HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Juli 2007
8. Jahrgang
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Aufsätze und Entscheidungsanmerkungen

Zur Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bei Einstellung des Strafverfahrens und damit verknüpften Nebenfolgen

(Reihe Strafprozessuale Leitfälle zur EMRK)

Von Ass. Prof. Dr. Daniela Demko (LLM), Luzern

I. Einleitung

Ziel der nachfolgenden Ausführungen ist es, anhand der Entscheidung A.L. gegen Deutschland [1] vom 28. April 2005 die Entwicklung der Rechtsprechung des EGMR zur Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bei der Einstellung von Strafverfahren und damit verknüpften Nebenfolgen, wie der Auferlegung von Kosten und/oder der Versagung von Entschädigungen für Strafverfolgungsmaßnahmen nachzuzeichnen. Aufgezeigt wird, wie sich die Ausgestaltung der Prüfungskriterien des EGMR im Laufe seiner Spruchpraxis - angefangen bei den Entscheidungen Adolf gegen Österreich [2] und Minelli gegen die Schweiz [3] über die Entscheidungen Nölkenbockhoff gegen Deutschland [4] , Lutz gegen Deutschland [5] und Englert gegen Deutschland [6] bis zur Entscheidung A.L. gegen Deutschland - verändert hat. In einer Gegenüberstellung jener verschiedenen Entscheidungen werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich gemacht, auf  bis heute vom EGMR nicht klar beantwortete Fragen hingewiesen und zu diesen kritisch Stellung genommen.

II.  Zum Sachverhalt der Entscheidung A.L. gegen Deutschland

In der Rechtssache A.L. gegen Deutschland leitete die Staatsanwaltschaft gegen den Beschwerdeführer (Bf.) wegen Betrugsverdachts strafrechtliche Ermittlungen ein. Nach Erlass eines Haftbefehls durch das Amtsgericht Wetzlar wurde der Bf. am 4. November 1994 wegen Verdunklungsgefahr festgenommen, jener Haftbefehl am 29. November 1994 aber mit der Maßgabe wieder außer Vollzug gesetzt, dass der Bf. keinen Kontakt zu seinen Mitbeschuldigten und den Zeugen in dem betreffenden Verfahren hat. Nach der Anklageerhebung am 10. Februar 1997 wurde der Haftbefehl aufgehoben. Mit Zustimmung des Bf. stellte das Landgericht Limburg das Verfahren nach § 153 a Abs. 2 StPO mit der Auflage an den Bf., 3500,- DM an den Verein für Straffälligenhilfe zu zahlen, vorläufig ein. Nach Erfüllung dieser Auflage wurde das Verfahren am 21. März 2000 durch das Landgericht in einer aus drei Richtern bestehenden Kammer endgültig eingestellt, dem Bf. die Entschädigung für die Untersuchungshaft aber versagt. In einem an den Verfahrensbevollmächtigten des Bf. gerichteten Schreiben vom 18. Mai 2000 bestätigte der Vorsitzende Richter der zuständigen Kammer des Landgerichts, dass bei Fortführung des Verfahrens das Landgericht das Hauptverfahren gegen den Bf. eröffnet hätte. In diesem Fall wäre der Bf.

mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verurteilt worden, wobei es hieß, dass "mit bei weitem überwiegender Wahrscheinlichkeit mit[einer]Verurteilung zu rechnen …" bzw. dass "... schon im Hinblick auf die Einreichung der diversen Mietwagenrechnungen mit einer Verurteilung wegen Betrugs zu rechnen"[7] war. Das die Beschwerde des Bf. verwerfende Oberlandesgericht Frankfurt verwies darauf, dass die Strafverfolgungsmaßnahmen gegen den Bf. auf einem dringenden Tatverdacht beruhten. Es führte sodann aus, dass die Berücksichtigung eines verbleibenden Tatverdachts bei der Entschädigungsfrage keine Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK darstelle, da es sich allein um eine zulässige und notwendige Bewertung der Verdachtslage, nicht aber um eine Feststellung oder Zuweisung von Tatschuld handele und die Frage der tatsächlichen Schuld oder der Verurteilungswahrscheinlichkeit nicht betroffen sei.[8] Auch das BverfG stellte fest, dass die Bewertung der Fachgerichte keine Feststellung einer Verurteilungswahrscheinlichkeit und keine strafrechtliche Schuldzuweisung darstelle. Es führte aus, dass Rechtsfolgen ohne Strafcharakter an einen verbleibenden Tatverdacht geknüpft werden können, wobei aus der Begründung - aus der Formulierung der Gründe und dem Sinnzusammenhang der gesamten Entscheidungsgründe - deutlich hervorgehen müsse, dass es sich um die Beschreibung und Bewertung einer Verdachtslage, nicht aber um eine Schuldfeststellung oder -zuweisung handelt.[9]

III. Die Prüfungsschritte und -kriterien des EGMR zur Feststellung einer Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bei Einstellung von Strafverfahren und damit verknüpften Nebenfolgen

1. Das Fehlen eines Anspruchs auf Kostenerstattung und Entschädigung aufgrund von Art. 6 Abs. 2 EMRK und anderen Konventionsbestimmungen

Die Rechtssache A.L. gegen Deutschland betrifft wie schon die Fälle Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz sowie die Fälle Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland die Frage nach der Bedeutung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK im Falle nicht-verurteilender Verfahrensbeendigungen und damit verbundenen Nebenfolgen, wie der Auferlegung von Kosten oder der Versagung von Entschädigungen für Strafverfolgungsmaßnahmen.

