)
4. Als Dauerdelikt sind nur solche Straftaten anzusehen, bei denen der Täter den von ihm in deliktischer Weise geschaffenen rechtswidrigen Zustand willentlich aufrecht erhält oder die deliktische Tätigkeit ununterbrochen fortsetzt, so dass sich der strafrechtliche Vorwurf sowohl auf die Herbeiführung als auch auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands bezieht. (Bearbeiter)
1. Der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 24. Oktober 2008 zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität führt nicht zu einer Änderung der bisherigen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB. (BGHSt)
2. Verfolgen die Mitglieder einer Gruppierung durch koordiniertes Handeln nicht nur kurzfristig ein gemeinsames Ziel, das über die Begehung der konkreten Straftaten hinausgeht, auf welche die Zwecke oder Tätigkeit der Gruppe gerichtet sind, so belegt dies regelmäßig den für eine Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB notwendigen übergeordneten Gemeinschaftswillen. (BGHSt)
3. Ein Rechtsmittel kann auf solche Beschwerdepunkte beschränkt werden, die losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach deren innerem Zusammenhang rechtlich und tatsächlich selbstständig geprüft und beurteilt werden können, ohne dass eine Prüfung des Urteils im Übrigen erforderlich ist. (Bearbeiter)
4. Eine Vereinigung ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Mindestmaß an fester Organisation mit einer gegenseitigen Verpflichtung der Mitglieder besteht. Diese innere Organisation muss so stark sein, dass sich die Durchsetzung der Ziele der Vereinigung nach bestimmten Gruppenregeln vollzieht und der individuelle Gestaltungseinfluss des Einzelnen dahinter zurücktritt; Straftaten und Aktionen müssen vor diesem Hintergrund stattfinden. Erforderlich ist dabei ein mitgliedschaftliches Zusammenwirken zu einem gemeinsamen Zweck mit verteilten Rollen und einer abgestimmten, koordinierten Aufgabenverteilung. (Bearbeiter)
5. Verfolgen die Mitglieder der Organisation nicht nur kurzfristig ein gemeinsames Ziel, das über die Begehung der konkreten Straftaten hinausgeht, auf welche die Zwecke oder Tätigkeit der Gruppe gerichtet sind, und handeln sie hierbei koordiniert zusammen, so ist insbesondere das Bestehen ausdrücklicher, verbindlicher Regeln der Willensbildung innerhalb der Gruppierung für das voluntative Element der Vereinigung nicht konstitutiv; deren Feststellung ist daher auch nicht geboten. (Bearbeiter)
6. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität wird es regelmäßig an der Verfolgung eines übergeordneten gemeinschaftlichen Ziels fehlen, da bei Wirtschaftsstraftaten typischerweise das persönliche Gewinnstreben des einzelnen Täters im Vordergrund steht. Hier sind daher die hergebrachten Grundsätze zur Feststellung des Grup-
penwillens weiterhin maßgebend, sodass Feststellungen dazu erforderlich sind, nach welchen Regeln sich der gemeinschaftliche Wille der Gruppierung bildet, denen die einzelnen Mitglieder folgen, weil sie sie als verbindlich ansehen. (Bearbeiter)
7. Das Gründen einer kriminellen Vereinigung weist einen im Verhältnis zur Mitgliedschaft selbstständigen Unrechtsgehalt auf. Dieser ist bei der Bewertung des Schuldumfangs im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen; außerdem ist im Schuldspruch zu verdeutlichen, dass der Angeklagte über die mitgliedschaftliche Beteiligung hinaus eine weitere, eigenständige Tathandlung des § 129 Abs. 1 StGB verwirklicht hat. (Bearbeiter)
8. Zwar sind bei der Auslegung des deutschen Rechts auch die in Rahmenbeschlüssen des Rates der Europäischen Union enthaltenen Vorgaben grundsätzlich zu berücksichtigen; denn die nationalen Gerichte haben ihre Auslegung des innerstaatlichen Rechts auch an deren Wortlaut und Zweck auszurichten (Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung, s. EuGH NJW 2005, 2839 – Pupino). Diese Verpflichtung der nationalen Gerichte besteht jedoch nicht uneingeschränkt; sie wird vielmehr durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot begrenzt (EuGH aaO S. 2841). Einer Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB, die sich an den zitierten Begriffsbestimmungen des Rahmenbeschlusses orientiert, stehen derartige allgemeine Rechtsgrundsätze des deutschen Strafrechts entgegen. (Bearbeiter)
1. Für die Feststellung eines Vermögensschadens ist eine Gesamtsaldierung vorzunehmen; es sind sämtliche durch die täuschungsbedingte Verfügung bewirkten Vermögensveränderungen zu vergleichen (BGHSt 45, 1, 4; BGHR StGB § 263 Abs. 1 Vermögensschaden 70). Maßgeblich kommt es auf den Vermögensstand des Opfers vor und nach dem Vertragsschluss an, wobei insbesondere auch die aus der Vereinbarung erwachsenen Sicherungen miteinzubeziehen sind (vgl. BGHR aaO Vermögensschaden 67, 71). Dabei kommt es in Betracht, dass ein Wertgefälle zwischen den versprochenen und tatsächlich lieferbaren Vertragsgegenständen durch „besondere Umstände“ kompensiert wird. So liegt es, wenn der tatsächliche (Minder)Wert gekaufter Bauteile aufgrund einer Vertragskonstruktion keine Rolle mehr spielte.
