HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Mai 2009
10. Jahrgang
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V. Wirtschaftsstrafrecht und Nebengebiete


Entscheidung

408. BGH 5 StR 353/08 - Beschluss vom 24. März 2009 (LG Rostock)

Firmenbestattung und Bankrott (Verschleierung seiner wirklichen geschäftlichen Verhältnisse; Treuhänderschaft); Betrug; Konkursverschleppung (Überschuldung; Zahlungsunfähigkeit); Stundungsbetrug; teilweise Einstellung des Verfahrens; nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe.

§ 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB; § 263 StGB; § 15a InsO; § 154 StPO; § 55 StGB

1. Die „geschäftlichen Verhältnisse“ des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB sollen vor allem Umstände erfassen, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit (Bonität) des in der Krise befindlichen Schuldners erheblich sind. Der Auffangtatbestand des § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB ist mit Blick auf die Gläubigerinteressen auszulegen.

2. Bei der Tathandlung des Verheimlichens muss der Täter die Gläubiger oder den Insolvenzverwalter über Zugriffsmöglichkeiten auf das Schuldnervermögen in Unkenntnis setzen oder halten; bei der Tathandlung des Verschleierns geht es um die unrichtige Darstellung insbesondere der Vermögensverhältnisse.

3. Die sogenannte Interessentheorie dürfte auf § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB keine Anwendung finden (vgl. allerdings BGH wistra 2000, 136 für § 283 Abs. 1 Nr. 8 erste Alternative StGB).

4. Von § 283 Abs. 1 Nr. 8 zweite Alternative StGB könnten sogar auch solche im Rahmen der „Firmenbestattung“ vorgenommenen Rechtsgeschäfte erfasst sein, bei denen die Rechtsfolgen von den Beteiligten tatsächlich gewollt sind. Die Rechtsgeschäfte könnten wegen der beabsichtigten Gläubigerbenachteiligung und der Umgehung der insolvenzrechtlichen Pflicht zur Antragstellung zivilrechtlich unwirksam sein (BGHR StGB § 266a Abs. 1 Vorsatz 2, insoweit in BGHSt 48, 307 nicht abgedruckt; vgl. auch § 15a Abs. 3 InsO n.F.).

5. Für die Verletzung der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist entschieden, dass der Tatbestand des Bankrotts nicht mehr verwirklicht werden kann, wenn die objektive Bedingung der Strafbarkeit bereits eingetreten ist (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 7b Zeit 1 m.w.N.). Entsprechendes könnte für § 283 Abs. 1 Nr. 8 StGB gelten.


Entscheidung

449. BGH 4 StR 20/09 - Beschluss vom 19. März 2009 (LG Dortmund)

Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme beim Betäubungsmittelhandel beim Kurier (entscheidende Bedeutung für das Gesamtgeschäft; Beihilfe; Mittäterschaft).

§ 25 Abs. 2 StGB; § 27 StGB; § 29 BtMG

1. Nach der neueren Rechtsprechung (vgl. BGHSt 51, 219 f.; Senat, Beschluss vom 25.6.2008 - 4 StR 230/08) ist für eine zutreffende Einordnung der Beteiligung des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag für das Umsatzgeschäft insgesamt und nicht allein für den Teilbereich des Transports zu bewerten. Für die Annahme täterschaftlicher Verwirklichung des Tatbestandes kommt es jedenfalls nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich eines isolierten Teilaktes des Umsatzgeschäftes inne hatte. Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt.

2. Die Bewertung einer Transporttätigkeit als mittäterschaftliches Handeltreiben kommt vornehmlich nur dann in Betracht, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, etwa am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar

beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll. Auch eine Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts spricht für die Annahme von Mittäterschaft, auch wenn seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann eine weitergehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung des Transports für eine über das übliche Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung am Gesamtgeschäft sprechen.

3. Eine Gehilfenstellung ist dagegen insbesondere dann anzunehmen, wenn die Tathandlung sich auf den Transport von Rauschgift zwischen selbständig handelnden Lieferanten und Abnehmern oder innerhalb der Sphäre von Lieferanten oder Abnehmer-Organisationen beschränkt und der Beteiligte nicht in der Lage ist, das Geschäft insgesamt maßgeblich mitzugestalten.

4. Dass der Angeklagte eine erhebliche Honorierung erwartete, ist für die Bewertung der Kuriertätigkeit als mittäterschaftliches Handeltreiben ohne Bedeutung (BGHSt 51, 219, 223).