In A.L. gegen Deutschland wiederholte der EGMR wie schon in seinen früheren Entscheidungen insofern zunächst, dass weder Art. 6 Abs. 2 EMRK noch eine andere Konventionsbestimmung dem wegen einer strafbaren Handlung Angeklagten einen Anspruch auf Entschädigung für erlittene rechtmäßige Untersuchungshaft oder einen Anspruch auf Rückerstattung seiner Kosten gebe, wenn das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.[10] Eine Entscheidung, die die Erstattung notwendiger Auslagen oder die Entschädigung für Untersuchungshaft nach Einstellung des Verfahrens versagt, verletzt daher als solche nicht die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK.

2. Die »gleichwohl« mögliche Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK

Gleichwohl könne eine solche Entscheidung ein Problem nach Art. 6 Abs. 2 EMRK aufwerfen, sofern "tragende Gründe"[11] bzw. die Entscheidungsgründe, welche vom Tenor nicht trennbar sind, in "materiell-rechtlicher Hinsicht"[12], "ihrem wesentlichen Inhalt nach"[13] bzw. "im Kern"[14] eine Feststellung der Schuld des Angeklagten darstellen, ohne dass die Schuld des Angeklagten vorher entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen nachgewiesen wurde und insbesondere ohne dass der Angeklagten die Möglichkeit zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte hatte.[15]

Bereits seit Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz stellte der EGMR für die Frage, ob die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK durch eine Einstellungsentscheidung und in ihr angeordnete Nebenfolgen verletzt sei, nicht allein auf den Tenor, sondern auch auf die Begründung der Entscheidung ab.[16] Im Unterschied zu den früheren Urteilen des EGMR, in denen die förmlichen Entscheidungen und deren Gründe zu prüfen waren, hatte der EGMR in A.L. gegen Deutschland nicht allein die förmlichen Beschlüsse, sondern auch

eine informelle Äußerung eines Amtsträgers, nämlich das Schreiben der Vorsitzenden Richters vom 18. Mai 2000, das kein formaler Teil des die Entschädigung ablehnenden Beschlusses war, zu beurteilen.[17]

3. Die Prüfungskriterien des EGMR im Einzelnen

Für die Frage einer Verletzung des Art. 6 Abs. 2 EMRK stellte der Gerichtshof in A.L. gegen Deutschland, und zwar sowohl hinsichtlich der förmlichen Beschlüsse der innerstaatlichen Gerichte als auch hinsichtlich der informellen Äußerung des Vorsitzenden Richters auf ein Prüfungskriterium ab, das er bereits in seiner früheren Spruchpraxis herangezogen hatte:

Er unterschied zwischen eine Verdachtslage beschreibenden Entscheidungen und solchen, die eine Schuldfeststellung enthielten und betonte, dass nur letztere die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK verletzten.[18]

Wenn der EGMR auch auf die Unterscheidung zwischen Verdachtsfeststellungen und Schuldfeststellungen seit Adolf gegen Österreich in ständiger Rechtsprechung immer wieder zurückgreift, so hat sich der Umgang mit diesem Prüfungskriterium im Laufe seiner Spruchpraxis dennoch geändert. Nicht nur die Verständnisfrage, was als Schuld- und was als Verdachtsfeststellung anzusehen ist, und die Frage, ob auf das, was man mit der Entscheidung und deren Gründen ausdrücken »wollte« oder ausgedrückt »hat«, abzustellen ist, wurde in den verschiedenen Urteilen vom EGMR unterschiedlich beurteilt. Vielmehr kam zu dem Prüfungskriterium der Unterscheidung zwischen Verdachts- und Schuldfeststellungen im Laufe der Spruchpraxis des EGMR ein zweites Prüfungskriterium[19] hinzu, dessen Verhältnis zum ersteren vom Gerichtshof aber bis heute nicht hinreichend klar gestellt wurde.

a. Das (Haupt-)Prüfungskriterium der Unterscheidung zwischen Verdachts- und Schuldfeststellungen
aa. Das Prüfungskriterium der Unterscheidung zwischen Verdachts- und Schuldfeststellungen in den Entscheidungen Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz

Für die Beurteilung, ob die Begründungen der Einstellungsentscheidungen eine Verdachts- oder Schuldfeststellung darstellen, stellte der EGMR in Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz nicht auf die mit den Begründungen verbundenen Absichten, sondern auf die Wirkung jener Begründungen nach außen ab: Grundlage seiner Prüfung einer Verletzung der Unschuldsvermutung war der Gesichtspunkt, welchen Eindruck bzw. welchen Gedanken jene Begründungen erwecken bzw. in welcher Weise diese verstanden werden »konnten«.[20] Bereits an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass zwar auch in A.L. gegen Deutschland auf den Gesichtspunkt der Außenwirkung der zu beurteilenden (informellen) Äußerung zurückgegriffen wurde, der EGMR dort aber jene Außenwirkung nicht im selben Sinne wie in Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz zu verstehen scheint.[21]

Diesen äußeren Eindruck, den die Begründungen der Einstellungsentscheidung hervorrufen können, zugrunde legend, kam der EGMR im Falle Minelli gegen die Schweiz zum (Zwischen-)Ergebnis, dass es sich bei den Begründungsformulierungen der Einstellungsentscheidung, wonach der Bf. sehr wahrscheinlich bzw. mit höchster Wahrscheinlichkeit bzw. vermutlich verurteilt worden wäre, um eine Schuldfeststellung handele.[22] Dabei betonte er, dass eine Schuldfeststellung vorliege, "obschon in der Wortwahl eine gewisse Vorsicht beachtet wurde".[23] Jener Hinweis, dass sogar trotz vorsichtiger Wortwahl eine Schuldfeststellung gegeben ist, ist deshalb besonders interessant, weil der Gerichtshof in den nachfolgenden Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland überraschenderweise zu einem genau gegenteiligen Ergebnis gelangte und dies, obwohl die hier zu beurteilenden Begründungsformulierungen denen aus Minelli gegen die Schweiz ähnlich - wenn nicht gar noch weniger vorsichtig formuliert - waren.

Um zum (End-)Ergebnis einer Verletzung oder Nichtverletzung des Art. 6 Abs. 2 EMRK zu gelangen, beachtete der EGMR nun nicht allein die Einstellungsentscheidung als solche. Vielmehr stellte er diese in eine Gesamtwürdigung ein, indem er die Einstellungsentscheidung zusammen und im Lichte der letztinstanzlichen innerstaatlichen Entscheidung prüfte.[24] Durch jene, vom EGMR für möglich gehaltene nachträgliche Korrektur einer in einer Einstellungsentscheidung an sich enthaltenen Schuldfeststellung, welche im Rahmen des sich anschließenden innerstaatlichen Instanzenzuges getilgt bzw. richtig ge-

stellt wird, führte der Gerichtshof das Kriterium der Heilung in seine Prüfung einer Verletzung der Unschuldsvermutung ein.[25] Während in Adolf gegen Österreich die heilende Wirkung mit dem Abstellen auf die Rechtsnatur und das Wesen der der Einstellung zugrunde liegenden Vorschrift bejaht wurde,[26] verneinte der EGMR eine Heilung in Minelli gegen die Schweiz mit der Begründung, dass die letztinstanzliche Entscheidung sich darauf beschränkte, die Gründe für die Einstellungsentscheidung zu klären und ihr gewisse Nuancen hinzuzufügen, ohne aber deren "Sinn oder Umfang"[27] zu ändern. Jene Notwendigkeit, für eine Heilung den Bedeutungsgehalt und nicht nur den gewählten Wortlaut einer in einer Einstellungsentscheidung enthaltenen Schuldfeststellung zu ändern, brachte bereits die abweichende Meinung der Richter Cremona, Liesch und Pettiti in Adolf gegen Österreich zum Ausdruck: nach deren Ansicht konnte die in unzweideutiger unverkennbarer Sprache verfasste Einstellungsentscheidung nicht in einen anderen Sinn umgedeutet werden und die letztinstanzliche Entscheidung beseitigte die tatsächlich gemachten Schuldfeststellungen in der Einstellungsentscheidung durch "die bloß "hypothetische" Weißwaschung"[28] in keiner Weise.

bb. Das Prüfungskriterium der Unterscheidung zwischen Verdachts- und Schuldfeststellungen in den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland

In den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland waren vom Gerichtshof Begründungen der Einstellungsentscheidungen zu beurteilen, nach denen eine Verurteilung des Bf. sehr wahrscheinlich und mit annähender Sicherheit zu erwarten war.[29] Verstand der EGMR solche Formulierungen in Minelli gegen die Schweiz noch als Schuldfeststellung, so deutete er diese in Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland nun erstaunlicherweise als Verdachtsfeststellungen, und dies noch dazu mit dem Argument, "selbst wenn …" die verwendeten Ausdrücke "… zweideutig und wenig zufrieden stellend erscheinen können".[30] Betonte er in Minelli gegen die Schweiz noch, dass trotz vorsichtiger Wortwahl der von Sache her wohl ebenso zweideutigen und wenig zufrieden stellenden Begründungsformulierungen der Einstellungsentscheidung von einer Schuldfeststellung auszugehen sei, so hieß es nunmehr also - und zwar nicht nur im Gegensatz dazu, sondern auch, ohne dass der EGMR seinen Verständniswandel näher erklärte - dass es sich bei jenen Formulierungen in den Einstellungsentscheidungen trotz deren zweideutiger und wenig zufrieden stellender Wortwahl um bloße Verdachtsfeststellungen handele. Dass dies nicht unbestritten war, zeigten die abweichenden Richtermeinungen zu den Entscheidungen des EGMR, wonach die Begründungsformulierungen nicht zweideutig waren, sondern diese vielmehr mit sehr eindeutigem Wortlaut die Unschuldsvermutung in Wirklichkeit entkräfteten.[31]

Wie schon in Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz griff der EGMR auch in den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland auf das Kriterium der Heilung durch nachträgliche Korrektur der in einer Einstellungsentscheidung enthaltenen Schuldfeststellung zurück, indem er die im innerstaatlichen Instanzenzug getroffenen Entscheidungen in einer Gesamtwürdigung berücksichtigte.[32] Anders als in Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz stellte er aber nicht mehr auf die Außenwirkung und den Eindruck ab, den die Begründungsformulierungen machen konnten, sondern auf das, was die innerstaatlichen Gerichte mit diesen zum Ausdruck bringen "wollten"[33]. Offen ließ der EGMR insofern nicht nur, warum er in Abkehr von seiner früheren Spruchpraxis nunmehr auf die Absicht der Gerichte abstellte, sondern auch, in welcher Weise er jenes innere Moment ermitteln möchte und ob ein solches überhaupt ermittelbar ist, ohne die eigenen inneren Absichten in die der innerstaatlichen Gerichte hineinzulesen.[34] Wieder gab es deutliche Kritik durch den Richter Cremona, nach der "nicht die mögliche Absicht maßgeblich …" sei, mit der Äußerungen in Gerichtsentscheidungen gemacht wurden, sondern "… deren tatsächliche Bedeutung in der breiten Öffentlichkeit. Entscheidend ist, daß am Ende des Tages der Eindruck bleibt, daß der Bf. tatsächlich schuldig war".[35]

cc. Das Prüfungskriterium der Unterscheidung zwischen Verdachts- und Schuldfeststellungen in der Entscheidung A.L. gegen Deutschland
(1) Gemeinsamkeiten mit den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland
(1a) Verdachtsfeststellung trotz missverständlichen und unbefriedigenden Wortlautes und Heilung im innerstaatlichen Instanzenzug

Bei der Beurteilung der Formulierungen in dem informellen Schreiben des Vorsitzenden Richters an den Verfahrensbevollmächtigten des Bf., in welchem von einer weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung des Bf. die Rede war, folgte der EGMR seiner Spruchpraxis in den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland. Wieder hieß es, dass die im diesem Schreiben benutzten Begriffe "zwar missverständlich und unbefriedigend"[36] gewesen seien, jedoch wurde durch den EGMR eine Prüfung des gesamten innerstaatlichen Instanzenzuges vorgenommen und im Ergebnis jene missverständlichen und unbefriedigenden Formulierungen als geheilt angesehen.[37]

(1 b) Kritische Stellungnahme zur Argumentation des EGMR

In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung in Adolf gegen Österreich und Minelli gegen Schweiz scheint der EGMR seit Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland und nunmehr auch in A.L. gegen Deutschland die Anforderungen an das Vorliegen von Schuldfeststellungen erhöhen zu wollen. Dieses Anlegen eines scheinbar höheren Maßstabes für die Bejahung von Schuldfeststellungen ist nicht nur deshalb kritisch zu sehen, weil damit ein Senken des durch Art. 6 Abs. 2 EMRK gewährten Schutzes einhergeht und der EGMR noch dazu jegliche Begründungsversuche vermissen lässt, warum Formulierungen, die einst als Schuldfeststellungen angesehen wurden, nunmehr als Verdachtsfeststellungen zu verstehen seien. Kritik ist vielmehr auch deshalb angebracht, weil zwischen noch zulässigen Verdachtsfeststellungen und nicht mehr zulässigen Schuldfeststellungen häufig ein nur (oder gar zu) schmaler Grad liegt. Wann sind Äußerungen, die in der Grauzone zwischen eindeutiger Feststellung und eindeutiger Ablehnung der Tatschuld des Angeschuldigten liegen und damit das Ergebnis der Bejahung bzw. Verneinung von Schuld und Unschuld gerade offen lassen, nur bloße Verdachts- und nicht doch schon Schuldfeststellungen?