2. Zu einer möglichen „konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung“ durch tatsächliche Umstände, welche die Realisierung einer Vorsteuererstattung erschwerten. Eine derartige konkrete Gefährdung, die bereits einem Schaden entspricht, kann nur dann anerkannt werden, wenn der Betroffene ernstlich mit wirtschaftlichen Nachteilen zu rechnen hat.
3. Dem Senat erscheint – nicht tragend – die Auffassung zweifelhaft, der Vortäter einer Katalogtat nach § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB könne Dritter im Sinne des Isolierungstatbestandes nach § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB sein.
4. Der Kausalzusammenhang zwischen Vortat und Ersatzgegenstand stellt jedenfalls dann die für die Annahme eines „Herrührens“ im Sinne des Geldwäschetatbestandes (§ 261 StGB) erforderliche Verbindung für das Fortwirken der Kontamination dar, wenn das Surrogat einer unmittelbaren Beziehung zum Vortäter entstammt.
1. Ein Nachteil im Sinne des § 274 StGB kann in jeder Beeinträchtigung des Beweisführungsrechts eines Dritten liegen (vgl. BGHSt 29, 192, 196). Darunter ist vor allem die Vereitelung der Nutzung des gedanklichen Inhalts einer Urkunde in einer aktuellen Beweissituation zu verstehen (vgl. BGHR StGB § 274 Nachteil 1).
2. Für die Nachteilszufügungsabsicht kommt es nicht darauf an, ob der Nachteil tatsächlich eingetreten ist. Ausreichend ist es, dass es dem Täter auf die Verwirklichung des Nachteils ankommt oder ihm zumindest bewusst ist, dass seine Tat einen Nachteil zur Folge haben muss (vgl. BGH NJW 1953, 1924).
3. Erforderlich ist dabei nicht die Vorstellung des Täters, dass die Verwendung der Urkunde, die unterdrückt wird, unmittelbar bevorstehe oder jedenfalls in absehbarer Zeit zu erwarten sei. Es genügt vielmehr, wenn er weiß, dass der Urkunde eine potentielle Beweisbedeutung innewohnt, die sich jederzeit realisieren kann, und es ihm auf die Beeinträchtigung eines sich darauf beziehenden Beweisführungsrechts ankommt oder er dies als notwendige Folge seines Handelns hinnimmt. Auf eine bestimmte konkret bevorstehende Situation, in der die unterdrückte Urkunde für die Beweisführung beachtlich werden könnte, braucht sich die Vorstellung des Täters nicht zu beziehen. Lässt sich der Täter ein, überhaupt nicht mit einer möglichen späteren Verwendung der Urkunde durch Dritte gerechnet zu haben, kann dies im Übrigen nur dann zum Fehlen der Nachteilsabsicht führen, wenn sich zugleich eine Erklärung dafür finden lässt, warum die Urkunde dennoch unterdrückt worden ist.
1. Zwar entzieht es sich exakter wissenschaftlicher Beschreibung, wann eine konkrete Gefahr gegeben ist. Die Tathandlung muss aber jedenfalls über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus im Hinblick auf einen bestimmten Vorgang in eine kritische Situation geführt haben; in dieser Situation muss – was nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist – die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt gewesen sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (BGH NStZ 1996, 83).
2. Beim Befahren einer Kraftfahrstraße entgegen der Fahrtrichtung ist eine konkrete Gefahr nicht stets gegeben. Dass die Fortentwicklung der hier vorliegenden abstrakten Gefahr hin zu einer konkreten Gefahr hier nur vom Zufall abhängt, genügt für sich genommen nicht, um eine konkrete Gefahr im Sinne des § 315c StGB annehmen zu können.