Dass ein taugliches Abgrenzungskriterium nicht der bloße Wortlaut der gewählten Formulierungen an sich sein kann, liegt auf der Hand und zeigt sich bereits schon an den unterschiedlichen Interpretationsversuchen in den oben dargelegten Entscheidungen, nach denen ein und dieselbe Formulierung in den Einstellungsentscheidungen von den Richtern des EGMR (und der Kommission) mal als zweideutig und mal als eindeutig ausgelegt wurde. Nicht der reine Wortlaut, sondern der gesamten Kontext, und zwar der rechtliche wie der tatsächliche Kontext, in den die zu beurteilende Formulierung eingestellt ist, muss zur Beurteilung des Vorliegens einer Verdachts- oder Schuldfeststellung herangezogen werden.[38] Auch in der Spruchpraxis des EGMR deutet sich diese Vorgehensweise vom Ansatz her an, wenn er auch bis heute nähere Ausführungen zum Zusammenspiel von rechtlichen und tatsächlichen Kontextelementen vermissen lässt.[39] Hervorzuheben ist und auch vom EGMR sollte dies zukünftig verstärkt hervorgehoben werden, dass es (auch für eine Heilung im innerstaatlichen Instanzenweg) nicht ausreichen kann, allein zu »sagen«, dass eine sich möglicherweise als Schuldfeststellung darstellende Formulierung eine bloße Verdachtsfeststellung sei, denn eine solche »Betitelung« verleiht jener Formulierung nur den offiziellen Deckmantel einer Verdachtsfeststellung, ohne diese aber tatsächlich zu einer solchen zu machen.

Muss für die Beurteilung, ob eine Verdachtsfeststellung oder Schuldfeststellung gegeben ist, auf den tatsächlichen Bedeutungsgehalt, den Sinn und die Reichweite der im Zusammenhang mit der Einstellungsentscheidung getroffenen Formulierungen abgestellt werden, so bleibt nicht zuletzt aber auch zu beachten, dass selbst Formulierungen, die (sogar noch) am Ende des Strafverfahrens »nur« von einem Tatverdacht sprechen, im Ergebnis Zweifel an der Unschuld des Angeschuldigten bestehen lassen und damit umgekehrt die Möglichkeit nicht ausschließen, dass der Angeschuldigte eventuell doch schuldig ist.[40] Zu Recht gefordert wird daher im Schrifttum mit mehr oder weniger großer Deutlichkeit, dass am Ende des Strafverfahrens jegliche Verdachtsklauseln in Einstellungsentscheidungen als unzulässig anzusehen seien und deshalb zu unterbleiben haben.[41]

(2) Unterschiede zu den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland sowie zu den Entscheidungen Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz
(2a) Das Abstellen auf die Außenwirkung der im Zusammenhang mit der Einstellungsentscheidung getroffenen Äußerungen - Rückkehr zu Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz?

Im Unterschied zu den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland stellte der EGMR für die Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht mehr auf die innere Absicht ab, die der Richter mit jenem Schreiben verfolgte, sondern auf die Außenwirkung dieses Schreibens. Er betonte insofern, dass dieses Schreiben ausschließlich für den Verfahrensbevollmächtigten des Bf. bestimmt war und die Aussagen in diesem Schreiben nicht in der Öffentlichkeit, wie etwa einer Pressekonferenz, getroffen wurden, und kam so zum Ergebnis, dass die Außenwirkung jener Aussagen gering sei.[42]

(2 b) Kritische Stellungnahme zur Argumentation des EGMR

Betonte der EGMR auch, dass die Verletzung der Unschuldsvermutung durch informelle Äußerungen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände, unter denen jene Äußerungen getroffen wurden, zu beurteilen sei,[43] so ließ er dennoch offen, wann eine Außenwirkung noch gering genug bzw. nicht mehr gering genug ist, um eine Verletzung des Art. 6 Abs. 2 EMRK verneinen zu können bzw. bejahen zu müssen. Weiterhin wirft die Entscheidung A.L. gegen Deutschland die Frage auf, ob es für eine Verletzung der Unschuldsvermutung darauf ankommt, ob eine (formelle oder informelle) Aussage tatsächlich - und wenn, welche Art von - Außenwirkung gehabt »hat«: Kann - zugegebenerweise etwas zugespitzt formuliert - das Bejahen oder Verneinen einer Außenwirkung und damit das Ergebnis einer Verletzung oder Nichtverletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK davon anhängen, ob eine Pressekonferenz stattgefunden oder nicht stattgefunden hat?

Geht es bei der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK darum, eine wegen einer Straftat angeklagte Person ohne gesetzlichen Nachweis ihrer Schuld nicht als der Tat schuldig anzusehen, so kann nicht allein entscheidend sein, ob und welchen Eindruck eine Aussage in der Öffentlichkeit tatsächlich gemacht hat, zumal eine solche Wirkung in der Öffentlichkeit mehr oder weniger vom Zufall abhängen kann und des weiteren unklar ist, wer diese "Öffentlichkeit" eigentlich sein soll. Vielmehr muss - wenn es zu keiner tatsächlichen Außenwirkung kam - auch entscheidend sein, welchen Eindruck jene Aussagen auf einen objektiven Betrachter machen »konnten«. Jenes Abstellen auf eine Art objektiven Empfängerhorizont[44] deutete sich - im Unterschied zu A.L. gegen Deutschland - in den Entscheidungen Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz in stärkerem Maße an, legte der EGMR in jenen Entscheidungen seiner Prüfung einer Verletzung des Art. 6 Abs. 2 EMRK doch den Eindruck und das Verständnis zugrunde, den bzw. das die Einstellungsbegründungen erwecken »konnten«[45].

Nachdem die Frage, ob auf die mit einer Formulierung verbundenen Absichten oder Wirkungen abzustellen ist, vom EGMR in Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz einerseits, in den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland andererseits und in der Entscheidung A.L. gegen Deutschland wiederum anders beantwortet wurde, bleibt zu hoffen, dass der Gerichtshof jenem Kriterium in der zukünftigen Rechtsprechung einen klareren Bedeutungsgehalt gibt.

b. Das (Hilfs-)Prüfungskriterium des (Nicht-)Vorliegens einer Strafe oder Maßnahme, die einer Strafe gleichkommt

Seit den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland fügte der EGMR seinem ersten Prüfungskriterium ein zweites hinzu, dem neben dem ersteren eher der Charakter einer zusätzlich angehängten "Hilfserwägung"[46] zuzukommen scheint: Obwohl in den Entscheidungen Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland bereits das Vorliegen einer Schuldfeststellung verneint wurde, beendete der Gerichtshof seine Prüfung nicht, sondern betonte, dass "des weiteren"[47] keine Strafe oder Maßnahme, die einer Strafe gleichkomme, vorgelegen habe. Auch in A.L. gegen Deutschland wies er nach Ablehnung des Vorliegens einer Schuldfeststellung darauf hin, dass die Entschädigungsversagung außerdem keine Strafe oder einer Strafe gleichkommende Maßnahme gewesen sei.[48]

Keine genaue Antwort gibt der EGMR auf die Frage, in welchem Verhältnis beide Prüfungskriterien zueinander stehen und ob eine Verletzung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK verlangt, dass beide Kriterien

kumulativ erfüllt sind oder ob es genügt, dass eines der Prüfungskriterien alternativ gegeben ist. Deutlich ist insofern auch die an der Prüfungsweise des EGMR geübte Kritik, nach der eine Verletzung der Unschuldsvermutung nicht davon abhängen könne, ob eine Strafe oder eine einer Strafe gleichkommende Maßnahme verhängt worden sei.[49] Auch hinsichtlich dieses zweiten Prüfungskriteriums bleibt mithin zu wünschen, dass der EGMR die Frage nach dessen Verhältnis zum ersten Prüfungskriterium in seiner zukünftigen Spruchpraxis im Sinne eines "und" oder "oder" klar beantwortet und damit seine Ansicht zum Schutzbereich der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK offen legt.

4. Zusammenfassung

Gezeigt haben die obigen Ausführungen, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Bedeutung der Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK bei Einstellung von Strafverfahren und deren Nebenfolgen nicht nur nicht einheitlich ist, sondern zudem klare und eindeutige Antworten auf eine Vielzahl an Fragen vermissen lässt. Dies ist nicht nur deshalb kritisch zu betrachten, weil es sich bei der Unschuldsvermutung um einen "zur Altsubstanz der Menschenrechtsgarantien zählenden Grundsatz"[50] handelt, der für eine am Schuldgrundsatz ausgerichtete rechtsstaatliche Strafrechtspflege von unverzichtbarer und fundamentaler Bedeutung ist. Nimmt man die Unschuldsvermutung als Recht »für« einen Menschen Ernst, muss dies bedeuten, dass eine wegen einer Straftat angeklagte Person zwar während des Strafverfahrens mit einem Tatverdacht belastet werden kann, soll dieser doch gerade in jenem Verfahren aufgeklärt werden. Nach Ende des Strafverfahrens endet für ihn aber jene Möglichkeit der Verdachtsaufklärung, so dass aus dem »ehemals Verdächtigen« nicht - und zwar auch nicht in Einstellungs- und Kostenentscheidungen mehr oder weniger versteckt - ein »weiterhin Verdächtiger« gemacht werden darf, sondern dieser vielmehr von der Last eines Zweifel an seiner Unschuld durchscheinenden Tatverdachts zu befreien ist.


[1] EGMR, A.L. gegen Deutschland, Urt.v. 28. April 2005, Nr. 72758/01; siehe zur nichtamtlichen deutschen Übersetzung aus dem Englischen unter www.coe.int/t/d/menschenrechtsgerichtshof/dokumente_auf_deutsch und unter www.hrr-strafrecht.de, HRRS-Datenbank.

[2] EGMR, Adolf gegen Österreich, Urt.v. 26. März 1982, Nr. 8269/78; siehe dazu EuGRZ 1982, 297 ff.

[3] EGMR, Minelli gegen die Schweiz, Urt.v. 25. März 1983, Nr. 8660/79; siehe dazu EuGRZ 1983, 475 ff.

[4] EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland, Urt.v. 25. August 1987, Nr. 10/1986/108/156, siehe dazu EuGRZ 1987, 410 ff.

[5] EGMR, Lutz gegen Deutschland, Urt.v. 25. August 1987, Nr. 8/1986/106/154, siehe dazu EuGRZ 1987, 399 ff.

[6] EGMR, Englert gegen Deutschland, Urt.v. 25. August 1987, Nr. 9/1986/107/155, siehe dazu EuGRZ 1987, 405 ff.

[7] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 13, HRRS-Datenbank, Rn 11.

[8] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 15, HRRS-Datenbank Rn 13.

[9] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 17, 18, HRRS-Datenbank Rn 15, 16.

[10] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 32, HRRS-Datenbank  Rn 36; EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), EuGRZ 1987, 413 Z 36; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), EuGRZ 1987, 403 Z 59; EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), EuGRZ 1987, 408, 409 Z 36; siehe auch bereits EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 479 Z 34, 35.

[11] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 33, HRRS-Datenbank  Rn 37.

[12] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 33, HRRS-Datenbank  Rn 37.

[13] EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), EuGRZ 1987, 409 Z 37.

[14] EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), EuGRZ 1987, 413 Z 37; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), EuGRZ 1987, 403 Z 60.

[15] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 33, HRRS-Datenbank  Rn 37; EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), EuGRZ 1987, 413 Z 37; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), EuGRZ 1987, 403 Z 60; EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), EuGRZ 1987, 409 Z 37; deutlich insofern auch bereits EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 479 Z 37.

[16] EGMR, Adolf gegen Österreich (Fn. 2),EuGRZ 1982, 302 Z 39; EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 479, 480 Z 37, 38.

[17] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 36, 37, HRRS-Datenbank  Rn 40, 41.

[18] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 34, HRRS-Datenbank  Rn 38.

[19] Siehe dazu unter III. 3. b.

[20] EGMR, Adolf gegen Österreich (Fn. 2), EuGRZ 1982, 302  Z 38: "konnte" und Z 39: "kann"; EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 479 Z 37: "den Gedanken aufkommen läßt".

[21] Siehe dazu näher unter III. 3. cc. (2).

[22] EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 479, 480 Z 38; in EGMR, Adolf gegen Österreich (Fn. 2), EuGRZ 1982, 302, Z 38 beschränkte sich die Begründung des Bezirksgerichts nicht auf die Beschreibung einer Verdachtslage, so dass der EGMR vom Vorliegen einer an sich gegebenen Schuldfeststellung auszugehen schien, was auch daraus folgt, dass er betonte, dass infolge der nachträglichen Klarstellung durch das Urteil des obersten Gerichtshofes die Vermutung der Unschuld "nicht länger" (Z 40) in Frage stand.

[23] EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 479 Z 38.

[24] Westerdieck, Die Straßburger Rechtsprechung zur Unschuldsvermutung bei der Einstellung von Strafverfahren, EuGRZ 1987, 393, 396 unterscheidet zwischen einem zweistufigen Aufbau bei Adolf gegen Österreich und Minelli gegen die Schweiz und einer Gesamtwürdigung bei Nölkenbockhoff, Lutz und Englert gegen Deutschland.

[25] EGMR, Adolf gegen Österreich (Fn. 2), EuGRZ 1982, 302, Z 40; EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 480 Z 40.

[26] EGMR, Adolf gegen Österreich (Fn. 2), EuGRZ 1982, 302, Z 40.

[27] EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 480 Z 40.

[28] EGMR, Adolf gegen Österreich (Fn. 2), abweichende Meinung der Richter Cremona, Liesch und Pettiti, EuGRZ 1982, 303.

[29] EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), EuGRZ 1987, 414 Z 39: eine Verurteilung war bei Fortsetzung des Verfahrens "annähernd sicher zu erwarten" bzw. "wesentlich wahrscheinlicher" bzw. der Bf. wäre "mit annähernder Sicherheit verurteilt" geblieben; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), EuGRZ 1987, 403 Z 62: Verurteilung mit "hoher Wahrscheinlichkeit" bzw. "annähernder Sicherheit"; EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), EuGRZ 1987, 409 Z 39: Verurteilung "deutlich wahrscheinlicher" als ein Freispruch.

[30] EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), EuGRZ 1987, 414 Z 39; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), EuGRZ 1987, 403 Z 62; EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), EuGRZ 1987, 409 Z 39.

[31] Siehe etwa EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), abweichende Meinung des Richters Cremona, EuGRZ 1987, 409, 410; siehe auch die deutliche und zutreffenden Kritik von Kühl, Rückschlag für die Unschuldsvermutung aus Straßburg, NJW 1988, 3233, 3235.

[32] EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), EuGRZ 1987, 414 Z 39; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), EuGRZ 1987, 403 Z 62.

[33] EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), EuGRZ 1987, 414 Z 39; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), EuGRZ 1987, 403 Z 62; EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), EuGRZ 1987, 409 Z 39:"wollte".

[34] Siehe auch die Kritik von Westerdiek (Fn. 24), EuGRZ 1987, 397.

[35] EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), abweichende Meinung des Richters Cremona, EuGRZ 1987, 415; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), abweichende Meinung des Richters Cremona, EuGRZ 1987, 404; EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), abweichende Meinung des Richters Cremona, EuGRZ 1987, 410; siehe auch die deutliche Kritik von Kühl (Fn. 31), NJW 1988, 3225.

[36] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 38, HRRS-Datenbank  Rn 42.

[37] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 36, 38, 39, HRRS-Datenbank  Rn 40, 42, 43.

[38] Siehe zur rechtlichen und tatsächlichen Verletzung der Unschuldsvermutung näher Triffterer, Sind § 42 StGB und seine Ausformung im Prozessrecht mit Art. 6 EMRK vereinbar?, ÖJZ 1982, 647 ff.

[39] So stellte der EGMR bereits in EGMR, Adolf gegen Österreich (Fn. 2), EuGRZ 1982, 302, Z 40 auf die Rechtsnatur der der Einstellung zugrunde liegenden Vorschrift ab und sagte auch in EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 31, 37, HRRS-Datenbank  Rn 35, 41, dass die besonderen Umstände des Falles, unter denen die zu beurteilende Aussage getätigt wurden, zu berücksichtigen seien.

[40] Ebenso die treffende Formulierung von Trechsel, Struktur und Funktion der Vermutung der Schuldlosigkeit, Ein Beitrag zur Auslegung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK, SJZ 1981, 335, 339.

[41] Siehe dazu etwa Trechsel (Fn. 40), SJZ 1981, 335, 339, Kühl, Unschuldsvermutung und Einstellung des Strafverfahrens, NJW 1984, 1264, 1268: "Die "offizielle Verdachtslage" sollte mit dem Abschluß des Strafverfahrens enden!"; Vogler, Straf- und strafverfahrensrechtliche Fragen in der Spruchpraxis der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ZStW 1977, 761, 786; Liemersdorf/Miebach, Strafprozessuale Kostenentscheidungen im Widerspruch zur Unschuldsvermutung, NJW 1980, 371, 374; vorsichtiger Frowein, Zur Bedeutung der Unschuldsvermutung in Art. 6 Abs. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: Festschrift für Huber, 1981, 553, 560 f.

[42] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 39, HRRS-Datenbank  Rn 43.

[43] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 31, 37, HRRS-Datenbank  Rn 35, 41.

[44] So auch Triffterer (Fn. 38), ÖJZ 1982, 647, 647 f. mit näheren Ausführungen zum massgebenden "objektive(n) Erscheinungsbild" (647) bzw. Eindruck auf einen "objektiven Laienbeobachter" (647) bzw. "unbefangene(n) Dritte(n)" ( 648); siehe dazu auch Kühl (Fn. 31), NJW 1988, 3233, 3235: "Empfängerperspektive des von solchen Äußerungen Betroffenen".

[45] EGMR, Adolf gegen Österreich (Fn. 2), EuGRZ 1982, 302, Z 38: "konnte" und Z 39: "kann"; EGMR, Minelli gegen die Schweiz (Fn. 3), EuGRZ 1983, 480 Z 37: "den Gedanken aufkommen läßt".

[46] Kühl (Fn. 31), NJW 1988, 3236 mit zutreffenden weiteren Ausführungen.

[47] EGMR, Nölkenbockhoff gegen Deutschland (Fn. 4), EuGRZ 1987, 414 Z 40; EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), EuGRZ 1987, 403 Z 63; EGMR, Englert gegen Deutschland (Fn. 6), EuGRZ 1987, 409 Z 40.

[48] EGMR, A.L. gegen Deutschland (Fn. 1), Z 38, HRRS-Datenbank  Rn 42.

[49] Siehe etwa Kühl (Fn. 31), NJW 1988, 3235 f.; Kühl (Fn. 41), NJW 1984, 1268; Westerdieck (Fn. 24), EuGRZ 1987, 397 f.; siehe auch EGMR, Lutz gegen Deutschland (Fn. 5), abweichende Meinung des Richters Cremona, EuGRZ 1987, 404.

[50] Gollwitzer, Menschenrechte im Strafverfahren, MRK und IPBPR, 2005, Art. 6 MRK/Art. 14 IPBPR N 103.